Titel: | Pariser Weltausstellung. |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 309 |
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Pariser Weltausstellung.
Pariser Weltausstellung.
Die Dampfkessel- und Kraftanlagen des Marsfeldes, das Elektrizitätspalais und das Wasserschloss.
Nachdem die diesjährige Weltausstellung, welche am Tage ihrer Eröffnung noch aussergewöhnlich unfertig war, inzwischen aber
doch in manchen ihrer Teile bereits zur Vollendung gediehen oder derselben doch wenigstens nahe gerückt ist, liegt wieder
reichlicher Stoff vor, unsere seinerzeitigen Vorberichte über die verschiedenen Anlagen, Bauwerke und Einrichtungen des grossen
Pariser Unternehmens zu ergänzen oder zu berichtigen. Vieles war ja von vorhinein hinsichtlich der näheren Ausführung von
späteren klarstellenden Umständen abhängig, anderes wurde wieder durch erst nachträglich zur Geltung gelangte Bedürfnisse
bestimmt, und so mussten die vielfach nur beiläufig festgesetzten Einzelheiten der meisten Anlagen noch zahlreiche und mannigfache
Wandlungen und Vervollkommnungen erfahren, bis sie ihrem Dienste überantwortet werden konnten. In diesem Sinne gibt es beispielsweise
gleich bezüglich der Dampfkessel- und Kraftanlagen des Marsfeldes, wo nun die Mehrzahl der Kessel und Maschinen zusammengestellt und in Betrieb gesetzt sind, Ergänzungen nachzutragen.
Textabbildung Bd. 315, S. 309
Fig. 1. Kesselhaus nächst der Avenue de la Bourdonnais mit Dampfleitungskanal und Luftschacht, Querschnitt.Fig. 2. Längsschnitt.Fig. 3. Grundriss.Fig. 4. Verbindungsflansche für 150 mm starke DampfleitungenFig. 5. für 60 mm starke SpeisewasserleitungenFig. 6. für 60 mm starke Dampfblasseröhren.
In den ausführlichen Mitteilungen über die baulichen Einrichtungen dieser Anlagen wurde bereits auf S. 181 bis 188 d. Bd.
der Längenschnitt und Grundriss der beiden auf dem Marsfelde eingerichteten Kesselhäuser durch Abbildungen ersichtlich gemacht,
wozu an dieser Stelle lediglich erinnert wird, dass für die gesamte Kesselanlage ein einheitlicher Dampfdruck von 11 at vorgeschrieben
ist, ferner dass jedes der beiden Kesselhäuser stündlich 100000 kgDampf zu liefern hat, und endlich dass die betreffenden zwei Gebäude zwischen dem Elektrizitätspalais und der ehemaligen,
von der letzten Weltausstellung (1889) stehen gebliebenen Maschinenhalle, welche diesmal die Gruppen VII (Landwirtschaft)
und X (Lebensmittel), sowie den riesigen Festsaal beherbergt, in je einem Hofe von 117 m Länge und 40 m Breite eingebaut sind.
Die Kesselhäuser, eigentlich offene Hallen, bestehen aus gewöhnlichem Eisenblechfachwerk
(Fig. 1 bis 3) und besitzen eine Länge von 105 m und eine Breite von 28 m; beide haben eine genau symmetrische Anordnung und alle baulichen
wie maschinellen Einzelheiten des rechtsseitigen, nächst der Avenue de Suffren gelegenen Kesselhauses stimmen mit jenen des linksseitigen, wie sie Fig. 1 bis 3 ersichtlich machen, vollkommen überein. Die Hauptstützpfeiler, welche die Längsträger und die Dachgespärre tragen, stehen
in Abständen von je 9 m voneinander; die Bedachung besteht aus Eisenwellblech, das 0,8 mm stark verzinkt ist. Ein 6,90 m weites
Laternendach, das einerseits die Lüftung, andererseits die Zuführung von Licht besorgt, zieht sich der ganzen Kesselhalle
entlang und besitzt Glaseindeckung; die vier Seitenwände sind offen und rings um dieselben verläuft der freie Hof, eine 6
m breite Strasse bildend (vgl. Fig. 3 und 7), die dem Publikum ohne irgend welche Behinderung des Dienstes den Besuch und die Besichtigung der Anlage um so bequemer
und besser gestattet, als sämtliche Kessel ihre Vorderseite mit den Heizvorrichtungen dem Rundwege zukehren. Das in der Mittelachse
der beiden Kesselhallen durchlaufende Eisenbahngeleise, welches während des Baues und der Einrichtungsarbeiten zur direkten Herbeischaffung der Baumaterialien in vollen Waggonladungen und später zur Zufuhr
der Ausstellungsgegenstände gedient hatte, wird nun während der Ausstellung in gleicher Weise zur Zufuhr des Brennstoffes
und zur Abfuhr von Asche, Russ I und sonstigen Abfällen im Betriebe bleiben.
Textabbildung Bd. 315, S. 310
Fig. 7.Verteilung der Aussteller in den Kesselanlagen und in den Räumen für Elektrizität und Mechanik.
Was den Abzug der Verbrennungsgase anbelangt, so hatten die Kesselaussteller nichts weiter zu thun, als die Rauchkammern ihrer
Kessel mit den Füchsen F1F2F3 und f1f2f3 (Fig. 3) in Verbindung zu setzen, welche in den unter dem Eisenbahngeleise errichteten, zu dem bezüglichenSchornstein führenden Rauchzugkanal einmünden. Wir erinnern bloss nochmals daran, dass diese von der Administration der Ausstellung
errichteten Doppelkanäle (vgl. S. 184 d. Bd.) in der Längenachse des Kesselhauses verlaufen, und dass sie je näher zum Schornstein
einen um so grösseren Querschnitt besitzen, damit letzterer mit der auf dem Wege zunehmenden Kesselzahl, d. i. mit der zunehmenden
Menge der fortzuschaffenden Verbrennungsgase im angemessenen Verhältnisse sich erweitert.
