Titel: | Die Acetylenausstellung in Cannstatt vom 11. bis 31. Mai 1899. |
Autor: | F. Liebetanz |
Fundstelle: | Band 314, Jahrgang 1899, S. 171 |
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Die Acetylenausstellung in Cannstatt vom 11. bis
31. Mai 1899.
Von F. Liebetanz in
Düsseldorf.
(Schluss des Berichtes S. 157 d. Bd.)
Die Acetylenausstellung in Cannstatt vom 11. bis 31. Mai
1899.
Wilhelm Auer in Stuttgart hatte drei verschiedene
Apparate ausgestellt. Der automatisch arbeitende Apparat Fig. 33 und 34 besteht
aus dem Wasserbehälter a des Entwicklers, den
Karbidkästen c, dem Gasraum d und dem Ableitungsrohr b, das zum Gasometer
führt. Die Kästchen c sind mittels einer Stange, die
zugleich als Handgriff dient, oberhalb des Wasserspiegels in zwei verschieden hohe
Schienen eingehängt. Unter den zum Einhängen bestimmten Nasen ist ein nach einer
bestimmten Kurve gebogener Hebel c gelagert, den die
Gasometerglocke bei Gasbedarf und auf diese Weise jedesmal eines der Kästchen
auslöst. Das Kästchen gleitet auf der schiefen Ebene in das im Behälter a befindliche Entwickelungswasser und zwar, wie Fig. 33
zeigt, hinter diese schiefe Wand. Das Karbid schwebt frei etwa 15 cm unter dem
Wasserspiegel und kann deshalb nicht von dem Schlamm vorher zersetzten Karbids
umhüllt und in seiner Ausnutzung beeinträchtigt werden. Das entwickelte Gas tritt in
den Raum d und aus diesem durch das Rohr b in den Gasometer. Der Kalkrückstand wird zugleich mit
dem ausgebrauchten Karbidbehälter aus dem Entwickelungswasser entfernt. Das in den
Kästen aufgespeicherte Karbid muss natürlich mittels Petroleum und Oel imprägniert sein,
um eine vorzeitige Vergasung zu vermeiden. Wird durch Eintritt des Acetylens die
Gasometerglocke gehoben, so sinkt der Hebel e in
gleichem Masse, während er beim Verbrauch des Gases, also beim Sinken der
Gasometerglocke, angezogen wird und ein weiteres Kästchen abhebt und ins Wasser
gleiten lässt. Die Auswechselung der ausgebrauchten Kästchen kann ohne weiteres
während des Betriebes erfolgen.
Textabbildung Bd. 314, S. 172
Acetylenapparat von Auer.
Der Apparat für Handbetrieb derselben Firma ist in Fig. 35 dargestellt.
Seine Bedienung ist die bekannte. In einer Gabel befestigte cylindrische
Karbidbüchsen (Fig. 36) werden von Hand in den Entwickler geführt, wobei sie unter ein
Dach zu liegen kommen, das das erzeugte Gas zwingt, durch die Leitung in den
Gasbehälter zu strömen. ½ Stunde ehe das im letzteren aufgespeicherte Acetylen
verbraucht ist, setzt sich ein elektrisches Läutewerk in Thätigkeit, wodurch man in
die Lage versetzt ist, stets rechtzeitig eine neue Büchse mit Karbid einzuführen.
Eine Ueberproduktion von Acetylen ist sowohl bei diesem, als auch bei dem
vorhergehenden Apparat ausgeschlossen, da die einzelnen Karbidbehälter nur so viel
Karbid fassen, dass das aus diesem erzeugte Acetylen gerade den Gasbehälter füllt,
und da immer nur einer dieser Behälter in Funktion tritt, so ergibt sich
vorstehendes Resultat.
Die Gesellschaft für Heiz- und Beleuchtungswesen in
Heilbronn hatte in sehr umfassender und geschmackvoller Weise ausgestellt. Diese
Gesellschaft nimmt insofern eine Ausnahmestellung ein, als sie lediglich Apparate
für Handbetrieb fertigt und automatische Apparate gänzlich von ihrer Fabrikation
ausschliesst. Diesen Standpunkt hatte auch die Mannheimer Firma Bucher und Schrade inne, deren Handapparat wir bei dem
Bericht über die Budapester Ausstellung besprachen; diese Firma hat jedoch
eingesehen, dass es zweckmässig erscheint, auch automatische Apparate zu
fabrizieren, und wir glauben, dass die Heilbronner Gesellschaft nicht umhin können
wird, ihren Standpunkt gleichfalls zu verlassen und die Mitfabrikation automatischer
Apparate aufzunehmen.
