Titel: | Weltausstellung Paris 1900. |
Autor: | Wilh. Müller |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 543 |
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Weltausstellung Paris 1900.
Weltausstellung Paris 1900.
Automatische Weizenmühle für täglich 12000 kg Vermahlung von G. Daverio, Zürich.
Das nach dem Entwurf des Architekten Bouvier aus Neuchâtel für die Ausstellungsmühle ausgeführte Gebäude(Fig. 1) in der grossen Maschinenhalle ist 22 m lang und 7 m breit. Das Erdgeschoss hat 4 m, das Stockwerk darüber 3 m Höhe; die
Gresamthöhe über dem Boden beträgt somit nur 7 m. Dieselbe grösser anzunehmen, war, weil das Gebäude unter eine schon vorhandene Galerie zu stehen kam, nicht möglich. Durch Ausgraben wurde noch ein Raum von 2,50 m Tiefe
gewonnen; in welchem jedoch die Fundamente zweier Galeriesäulen, sowie jene eines Strebepfeilers der Maschinenhalle und eine
Hauptröhre der Wasserleitung viel Platz wegnahmen.
Bei der Disposition der Anlage musste auf die erwähnten Galeriesäulen sowohl im Erdgeschoss als auch in der darüber befindlichen
Etage Rücksicht genommen werden. In dieser Weise beengt, eignete sich der verfügbare Raum für eine komplette automatische
Mühlenanlage nicht besonders gut und erlaubte nicht, die Einrichtung vollkommen mustergültig auszugestalten, hingegen konnte
gezeigt werden, dass man eine automatische Mühle nach System Daverio auch da einzurichten im stände ist, wo nur über einen sehr beschränkten Platz verfügt werden kann (Fig. 2 bis 6). Dessen ungeachtet stellt sich die Anlage als eine solche dar, die dem Besucher gestattet, sich sowohl von der Leistung
jeder einzelnen Maschine, als auch von den Vorteilen des angewandten Mahlverfahrens zu überzeugen. Letzteres besteht der Hauptsache
nach in folgendem:
Der ungeputzte Weizen passiert behufs Reinigung der Reihe nach: einen Tarar-Zickzack, einen Stein- und Erdeausleser, drei
Trieure, eine Kolonnenbürste, einen Netzapparat und wird dann abgesackt. Nachdem der Weizen so vorgeputzt und angefeuchtet,
eine geraume Zeit in Säcken abgestanden ist, geht er nochmals durch die Kolonnenbürste, durch einen Magnetapparat und dann
direkt auf den ersten Schrotstuhl.
Textabbildung Bd. 315, S. 544
Fig. 1.Automatische Weizenmühle von Daverio.
Bei der Kolonnenbürste (Fig.
7), welche eine horizontale Kolonne und eine Bürstenmaschine in sich vereinigt, finden sich, wie bei einigen anderen Maschinen,
verschiedene Neuerungen. In einem rotierenden Cylinder, auf Rollen gelagert, dreht sich mit grosser Geschwindigkeit ein Flügelwerk,
zum Teil aus schraubenförmig gewundenen Schlägern, zum Teil aus Stahldrahtbürsten bestehend, die Welle des Flügelwerkes hat
selbstschmierende Lager mit Bronzeschalen. Der Cylinder ist mit grobem Geflecht aus kantigem Stahldraht bespannt, an welches
das Getreide durch das Flügelwerk geworfen und somit vom Einlauf bis zum Auslauf hier einer intensiven Reibung ausgesetzt
ist. Der sich dabei vom Weizen loslösende Staub wird durch einen kräftigen in der Maschine sich befindlichen Ventilator abgesaugt.
Der Ventilator ist doppelt und wirkt auch beim Ein- und Auslauf des Weizens, alle leichteren Verunreinigungen aus ihm entfernend.
Es sind fünf aufeinander folgende Schrotpassagen angenommen,deren Produkte auf Plansichtern abgesichtet und sortiert werden. Zunächst wird bei den Walzenstühlen (Fig. 8) durch die neue Speisevorrichtung, durch welche eine sehr gleichmässige Verteilung des Mahlgutes auf die ganze Länge der Walzen erzielt wird, die Aufmerksamkeit
des Beschauers angezogen. Diese Speisevorrichtung lässt sich entweder selbstthätig wirkend einstellen, in welchem Falle sie
sich von selbst öffnet oder schliesst, je nachdem mehr oder weniger Ware zuläuft, oder aber, mittels eines Hebels, von Hand
regulieren.