Bei der Verteilung der Kessel in den beiden Hallen hat man dieselben zu einer Anzahl Gruppen zusammengestellt, wobei zuförderst
die Herkunft massgebend war, insofern alle aus dem Auslande zur Ausstellung gekommenen Dampferzeuger in dem nächst der Avenue de Suffren befindlichen, in Fig. 7 rechts liegenden Kesselhause Aufnahme fanden, wo allerdings zur vollen Deckung der erforderlichen Dampferzeugung auch noch
französische Kessel zugezogen sind. Bei der Wahl der Anzahl und Leistungsfähigkeit der Kessel ist in beiden Anlagen darauf
Bedacht genommen, dass die Dampferzeugung für alle Fälle unter einem gewissen Reservestande gesichert erscheint, und dass
also die zur Instandhaltung erforderliche Ausserdienstsetzung des einen oder anderen Kessels oder die zufällig eintretende
Untauglichkeit eines solchen ohne Belang sind. Die in der linksseitigen, zunächst der Avenue de la Bourdonnais gelegenen Halle untergebrachten Kessel sind ausschliesslich französischer Herkunft und umfassen nachstehende zehn, in Fig. 7 durch numerierte Vierecke ersichtlich gemachte Gruppen:
Nr.
1 :
12
Kessel
der
Firma
J. et A. Niclausse in Paris.
„
2 :
1
„
„
„
Crépelle-Fontaine in Made-leine-Lille.
„
3 :
4
„
„
„
Mahot et fils, Société de gé-nérateurs in Roeux-les-Arras.
„
4 :
10
„
„
„
Babcock und Wilcox in Paris.
„
5 :
6
„
„
„
Roser in Saint-Denis.
„
6 :
6
„
„
„
Montupet in Paris.
„
7 :
3
„
„
„
Compagnie Fives-Lille.
„
8 :
1
„
„
„
Biétrix, Nicolet und Co. inSaint-Etienne.
„
9 :
6
„
„
„
Naeyer und Co. (Franz. Haus).
„
10 :
1
„
„
„
Solignac, Grille und Co.
Diese 50 Kessel vermögen zusammen eine totale Dampfmenge von 120600 kg pro Stunde zu liefern, also 20600 kg mehr als der Normalbedarf
beträgt; demnach könnten 6 oder 7 Kessel immerhin ohne Gefahr, die allgemeine Betriebsleistung unter das Normale herabzudrücken,
dauernd ausser Dienst stehen. Die Gruppen 1, 2, 3 und 4 haben ihre Vorderseite bezw. ihre Heizungen gegen die Halle für Feldhau und Lebensmittel und die Gruppen 5, 6, 7, 8, 9 und 10 gegen den Eiffelturm bezw. gegen die Seine zugekehrt. Für die Speisung dieser Kesselanlage liefert die Pariser städtische Wasserleitung die erforderlichen Wassermengen
unentgeltlich mittels eines 200 mm weiten Zuleitungsrohres. Zwecks der
Kesselentleerungen ist unmittelbar neben der soeben genannten Wasserleitung im Längskanal P (Fig. 1) eine besondere Abflussrohrleitung von 100 mm innerem Durchmesser vorhanden. Für den zum Betriebe der kleinen Hilfsmaschinen
angewendeten Dampf besteht ein gemeinsamer Kondensator von 10000 kg Leistungsfähigkeit pro Stunde, nach Delaunay-Belleville'scher Bauart, der durch einen Elektromotor angetrieben wird; eine besondere Wechsel Vorrichtung gestattet aber auch, den gedachten
Dampf im Bedarfsfalle durch einen der Luftschächte S (Fig. 1 bis
3) entweichen zu lassen.
In der zweiten Kesselhalle, die zunächst der Avenue de Suffren liegt, befinden sich nachstehende, in der Fig. 7 wieder durch Vierecke und Ziffern ersichtlich gemachte 13 Dampferzeugergruppen, nämlich:
Nr.
11 : 6
Kessel
der
Firma
Galloway, Ltd. in Manchester.
„
12 : 4
„
„
„
De Naeyes und Co. in Wille-broeck.
„
13 : 1
„
„
„
Fitzner und Gamper in Sos-novice.
„
14 : 4
„
„
„
Babcock et Wilcox (Com-pagnie française in Paris).
„
15 : 9
„
„
„
J. et A. Niclausse in Paris.
Nr.
16 : 3
Kessel
der
Firma
Mathon et fils in Roeux-les-Arras.
„
17 : 5
„
„
„
Steinmüller in Gummersbachfür Siemens und Halske.
„
18 : 1
„
„
„
Petry-Dereux (Düren im Rhein-land).
„
19 : 1
„
„
„
Ewald Berninghaus (Duis-burg).
„
20 : 4
„
„
„
Ewald Berninghaus fürSchuckertwerke.
„
21 : 1
„
„
„
Petzold und Co. (Berlin).
„
22 : 1
„
„
„
Simonis und Lanz (Frank-furt a. M.-Sachsenhausen).
„
23 : 1
„
„
„
Pauksch, Aktiengesellschaft(Landsberg a. W.).
Das sind zusammen 41 Kessel, welche im stände sind, gleichmässig eine Dampfmenge von 120000 kg pro Stunde zu liefern. Dieselben
werden in gleicher Weise wie die zehn ersten Gruppen durch die städtische Wasserleitung mit Speisewasser versehen. Für die
Kondensation des Maschinendampfes der verschiedenen Betriebe stehen jedoch in der rechtsseitigen Kesselhalle drei Apparate in Verwendung, nämlich zwei Delaunay-Belleville'sche Mischkondensatoren von je 3000 kg stündlicher Leistung und ein Charles Bourdon'scher Einspritzkondensator von 45 cm Durchmesser. Der Betrieb dieser drei Kondensatoren wird durch ebenso viele Elektromotoren
unterhalten.
Von den oben angeführten 91 Dampfkesseln sind 6 Galloway-, 8 Cornwall-, 4 Halbröhren- und die übrigen Mehrfachröhren-Kessel;
ihre Heizfläche beläuft sich zusammen (vgl.
Gabriel Eude, La Mécanique à l'Exposition 1900, Paris, S. 9) auf nahezu 1500 qm, wodurch sich die pro Quadratmeter Heizfläche erzielte Dampfmenge im Durchschnitt mit 15,6 kg ergibt.
Die bezüglichen äussersten Werte gehen übrigens bei den verschiedenen Kesseltypen ziemlich weit auseinander, indem die grösste
beobachtete Dampferzeugung pro Quadratmeter sich mit
23 kg und die schwächste mit 10 kg herausstellte. Die gesamte Rostfläche beider Kesselanlagen misst 396 qm und es
kommt sonach auf 1 qm Rostfläche eine Dampferzeugung von 590 kg.
