Titel: | Schiffsantrieb mittels der Marchand'schen Doppelturbine. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 425 |
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Schiffsantrieb mittels der Marchand'schen
Doppelturbine.
Schiffsantrieb mittels der Marchand'schen
Doppelturbine.
Seit Ende Januar laufenden Jahres werden in Asnières auf der Seine Versuche mit einem
kleinen Flussdampfer durchgeführt, der an Stelle der Schraube mit einer Art
umgekehrter Doppelturbine ausgerüstet ist, welche den Antrieb des Schiffes lediglich
im Wege der Wasserreaktion bewirkt. Das betreffende Versuchsboot besitzt eine Länge
von 14 m, am Bord eine Breite von 2,25 m und am Kiel eine Breite von 0,70 m;
dasselbe war früher mit einer gewöhnlichen Schiffsschraube versehen und wurde nur
insoweit abgeändert, als jetzt die Dampfmaschine des Bootes anstatt der beseitigten
Schrauben welle die Turbinenachse antreibt.
Bekanntlich ist die Idee, die Wasserreaktion zum Schiffsantrieb zu benutzen, eine
sehr alte, da sie schon von Rumsay, James Watt,
späterhin von Ruthven, Thornycroft, Dr. Fleischer, Dr. Janson,
Bernouilli u. v. a. aufgeworfen und empfohlen wurde. In jüngerer Zeit hatte
dieses Prinzip auch Professor Zeuner mit Henschel-Jonval'schen Turbinen auf Elbeschiffen erprobt
und durch gelungene AusführungenVgl. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure,
1894 S. 1.) der deutschen Elbeschiffahrtsgesellschaft „Kette“ bereits seit 1893 zur praktischen Reife
gebracht. Durch Zeuner wurde denn auch rechnungsmässig
wie im Versuchswege erhoben, dass den Turbinen als Treibvorrichtungen für Schiffe
gegenüber der Schiffsschraube der Vorzug zugesprochen werden müsse, weil bei den
ersteren sich weniger Kraftverluste ergeben, als bei den letzteren. Wenn diese für
die Schiffahrt so wichtige Feststellung trotzdem – mindestens für die Freifahrten –
nicht eifriger weiterverfolgt wurde, sondern vorwiegend nur bei der Kettenschiffahrt
für die Thalfahrten Verwertung gefunden hat, so mag das vornehmlich nur mehr in den
Schwierigkeiten gelegen gewesen sein, welche sich bis dahin beim Turbinenbetrieb
hinsichtlich des leichten und raschen Wechsels der Fahrtrichtung ergeben hatten.
Eben in dieser Beziehung ist es nun E. E. Marchand
gelungen, einen gewissen Erfolg zu erzielen, welcher für die gedeihliche
Weiterentwickelung der in Rede stehenden Form des Schiffsantriebes möglicherweise
nicht ohne günstige Rückwirkung bleiben dürfte.
Textabbildung Bd. 316, S. 425
Der in Fig. 1 im Längsschnitte dargestellte
Schiffsmotor hat seinen Platz am Hinterdeck des Versuchsbootes und besteht im
wesentlichen nur aus zwei miteinander verbundenen Marchand'schen, bekanntlich turbinenartig angeordneten Zentrifugalpumpen.