Textabbildung Bd. 314, S. 172
Acetylenapparat von Auer.
Textabbildung Bd. 314, S. 172
Fig. 37.Acetylenapparat von der Gesellschaft für Heiz- und
Beleuchtungswesen in Heilbronn.
Der Apparat „Planet“ dieser Gesellschaft ist, wie erwähnt, ein von Hand zu
betreibender Apparat nach dem Einwurfsystem. Seine Konstruktion geht aus Fig. 37 bis 39 hervor. Das äussere
Aussehen überzeugt, dass wir es hier mit solider schwerer Arbeit zu thun haben, die
in allen Teilen der Sache angepasst ist. Neben dem Einhängen der gefüllten
Karbidschale c unter den Entwickelungscylinder b, ohne den Apparat zu öffnen, hat man bei der
Bedienung des Apparates weiter keine Arbeit, als demselben von Zeit zu Zeit frisches
Wasser hinzuzufügen, das alte abzulassen und den Reiniger etwa alle 6 Monate neu zu
beschicken. Die Hahnensicherung 1 macht eine
nachlässige Bedienung oder falsche Handhabung des Apparates zur Unmöglichkeit;
irrtümliches Oeffnen und Schliessen des Hahnes ist vollkommen ausgeschlossen. Das
Karbid wird, wie bereits wiederholt bei der Erläuterung ähnlich funktionierender
Apparate mitgeteilt wurde, vor dem Einbringen in den Entwickler gegen die Einwirkung
der Luftfeuchtigkeit imprägniert, weshalb es nicht sofort unter Wasser zersetzt
wird, sondern erst nach einiger Zeit. Es entsteht daher bei allen solchen oder
ähnlichen Apparaten, wie vielleicht befürchtet werden könnte, kein Gasverlust. Die
Reinigungsgefässe der Firma besitzen zur Aufnahme der Reinigungsmasse ein Thongefäss
ohne jegliche Verschraubung, das wieder in einen eisernen Behälter eingesetzt und
durch Wasser abgeschlossen ist.
Textabbildung Bd. 314, S. 173
Acetylenapparat von der Gesellschaft für Heiz- und Beleuchtungswesen in
Heilbronn.
Auch der ärgste Gegner des Acetylens wird bei der Betrachtung dieser Apparate, wie
auch der oben veranschaulichten Apparate von W. Auer
und der früher beschriebenen von C. König und Bucher und Schrade, die volle Ueberzeugung gewinnen,
dass es nichts einfacheres, nichts auch annähernd ähnlich verblüffendes auf dem
Gebiete der künstlichen Lichterzeugung gibt, selbst die Petroleumlampe
eingeschlossen! Man bedenke: man hat nichts weiter zu thun, als Karbid in einen
Behälter zu Schütten, diesen in die Imprägnierflüssigkeit zu tauchen und sodann in
den Entwickler einzuhängen, und man hat die ganze kleine Gasanstalt in Betrieb. Des
Kontrastes falber vergleiche man hiermit die mühselige, aufreibende Arbeit in der
Steinkohlengasanstalt, die fast unerträgliche Arbeit an den Retorten. Man muss
beides gesehen haben, um der Wissenschaft immer wieder für die Entdeckung des
Acetylens und für die Erfindung des elektrischen Ofens, der es ja erst gestattete,
das Calciumkarbid fabrikmässig zu einem billigen Preise darzustellen, zu danken.
Hiermit soll den vorstehenden Apparaten keineswegs ein besonderes Loblied gesungen
werden, sondern wir heben dieselben nur als typisch hervor, um die eminente
Einfachheit zu zeigen, die bei der Darstellung des Acetylens obwaltet. Automatisch
wirkende Apparate werden und können natürlich niemals diesen Grad von Einfachheit
erreichen, wie von Hand betriebene Apparate, der Mechanismus der Automaten wird
immer komplizierter sein, aber der Vorgang der Gasfabrikation ist immer der gleich
einfache.