Zum Vergleiche der diesjährigen Kesselleistungen mit dem Dampfaufwande früherer Pariser Weltausstellungen dienen folgende
Ziffern:
Ausstellung
Anzahlder Kessel
Zahl derBetriebstage
TäglicheDampferzeugungin kg
GesamteDampferzeugungin t
1878
19
108
219450
39473
1889
30
108
382205
68797
1900
91
205
1500000
307500
Nach einer Entschliessung des Generalkommissärs der Ausstellung vom 31. August 1898 gelten hinsichtlich der geschilderten
Kesselanlagen zuförderst ausnahmslos alle in Frankreich bestehenden gesetzlichen Bestimmungen für Kesseleinrichtungen; dieselben
unterstehen, sowohl was ihre Aufstellung, als den Betrieb und das Zusammenwirken mit den dampfverbrauchenden Maschinen anbelangt,
der besonderen Oberleitung und Beaufsichtigung seitens des Generalkommissärs. Im sonstigen werden jedoch die aufgestellten
Kesseleinrichtungen nebst ihren Hilfsapparaten und Ausstattungen wie Ausstellungsobjekte betrachtet und demgemäss auch dem
allgemeinen Reglement der Ausstellung unterzogen sein; sie werden in die Prüfungslisten der internationalen Jury eingetragen
und haben Anspruch auf die Beteiligung mit Auszeichnungen. Für die Kessel besteht weiter ein Sonderreglement, welches nach
Mitteilung des Génie civil vom 7. April 1900 folgende Bestimmungen enthält:
„Die Thüren zu den Rauchkanälen müssen starke, dichte, durch Sicherheitsriegel unterstützte Verschlüsse haben; die Verschlüsse
an den Feuerbüchsen und an den Aschenkästen der Kessel sollen womöglich selbstthätig wirksam sein; für alle Fälle müssen diese
beiden Kesselteile solide Abschlussthüren besitzen. Für Dampferzeuger, die keine Röhrenkessel sind, genügen gut und kräftig einklinkbare Feuerthüren.
Als Abschlussvorrichtungen für die Dampfleitung dürfen nur solche Verwendung finden, welche sowohl den Abfluss als den Rückgang
des Dampfes verhindern.
Die Vereinigung der Ausströmungsrohre für den Dampfabfluss der Kessel mit den Sammlern des Verteilers, ebenso wie jene der
Speisevorrichtungen mit der Speisewasserleitung und die Verbindung des Kessels mit der Rohrleitung für die Entleerungen ist
durch die Kesselbesitzer auf eigene Kosten herzustellen. Die Hauptabschlussventile der Kessel sind in der Regel am höchsten
Punkte der Vereinigungsrohre anzubringen; wo dies nicht möglich sein wird, sollte an jedem solchen niedrigen Anschluss ein
automatischer Reiniger eingeschaltet werden. Jeder Kessel muss mit einer günstig angebrachten Rauchzugklappe versehen sein,
welche jedesmal und sorgfältigst verschlossen zu halten ist, wenn der Kessel nicht im Dienste steht.
Die Reinigung und laufende Unterhaltung soll jeden Tag so frühzeitig vorgenommen werden, dass die Kessel spätestens um halb
9 Uhr morgens Volldruck besitzen. Die zum Betriebe bestimmten Kessel, deren Reihenfolge gemäss des Artikels 8 der Allgemeinen Bestimmungen in einer beim Generaldirektor der Ausstellung hinterlegten Tabelle aufgezeichnet ist, sind täglich derart vorzubereiten,
dass sie den vollen Dienst um 10 Uhr morgens aufzunehmen vermögen; gelegentlich der Pausen müssen sie stets eine halbe Stunde
vor dem für die Ingangsetzung der betreffenden Maschinen festgesetzten Zeitpunkte den zur Aufnahme der Arbeit erforderlichen
Volldampf besitzen.
Wenn möglich, wird für jeden Kessel jeden Monat ein eigener Tag festgesetzt, an welchem die eingehendere Untersuchung, dann
die innere Reinigung, sowie die allenfalls erforderlich gewordenen Ausbesserungen durchzuführen sind. Die Zufuhr des Brennstoffes
kann entweder in Eisenbahnwagenladungen oder mittels Karren erfolgen, allein in einem wie im anderen Falle muss sich das Heizmaterial
in. Säcken befinden, damit sowohl die Stauberzeugung aufs Aeusserste herabgemindert, als auch die Unterbringung und Aufbewahrung
des Brennstoffes erleichtert werde.
Der im Laufe des Betriebes erzeugte Kohlenstaub, der Russ, die Asche und sonstige Abfälle sind täglich gleichfalls in Säcken
zu sammeln und mittels der hierzu bestimmten Strassenkarren oder Eisenbahnwagen aus der Ausstellung wegzuschaffen.
Beide Arbeiten, nämlich die Brennstoffbeschaffung einerseits und die Fortschaffung der Abfälle andererseits, müssen täglich
spätestens um 8 Uhr morgens durchgeführt sein.
