Titel: | Ueber die Ausnutzung der Hochofen- und Generatorgase für Nutzarbeit mittels geschlossener Feuerung. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 177 |
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Ueber die Ausnutzung der Hochofen- und
Generatorgase für Nutzarbeit mittels geschlossener Feuerung.
Ueber die Ausnutzung der Hochofen- und Generatorgase für Nutzarbeit
mittels geschlossener Feuerung.
Zu den auf maschinentechnischem Gebiete augenblicklich wichtigsten Aufgaben
gehören unstreitig die beiden Probleme, erstens flüssige Luft ebenso billig wie
Kunsteis herzustellen und zweitens die Wärme der Hochofen- und Generatorgase auf
möglichst einfache und praktische Weise in mechanische Arbeit umzusetzen. Beide
Aufgaben dürfen jetzt als gelöst angesehen werden. Die letztere ist übrigens gerade
jetzt, wo die grossen Gasmaschinenfabriken mit dem Bau von mittels Gicht- oder
Generatorgase betriebenen Grossgaskraftmaschinen vorgehen, auch in weiteren und
nicht bloss in Ingenieurkreisen bekannt geworden.
Wenn nun auch nicht zu verkennen ist, dass die Gaskraftmaschinen hierdurch einen
gewissen Vorsprungvor der Dampfmaschine erlangt haben, so soll damit dennoch
nicht zugestanden werden, dass der von der Technik eingeschlagene Weg der einzige
und der beste ist. Im Gegenteil haben sich bei den wirklich ausgeführten
Grossgasmaschinen, welche mittels Gichtgase betrieben werden, nicht zu
unterschätzende Uebelstände gezeigt, wie der Einfluss des Staubes, die Grosse der
Cylinder, da ja im Viertakt oder höchstens im Zweitakt gearbeitet werden muss u.s.w.
(vgl. z.B. Ausnutzung der Hochofengase für
Motorenbetrieb. Von H. Neumann, Ingenieur.
Vortrag, gehalten auf der Hauptversammlung des Deutschen Acetylenvereins in
Düsseldorf am 14. September 1900. Acetylen in Wissenschaft
und Industrie, 1900 Heft 21). Diese Schwierigkeiten werden bei der B. Mewes unter D. R. P. Nr. 113899 geschützten
geschlossenen Dampf kesselfeuerung mit hochgespanntem Gicht- oder Generatorgas
vermieden, ganz abgesehen davon, dass die mit einem Gemisch aus Dampf und
Verbrennungsgasen arbeitende Maschine im Eintakt wie die Dampfmaschine arbeiten und
daher wesentlich kleinere Cylinderdimensionen erhalten kann.
Die wichtigsten Vorteile dieser Anordnung bestehen darin, dass eine besondere
Reinigung der Gichtgase fortfallen und die sonst nutzlos verloren gehende Abwärme
derselben mit nutzbar gemacht werden kann und der wirtschaftliche Wirkungsgrad, nach
den Versuchsergebnissen von Prof. A. Riedler und von
Prof. F. M. Gutermuth an Druckluftmaschinen, sicher
denjenigen der Gasmotoren noch übertrifft, worauf weiter unten noch näher
eingegangen werden soll.
Bei der soeben genannten geschlossenen Feuerung müssen der Brennstoff und die
Verbrennungsluft in den Kessel hineingepresst werden. Die hierfür erforderliche
Kraft wird, wenn sie nicht anderweitig zur Verfügung steht, von der Arbeitsmaschine
entnommen, zu deren Antrieb das Gasdampfgemisch Verwendung findet. Wo daher der Fall
eintritt, dass die Erzeugung der Pressluft durch einen an die Arbeitsmaschine
angehängten Verdichter bewirkt werden muss, kann zweckmässig ein Teil der bei der
Verdichtung erzeugten Wärme wiedergewonnen werden, indem das zur Kühlung der Luft
verwendete Wasser nachher als Speisewasser für den Kessel dient. Auch wird es sich
in diesem Falle zur Vermeidung grosser Pressluftbehälter empfehlen, die Dauer des
Anheizens des Kessels dadurch abzukürzen, dass man dem Kessel von einem anderen im
Betriebe befindlichen Kessel Heizdampf zuführt, oder dass man den Kessel mit einer
kleinen Heizanlage versieht, welche ihm während der Inbetriebsetzung Wärme von
aussen zuführt.
Zum Schutz gegen Wärmeverluste wird der Kessel in der üblichen Weise mit einer
Wärmeschutzmasse umgeben, welche je nach den gegebenen Verhältnissen aus festen,
flüssigen oder gasförmigen Stoffen bestehen kann. Wählt man einen Wassermantel, so
kann dieser zweckmässig zur Vorwärmung und Reinigung des Speisewassers benutzt und
zur Vermeidung von Wärmeverlusten nochmals mit einem Wärmemantel umgeben werden.