Das gusseiserne RohrgehäuseTT1, welches diese Pumpen bezw. Turbinen einschliesst
und mittels des Untergestelles DD1 auf Querträgern angemessen befestigt ist, mündet
beiderseits ins offene Aussenwasser, und zwar bei T
unter dem Schiffskiel und bei T1 an der Rückwand des Bootes. Im Gehäuseinneren sind
die durch radiale Rippen gehaltenen und mit Bezug auf die Gehäusemittelachse YY1 genau symmetrisch
angeordneten Wände der Ringfächer BB und B1B1 sowie das
Achsenlager S eingegossen, welche fixen Teile in der
Fig. 1 durch Schraffierung gekennzeichnet
erscheinen. Die Ringfächer BB und B1B1 vertreten gleichsam
die beiden Leiträder der Doppelturbine, während der Hauptteil der letzteren aus den
zwei gleichfalls symmetrisch angeordneten Schaufelrädern AA und AA1
gebildet wird, welche auf der Drehachse ZZ1 festsitzend sich mit dieser drehen. In' Fig. 1 sind die Querschnitte dieser mit ZZ1 bewegten Teile zur
besseren Unterscheidung ganz schwarz dargestellt; die beiden Schaufelräder haben
acht gleiche Fächer mit doppelt windschiefen Wänden, die sich nach innen so
ausbiegen, dass sie genau an die Oeffnungen der Ringfächer B1B1 bezw. BB sich
anschliessen. An den letztgedachten Ausbiegungen sitzen dann noch, und zwar an der
Aussenseite der Schaufelräder die beiden einseitig offenen Cylinder aa und a1a1. Die Welle ZZ1 lagert einerseits in dem vorgenannten Lager S, andererseits in der Stopfbüchse N und wird von der Dampfmaschine des Bootes
angetrieben, in gleicher Art wie vor der Umgestaltung die Schiffschraubenspindel.
Zwei neue in die Welle eingeschaltete Zwischenteile, nämlich das Ringlager L und die Kuppelung M
haben die Aufgabe, eine Verschiebung von ZZ1 im Sinne der Längsachse zu ermöglichen, worin eben
das eigentlich Neue und Wertvolle der Marchand'schen
Anordnung liegt.
Wenn die Maschine in Gang gesetzt wird, während die Doppelturbine die in Fig. 1 dargestellte Lage besitzt, so erfolgt bei T das Aufsaugen des Wassers, das alle Hohlräume der
linken Hälfte des Rohrgehäuses anfüllt und von dem rotierenden Schaufelrade AA in die Ring- bezw. Leitfächer B1B1 und weiter in das
Rohr T1 getrieben wird,
von wo es an der Mündung in der Richtung des dort eingezeichneten Pfeiles in das
Aussenwasser strömt. Die sich hierbei äussernden Rückstösse treiben das Boot in
entgegengesetzter Richtung, d. i. nach vorwärts. Bei
diesem Vorgang bleiben die Ringfächer BB durch die
Cylinder-wand aa verschlossen, während gleichzeitig die
zweite Turbinenhälfte A1A1, obwohl
auch sie sich natürlich mit der Welle ZZ1 mitdreht, ebenfalls unwirksam ist und nur
Stauwasser enthält. Um nun die Fahrtrichtung des Bootes zu ändern, bedarf es
lediglich nur einer angemessenen Verschiebung der Achse ZZ1 mit den darauf festsitzenden Teilen,
und zwar muss die besagte Welle so weit nach links verschoben werden, dass die
Schaufelräder AA und A1A1 genau so weit vom mittleren Querschnitt YY1 des
Turbinengehäuses nach links zu liegen kommen, als sie bei der gezeichneten Lage in
Fig. 1 rechts von YY1 liegen. Sobald diese Aenderung in der
Radstellung vollzogen ist, sind die Leitfächer B1B1 durch die vorgeschobene Cylinderwand a1a1 verschlossen, dafür
aber die Leitfächer BB durch die Wegrückung des
Cylinders aa geöffnet und mit dem Schaufelrade A1A1 in Verbindung
gebracht worden. Die in T und in T1 vorher beim
Vorwärtsfahren bestandenen Verhältnisse sind nun genau umgekehrt, d.h. in dem jetzt
vorliegenden Falle erfolgt bei rotierenden Schaufelrädern das Aufsaugen des Wassers
von T1 aus, von wo es
über A1A1 in die Leitfächer
BB getrieben wird, um schliesslich durch T ins Aussenwasser zu gelangen. Die Richtung der
Reaktion ist nunmehr der früheren genau entgegengesetzt und das Boot fährt sonach
rückwärts.