Textabbildung Bd. 315, S. 544
Fig. 2.Querschnitte.
Bei der neuen Aspirationsvorrichtung, Patent Daverio, ist im Inneren des Walzenstuhles, zwischen den Walzen, ein dreieckig geformter Filter aus Flanell angebracht, der mit einer
Saugwindleitung in Verbindung steht und durch welchen hindurch feuchtwarme Luft, die beim Arbeiten der Walzen sich um dieselben
lagert, abgesogen wird. Frische Luft strömt von aussen nach, der etwa mitgerissene Mehlstaub bleibt am Flanell des Filters
haften und wird von Zeit zu Zeit dadurch entfernt, dass ein einfacher sinnreicher Mechanismus die Saugwindleitung periodisch
schliesst und eine Druckwindleitung öffnet, mittels welcher ein kurzer, kräftiger Druckwindstrom von innen nach aussen durch
den Filter geführt wird. Die Druckwindleitung wird in demselben Augenblick wieder geschlossen und die Saugwindleitung wieder
geöffnet.
Bei den Walzenstühlen in der Ausstellung erfolgt das Funktionieren des Mechanismus zum Schliessen und Oeffnen der beiden Windleitungen
durch einen kräftigen Elektromagnet, was gegenüber dem gewöhnlichen Betrieb mittels Riemen den Vorteil bietet, dass Saug-
und Druckwindleitung immer nur bei einem und nie bei mehreren Walzenstühlen zugleich geöffnet und geschlossen werden, die
Stärke des Saug- und Druckwindes mithin unverändert bleibt.
Sämtliche Glattwalzenstühle, sowie der Walzenstuhl für den letzten Schrot sind mit den neuen patentierten Detacheurs versehen. Dieselben liegen im Walzenstuhl selbst, unmittelbar unter den Walzen, werden von diesen angetrieben, nehmen wenig
Kraft und Raum in Anspruch und detachieren vollkommen, weil das Mahlgut in dünnem Strahl, wie es von der Walze kommt, auf
die ganze Walzenlänge durch den Detacheur geht.
Das Putzen der groben und feinen Griese geschieht auf zwei Griesputzmaschinen
„Zürich“ (Fig. 9), die staubfrei arbeiten, saubere und reine Ueberschläge liefern. Als weitere Vorzüge dieser Maschine sind zu nennen, dass
die Siebe bequem und rasch auszuwechseln sind, dass sich auf dem Abreiter weder Kanäle noch Schnecken u.s.w. befinden, dieser
daher sehr leicht ist und die auf dem Sieb sich befindlichen Griese gut beobachtet werden können, was die Regulierung der Maschine erleichtert. Die sehr einfache Speisevorrichtung dient sowohl für automatischen als nichtautomatischen
Betrieb. Die Schrotdunste gehen direkt auf die Ausmahlstühle. Das Auflösen der sauberen Griese und das Ausmahlen der Dunste
erfolgt in eicht, das Auflösen der Ueberschläge in drei aufeinander folgenden Passagen, die Sichtung und Sortierung der Auflös- und Ausmahlprodukte geschieht gleichfalls mittels
Plansichter.
Textabbildung Bd. 315, S. 545
Fig. 3.Längenschnitt.
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Fig. 4.Grundriss des Erdgeschosses.
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Fig. 5.Grundriss des I. Etage.
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Fig. 6.Grundriss des Souterrain.
Letztere, in bekannter quadratischer Form und mit Rahmen nach Patent Haggenmacher (Verwendung vonPaletten zur Fortbewegung der Ware und von Putzgut zur Reinhaltung der Bespannung) haben Schwungräder mit Kugellager nach Patent Daverio (Fig. 10).
