Titel: | Dampfturbine von Parsons. |
Autor: | F. Mbg. |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 13 |
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Dampfturbine von Parsons.
Dampfturbine von Parsons.
Im Anschluss an den Aufsatz von W. Müller in
Cannstatt: „Die Laval'sche Dampfturbine“ in D. p. J. 1899 313 * 145 dürfte es unsere Leser interessieren, etwas Näheres über die dort kurz erwähnte Dampfturbine von Parsons zu erfahren. Wir entnehmen die folgenden Mitteilungen der Zeitschrift Engineering vom
18. und 25. August 1899.
Parsons lässt bekanntlich den Dampf durch feststehende Leitschaufeln gegen die Laufradschaufeln treten, führt denaus diesen austretenden Dampf dann wieder durch einen neuen Kranz von Leitschaufeln gegen eine zweite Schar von Laufradschaufeln
und wiederholt dieses Verfahren eine ganze Anzahl von Malen hintereinander. Er benutzt also nicht das gesamte zur Verfügung
stehende Druckgefälle in einem Male, sondern teilt es in viele kleine Teile, um so einerseits eine möglichst hohe Ausnutzung
der im Dampfe enthaltenen Kraft zu erreichen, andererseits die Umdrehungszahlen der Turbine derart herabzumindern, dass sie ohne Uebersetzung mit der anzutreibenden Maschine gekuppelt werden kann. Trotzdem
sind die Umdrehungszahlen noch immer bedeutende und machen namentlich besonders sorgfältig konstruierte Lager notwendig. Versuche
mit Wellen, welche bis zu 40000 Umdrehungen in der Minute machten, hatten gezeigt, dass die Lager in gewisser Beziehung elastisch
sein mussten, und man hatte daher zunächst die Konstruktion Fig. 1 gewählt. Auf eine Röhre, in welcher sich die Welle dreht, sind Ringe von abwechselnd kleinerem und grösserem Durchmesser
geschoben, von denen die grösseren in die Bohrung des Lagerbockes, die kleineren auf die Röhre passen. Durch eine Spiralfeder
und Schraubenmutter werden diese Ringe gegeneinander gepresst. Ein breiterer Ring, der zuletzt über die Röhre geschoben ist,
passt sowohl in den Lagerbock wie auf die Röhre, und bietet so eine Stütze. Tritt nun infolge nicht genügender Ausbalancierung
ein Schlagen der Welle ein, so werden die Ringe eine Dämpfung der Bewegung herbeiführen, ohne selbst stark abgenutzt zu werden,
da alle Zwischenräume mit Oel gefüllt sind. Obgleich sich diese Lager ganz gut bewährten, ging man doch, weil sich nach längerer
Zeit eine Abnutzung zeigte, zu dem Lager Fig. 2 und 3 über, das jetzt bei allen Turbinen von Parsons angewendet wird. Ringe und Spiralfeder sind hier ersetzt durch drei konzentrische Röhren aus Messing oder Stahl, die sich
läufig übereinander schieben lassen. Es hat sich gezeigt, dass das zwischen die Röhren tretende Oel ein selbst zentrierendes
Kissen bildet, welches die Schaftschwingungen vorzüglich dämpft, und der Versuch hat bewiesen, dass das Oel niemals vollständig
zwischen den Röhren herausgedrückt wird.
Textabbildung Bd. 315, S. 14
Lagerkonstruktionen.
Textabbildung Bd. 315, S. 14
Fig. 4.Anordnung der Schaufeln.
Ursprünglich wurden die Schaufeln, ähnlich wie die Zähne bei Zahnrädern, am Umfange von Ringen aus gegossenem Messing oder
geschmiedetem Deltametall ausgefräst; aber es zeigte sich, dass infolge verborgener Risse leicht ein Zerspringen dieser Ringe
eintrat. Heute stellt man die Schaufeln einzeln durch Pressen oder Ziehen aus Phosphorbronze her und setzt sie in schwalben-schwanzförmige
Nuten des Gehäuses bezw. der Welle ein. Bei diesem Verfahren ist ein Bruch so gut wie ausgeschlossen.Die Anordnung der Schaufeln im allgemeinen ist aus Fig. 4 zu ersehen, die im Gegensatz zu der Zeichnung im Aufsatz von W. Müller achsiale Schaufelanordnung zeigt, und im übrigen wohl ohne Erklärung verständlich ist.
Die Regulierung der Maschinen findet in der Weise statt, dass der Regulator mit Hilfe eines Hebels einen Schieber beeinflusst,
der ausserdem sich in gleichen Zeiträumen auf und ab bewegt, und dadurch Dampf über oder unter einen Kolben treten lässt,
der nun seinerseits das Hauptventil für die Dampfeinströmung öffnet und schliesst. Infolgedessen tritt der Dampf bei kleinen
Belastungen nur in einzelnen, kurzen Stössen in die Maschine ein, die, je grösser die Belastung wird, um so länger dauern,
bis sie schliesslich bei voller Belastung zu einem ununterbrochenen Strome werden. Durch diese Anordnung soll einerseits eine
grosse Oekonomie im Dampfverbrauch erzielt werden, andererseits sollen alle regelnden Teile in steter Bewegung bleiben, um
in ihnen die Reibung zu vermindern und dadurch die Reguliergeschwindigkeit zu vergrössern.