Trotz des durch Festigkeitsrücksichten gebotenen kleinen Durchmessers wird der Kessel
infolge des unmittelbaren Wärmeüberganges vom Gas zum Dampf und Wasser innerhalb der
Umlaufröhren K und wegen der nur einer ganz geringen
Spannung ausgesetzten und daher sehr dünnwandigen Rohre K1 und K2 sehr leistungsfähig sein (Fig. 1 bis 3). Falls mehrere Kessel
erforderlich werden, lassen sich diese leicht zu einer Gruppe vereinigen, indem sie
in einen Walzenkessel als gemeinsamen Wassermantel eingebaut werden.
Der Kessel besteht aus einem starken Aussenmantel A, in
den die Glocke B leicht zugänglich und herausnehmbar
eingebaut ist. Bei der in der Zeichnung dargestellten Ausführungsform vereinigen
sich die Röhren D und E,
welche Luft und Brennstoff zuführen, zu dem gemeinsamen Rohre F, welches an seiner Verlängerung eine Schaulinse G trägt, um nötigenfalls die Flamme beobachten zu
können. Die Anordnung der Linse in dieser Form eignet sich nur für Gas oder
klarflüssigen Brennstoff.
H stellt eine beliebige Zündvorrichtung dar. Das
tliunlichst vorgewärmte Speisewasser wird durch das Rohr c zugeführt. Wasserstandszeiger J1 und J2 machen die verschiedenen Wasserstände im Ringraum
und in der Glocke sichtbar, während das Sicherheitsventil K3 die Spannung begrenzt.
Unmittelbar nach dem Anlassen der Pressluft wird der Wasserspiegel unter der Glocke
B sinken, da die durch den Glockenboden führenden
Röhren gegen diesen abgedichtet sind. Ist so viele Luft unter die Glocke getreten,
dass sie durch die Löcher L und durch die Umlaufröhren
K zu entweichen beginnt, so wird die Zündung
angelassen und mit der Brennstoffzufuhr begonnen.
Die entstehenden Verbrennungsgase werden dann gemeinsam mit dem sich entwickelnden
Dampf und mit demWasser in den Umlaufröhren emporsteigen und auf diesem Wege
einen grossen Teil ihrer Wärme abgeben. In den Dampfraum eingetreten, wird das
Wasser zurückbleiben, das Gasgemisch wird aber durch das Rohr K – ziemlich getrocknet – in schlangenförmigen
Windungen nochmals in den Glockenraum hinabgeführt und erleidet hierbei eine so
kräftige Nachheizung, dass nicht nur der Dampf überhitzt, sondern auch etwa
unverbrannt mitgerissener Brennstoff nachverbrannt wird. Das Rohr K1K2 führt das Gasgemisch
weiter zu dem Hahn M, durch den der Kessel mit der
Atmosphäre oder mit der Arbeitsmaschine verbunden werden kann.
Textabbildung Bd. 316, S. 178
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 316, S. 178
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 316, S. 178
Fig. 3.
Verbrennungsrückstände und Kesselstein werden in der Regel durch das Rohr N ausgeblasen; im übrigen ist der Kessel durch den
unteren Reinigungsdeckel o leicht zugänglich.
Die hier beschriebene Vorrichtung stellt in Wahrheit eine Vereinigung einer
Druckluftmaschine mit einer Dampfmaschine in der Weise dar, dass nicht wie bei dem
oben erwähnten Popp-System Dampfmaschine und Druckluftmaschine getrennt, sondern in
innigster Vereinigung durch das Dampfluft- bezw. Dampfgasgemisch arbeiten, wobei die
Pressluft und das Pressgas von der Maschine selbst oder auch anderweitig, wie etwa
durch Wasserkraft, erzeugt werden. Da der Arbeitsgang (Kreisprozess) genau derselbe
ist, wie bei den mit eingespritztem Wasserdampf vorgewärmten Druckluftmaschinen der
Popp-Anlage, so muss natürlich auch der (effektive) wirtschaftliche Wirkungsgrad
dieser Maschine ebenso gross sein, zumal da die höchsten Temperaturen hier nicht
niedriger, sondern um etwa 100° höher gehalten werden können. Ausserdem kann man im vorliegenden
Falle, wenn man die Komplikation mit in den Kauf nehmen will, noch etwa 8 bis 10%
der Abwärme mit Hilfe einer Kaltdampfmaschine nutzbar machen. Man kann annehmen,
dass die Leistungsfähigkeit dieser Maschine, ohne dass besondere technische
Einzelheiten erst erprobt werden müssten, nach den von Riedler und Gutermuth angestellten Versuchen
bei Benutzung guter, gesteuerter Kompressoren und der Dampfcylinder unserer neuesten
Dampfmaschinen 30% überschreiten wird.