Die zur Aenderung der Fahrtrichtung erforderliche Verrückung der Turbinenachse ZZ1 geschieht mittels
eines Handrades, auf dessen Drehachse das Triebrädchen Q sitzt. Letzteres greift in eine Zahnstange B ein, welche an das Ringlager L angegossen
ist. Im Ringlager lauft die mehrfach abgesetzte Achse W1, welche also zufolge ihrer Wülste die
allfälligen Bewegungen des Lagers L, das sich in einem
Falzschlitten P parallel zu W1 verschieben lässt, zwangsläufig
mitmachen muss. Dieses Achsenstück W1 ist an seinem rechtseitigen Ende mit ZZ1 in gewöhnlicher
Weise durch Laschen und Schraubenbolzen steif verbunden, mit dem linken Ende
hingegen an die Antriebswelle W nur mit Hilfe der Muffe
M, nämlich vermittelst einer Längsnase und Nut lose
gekuppelt. Die geschilderten Verschiebungen der Achse ZZ1 behufs Abänderung der Fahrtrichtung
des Bootes werden durch Drehung des Getriebes Q so
ruhig und sicher vollzogen, dass der Wechsel ohne jegliche Schwierigkeit oder
Gefährdung selbst während der schnellsten Fahrt durchgeführt werden kann. Um keine
aussergewöhnlichen Widerstände gegen die Verschiebung der Achse ZZ1 entstehen zu
lassen, ist jeder der Hohlräume ii und i1i1, in denen sich die
Cylinder aa und a1a1 zu bewegen haben, mit dem gegenüberliegenden
Schaufelrad A1A1 bezw. AA durch dünne Bohrungen in Verbindung gebracht, so
dass in den ersteren immer derselbe Druck herrscht, wie in den beziehungsweisen
letzteren.
Ist an der Turbine eine Nachschau oder Reparatur vorzunehmen, so wird das
Röhrengehäuse bei V und V1 durch Schieber vom Aussenwasser
abgeschlossen und dann kann nach Loslösung der Kuppelung zwischen ZZ1 und W1 im Bedarfsfalle der
ganze Körper der Vorrichtung nebst dem Gestelle DD1 abgenommen werden. Das Turbinengehäuse selbst
besteht aus drei durch abgedichtete Laschen mit Bolzenschrauben aneinandergefügten
Teilen, die unschwer getrennt werden können und dann das Doppelschaufelrad mit den
Cylindern aa und a1a1 freigeben. Wiederherstellungen sind sonach
unverhältnismässig leichter durchführbar, als bei der Schiffsschraube, ebenso liegt
aber schon für die Unterhaltung an sich ein wertvoller Vorteil darin, dass die
Antriebwelle an der Turbine immer nur verhältnismässig kurz gehalten zu werden
braucht. Es liegt ferner auf der Hand, dass es keine Schwierigkeiten bietet, die
geschilderte Marchand'sche umgekehrte Doppelturbine in
der Längsmitte des Fahrzeuges oder an den Enden oder überhaupt an einer beliebigen
Stelle desselben aufzustellen, sowohl unter als selbst über der Wasserlinie, wobei
es sich lediglich darum handelt, den Rohrenden T und
T1 die angemessene
Form bezw. Ausbiegung zu geben.