Die Kosten des Brennstoffes, der Kesselbedienung und Unterhaltung sind Sache des Kesselbesitzers, dagegen erhält jeder Dampflieferant
eine zweifache Entschädigung durch die Administration der Ausstellung, nämlich:
1. eine Summe von je 1500 Frcs. pro 1000 kg Kapazität der Dampferzeugung pro Stunde als Beitrag zu den Installationskosten,
und
2. einen Beitrag von 4 Frcs. 45 Cent, für je 1000 kg wirklich erzeugten Dampfes während der nützlichen Dienstzeit als laufendes
Entgelt.“
Wie wir bereits seinerzeit hervorgehoben haben, bildet die Verteilung des Dampfes eine der wichtigsten Einrichtungen des Maschinendienstes auf dem Marsfelde; dieselbe wird mittels Leitungen durchgeführt,
die aus weichen Stahlblechrohren von 250 mm innerer Weite und 4,40 mm Länge besteht, und in unterirdischen, zusammen 1470
m langen Kanälen (vgl. Fig. 8 bis 13) verlegt sind. Die Dampfleitungskanäle enthalten u.a. eine gewisse Anzahl Apparate, wie Abschlussschieber, Wechselstücke,
Filtriercylinder, automatische Reiniger, Rohrkniee u.s.w.; alle diese besonderen Nebenvorrichtungen haben gleich wie die gewöhnlichen
einfachen Rohrleitungen Fig. 12, 13 u. 14, dank der gewählten einheitlichen Anordnungen, gehörig ihren Platz gefunden. Von den Kesselanschlüssen aus gelangt der Dampf
nicht unmittelbar in die Kanäle, sondern fürs erste in vier grosse Sammler, nämlich je zwei für jede Kesselanlage, von wo
er sich erst ins allgemeine Netz verteilt. Hier sind die Dampfrohrleitungen entweder von Sätteln getragen, die auf Untermauerungen
oder eisernen Querträgern ruhen, oder an der Wölbung des Kanals mittels Ringeisen aufgehängt sind. Dabei sind sie im allgemeinen
zum Schutze gegen die Ausstrahlung mit einem die Wärme zurückhaltenden Korkmantel umgeben, dessen innere Weite so gross ist, dass zwischen
ihm und der Dampfrohraussenfläche sich auch noch eine isolierende Luftschicht befindet. Die verschiedenen Stränge des Dampfrohrnetzes
sind durchweg auf einen Druck von 20 kg pro Quadratcentimeter geprüft. Die Sammler sind aus Stahlblech; auch sie wurden gemäss
der für Dampfgefässe vorgeschriebenen Bestimmungen geprüft und bei diesem Anlasse einem Drucke von 12 at unterzogen. Ein Hauptaugenmerk
ist in den Dampfkanälen auf eine praktische Verteilung der Leitungen gelegt worden, um der Bedienungsmannschaft die Möglichkeit
eines leichten Zutritts bestens zu wahren. Die oben erwähnten besonderen Leitungsarmaturen, welche ein Hindernis vorstellen
können, sind daher vornehmlich nur in die Kammern verwiesen worden, die sich, wie wir auf S. 187 d. Bd. erörtert haben, an
den Kreuzungspunkten und Endstellen der Kanäle befinden, wo zu ihrer anstandslosen Unterbringung hinreichend verfügbarer Raum
vorhanden ist. Die Lüftung des unterirdischen Kanalnetzes der Dampfverteilung, das sich von jeder Kesselhalle in je zwei Hauptsträngen
D1 und
D2 (Fig. 2 und 3) abzweigt, erfolgt stetig durch die vier weiten Schlote (2,50 × 3,50 m) S (Fig.
1, 3, 8 und 9), die sich am Anfange der vorerwähnten Stränge 10,20 m hoch erheben; im Falle des Bruches eines Dampfrohrs kann eine weitere
Lüftung etwa auch durch die beweglichen Fallthüren geschehen, die an allen Zuführungspunkten (vgl. Fig. 14) und an jeder der vielen Kreuzungs- und Abzweigekammern zur Verfügung stehen. Die in Rede stehenden Dampf- und Wasserleitungskanäle
(Fig. 8 bis 14) sind mit elektrischem Licht versehen und ihre Ueberwachung und Unterhaltung wird ausschliesslich durch die Ausstellungsverwaltung
besorgt.
Textabbildung Bd. 315, S. 312
Fig. 8. Vom Kesselhaus ausgehender Dampfleitungskanal, Längsschnitt.Fig.
9. Grundriss.Fig. 10. Laufende Dampfleitung mit Abzweigkammer, Längsschnitt.Fig. 11. Grundriss.
Textabbildung Bd. 315, S. 312
Fig. 12. Schnitt AB
Textabbildung Bd. 315, S. 312
Fig. 13. Schnitt CD
Auf der diesjährigen Weltausstellung erfolgte das erste Anheizen eines Dampfkessels am 15. März; der Beginn der Dampferzeugung und die ersten Erfahrungen mit der Dampf Verteilung
wurden mit zwei Kesseln der Gruppe Nr. 5 gemacht. Für den Beleuchtungsdienst standen zuerst nur die fünf Kessel Nr. 18, 19,
21, 22 und 23, das sind durchweg solche deutscher Firmen, zur Verfügung.
Wie wir seinerzeit darlegten, ging man bei der Aufstellung der Betriebsbestimmungen für die Ausstellung von dem Grundsatze
aus, dass nicht nur innerhalb des Beleuchtungsgebiets im wesentlichen elektrisches Licht zur Verwendung kommen soll, sondern dass auch für alle auszustellenden Maschinen, sowie überhaupt für alle mechanischen
Betriebe lediglich elektrischer Antrieb zu gestatten sei. An elektrischer Energie war hierdurch ein Bedarf erwachsen, der für die Tagesstunden am Marsfelde
allein mit
5000 PS, für die Beleuchtungsstunden aber mit 20000 PS, für sämtliche Ausstellungsörtlichkeiten zusammengenommen
jedoch mit 30000 bis 40000 PS zu veranschlagen war. Die Beschaffung dieser geradezu ungeheuren Energiemengewird zum grössten Teil durch die im Marsfelde befindliche (wie es Fig. 7 ersehen lässt), in unmittelbarer Nähe der oben
geschilderten Kesselanlagen untergebrachte, internationale elektrische Zentralstation erfolgen.
Ausserdem werden die beiden mit ihren Leitungsnetzen an das Ausstellungsgebiet heranreichenden, ständigen Pariser Elektrizitätswerke
des „rechten Seineufers“ und des „linken Seineufers“, sowie ein drittes, in Billancourt neu errichtetes Elektrizitätswerk zur Stromlieferung herangezogen sein. Letzteres besorgt allerdings nur den Betrieb der
elektrischen Rundbahn der Ausstellung und den Betrieb der Stufenbahn (vgl. D. p. J. 1899 313 7), für welche Zwecke es Drehstrom von 3000 Volt zuführt, der in angemessen verteilten Umformerstationen durch rotierende
Konverter auf Gleichstrom von 500 bis 550 Volt umgewandelt wird.
Textabbildung Bd. 315, S. 312
Fig. 14.Anschlussstelle der Dampfleitung an eine Dampfdynamo.