Um einen Ueberblick über die bei den Popp-schen
Druckluftmaschinen und der vorliegenden Maschine wirklich erreichbaren Leistungen zu
geben, lasse ich die Riedler'schen Versuche nach dem
bekannten Buch Neue Erfahrungen über die Kraftversorgung von
Paris durch Druckluft (System Popp) von A.
Riedler, Professor an der königl. Technischen Hochschule zu Berlin hier
möglichst wortgetreu folgen. Riedler hat zu seinen
Versuchen eine der in der Pariser Zentralstation St. Fargeau bestehenden
Cockerill-Maschinen umgebaut und mit einem Kompressor seiner eigenen Bauart
vereinigt. „Die Luftverdichtung erfolgt,“ wie er selbst darüber berichtet,
„in zwei Stufen, der Niederdruckcylinder saugt die atmosphärische Luft an,
verdichtet sie auf etwa 2 at und drückt sie in einen Zwischenbehälter, aus
welchem der Hochdruckcylinder saugt und die Verdichtung auf den Enddruck
vollendet.
Die Anordnung des Umbaues ist aus Fig. 4 und 5 ersichtlich. Wegen der Beschränkung der
Umbauzeit wurde aber – entgegen der Zeichnung – der Zwischenbehälter über die
beiden Kompressionscylinder gelegt. Der schädliche Raum wurde auf 1½% gegen 15
bis 50% bei den Cockerill-Kompressoren vermindert und die Kompressorleistung
wesentlich erhöht.
Mit diesem Kompressor leistet eine Dampfpferdekraft
stündlich die Verdichtungsarbeit von 10,4 cbm angesaugter Luft bei 6 at
Ueberdruck der verdichteten Luft.
Von Verbesserungen erwähne ich den geräuschlosen stossfreien Gang, das Ansaugen
reiner, möglichst kalter Luft von ausserhalb des Maschinenraumes, die
Luftverdichtung in zwei Stufen und die Anwendung gesteuerter Ventile und Klappen
besonderer Bauart, nebst anderen kleineren, aber wichtigen Einzelheiten. Bei der
zweistufigen Kompression wird im Zwischenbehälter die vorkomprimierte Luft durch
Wassereinspritzung bis auf die ursprüngliche oder Wassertemperatur abgekühlt und
hierdurch der Arbeitsaufwand wesentlich vermindert. Die Ventile sind
Gummiklappen besonderer Bauart und zwangläufig gesteuert. Der Ventilverlust ist
vollständig vermieden und geräuschloser Gang erzielt. Das Diagramm dieses
Kompressors ist in Fig. 6 dargestellt. Der
Arbeitsgewinn durch die Zwischenkühlung ist hieraus ersichtlich.“
Die nachstehende Tabelle enthält die von Prof. F. M.
Gutermuth mit dieser Kompressoranlage erhaltenen Resultate:
Riedler-Kompressor (Zentralstation rue St. Fargeau, Paris).
Kompressor
Umdrehungenpro Min.
IndizierteKompressor-arbeit
Kompressor-druck
Volum-Wirkungs-grad
Luftlieferung
Wirklich.Saugvol. pr. Umdr.
Stünd-lich
1 Dampf-PS undStunde
at
cbm
cbm
Riedler
52
615
6,0
0,985
2,195
6848
10,020
Cylinderdurchm. 1090 mm
60
709
6,0
0,98
2,18
7902
10,026
bezw. 670 mm
38
422
6,0
0,985
2,195
5000
10,656
Hub = 1200 mm
39
424
6,0
0,985
2,195
5136
10,890
Bezüglich der Umsetzung des in der Pressluft aufgespeicherten Kraftvorrats sagt Riedler a. a. O. mit vollem Recht, dass alles
Wesentliche in der Energiezuführung in die Druckluft durch die Vorwärmung liegt, da
durch die Vorwärmung die Luft bei gleichbleibender Spannung ausgedehntund ihr
ein grosses Arbeitsvermögen unmittelbar zugeführt wird. Bei der in der Luftmaschine
stattfindenden Ausdehnung der Druckluft kann die bei der Vorwärmung aufgenommene
Wärmemenge unmittelbar und fast vollständig in Arbeit umgesetzt werden; sogar die
einfachen gusseisernen Oefen arbeiten mit mehr als 80% Wärmeausnutzung, wie
nachstehende Tabelle der Gutermuth'schen. Versuche
zeigt.
Textabbildung Bd. 316, S. 179
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 316, S. 179
Fig. 5.