Textabbildung Bd. 314, S. 173
Spezialbrenner der „Hera“, internationale Gesellschaft für
Acetylenbeleuchtung.
Von Brennern waren die verschiedenen Typen der Nürnberger Firmen Jean Stadelmann und Co. und J.
v. Schwarz ausgestellt, die wir bereits gelegentlich des Budapester
Berichtes vorgeführt haben. Ausserdem hatte die „Hera“, internationale Gesellschaft für Acetylenbeleuchtung in
Berlin, ihre Spezialbrenner ausgestellt, die in den Fig. 40 bis 43 abgebildet
sind. Die unter Nr. 93 693 patentierten Brenner bestehen aus Messingröhrchen, die in
der Regel in der einfachen Lyraform der Fig. 41 angewendet
werden; jedoch kann man auch zwei oder drei solcher Brenner in einen Sockel
vereinigen, wie das die Fig. 42 und 43
verdeutlichen. An den oberen Enden münden die Metallröhrchen in
Specksteinköpfchen.
Textabbildung Bd. 314, S. 173
Brenner der Internationalen Acetylenwerke, Franz Hitze.
Eine praktische Einrichtung an Brennern boten die Internationalen Acetylenmerke, Franz Hitze in Berlin, mit ihren
Umschaltebrennern (Fig. 44 und 45). Dieselben sind so
eingerichtet, dass wenn die Hauptflamme ausgedreht wird, eine kleine
Nebenflamme zur Entzündung gelangt, die ununterbrochen brennt, bis wieder die
Hauptflamme nötig ist und bei Entzündung derselben sofort verlöscht. Dieses
Entzünden und Verlöschen wird lediglich durch einen Zug an einer der beiden mit A (auf) und Z (zu)
bezeichneten Ketten bewirkt.
Auch Acetylenmotoren waren von der Deutzer
Gasmotorenfabrik in Deutz und von der Motorenfabrik von Moritz Hille in Dresden-Löbtau ausgestellt. Der Motor
der letzteren Firma ist in Fig. 73 auf Seite 147 dieses Bandes abgebildet und
unterscheidet sich äusserlich fast in nichts von einem gewöhnlichen Gasmotor
bekannter Ausführung. Der Motor wird in Grössen von 1 bis 20 ausgeführt,
arbeitet vollständig stossfrei und geräuschlos und seine Wartung ist einfach und
auch für den Laien durchaus gefahrlos. Der Verbrauch von Acetylen wird mit 160 bis
180 l pro Pferdekraftstunde angegeben. Durch eine einfache aber gut funktionierende
Reguliervorrichtung werden Gasverbrauch und Tourenzahl geregelt, derart, dass
entsprechend der Kraftleistung entweder durch den ganzen Hub des Kolbens der
Brennstoff zugelassen wird, oder zu richtiger Zeit eine Absperrung erfährt. Der
Wassermantel und der Arbeitscylinder sind auswechselbar. Der letztere ist aus einem
besonders harten Material hergestellt, um die Abnutzung zu vermeiden. Die Steuerung
ist ebenso einfach wie die Zündung, die durch einen elektromagnetischen Apparat
bewirkt wird. Das Gas-Luftgemisch tritt in den Cylinder ein und wird durch die
elektrische Zündung zur Explosion gebracht.
