Titel: | Die Internationale Motorwagenausstellung zu Berlin 1899. |
Fundstelle: | Band 314, Jahrgang 1899, S. 121 |
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Die Internationale Motorwagenausstellung zu
Berlin 1899.
(Fortsetzung des Berichtes S. 106 d.
Bd.)
Die Internationale Motorwagenausstellung zu Berlin
1899.
Die Berliner Maschinenfabrik Henschel und Co. G. m. b.
H., Berlin-Charlottenburg, beschäftigt sich gegenwärtig auch mit der
Herstellung aller Arten von Motorfahrzeugen. Sie wendet die ihr geschützten Benzin-
und elektrischen Motoren sowohl für Wagen als auch für Boote an. Auf der Ausstellung zeigte
diese Firma interessante Erzeugnisse, nämlich ein zweisitziges Elektromobil
(Phaethon), einen Benzinmotorwagen (zweisitziger mit Führersitz), ein kleines
Motorboot mit Benzinmotor, ein Motordreirad mit aufsetzbarem Sitz für ein bis zwei
Personen und endlich verschiedene kleine Modelle.
Textabbildung Bd. 314, S. 122
Fig. 41.Elektrische Droschke der Berliner Maschinenfabrik Henschel und
Co. G. m. b. H.
Der Firma Henschel und Co. gebührt übrigens der Ruhm,
die ersten elektrischen Droschken (Fig. 41) in Berlin
eingeführt zu haben.
Ein besonderer Vorzug des neuen Systems liegt darin, dass man die Antriebsmotoren an
beliebiger Stelle des Gefährtes unterbringen kann, z.B. in dem Wagenkasten;
infolgedessen ist der ganze Antriebsmechanismus für das Auge unsichtbar.
Bei unserer Taxameterdroschke liegen die beiden Elektromotoren in M unter dem Kutschersitz. Mittels je einer biegsamen
Welle W (eine patentierte neue Spezialität der Firma
Henschel und Co.), die für besonders grosse
Kraftbeanspruchungen gut geeignet ist, werden je ein Hinterrad mittels
Kettenübertragung in Bewegung gesetzt. Durch dieses Verfahren wird das
Differentialgetriebe überflüssig, ausserdem ist die Möglichkeit einer Reserve
gegeben. Die Motoren sind gänzlich eingekapselt, daher also auch staubsicher und
besitzen bei einer Spannung von ungefähr 85 Volt eine Tourenzahl von 1100 pro
Minute.
Textabbildung Bd. 314, S. 122
Fig. 42.Elektrisches Phaethon der Berliner Maschinenfabrik Henschel und
Co. G. m. b. H.
Von besonderer Bedeutung ist die Lagerung des Zapfens für das kleine Kettentriebrad,
da sie ein durchaus stossfreies Anfahren der Droschke ermöglicht, wodurch der
Antriebsmechanismus wesentlich geschont wird. Mit Hilfe des Zwischengliedes, der
biegsamen Welle, das den Schwingungen des Wagens folgt, war man im stände, die
Motoren fest mit dem Wagenkasten zu verbinden. Die Akkumulatorenbatterie wird von
der Hagener Akkumulatorenfabrik-Actiengesellschaft
geliefert und in einem besonderen Kasten B unter dem
Wagen in wenigen Minuten untergebracht. Hierdurch bietet sich wiederum ein
grosser Vorteil, nämlich, die Batterien in ganz kurzer Zeit auszuwechseln.
Für den Fall, dass einer der Motoren defekt werden sollte, ist die Schaltung im
Kontroller so eingerichtet, dass jeder Motor für sich allein arbeiten, bezw. den
Wagen antreiben kann, allerdings mit geringerer Fahrgeschwindigkeit.
Die Lenkung der Droschke geschieht durch ein Handrad S,
welches den Zahnkranz des Drehschemels bethätigt. Da dieser in Kugellagern läuft,
ist die Lenkung eine ebenso leichte wie sichere. Der Wagenlenker bedient das
Steuerrad S mit der rechten Hand, mit der linken Hand
den Hebel H des Kontrollers.