Die Mehle werden in einem Rundsichter nachgesichtet, in einer Mehlmischmaschine innig vermischt und durch eine Packmaschine
in Säcke gefasst. Auch in der Drei-Walzen-Mehlmischmaschine (Fig. 11) begegnen wir einer neuen Konstruktion. – Diese Maschine besitzt zwei Abteilungen verschiedener Grösse und funktioniert auf
folgende Weise: Vom Nachsichter fällt das Mehl in die kleinere Abteilung und wird von der in dieser Abteilung liegenden Walze
einer Sammelschnecke zugeführt. Die Sammelschnecke bringt das Mehl in einen Elevator und dieser in die grössere Abteilung
der Maschine, in welcher die beiden anderen Walzen liegen. Die Schieber derselben sind zunächst nur wenig geöffnet, wodurch
das Mehl von der grossen Abteilung fein verteilt, mit dem von der kleinen Abteilung kommenden in die Sammelschnecke fällt
und eine erste Mischung stattfindet. Dies setzt sich so lange fort, bis die grosse Abteilung angefüllt ist. Dann rückt man
die Walze der kleinen Abteilung aus, öffnet die Schieber der anderen Walzen entsprechend mehr, so dass die Mischung des Mehles
der grossen Abteilung in kurzer Zeit vollendet ist.
Der ganze Vermahlungsprozess ist ein automatischer, d.h. sämtliche Zwischenprodukte gelangen mittels Schnecken und Elevatoren von einer Maschine zur anderen und nur die Endprodukte
werden abgesackt.
Textabbildung Bd. 315, S. 545
Fig. 7.Kolonnenbürste.
Zur Beschreibung der Mühleneinrichtung übergehend, sei zunächst erwähnt, dass das Gebäude durch eine Zwischenwand in zwei
ungleich grosse Räume geteilt ist, wovon der grössere zur Aufnahme der Walzenstühle, Plansichter. Griesputzmaschinen u.s.w. dient, während in der kleineren Abteilung die Weizenputzmaschinen untergebracht sind. Hier in dem Raum unter dem Erdgeschoss befinden sich die Aufschütttrichter für ungeputzten Weizen, der Netzapparat mit Netzschnecke,
die Sackstutzen für genetzten Weizen und jene für die Abfallprodukte der Putzerei.
Textabbildung Bd. 315, S. 546
Fig. 8.Walzenstuhl.
Im Erdgeschoss fanden Aufstellung: der Stein- und Erdeausleser, die Kolonnenbürste und der Nachlesetrieur. Auf der Etage darüber
finden wir den Tarar-Zickzack, einen Trieur für lange und einen solchen für runde Körner, sowie einen Staubsammler mit Flanellschläuchen,
in welchen die Windrohre des Tarar und der Kolonnenbürste münden.
Textabbildung Bd. 315, S. 546
Fig. 9.Griessputzmaschine „Zürich“.
In der grossen Abteilung des Gebäudes sind in dem Raum unter dem Erdgeschoss sämtliche Elevatorfüsse, die Ventilatoren nebst
Röhren für die Walzenaspiration und die Walzentransmission untergebracht, der noch frei bleibende Teil dient als Weizenmagazin.
Im Erdgeschoss stehen drei doppelte Schrot- und fünfdoppelte Glattwalzenstühle, ferner befinden sich hier die Mehlmisch- und Mehlpackmaschine.
Auf dem oberen Boden sind zwei Griesputzmaschinen, vier Plansichter, ein Rundsichter und ein Sackaufzug im Betrieb. Zur Lagerung
der Transmission wurden erstmals Kugellager in grösserem Massstab verwendet.
Textabbildung Bd. 315, S. 546
Fig. 10.Plansichterantrieb mit Kugellager (Patent Daverio).
Zum Betrieb der Ausstellungsmühle dient eine Dynamomaschine (von der Maschinenfabrik Ocrlikon aufgestellt); es ist in Aussicht genommen, Probevermahlungen vorzunehmen.
Durch ihre Ausstellung zeigt die Firma Daverio neuerdings, dass sie unablässig bestrebt ist, für die Müllerei wertvolle Neuerungen einzuführen, sei es durch Schaffung neuer
Konstruktionen, sei es durch Verbesserung bestehender.
Textabbildung Bd. 315, S. 546
Fig. 11.Drei-Walzen-Mehlmischmaschine.
Wie eingangs erwähnt, war der zur Verfügung gestellte Raum sehr beschränkt, die Anlage musste daher zusammengedrängt werden,
dennoch bietet sie grosse Uebersichtlichkeit und entbehrt keineswegs einer dem Auge wohlthuenden Symmetrie und Eleganz.
Wilh. Müller-Cannstatt.