Ueber die Leistungen der internationalen Kraftstation am Marsfelde gibt das nebenstehende offizielle Verzeichnis die näheren
Daten an. Danach liefern die Franzosen im ganzen 14435 PSi mittels 18 Dampfdynamos von durchschnittlich 802 PS und die ausländischen Aussteller 21650 PSi mittels 19 Dampfdynamos von durchschnittlich
1140 PS; zusammengenommen gibt dies 36085 PS oder im Mittel 975 PS für jede Dampfdynamo. Von den 37 Elektrizitätserzeugern
liefern 17 mit 13190 PS Gleichstrom und 20 mit 22895 PS verschiedene Formen von Wechsel- oder Drehstrom. Bezüglich der Dampfmaschinen
ist noch hervorzuheben, dass dieselben – abgesehen von den Laval'schen Dampfturbinen – nur langsam laufen, und während in der französischen Abteilung Maschinen mit grosser Tourenzahl überhaupt
nicht vorhanden sind, enthält auch die ausländische Abteilung nur drei Maschinen, bei welchen die Tourenzahl über 200 hinausgeht;
die geringste vorkommende Tourenzahl beträgt 70. Was die Konstruktionseinzelheiten
Textabbildung Bd. 315, S. 313
Land; Firma; Kilo-Watt; Stromgattung; Spannung; Frequenz; Frankreich; Grossbritannien; Niederlande; Deutschland; Belgien;
Oesterreich-Ungarn; Schweiz; Italien; Société Alsacienne; Crépelle et Garand und Decauville; Société de Laval; Compagnie de
Fives-Lille; Piguet et Co.; A. Grammont; Garnier et Faure-Beaulieu; Postel-Vinay; Dujardin et Co.; Eclairage électrique; Biétrix,
Leflaive, Nicolet; Eclairage électrique; Farcot; Weyher et Richemond; Etabl. Daydé et Pillé; Weyher et Richemond; Société
électrique de Nancy; Weyher et Richemond; Société Electricité et Hydraulique; Delaunay-Belleville; Maison Bréguet; Etablissement
Cail; Co. Française Thomson et Houston; Dujardin et Cie.; Schneider et Cie; Hauts-Fourneaux de Maubeuge; Zusammen 18 Dampfdynamo
mit; Robey et Co; Willans et Robinson; Siemens Brothers; Galloways Ld.; Mather und Platt; Storck und Co.; Elektrotechnische Industrie; Augsburger Maschinenfabrik; Helios in Köln-Ehrenfeld; Nürnberger
Maschinenfabrik; Schuckert in Nürnberg; Borsig in Berlin; Siemens und Halske in Berlin; Nürnberger Maschinenfabrik; W. Lahmeyer
u. Co. in Frankfurt a. M.; Carels frères; Kolben; Bollinckx; Electricité et Hydraulique (Dulait); Van Den Kerchove; Comp.
d'Electricité (Pieper); Ringhoffer; Siemens und Halske; Erste Brünner Maschinenfabrik; Ganz und Co.; Lang und Co.; Ganz und
Co.; Gebrüder Sulzer; Etablissement Oerlikon; Emil Mertz; Gesellschaft Alioth; Escher und Wyss; Etablissement Oerlikon; Tosi;
Schuckert; Tosi; Bacini
anbelangt, so können darüber, da die vorhandenen Typen zu zahlreich und abweichend sind, nicht leicht allgemeine Daten angegeben
werden. Ueber das Verhältnis des diesjährigen Kraftaufwandes zu jenem der früheren Pariser Weltausstellungen erteilt die nachstehende
Tabelle interessante Aufschlüsse.
Ausstellungs-jahr
Anzahl derdienstthuendenKraftmaschinen
Gesamtleistung inPSi
Durchschnittl.Leistung einerMaschine in PS
1867
52
854
16
1878
41
2533
62
1889
32
5320
166
1900
37
36085
975
Auf der diesjährigen Weltausstellung wird die Energie stets gleich in unmittelbarer Nähe jeder einzelnen Maschine abgenommen
und mit Hilfe des elektrischen Leitungsnetzes der weiteren Verwendung zugeführt. Letzteres ist grösstenteils unterirdisch
angelegt und lediglich von Seite und auf Kosten der Ausstellungsdirektion entworfen,berechnet, angeordnet und ausgeführt worden, der auch das Recht ausschliesslich vorbehalten bleibt, über den gelieferten Strom
zu verfügen und den Dampfdynamos das Betriebsprogramm vorzuschreiben. Zunächst der internationalen Elektrizitätszentrale geschieht
die Versorgung der Energieverbrauchsstellen im allgemeinen durch ein Dreileiter-Gleichstromnetz von 2 ×
220 Volt Spannung, während die weit entfernten Ausstellungsteile teils Gleichstrom von 500 Volt, teils einphasigen
oder zweiphasigen Wechselstrom von 2200 Volt oder endlich auch Drehstrom von 2200, 3000 oder 5000 Volt erhalten. Es war ausdrücklich
bedungen, dass sämtliche Dynamomaschinen mit ihren Dampfmaschinen direkt gekuppelt, und dass letztere mit Kondensation versehen
seien; die Stromgattung hingegen, sowie die Auswahl zwischen den von der Generaldirektion der Ausstellung vorgeschriebenen
Normalspannungen standen den Lieferanten frei. Bezüglich der Gleichstrommaschinen waren ausschliesslich Wickelungen für 220
oder für 440 bis 500 Volt festgesetzt und die Ströme sämtlicher dieser Dynamos werden auf einem Sammelschaltbrette in Parallelschaltung
auf das oben erwähnte Dreileiternetz von 2 × 220 Volt und die Leitungsnetze von 500 Volt verteilt. Dementgegen arbeiten die einzelnen Wechsel- und Drehstrommaschinen auf besondere Leitungsnetze, wobei allerdings durch geeignete
Umschaltervorrichtungen Vorsorge getroffen ist, dass in Bedarfsfällen die Dynamos der verschiedenen einzelnen Stromkreise,
soweit es die betreffende Stromgattung zulässt, vertauscht werden können. Die Lieferanten der Wechsel- und Drehstrommaschinen
hatten auch die Verpflichtung, für das ihnen überwiesene Hochspannungsnetz die erforderliche Anzahl entsprechender Reduktionstransformatoren
beizustellen. Die für die Stromverteilung eingerichteten zwei grossen Schaltbretter der Ausstellungsverwaltung befinden sich
im Erdgeschoss der Galerie, welche das Palais für Elektrizität vom Wasserschlosse trennt (vgl. Fig. 7 und P in Fig. 16); das linksseitige umfasst die Gleichstromlinien, das rechtsseitige die Wechsel- und Drehströme. Jedes der beiden Tableaux
besitzt eine Länge von 60 m.
Textabbildung Bd. 315, S. 314
Fig. 15.Linksseitige Fassade der Ausstellungsbauten am Marsfelde bei a b, Fig. 7.