Es ist bedauerlich, dass das in Asnières in Versuch
genommene Boot für diesen Zweck eigentlich wenig Eignung besitzt, und dass für die
Leistungsfähigkeit desselben aus der früheren Verwendungsperiode keine genügend
genauen Daten vorliegen, die einen eingehenden Vergleich ermöglichen würden. Das
Deplacement des Bootes beträgt,16 Fahrgäste mit inbegriffen, 10,5 bis 11 t. Der
daselbst verwendete Dampfmotor ist eine zweicylindrige, vertikale Compoundmaschine
von 6 bis 7 PS bei 280 Umdrehungen in der Minute. Mit dieser Maschine vermochte Marchand auf den Probefahrten Fahrgeschwindigkeiten bis
zu 7 km in der Stunde zu erreichen; würde die Umdrehungszahl der Turbinenachse höher
sein und etwa 400 bis 480 betragen, müsste sich wohl auch eine wesentlich grössere
Fahrgeschwindigkeit erreichen lassen, die aber noch immer hinter den gewöhnlichen
Ergebnissen einer unter den gleichen Verhältnissen angewendeten Schiffsschraube
zurückstehen würde. Alles in allem sind die Marchand'schen Versuche in Bezug der Möglichkeit die Fahrtrichtung leicht und
rasch zu wechseln, sehr befriedigend, hinsichtlich der erzielten
Fahrgeschwindigkeiten hingegen weit weniger günstig ausgefallen, als die Zeuner'schen. In dieser letztgedachten Beziehung stehen
vielmehr die Endresultate der Probefahrten in Asnières
mit den weiter oben angezogenen rechnungsmässigen und experimentellen Ergebnissen
Zeuner's betreffs einer Ueberlegenheit des
Schiffsantriebes durch Wasserreaktion gegenüber jener durch die Schraube entschieden
im Widerspruch. Wie Ingenieur A. Dumas, der einige
Probefahrten in Asnières persönlich mitgemacht hat, in
Le Génie civil, S. 222, anführt, dürfte die geringe
Fahrgeschwindigkeit, welche mit dem Versuchsboot erreicht wurde, teilweise darauf
zurückzuführen sein, dass letzteres nicht günstig gebaut, nämlich im Kiele zu breit
und am Hinterteile zu schwer belastet ist. Es wird Marchand wahrscheinlich gelingen, ehestens eines der grossen Pariser
Personenboote, von dem die bisherigen, mittels der Schiffsschraube erzielten
Ergebnisse vorher nach jeder Richtung hin genau festgestellt werden, zu einem
nächsten Versuche zur Verfügung zu erhalten, wonach erst ein richtiger,
ausschlaggebender Vergleich zwischen der Marchand'schen
umgekehrten Doppelturbine und der gewöhnlichen Schiffsschraube angestellt werden
könnte. So viel bleibt immerhin jetzt schon ausser Frage, dass in seichten
Gewässern, wo die Schraube nicht mehr verwendbar ist, die Turbine ganz treffliche
Dienste zu leisten vermag, weil eben ihre Anbringung selbst im flachsten Fahrzeug
keine Schwierigkeit darbietet.
Für diesen letztangeführten Umstand bedurfte es übrigens nach den reichen Erfahrungen
und Erfolgen, die in Deutschland erzielt worden sind, allerdings kaum mehr einer
weiteren Bestätigung. Bei einem grossen Teil der Schiffe der deutschen
Elbeschiffahrtsgesellschaft „Kette“, sowie bei
sämtlichen Schleppdampfern der kgl. bayerischen Kettenschleppschiffahrt auf dem
oberen Main sind für die Thalfahrt Turbinenpropeller der Bauart Zeuner in Diensten. Um allenfalls auch Bergfahrten mit
Hilfe der Turbinenpropeller bewerkstelligen zu können, haben dieselben sogen.
Rückstrahler, das sind rundgebogene Rohrtrichter aus Stahlblech, welche vor die
Ausflussöffnung der Kontraktoren gesetzt werden, derart, das sie das sonst von der
Turbine nach rückwärts getriebene Wasser in der Richtung nach vorwärts ablenken.
Beispielsweise die Schleppdampfer auf dem oberen MainUeber diese Schleppdampfer enthält die Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure,
1901 S. 578, einen eingehenden interessanten Bericht des kgl.
Generaldirektionsrates Ed. Weiss.
besitzen 50 m Gesamtlänge und 45 m Länge in der Wasserlinie; sie sind 7,40 m im
Maximum breit und verdrängen 147 cbm. Jeder Schlepper ist an Back- und
Steuerbordseite mit je einem Turbinenpropeller versehen, der durch seine eigene,
stehende, zweicylindrige Verbundmaschine angetrieben wird. Auf den Thalfahrten
werden 12 bis 13 km in der Stunde zurückgelegt, wobei jede der beiden
Turbinenbetriebsmaschinen bei 225 bis 250 Umdrehungen 65 PSi leistet.