Die ersten Dampfturbinen von Parsons wurden 1885 gebaut, und es ist sicher als ein gutes Zeichen für ihre Brauchbarkeit anzusehen, dass einer dieser ersten Motoren
noch bis in die jüngste Zeit im Betriebe gewesen ist und nur durch einen neuen ersetzt wurde, weil er in seiner Grösse nicht
mehr ausreichte.
Textabbildung Bd. 315, S. 14
Fig. 5.Turbine mit Dynamomaschine direkt gekuppelt.
Was den Dampf verbrauch anlangt, so wird versichert, dass die Turbinen darin guten Verbunddampfmaschinen mit Kondensation
gleichkommen, und es werden zum Beweise dafür Versuche von Prof. Ewing angeführt, die schon früher veröffentlicht sindSiehe Engineering Bd. 58 S. 52..
Heute bestehen zwei Fabriken in England, welche sich mit dem Bau dieser Dampfturbinen beschäftigen, von denen die eine in
Heaton-on-Tyne nur stationäre, die andere in Wallsend-on-Tyne nur Schiffsmaschinen herstellt. Schon sind eine grosse Anzahl
Turbinen hergestellt und in Betrieb gesetzt. Unter den aufgezählten Anlagen interessiert uns wohl hauptsächlich eine solche
von 2 h × 1000 Kilo-Watt für das Elektrizitätswerk in Elberfeld, deren Bau kürzlich beendet ist. Die mit den Turbinen direkt gekuppelten Generatoren für Elektrizität werden
wegen der noch immer sehr hohen Umdrehungszahlen, 1500 bis 4800 in der Minute, ebenfalls von der genannten Fabrik gebaut,
um so Motor und Maschine zu einem organischen Ganzen ausbilden zu können (Fig. 5).
Näher beschrieben wird die Anlage der Newcastle and District Electric Company af Forth Banks, welche mit drei Generatoren zu je 75 Kilo-Watt 1889 eröffnet wurde; heute werden in dem Maschinenraume, der nur 365 qm gross
ist, 1720 Kilo-Watt, ja bei Inanspruchnahme der gesamten Reserve 3200 Kilo-Watt erzeugt. Die durch die Maschinen hervorgerufenen
Erschütterungen sind so gering, dass der Raum, in welchem sie stehen, und ein grosses Zeichenbureau eine durchgehende Wand
besitzen, ohne dass sich bis jetzt Unzuträglichkeiten herausgestellt hätten. Hieraus ergibt sich ohne weiteres auch, dass
die Herstellung der Fundamente eine sehr leichte und billige sein kann. Die Kosten der Erzeugung elektrischer Energie mit
Hilfe von Parsons' Dampfturbinen beleuchtet schliesslich folgende von der obengenannten Electric Company angegebene Tabelle, die gleichzeitig ein interessantes Bild der einschlägigen englischen Verhältnisse überhaupt gibt, und
ausserdem auch durch die niedrigen Ausgaben für Reparatur und Neuanschaffungen der ausführenden Firma ein gutes Zeugnis ausstellt:
Kosten für eine Einheit elektrischer Energie in Pfennig.
Für die Jahre, welche mit dem 31. Dezember endigen
1891
1892
1893
1894
1895
1896
1897
1898
Bezahlte Kilo-Watt
206,017
290,469
388,422
431,662
471,662
541,134
642,969
778,828
LöhneOel, Putzwolle u.s.w.Kohlen und WasserPacht, SteuernGehälter, Spesen des Direktors, BureauausgabenReparaturen und Neuanschaffungen
6,12 1,7812,15 2,89 5,01 0,85
5,43 2,3010,36 2,30 3,91 1,87
4,84 1,53 7,82 1,87 5,18 1,19
5,18 1,10 6,54 2,04 4,42 1,27
4,761,195,692,385,011,02
4,33 1,10 5,69 3,06 4,16 1,10
4,00 1,10 5,61 2,12 3,74 1,27
3,74 0,94 5,18 1,53 3,40 1,36
28,80
26,17
22,43
20,55
20,05
19,44
17,84
16,15
Dass die Dampfturbinen von Parsons thatsächlich längst aus dem Versuchsstadium heraus sind und in den Kreisen der englischen Fachleute der ernstesten Beachtung
gewürdigt werden, sehen wir ferner aus den folgenden Mitteilungen, die einigen späteren Nummern des Engineering entnommen sindSiehe Engineering Bd. 58 S. 373 und 374, S. 383 und
384.:
Der Versammlung der British Association. welche im September 1899 in Dover stattfand, legte Parsons das Modell eines „schnellen Kanalkreuzers“So übersetzen wir das englische „cross Channel steamer“, welches Schiffe bezeichnet, die nur zur Ueberfahrt nach dem Kontinent dienen, für länger dauernde Seereisen jedoch nicht
eingerichtet sind. vor, welcher von Dampfturbinen seines Systems getrieben werden soll. In dem gleichzeitig überreichten Berichte spricht er
zunächst von Versuchen, die mit einem kürzlich vollendeten Torpedobootzerstörer angestellt sind. Hat schon die „Turbinia“ nach den Versuchen des Prof. Ewing etwa 6,6 kg Dampf für 1 PSi/Std. bei einer Geschwindigkeit von 32 Knoten und
sogar noch etwas weniger bei der höchsten überhaupt erreichten Geschwindigkeit von
34½ Knoten gebraucht, so hofft man nach den vorbereitenden Versuchen mit dem Torpedobootzerstörer mindestens auf
35 Knoten Geschwindigkeit zu kommen und den Dampfverbrauch noch mehr herunter zu drücken, so dass derselbe nicht grösser als
bei unseren besten Dreifach-Expansionsmaschinen sein wird. Als sonstige Vorteile sind besonders zu nennen: Das Gewicht der
Maschine, der Welle und des Propellers bleibt unter ½ desjenigen eines Schraubendampfers, unter ⅓ von dem eines Raddampfers.