Um der technischen Ausstellungsleitung für die Aufstellung des Betriebsprogramms und namentlich für die Berechnung und den
Entwurf des Leitungsnetzes Unterlagen zu verschaffen, waren die betreffenden Aussteller gehalten, Zeichnungen und Masse der
wichtigsten Konstruktionsteile ihrer Dampfdynamos einzubringen, auf Grund welcher die Leistungen unter Voraussetzung eines
Dampfdruckes von 10 at veranschlagt werden konnten. Hierbei war es allerdings mehrfach nicht möglich, die Leistungen genau
zu bewerten bezw. die Leistungsfähigkeit derjenigen Dampfdynamos voll auszunutzen, welche für eine höhere Dampfspannung gebaut
sind.
An jeden Aussteller, welcher sich an der Elektrizitätszentrale beteiligt, leistet die Ausstellung hierfür eine Entschädigung
und zwar:
A. Ein für allemal als Zuschuss zu den Installationskosten pro PSi.
DerDampf-Maschine
DerDynamo-maschine
Zusammen
Frcs.
Frcs.
Frcs.
1. Bis zu einer Leistung von 1000 PS2. Für die Leistung über 1000 PS bis 1500 PS3. Für die Leistung über 1500 PS
9,657,105,20
4,081,250,95
14,03 8,35 6,15
B. Als Beitrag zu den Betriebskosten für jede innerhalb der Betriebsstunde gelieferte Pferdestärke.
DerDampf-Maschine
DerDynamo-maschine
Zusammen
Frcs.
Frcs.
Frcs.
1. Bis zu einer Leistung von 1000 PS2. Für die Leistung über 1000 PS bis 1500 PS3. Für die Leistung über 1500 PS
0,008400,003820,00288
0,007070,002930,00240
0,015470,006750,00528
Was im besonderen die „Deutsche Abteilung“ der internationalen Elektrizitätszentrale anbelangt, so war sie am Tage der Ausstellungseröffnung die am weitesten vollendete
und eben nur dank ihrer Leistungsfähigkeit war es überhaupt möglich (vgl. S. 258 d. Bd.) mit der Eröffnung am 14. April vorzugehen.
Wie Dr. Otto Feuerlein in der
Elektrotechnischen Zeitschrift vom 12. April berichtet, ist dieses günstige Vollendungsstadium dadurch erreicht worden, dass man schon im Juli 1899 die
Erbauung eines gemeinsamen Fundaments für die vier deutschen Dampfdynamos eingeleitet hatte, das auf diese Weise bereits Mitte Dezember 1899 fertig
gestellt war. Die Kosten dieser Herstellung beliefen sich auf etwa 140000 Frcs. Mit Anfang dieses Jahres konnte auch schon
mit der Aufstellung der Maschinenteile begonnen werden. Die Stromlieferung der deutschen Teilnehmer beträgt mehr als die Hälfte
der Lieferung der gesamten französischen Teilnehmer und ist mehr als doppelt so beträchtlich als die jedes anderen Landes.
In
Fig. 7 ist der Platz, wo die vier deutschen Dampfdynamos aufgestellt sind, durch die römischen Ziffern I bis IV näher bezeichnet. Im Viereck I befindet sich eine liegende Dampfmaschine der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg-Maschinenbaugesellschaft Nürnberg, A.-G., Werk „Augsburg“, von 2000 PS, welche direkt mit einer Einphasen-Wechselstrommaschine für 2200 Volt Spannung der Helios-Elektrizitätsaktiengesellschaft, Köln-Ehrenfeld (vgl. S. 258 d. Bd.), gekuppelt ist. Von derselben Maschinenbaugesellschaft befindet sich im Viereck II eine stehende, im „Werke Nürnberg“ erzeugte Dampfmaschine, die bei 94 Umdrehungen in der Minute 1500 PS leistet, und zwei Dynamomaschinen der Elektrizitätsaktiengesellschaft vorm. Lahmeyer und Co., Frankfurt a. M., gleichzeitig direkt antreibt, wovon die erstere eine 1500pferdige Drehstrommaschine von 5000 Volt Spannung, die zweite aber eine
500pferdige Gleichstrommaschine von 500 Volt Spannung ist. In III hat eine von A. Borsig ausgestellte, stehende Dreifach-Expansionsmaschine ihren Platz, welche eigentlich für 14 at gebaut ist, vorliegend aber nur
mit 10 at Admissionsspannung arbeitet, wobei sie 2000 PS bei 83,5 Umdrehungen in der Minute leistet. Die damit gekuppelte
Drehstromdynamomaschine von Siemens und Halske in Berlin ist für 2200 Volt und 50 Perioden in der Sekunde gewickelt und vermag bei induktionsfreiem äusseren Widerstand
2000 Kilo-Watt zu leisten. Im Raume IV endlich befindet sich eine dritte Dampfmaschine der
Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg-Maschinenbaugesellschaft Nürnberg, erzeugt im Werke „Nürnberg“, und mit 83 Umdrehungen in der Minute
2000 PS leistend, welche mit einer 1000pferdigen Gleichstromdynamo für 500 Volt und gleichzeitig mit einer 1000pferdigen
Drehstromdynamo von 5000 Volt Spannung direkt gekuppelt ist. Die beiden letztgenannten Dynamos sind von der Elektrizitätsaktiengesellschaft vorm. Schuckert und Co., Nürnberg, beigestellt.
Textabbildung Bd. 315, S. 315
Fig. 16.Querschnitt des Wasserschlosses mit dem Anschluss an das Elektrizitätspalais.
