Titel: | Interessante elektrostatische Entladungserscheinungen an einer Hochspannungsleitung. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 618 |
Download: | XML |
Interessante elektrostatische
Entladungserscheinungen an einer Hochspannungsleitung.
Interessante elektrostatische Entladungserscheinungen an einer
Hochspannungsleitung.
Die Telluride Power Transmission Company überträgt
den, in ihrer nahe der Stadt Provo südlich vom Salzsee in Utah gelegenen Zentrale,
erzeugten Strom von 40000 Volt Spannung nach den Minendistrikten von Mercur und
Tintic auf eine Entfernung von 56 bezw. 89,6 km, während eine dritte Linie von 112
km, über die Berge gehend, diese beiden Minendistrikte untereinander verbindet und
als Ausgleichslinie dient, nebstbei aber die Versorgung der beiden Plätze mit Kraft
dann übernimmt, wenn eine der beiden anderen Linien untauglich wird. Die erste
dieser Linien ist aus Kupferdraht, die beiden letzten Linien sind hingegen aus
Aluminiumdraht hergestellt.
Die Leitungen jeder dieser Linien, drei an der Zahl, sind äusserst sorgfältig
isoliert und in Form eines gleichseitigen Dreieckes parallel zu einander gespannt,
wie dies Fig. 1 zeigt. Einer der Drähte ist an einem
Isolator an der Spitze des Leitungsmastes, die beiden anderen nahe an den beiden
Enden des Querarmes befestigt und sind dieselben annähernd genau je 2 m voneinander
entfernt. Die Isolatoren einer spezialen, eigens für diesen Zweckgeschaffenen
Type sind aus Glas und werden auf hölzernen Zapfen, die vorher in Paraffin gekocht
wurden, aufgesetzt. Der Querarm selbst wird durch vier seitliche Holzspreizen
gestützt und werden zur gegenseitigen Verbindung sowie mit dem Maste nur Holzzapfen
verwendet, so dass sich an dem ganzen Säulengestänge, ausser den Leitungsdrähten,
kein wie immer gearteter Metallbestandteil findet. Zur weiteren Vorsicht sind die
Querarme nebst den Spreizen mit einer schwarzen isolierenden Komposition
überzogen.
Textabbildung Bd. 316, S. 618
Fig. 1.
Dank dieser vorzüglichen Isolierung beträgt der Leitungsverlust nur etwa 4 % der
eingelieferten Energie von insgesamt 1500 Kilo-Watt.
Diese Kraftübertragungslinien sind nun von Zeit zu Zeit sogen. Salzstürmen
ausgesetzt, indem von den Ufern des Salzsees durch heftige Winde feine
Salzpartikelchen aufgewirbelt, mitgenommen und oft sehr weit mitgetragen werden.
Gelangen nun diese Salzmassen mit feuchter Luft in Berührung, so werden dieselben
klebrig und haften auf allen Gegenständen, zu welchen dieselben hingetragen werden,
fest an. Auf diese Weise wird das Gestänge reichlich mit Salz inkrustiert, und
treten in solchen Fällen, insbesondere in den höher gelegenen Leitungsteilen, welche
in der Regel von einer nebeligen Atmosphäre umgeben sind, in kurzen Zwischenpausen
mächtige elektrostatische Entladungen auf, welche zeitweilige Kurzschlüsse
verursachen und das Licht auf Momente zum Verlöschen bringen und gelegentlich auch
den Gang der Motoren beeinflussen.
Diese Entladungen werden am besten zur Nachtzeit sichtbar und gewähren einen
prachtvollen Anblick. Die Entladung beginnt mit Funkensprühen von den Isolatoren
aus, wobei dasselbe oft von einem Dutzend Säulen gleichzeitig ausgeht. Es scheint am
Umfange jedes Isolators ein Punkt zu sein, von welchem eine Serie von Funken
ausbricht, sich längs der Unterseite desselben zu Zapfen fortpflanzt und von
demselben zu dem Querarm übergeht.