Auch der Rumpf kann leichter gebaut werden, da die Massenkräfte fortfallen. Aus demselben Grunde hören die unangenehmen Vibrationen
fast gänzlich auf, wodurch die Fahrt derjenigen auf Segelschiffen ähnlich wird. Mit dem kondensierten Dampf gelangt kein Oel
mit in den Kessel, so dass dieser weniger stark angegriffen wird und darum auch seltener revidiert zu werden braucht. Das
vorgelegte Modell zeigt vergrösserte Wohnräumefür die Passagiere, freiere Promenade auf Deck und überhaupt eine grössere Bequemlichkeit für die Reisenden, als das bei der
gewöhnlichen Bauart möglich ist. Das Gepäck soll in besonderen Packkörben in zwei grossen Verschlagen so aufgestapelt werden,
dass es am Reiseziel direkt durch Hafenkrane in besonders dazu eingerichtete Eisenbahnwagen verladen werden kann, um so eine
rasche Weiterreise zu ermöglichen. Würde ein solches Fahrzeug auf der Dieppe-Newhavenlinie verkekren, so würde dadurch die
kürzeste Reise zwischen London und Paris ermöglicht und gegen heute dabei ungefähr ½ Stunde gewonnen werden.
In seiner Begrüssungsrede betonte der Präsident derjenigen Abteilung der British Association, welcher der obige Bericht vorgelegt wurde, der Chefkonstrukteur der englischen Marine, Sir William White, die Wichtigkeit der neuen Erfindung. Er legt den Hauptwert auf die dadurch erzielte Verminderung des toten Gewichtes; wurden
doch bei der „Turbinia“ 100 PSi für jede Tonne des Antriebsmechanismus entwickelt. Sodann hebt er das Verdienst hervor, das sich Parsons dadurch erworben hat, dass er zum erstenmal mehrfache Schrauben von kleinem Durchmesser für Propeller rasch fahrender Schiffe
benutzte. Die britische Admiralität plant Versuche im Grossen mit einem Torpedobootzerstörer von 10000 PS, deren Ergebnissen
man wohl mit Spannung entgegensehen darf.
Aus der sich anschliessenden Diskussion heben wir folgendes hervor: Prof. Dunkerley, Greenwich, der bei Ewing's Versuchen zugegen war, betont, dass sich während dieser Versuche seine vorgefasste schlechte Meinung über die Maschinen ins
Gegenteil verwandelt habe. Mr. Barker, Leiter der elektrischen Lichtanlage in Cambridge, spricht sich nach 6jähriger Erfahrung durchaus lobend über die Motoren
aus. Eine Turbine lief 1 Jahr ohne Beaufsichtigung und war nach Verlauf dieser Zeit in gutem Zustande. Sie hatte in 3 Monaten
600000000 Umdrehungen ohne Oelwechsel
gemacht. Nach 6jährigem Betriebe wurde ein Motor auseinander genommen; er zeigte im Inneren noch die Feilstriche an Stellen,
wo nach den Voraussagungen ein Zerfressen am stärksten hätte stattfinden sollen. Eine Erhöhung der Erzeugungskosten für die
elektrische Einheit trat nach der Einführung der Turbinen trotz gesteigerter Kohlenpreise nicht ein. Zum Schlusse machte Parsons selbst in Beantwortung von in der Diskussion aufgeworfenen Fragen noch einige Bemerkungen über die Rückwärtsfahrt eines mit
seinen Dampfturbinen angetriebenen Fahrzeuges. Auf der Schrauben welle selbst sitzt ausser der treibenden Turbine, welche
die Vorwärtsbewegung verursacht, noch eine zweite mit entgegengesetzt gerichteten Schaufeln, welche beim Vorwärtsgang im Vakuum
des Kondensators sich dreht, also ihrer Drehung wenig Widerstand entgegensetzt. Soll das Schiff rückwärts fahren, so werden
einfach die Rollen dieser beiden Turbinen vertauscht. Die „Turbinia“ hat z.B. vier Wellen, von denen zwei nur Vorwärts-, dagegen zwei Vorwärts- und Rückwärtsturbinen besitzen.
F. Mbg.