Die allgemeine länderweise Verteilung des Raumes an die Aussteller der Gruppen IV und V (Maschinenbau und Elektrizität) ist in Fig. 7 durch die eingezeichneten Abgrenzungen und Ueberschriften gekennzeichnet. Fast das ganze eigentliche Maschinenpalais, sowie der linksseitige Flügel des Elektrizitätspalais blieb den Franzosen vorbehalten, deren Ausstellungsgebiet auf diese Weise etwas grösser bemessen ist, als das aller übrigen
Länder zusammengenommen. Letzteren sind das Zentralgebäude der Elektrizität mit Ausnahme des Honoratiorensaals, dann zwei Drittel des Hauptpalais für Elektrizität, der sogen. „30 m Galerie“, und beiläufig der vierte Teil des „Palais für chemische Industrien“ zugewiesen. Deutschland und Italien, die mit ihrem Raum das Auslangen nicht gefunden hatten, waren gezwungen, noch ein eigenes
gemeinsames Nebengebäude für ihre Aussteller der Gruppe IV und V zu errichten, welches, wie Fig. 7 ersehen lässt, zwischen den Hauptbaulichkeiten und der Avenue de Suffren seinen Ratz erhielt. Da auf den ausländischen Plätzen die Ausstellungsgegenstände aus den Gebieten des allgemeinen Maschinenbaues
mit jenen aus dem Gebiete der Elektrizität gemeinsam untergebracht sind, gestattet die Vergleichung der Raumverhältnisse nach
keiner Richtung hin irgend eine Schlussfolgerung, am allerwenigsten natürlich betreffs der Beteiligung der einzelnen Länder
an der Energieerzeugungfür den Ausstellungsbedarf. So sind beispielsweise die Vereinigten Staaten von Nordamerika, dann Dänemark, Schweden und Norwegen im Elektrizitätspalais räumlich sehr gut vertreten, während sie sich an der Stromlieferung für den allgemeinen Betrieb nicht
beteiligen.
Es erübrigt endlich zum Abschlusse der vorstehenden Darlegungen hinsichtlich jener Baulichkeiten, welche die Ausstellungsgruppe
IV und V enthalten, oder die die nächste Umgebung davon bilden oder unmittelbar mit denselben verbunden sind, noch einiges über die
Ausführung nachzutragen, insoweit davon nicht ohnehin schon auf S. 101 ff. und 181 ff. d. Bd. die Rede gewesen ist. Es wäre
diesfalls zuförderst daran zu erinnern, dass eine Hauptbedingung bei dem Entwürfe des Generalplanes der Ausstellungsgebäude
am Marsfelde in der zweckmässigen Verwendung der alten, von der vorletzten Weltausstellung stehen gebliebenen Maschinenhalle
bestand, die aber gleichzeitig aus dem Bilde, das man mit den neuen Bauwerken zu schaffen beabsichtigte, geschickt ausgeschieden
werden sollte. Ursprünglich war von den Architekten einfach die Beseitigung des vorerwähnten, aus dem Jahre 1889 stammenden
Bauwerkes, das an der
Avenue de la Motte Piquet das Marsfeld über quer abschliesst und ein längliches Rechteck von 420 m Länge und 150 m Breite bedeckt, verlangt worden;
aus naheliegenden praktischen Gründen entschloss man sich jedoch, von der Beseitigung abzusehen und lediglich die gegen das
Innere des Marsfeldes zugekehrte Längsfront durch Verbauung unsichtbar zu machen. Auf Grund dieser Entschliessung wurden also
die beiden Kesselhäuser und das Palais für Elektrizität mit seinen beiden Flügeln (vgl. Fig. 7) als Abschluss des Hufeisens, welches die neuen Bauten des Marsfeldes bilden, über quer vor die alte Maschinenhalle gebaut,
welch letztere zur Aufnahme der Ausstellungsgruppen VII u. X (Landwirtschaft und Lebensmittel) und des bereits mehrfach erwähnten riesenhaften Fest- und Konzertsaals (vgl. Fig. 22 S. 183 d. B.) hergerichtet worden war.
Wie die Verbindung der eben genannten beiden Baulichkeiten seitlich durchgeführt worden ist – wobei es sich auch noch darum
handelte, das Kesselhaus zu maskieren –, lässt Fig. 15 ersehen. Von der alten Maschinenhalle, dem derzeitigen Palais für „Ackerbau und Lebensmittel“, führt ein 40 m langer, 9 m breiter, zweigeschossiger, verglaster Korridor bis zu einer ebenfalls 9 m breiten Quergalerie,
welche zwischen dem Kraftstationsgebäude (vgl. Fig. 7) und dem Kesselhause parallel zur Breitenachse des Marsfeldes verläuft. In Fig. 15, wo das in Fig. 7 mit ab bezeichnete, der Avenue de la Bourdonnais gegenüberliegende Fassadenstück dargestellt erscheint, ist beiläufig nur ¼ des früher genannten Korridors ersichtlich gemacht.
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass die Fassade auf der Seite der Avenue de Suffren in demselben Stücke der Seitenfront des Marsfeldes mit der in Fig. 15 ersichtlich gemachten vollkommen übereinstimmt. Gegen das Innere der Anlagen des Marsfeldes, nämlich in der Richtung des
Eiffelturmes oder, allgemeiner gesagt, der Seine zu, hat aber das Elektrizitätsgebäude eine besondere, der übrigen Umgebung angepasste Fassade erhalten, deren Hauptcharakter
seinerzeit durch Fig. 1 auf S. 249 d. Bd. angedeutet worden ist, und auf die hier später nochmals zurückgekommen werden wird.
Tritt man aus dem grossen Festsaal (vgl. Fig. 22 S.
183 d. Bd.) in das Elektrizitätspalais, so gelangt man fürs erste in einen besonderen, sechseckigen, mit einer Galerie und einer Kuppel ausgestatteten Saalbau (Fig. 7), der nur zum Teil bestimmt ist direkten Ausstellungszwecken zu dienen, im wesentlichen aber eine Art Foyer für jene Ausstellungsbesucher bilden soll, welche in dem Palais für Elektrizität, in den Maschinenhallen, in den Kesselhäusern,
in der Ausstellung für Ackerbau und Lebensmittel, kurz in der Nähe dieses Zentralpunktes beschäftigt sind. Dieser Kuppelbau,
den man offiziell mit dem Namen Salle d'Honneur bezeichnet, weist nicht die Lichtfülle auf, wie die übrigen Teile des Elektrizitätspalastes, weil eben das Licht vorwiegend
nur durch die Kuppeldecke einfällt und teilweise, namentlich gegen das Innere des Gebäudekomplexes zu, durch die Galerie verbraucht
wird. Uebrigens sind daselbst die Verbindungen des Stahlblechfachwerkes, das sich auf zahlreiche schlanke Säulen stützt, wie
Palmwedel verzweigt; dieselben bilden fächerartige Pendentifs, durch welche die Decken- und Kuppelkonstruktion ausserordentlich
zierlich erscheint und einen ganz besonderen Reiz erhält. Eine interessante Eigentümlichkeit dieses hohen Kuppelbaues bildet
die Anwendung breiter, aus gebogenen Stahlblechen hergestellter Strebepfeiler, welche zur Sicherung der Standfestigkeit als
erforderlich erachtet und an der Aussenseite des Baues eingebaut worden sind. Diese Streben würden allerdings den architektonischen
Eindruck des Saales wesentlich gestört haben, wenn sie im Inneren angebracht oder überhaupt sichtbar wären; man hat sie aber
nicht nur aussen angebracht, sondern durch Nebenbauten so geschickt verkleidet, dass sie in allen den Ausstellungsbesuchern
zugängigen Bäumen völlig unsichtbar bleiben. Was dann die sich an den Ehrensaal anschliessenden Nebenbauten, sowie auch die
beiden Flügel des Elektrizitätspalais anbelangt, so sind dieselben in ziemlich gewöhnlicher Art aus Stahlblechfachwerk durchgeführt;
bei denselben ist zum grossen Teil das Altmaterial aus der sogen. 30 m Galerie der Ausstellung von 1889 zur Verwendung gekommen.