Leistung von Vorwärmöfen.
Art des Ofens
Heizfläche
Stündl. er-wärmte Luft-menge in
cbm
Lufttemper.am Ofen
Stündlich übertrageneWärmemenge
beiEin-tritt
beiAus-tritt
imganzen
pro qmHeizfläche
pro 1 kgKoks
qm
°
°
Kal.
Kal.
Kal.
Gusseiserner Ofen
1,31,3
576 313
7 7
107184
1790017200
1376013230
44704530
Schmiedeeiserner Röhrenofen
4,3
1088
50
175
39200
9100
5600
Der stündliche Brennstoffaufwand betrug 0,09 kg für jede Nutzpferdekraft der
Luftmaschinen.
Textabbildung Bd. 316, S. 179
Fig. 6.
Hierzu bemerkt Prof. Riedler folgendes: „Mit
vollkommeneren Heizvorrichtungen ist es ohne nennenswerte Erhöhung des
Brennstoffverbrauchs möglich, der Druckluft so viel Wärme zuzuführen, dass nicht
nur alle Verluste bei Erzeugung der Druckluft ersetzt werden, sondern dass auch
mehr Arbeit abgegeben werden kann, als ursprünglich zur Luftverdichtung
aufgewendet wurde. 15 bis 20% Mehrarbeit ist mit einfachen, praktisch
lebensfähigen Mitteln erreichbar und es steht in dieser Hinsicht den Luftmaschinen ein
weites Feld offen. 30% Mehrarbeit ist beispielsweise schon bei Vorwärmung auf
250° möglich. (Die diesbezüglichen theoretischen Formeln und Begründungen hat
Prof. Dr. J. Weyrauch in der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure
gegeben.)
In Verbindung mit Gasmaschinen kann die Explosionswärme unmittelbar der Druckluft
zugeführt oder die durch die Mantelkühlung verlorene Wärme durch die Druckluft
aufgenommen und ausgenutzt werden. Wenn hierfür die rechte Ausführungsform
gefunden ist, kann nach wissenschaftlicher Erfahrung 1 PS mit einem
Brennstoffaufwand von 300 bis 400 g erzeugt werden, d.h. der Hälfte dessen, was
die besten Dampfmaschinen brauchen.“
Die von Riedler angedeutete Ausführungsform der
Druckluftmaschine mit Vorwärmung dürfte durch die oben beschriebene Kombination der
Dampfmaschine und der Druckluftmaschine mittels geschlossener Feuerung gegeben
sein.
Nach Riedler's Angaben ist unter Voraussetzung einer
Vorwärmung auf 250° das Verhältnis zwischen Kompressorarbeit (Ac) und Arbeit der Luftmaschine
(Ae)
bei
8 at: Ac
: Ae =
1 : 1,34
34% Gewin
6 at: Ac
: Ae =
1 : 1,39
39 „ „
4 at: Ac
: Ae =
1 : 1,44
44 „ „
Die für den praktischen Maschinenbetrieb, durch die Benutzung erhöhter Vorwärmung,
insbesondere durch doppelte Vorwärmung erreichbaren Grenzen sind in der
nachstehenden Tabelle angegeben.
Luftverbrauch bei Compoundbetrieb mit doppelter Vorwärmung.
Vorwärm-temperatur
Luftverbrauchpro PSi undStunde
Wirkunsgrad =\frac{N_e}{N_i}
°
cbm
Mit Vorwärmungpvk = konst.
k = 1,41
200300
9,57,8
η = 0,85
Mit Vorwärmung undEinspritzung k = 1,2 1 kg Dampf 2 „ „
200200
7,36,0
η = 0,90
Die letztere Heizungsart durch Dampfeinspritzung ist typisch für das Arbeiten der
oben beschriebenen Maschine; letztere unterscheidet sich nur dadurch, dass nicht der
Dampf in die Pressluft, sondern die hochgespannten Verbrennungsgase in den
Dampfkessel eingeführt, das Wasser heizen und sich mit dem erzeugten Dampf mischen.
Gearbeitet wird wie bei den beiden letzten Versuchsanordnungen ebenfalls mit einem
Dampfluftgemisch, dessen Temperatur nur etwas höher, etwa 300 bis 400° C. gewählt
wird.
Hieraus kann man auf Grund der angeführten Versuche ohne weiteres mit Sicherheit auf
einen wirtschaftlichen Wirkungsgrad der Gesamtleistung von über 30% schliessen. Da
augenblicklich Verhandlungen mit verschiedenen Grossindustriellen wegen Ausführung
von derartigen Maschinen anlagen zur Ausnutzung der Hochofengase schweben, so
dürften bald Versuchsergebnisse veröffentlicht werden können.