Ebenso wie bei dem Bericht über die bekanntlich gleichzeitig mit der Cannstatter
Ausstellung stattgefundene Acetylenausstellung in Budapest können wir hier nicht auf
alle ausgestellt gewesenen Apparate und sonstigen Gegenstände eingehen, jedoch wird
man vielleicht aus dem Gebotenen einen Rückschluss auf die rapide Entwickelung der
jungen Industrie zu ziehen vermögen. Es sei noch erwähnt, dass neben vielen
Tausenden von einzelnen Acetylenanlagen bereits mehr als 40 Städte und Ortschaften
sich des Acetylens als öffentliche Beleuchtung bedienen, und wenn diese
Acetylengasanstalten auch entsprechend der Einwohnerzahl dieser Orte noch klein sind
(es sind durchschnittlich Gemeinden mit 3000 bis 5000 Einwohnern), so ist nicht zu
verkennen, dass die erste städtische Acetylengasanstalt erst vor knapp 2 Jahren
errichtet wurde. Deutschland steht mit etwa 27 mit Acetylengasanstalten (teilweise
im Betrieb, teilweise im Bau) versehener Gemeinden an der Spitze dieser Industrie,
sodann folgen Frankreich mit 6, Nordamerika mit 5, Ungarn mit 3, Grossbritannien mit
1 solchen Anlage. Etwa 60000 sind zum Zwecke der Karbidfabrikation im
Betrieb oder im Ausbau begriffen und neben diesen Wasserkräften beginnt man auch
Dampf, ganz besonders aber die Hochofengase in den Dienst dieser Fabrikation zu
stellen, so dass sich hier eine mächtige Industrie im grossen Massstabe zu
entwickeln beginnt, die nicht zum geringsten dazu beitragen wird, uns von den
Petroleumspekulanten, die gerade momentan wieder die Preise erhöhen, wenigstens zum
Teil unabhängig zu machen. An fast allen ausländischen Karbidwerken, die ihr Produkt
nach Deutschland einführen, ist deutsches Kapital überwiegend beteiligt, und wenn
man erst die mit Hochofengasen zu betreibenden Werke in grösserem Umfange fertig
haben wird und verschiedene andere deutsche Werke vollendet sein werden, dann wird
die wirtschaftliche Bedeutung dieser Industrie für Deutschland noch schärfer
hervortreten. Vorläufig besitzt Deutschland nur in den drei süddeutschen Staaten je
ein Karbidwerk, an der Ruhr ist ein solches mit Hochofengasen, in Westfalen ein
anderes mit Dampf im Betrieb; beide in kleinerem Umfange. Durch Verbesserungen und
Vereinfachung der Fabrikation hat man einen rationelleren Betrieb erreicht, und da
die Selbstkosten wesentlich sanken, so ist bei gleicher Rentabilität der Werke
(vorausgesetzt, mit den erforderlichen Erfahrungen erbaut, verbessert und geleitet)
eine erhebliche Herabsetzung des Verkaufspreises des Karbids möglich und aller
Wahrscheinlichkeit nach wird dasselbe im nächsten Jahre von den rationell
arbeitenden Werken zu einem Preise geliefert werden, dass das Acetylen, abgesehen
vom Auer-Licht, thatsächlich, nicht nur auf den Prospekten der Apparateverkäufer,
die billigste Lichtquelle sein wird, eine Lichtquelle, die, wie wir gesehen haben,
hinsichtlich der Einfachheit ihrer Erzeugung ihresgleichen sucht, und deren
ausgezeichnete Intensität, unvergleichlich reine Farbe und milder Glanz ohne
Beispiel ist.
„Die Firma Camozzi und Schlösser in Frankfurt a. M.
schreibt uns, dass bei ihren in der letzten Fortsetzung des Berichtes
besprochenen Apparaten und Lampen, ein unbedenkliches Schliessen der Brenner
stattfinden kann, ohne eine Ueberproduktion an Gas befürchten zu müssen, da
durch die Reguliervorrichtung des Beschickungsventils stets nur so viel Karbid
ins Wasser gelangen kann, als zur Füllung des Gasbehälters Acetylen nötig ist.
Eine Nachentwickelung findet nicht statt.“
Wir haben in unserer Beschreibung wesentlich dasselbe gesagt und bedauern, dass durch
vorstehende Richtigstellung die von uns erläuterten Bedenken nicht behoben sind. Da
das Karbid niemals die gleiche Gasausbeute ergibt, so garantiert auch nicht das
sorgfältigst abgemessene Karbidquantum für ein stets gleich grosses Gasvolumen und
die mit Gas angefüllte Lampe wird eben nie ein vorsichtiger Mensch vollständigen
Laien oder gar Dienstboten in die Hände geben. Lediglich auf letzteren Umstand
bezogen sich unsere Bedenken gegen die, für viele Zwecke sehr brauchbaren Apparate,
und wir glauben, dass uns die Firma Camozzi und
Schlösser hierin nur beistimmen kann.