Die für diese öffentlichen Fuhrwerke erforderliche sichere Bremsung erfolgt sowohl
elektrisch als auch mechanisch. Die letztere Art der Bremsung wird durch einen
Fusstritt bethätigt und wirkt zur selben Zeit am Motor und an dem Radkranz der
Hinterräder.
Die Akkumulatorenbatterie hat eine Kapazität von ungefähr 60 bis 70 Ampère-Stunden
und genügt für eine Fahrstrecke von etwa 30 km. Die Batterie besteht aus 44 Zellen,
so dass die Motoren mit einer Spannung von 80 bis 90 Volt arbeiten. Die notwendigen
Widerstände sind in dem Kasten unterhalb des Kutschersitzes. Der Kontakt zur
Bethätigung des elektrischen Warnsignals ist leicht mit dem Fusse erreichbar und
befindet sich vorn an dem Wagen. Die biegsamen Wellen sind in Rollenlagern gelagert;
der Nutzeffekt dieser Uebertragung ist wesentlich höher als derjenige mit
Zahnrädern.
Die durchschnittliche Geschwindigkeit der Droschke beträgt 14 km, die maximale
Fahrgeschwindigkeit etwa 18 km pro Stunde. Das Gewicht des (unbesetzten) Wagens
beträgt 1250 kg; derselbe fasst mit dem Führer sechs Personen. Die Räder tragen
Vollgummi von 70 mm Breite, welche sich für diese Last nach den vorgenommenen
Versuchen gut bewähren.
Textabbildung Bd. 314, S. 122
Fig. 43.Ladestation der Berliner Maschinenfabrik Henschel und Co. G. m.
b. H.
Unter den ausgestellten Gegenständen erregte das elektrische Phaethon derselben Firma
(Fig. 42) die allgemeine Aufmerksamkeit. Dasselbe
zeichnet sich durch gefällige Form und verhältnismässig geringes Gewicht vorteilhaft
aus; es eignet sich sowohl für den praktischen Gebrauch, als auch für Freunde des
Automobilsports. Der Wagen ist für zwei Personen eingerichtet und kann noch mit
einem Rücksitz versehen werden. Die Akkumulatoren gestatten bei einmaliger. Ladung
eine Leistungsfähigkeit bis zu 70 km Wegstrecke. Die Räder sind mit. Pneumatiks
ausgerüstet; die Federung ist eine gute und solide. Die Bremsung ist eine sichere,
und zwar sind zwei mechanische Bremsen angebracht; ausserdem kann auch der Wagen
elektrisch gebremst werden.
Um das Fahrzeug auch dort, wo kein elektrischer Betriebsstrom vorhanden ist,
benutzen zu können, hält die Firma zur Ladung der Akkumulatoren fahrbare
Ladestationen (Fig. 43), die auch ausserhalb der
Ladezeit für Beleuchtungs- und andere Zwecke benutzt werden können, zur Verfügung
des Käufers. Das Verdeck des Wagens ist abnehmbar und kann dieser auf Wunsch als
Dos-à-Dos eingerichtet werden, ebenso wie er auch durch Aufsetzen eines
entsprechenden Wagenkastens als Geschäftswagen verwendbar ist. Steigungen können bis
zu 10% ganz leicht überwunden werden.
Textabbildung Bd. 314, S. 123
Fig. 44.Motorboot für elektrischen und Benzinbetrieb der Berliner
Maschinenfabrik Henschel und Co. G. m. b. H.