In diesen Räumen wird ja, schon zufolge ihrer realistischen Ausnutzung, auf einen besonders künstlerischen Eindruck der baulichen
Anordnung kein Anspruch erhoben, wo sich aber in dieser Richtung Wünsche geltend machen, bleibt es lediglich der örtlichen
Dekoration überlassen, Abhilfe zu schaffen.
Was nun den bereits mehrfach erwähnten Mitteltrakt des Elektrizitätspalais betrifft, der dem Eiffelturm zugekehrt und mit
einer glänzenden Fassade ausgestattet ist, so wird derselbe von der bekannten Firma Baudet, Dinon et Co. ausgeführt, der auch die Herstellung des Maschinenpalais (vgl. S. 101 d. Bd.) anvertraut war. Die besagte Fassade geht in
der Mitte direkt in den Hintergrund des Wasserschlosses über und verläuft rechts und links in offene Arkaden, die sich in
den Ecken des Hufeisens, welche die Ausstellungsbauwerke des Marsfeldes bilden (vgl. Fig. 7), mit den längs des Maschinenpalais und des Palais für chemische Industrie eintreffenden Loggiagängen vereinigen. Den Hauptteil
der Fassade bildet eine Art Giebel aus je drei aneinander gegliederten, immer höher werdenden Bogen, die durch geschweifte
Friese abgekrönt sind, und von rechts und links zwei breite Pylonen umfassen, zwischen denen ein von einer Atika überragter
Portikus das abschliessende Mittelfeld (vgl. Fig. 1 auf S. 249 d. Bd.) ausfüllt. Dieser reichgegliederter, namentlich auch mit einer Menge von Beleuchtungskassetten und Aussparungen
für Verglasungen und Scheinwerfer versehener Giebel des Elektrizitätspalais wird nicht aus Mauerwerk oder Gipsverkleidung
hergestellt, sondern lediglich aus gehämmertem oder gepresstem Zinkblech. Jene Teile der Fassade, welche das Mittelmotiv des
Wasserschlosses mehr oder minder überragen, ebenso die beiden seitlichen Arkaden erhalten mannigfaches Zierwerk aus farbigen
Gläsern und keramischen Ornamenten. Im besonderen trägt der grosse Bogen im Mittelfelde des Giebels (Fig. 17) die in riesigen, bei Nacht in Glühlichtern erstrahlenden Ziffern ausgeführte Aufschrift „1900“ und die Atika darüber wird mit einer weithin sichtbaren allegorischenFigur aus getriebenem Kupfer geschmückt werden, welche den Genius der Elektrizität darstellt. Es ist dies eine jugendliche
Gestalt, die die leuchtende Fackel des Fortschrittes schwingt. Alles in allem wird die in Rede stehende Fassade nach ihrer
Vollendung, namentlich während der Beleuchtungszeit, einen ebenso schönen als eigentümlichen, feenhaften Eindruck gewähren,
der jenem des Wasserschlosses vollkommen angepasst sein wird. An die eben geschilderte Mittelfront des Elektrizitätspalais
schliesst sich also unmittelbar die in Fig. 16 im Querschnitte veranschaulichte Baulichkeit des sogen. Chateau d'Eau an, deren mittlere Längsachse mit jener des Marsfeldes zusammenfällt. Den obersten Hauptteil des Wasserschlosses bildet eine
halbkreisförmige, 33 m breite, 12 m tiefe Nische, welche sich mit dem Obergeschoss des Elektrizitätspalais in gleicher Höhe
befindet. An diese Nische schliesst sich eine Reihe von Kaskaden, die in ein grosses Bassin endigen, das im natürlichen Bodenniveau
des Marsfeldes liegt, und sich hier so weit zwischen den rechts und links aufgeführten Ausstellungspalästen erstreckt, dass
die Gesamtlänge der Bauwerke der Wasserkunst 117 m beträgt.
Textabbildung Bd. 315, S. 316
Fig. 17.Abkrönung an der Giebelspitze des Elektrizitätspalais.
Von dem Nischenraume Q aus, wohin durch ein am Seineufer errichtetes Druckwerk das Speisewasser für die Springbrunnen
und Kaskaden mittels zweier Rohrleitungen geschafft wird, fallen die bewegten Wasser über 18 verschieden hohe, innerhalb einer
Länge von 65 m verteilte Stufen fast genau um 30 m. Diese ganze Anlage ist übrigens von der Vollendung noch ziemlich entfernt
und weist im allgemeinen nur langsame Baufortschritte auf, weil ausschliesslich Handarbeit aufgewendet wird. Abgesehen von
den Hauptpfeilern, die teils aus solidem Mauerwerk, teils aus Eisenfachwerk mit armierter Cementgussverkleidung bestehen,
ist der ganze Bau des Wasserschlosses aus Holz gezimmert, das mit Cementstuck maskiert wird. Natürlich bringt man diese Bauweise
in einer Art zur Anwendung, dass sie sich für die kurze Zeit, in welcher das Bauwerk seinen Dienst leisten soll, als reichlich
stark genug erweisen wird. Wer aber zu der Zeit, wo dieser Wald von Hölzern noch nicht durch seine künstliche Steinverkleidung
den Blicken entzogen war, das Wasserschloss besichtigte, dem drangen sich gewiss unwillkürlich bange Gedanken über die Gefahren
auf, welche an dieser Stelle ein Brand heraufzubeschwören geeignet wäre, bevor alle diese Becken mit Wasser gefüllt und hierdurch
mindestens nach unten hin feuersicher gemacht sind.