Manchesmal scheint sich der Funken am Querarm zu erschöpfen, indem er dort
verschwindet. Die Funken selbst verlaufen in Wellenform, sind von blauer Farbe und
zischen wie die Entladungsfunken einer Leydener Flasche. Die einzelnen Funken folgen
sich mit immer steigernder Geschwindigkeit, bis von einem zweiten Ausgangspunkt des
Isolators, dann von einem dritten und weiter folgenden Punkte ebenfalls solche
Funken ausgehen und endlich ein kontinuierliches Funkensprühen von der oberen
Aussenfläche des Isolators zu bemerken ist, welches von einem brüllenden Geräusche
begleitet wird. Die Zahl der Funken wird so gross, dass eine Bewegung derselben bis
zur Mitte des Querarmes stattfindet. Hierbei scheinen die Funken sich nicht mehr
längs der Unterseite des Isolators zu dem tragenden Zapfen zu bewegen, sondern
direkt von dem Rande desselben überzuspringen. Sobald sich die Funken zweier
Isolatoren in der Mitte des Querarmes treffen, nehmen sie die Form eines Lichtbogens
an, welcher sich von demselben in die Höhe streckt und von Draht zu Draht
ausbreitet. Die Flamme erreicht hierbei oft eine Höhe von 2 bis 2½ m und währt 1 bis
2 Sekunden, wobei sie an den Drähten plötzlich abbricht. Dieser Flammenbogen
erscheint immer nur an einer Säule, während das ursprüngliche Funkensprühen an einer
grösseren Zahl von Säulen gleichzeitig auftritt. Sobald der Lichtbogen, von welchem
in Fig. 2 die Reproduktion nach einer
photographischen Aufnahme gegeben ist, bemerkbar wird, verschwindet das
Funkensprühen an den übrigen Säulen auf 30 bis 60 Sekunden, um sodann wieder zu
beginnen.
Alle diese Entladungen gehen von den zwei aussenseitigen Leitungen aus, wenn auch das
Funkensprühen von dem Isolator an dem Zapfende der Säule gleichfalls bemerkbar wird.
Diese Funken scheinen jedoch nach abwärts zu kriechen und an der Bildung des
Flammenbogenskeinen Anteil zu nehmen. Ebenso zeigen die Instrumente in der
Zentrale nur einen Kurzschluss zwischen den beiden Aussenleitungen an.
Aehnliche Erscheinungen treten zeitweilig auch bei wolkenlosem Himmel auf, doch sind
dieselben im Vergleich mit jenen Entladungen, wie solche, wenn sich zufällig eine
Wolkenschicht in der Höhe der Leitungen befindet, bemerkbar werden, äusserst
schwach, so dass dieselben weder eine Störung in den Lampen, noch in den
Elektromotoren hervorrufen.
Wie zahlreich diese elektrostatischen Entladungen bei Eintritt solch ungünstiger
Verhältnisse werden können, zeigt, dass einmal in der Zeit von 8 Uhr 30 Minuten
abends bis Mitternacht annähernd 80 solcher von Flammenbogen begleiteten Entladungen
auf einer Leitungsstrecke von 3,2 km gezählt werden konnten. Es war hierbei genau zu
beobachten, wie sich die Wolken längs der Leitung bewegten und die Entladungen
dieser Bewegung folgten.
Es liegt nun die Vermutung nahe, dass derartige von so auffälligen Erscheinungen
begleitete statische Entladungen, sowohl auf die Zentrale als auch auf die
eingeschalteten Lampen und Motoren, ferner auf das die Leitungen tragende
Säulengestänge nachteilig einwirken und dieselben zerstören müssen.
Textabbildung Bd. 316, S. 619
Fig. 2.
Nun zeigte sich, dass, ausser dem zeitweiligen und nur für Momente dauerndem
Verlöschen der Lampen und kaum bemerkbaren Störungen im Betriebe der Elektromotoren,
der gesamte hierdurch angerichtete Schaden in dem Abschmelzen zweier Bleisicherungen
in der Zentrale bestand.
Auch die Untersuchung des Säulengestänges und der Isolatoren ergab keinerlei
bemerkenswerte Ergebnisse, indem das Paraffin, in welchem die Zapfen getränkt sind,
nur wenige lichte braune Flecke aufwies, und das die Querarme bedeckende Salz durch
diese Entladungen in Zickzacklinien abgestäubt wurde.
Da der angerichtete Schaden unter so ungünstigen Verhältnissen nahezu als Null
bezeichnet werden kann, zeigt sich die Kraftübertragung mit so hohen Spannungen als
ein grosser Erfolg, und ist die Telluride Power Company
nunmehr im Begriff, für eine neue im Bau begriffene Linie die Betriebsspannung auf
60000 Volt zu erhöhen, nachdem eingehende Vorversuche ergeben haben, dass eine
Kraftübertragung mit 125000 Volt möglich ist.