Ein weiteres von der Firma Henschel und Co.
ausgestelltes interessantes Objekt war das Motorboot für elektrischen und
Benzinbetrieb (Fig. 44). Der praktisch gebaute und
geschützte Bootsantrieb (Fig. 45) besteht aus dem
Motor, der biegsamen Welle und dem Propeller, welche sämtlich auf einem
gemeinschaftlichen Rahmen befestigt sind, so dass die gesamte Vorrichtung ein
zusammenhängendes Ganzes bildet. Der Motor, welcher ein Elektromotor oder
Explosionsmotor sein kann (der also in ersterem Falle mit Hilfe einer
Akkumulatorenbatterie, im letzteren zweckmässig mit Benzin betrieben wird), ist mit
der biegsamen Welle gekuppelt; letztere erhebt sich schwanenhalsartig über die
Bordwand des Bootes und trägt an ihrem öderen Ende den Propeller.
Die biegsame Welle ist in einer Stahlröhre gelagert, Welche zur ihrer Führung
bestimmt ist, und welche gleichzeitig den Druck des Propellers aufnimmt und diesen
Druck auf das Boot überträgt. Dabei ist die Lagerung des erwähnten Stahlrohres im
Hinblick auf die Druckübertragung derartig durchgeführt, dass sich das Rohr um eine
vertikale Achse drehen kann. Daraus ergibt sich der wesentliche Vorteil, dass sich
der Propeller gleichzeitig auch zum Steuern verwenden lässt, da das Rohr und damit
der Propeller sich im Winkel zum Schiffskiel einstellen lassen.
Textabbildung Bd. 314, S. 123
Fig. 45.Bootsantrieb der Berliner Maschinenfabrik Henschel und Co. G. m.
b. H.
Die Kuppelung zwischen der biegsamen Welle und dem Motor, welche bei dem Bootsantrieb
mit Explosionsmotor auch die Umsteuerung mit einschliesst, ist derartig hergestellt,
dass die in dem Rohre laufende biegsame Welle den Bewegungen desselben nach allen
Seiten folgen kann. Die biegsame Welle selbst, welche nach einem neuen System (D. R.
P.) angefertigt ist, erscheint auch für die grössten Kraftbeanspruchungen geeignet.
Ihre grosse Biegsamkeit lässt selbst eine Drehung der Welle in kleinen Kurven ohne
nennenswerten Kraftverlust zu. Wie wir erfahren, haben vorgenommene Messungen
thatsächlich ergeben, dass der Nutzeffekt dieser neuen Uebertragung bei weitem höher
ist, als der einer gleichen Uebertragung mit starrer, durch den Kiel des Bootes
geführter Welle. Bei der letzteren Uebertragung geht durch die notwendig werdende
Stopfbüchse natürlich viel Kraft verloren und es ist daher leicht ersichtlich,
warum bei Benutzung einer solchen Uebertragung besonders für kleinere Boote
unverhältnismässig grosse Motoren notwendig werden. Die Motoren für den neuen
Bootsantrieb können bei den aufgezählten Vorteilen, die deren Verwendung bietet,
durchschnittlich 20 bis 30% kleiner sein, als für die Antriebe älterer Konstruktion.
Die biegsame Welle besteht aus federhartem Tiegelgussstahldraht und läuft in
Vaseline; die Abnutzung ist infolgedessen die denkbar geringste.
Den Bootsantrieb, welcher der Berliner Maschinenfabrik
Henschel und Co. gesetzlich geschützt und von dieser fabrikmässig
hergestellt wird, liefert die Firma komplett zum fertigen Einbau in das Boot. Es ist
möglich, kleinere von 6 bis 8 m Länge innerhalb einer Stunde, im Notfalle in wenigen
Minuten in ein Motorboot zu verwandeln. Für die Beiboote unserer grossen Kriegs- und
Handelsschiffe dürfte dieser Motor von grosser Bedeutung sein; auch ist damit ein
Mittel an die Hand gegeben, Fähren motorisch zu betreiben, und dem Segelboot bei
flauem Winde eine wirkungsvolle motorische Hilfe zu geben.
Der elektrische Antrieb ist überall da zu empfehlen, wo Elektrizität billig und
bequem zu haben ist, um die Akkumulatoren laden zu können, während der Benzinbetrieb
überall da zweckmässig sein wird, wo Elektrizität nicht erhältlich ist, und vor
allen Dingen lange Strecken durchfahren werden sollen.
Textabbildung Bd. 314, S. 123
Fig. 46.Motordreirad mit abnehmbarem Zweisitz der Berliner
Maschinenfabrik Henschel und Co. G. m. b. H.
Der Bootsantrieb ist im äussersten Hinterteile des Fahrzeuges untergebracht,
beansprucht wenig Raum und kann in jedes vorhandene alte Boot eingesetzt werden.
Ausser dieser Spezialität fertigen Henschel und Co.
Motordreiräder (Fig. 46) mit abnehmbarem Zweisitz an.
Dieselben sind in ihrer Form, sowie in der Anbringung des Motors und seiner
Mechanismen ähnlich demjenigen von Cudell, Hille,
Kretzschmar u.s.w. (s. D. p. J. 1899 311 140 bis 141 Fig. 62 und 66). Der Zweisitz wird an
Stelle des Sattels und mit einer besonderen Federung auf das Dreirad aufgesetzt. Man
kann also das gewöhnliche Motordreirad schnell in ein Automobil verwandeln, welches
nunmehr sowohl als Einsitzer, sowie auch als Zweisitzer verwendbar ist. Uebrigens
liefert die Firma für diese Motordreiräder noch ein- bezw. zweisitzige Anhängewagen,
so dass es dem Fahrer ermöglicht ist, unter Ausnutzung all dieser Kombinationen sich
je nach Bedarf in Besitz verschiedenartiger Motorfahrzeuge zu setzen.
Ein interessantes Objekt auf der Ausstellung war der Akkumulator System Ribbe der Vereinigten
Akkumulatoren- und Elektrizitätswerke Dr. Pflüger und Co. in Berlin.
Da an Akkumulatoren für Motorwagen besonders hohe Anforderungen gestellt werden, muss
deren Konstruktion auf das sorgfältigste ausgeführt werden. Dabei soll aber der
Akkumulator möglichst leicht sein, um das Gewicht des Wagens nicht zu sehr zu
vermehren, d.h. bei sehr geringem Gewicht eine grosse Kapazität besitzen. Er soll trotz seiner
dünneren Platten möglichst unempfindlich gegen Erschütterungen sein. Insbesonders
soll die aktive Masse von den Platten nicht abbröckeln und die Platten sollen sich,
etwa infolge eines Stosses, innerhalb der Säure nicht leitend berühren oder sich
gegeneinander verschieben, da dann Kurzschlüsse entstehen können. Der Akkumulator
soll ferner plötzlich starke Strommengen (z.B. beim Anfahren des Wagens und beim
Ueberwinden starker Steigungen) hergeben können. Endlich müssen die Gefässe aus
einem möglichst leichten, unzerbrechlichen und säurebeständigen Material
bestehen.
Allen diesen Anforderungen genügt der in der Ausstellung vorgeführte, durch
Musterschutz und Patente geschützte Akkumulator System
Ribbe, der folgendermassen konstruiert ist:
Der feste Kern der Platte ist eine Tafel aus 3 mm dickem Walzblei, aus der mittels
Stanzen bestimmte Teile entfernt sind, wodurch ein geeignetes Gitter zur Aufnahme
der Füllmasse geschaffen wird. Sie wird, wie jede andere Akkumulatorenplatte, auf
beiden Seiten mit einer Schicht der aktiven Masse bestrichen und darf vermöge ihrer
eigenartigen Konstruktion als ein Mittelding zwischen einer Gitter- und einer
Massenplatte bezeichnet werden. Laut Prüfungsschein der physikalisch-technischen
Reichsanstalt zu Berlin-Charlottenburg besitzt eine komplette Zelle von 7,6 kg
Gesamtgewicht inkl. Säure, gemessen bei stossweiser Entladung (also unter Umständen,
wie sie dem Strassenbahnbetriebe entsprechen), eine Kapazität von 94 Ampère-Stunden
bis zu einer Spannung von 1,5 Volt und von 84 Ampère-Stunden bis zu einer Spannung
von 1,8 Volt. Es entfallen also im letzteren Falle auf 1 kg Gesamtgewicht etwa 11
Ampère-Stunden.
Die zweite Bedingung, Widerstandsfähigkeit gegen Erschütterungen, insbesondere
Verhinderung des Abbrökkelns der aktiven Masse, dann der Verschiebung oder
gegenseitigen Berührung der Platten, d.h. Verhinderung von Kurzschluss ist beim
Akkumulator System Ribbe in vollkommener Form erfüllt.
Beide Seiten der Platten sind nämlich mit einem perforierten Celluloidblatt bedeckt
und beide Blätter durch zahlreiche kreisrunde Löcher, also durch die Platte
hindurch, miteinander durch Aceton verklebt, welches das Celluloid auflöst und nach
Erstarrung die beiden Celluloidblätter an der Berührungsstelle zu einem Ganzen
verbindet. Das Celluloid liegt nun völlig schlaff an der Oberfläche der Platte an
und die Platte bildet so mit ihrem Schutzpanzer ein innig verbundenes Ganzes. Es
gelingt nur unter Anwendung starker Werkzeuge, das Celluloid abzureissen. Dem
Loslösen der aktiven Masse ist also schon rein mechanisch vorgebeugt und ihr
Herabbröckeln vollständig ausgeschlossen. Diese Art der Anbringung der
Celluloidblätter bietet noch folgenden wesentlichen Vorteil:
Man kann nämlich auf der Plattenoberfläche Celluloidstäbchen festkleben, die jede
Berührung der Platten völlig verhindern. Dieses Verfahren hat einen ganz erheblichen
Vorzug vor den lose zwischen den Platten aufgestellten Stäbchen.
Die ganze Art des Aufbaues ermöglicht also, bei völliger Stabilität des Ganzen und
völliger Vermeidung der gegenseitigen Berührung der Platten, den vorhandenen Raum in
denkbar günstiger Weise auszunutzen, so dass auch die zweite Bedingung vollständig
erfüllt ist. Wenn ein leitender Körper versehentlich zwischen die Platten gelangen
sollte, wird ein Kurzschluss nicht eintreten können, da nur das Celluloid berührt
wird. Selbst gegenseitiges Berühren der Platten bei starker Quetschung bei einem
Wagenzusammenstoss würde einen Kurzschluss ausschliessen.
Dass der Akkumulator System Ribbe die dritte Bedingung,
plötzlich grosse Strommengen hergeben zu können, erfüllt, folgt aus den praktischen
Ergebnissen der Probefahrten mit dem unten zu beschreibenden Trambahnwagen.
Als Gefässmaterial kann für den Akkumulator jede beliebige säurebeständige, leichte
und elastische Substanz gewählt werden, wie Celluloid, Hartgummi u. dgl.
Ueber die Frage, wie dieser Akkumulator sich im praktischen Betrieb bewährt hat,
können wir folgendes mitteilen.
Mit einer Ribbe'schen Batterie war ein Motorwagen
der Linie „Zoologischer Garten–Steglitz Schlosspark“ mehr als 3 Monate in
regelmässigem, und 3 Monate im Probebetrieb. Die Strecke hin und zurück – 12 km –
wurde inkl. aller Haltestellen u.s.w. in 1 Stunde zurückgelegt, was bei 15 Fahrten
täglich einer Tagesleistung von rund 180 km entspricht. Die Geschwindigkeit musste
hierbei stellenweise auf 25 km erhöht werden. Für diese Leistung genügte eine
einzige Ladung des Akkumulators, die nachts vorgenommen wurde und demnach für den
ganzen Tagesbedarf ausreichte – ein sprechendes Beispiel für die ausserordentliche
Kapazität bei geringem Gewicht. Betrug doch das Gesamtgewicht der Batterie 3,3 t!
Auf derselben Strecke konnte der mit dem Akkumulator ausgestattete zweiachsige
Motorwagen ohne Schwierigkeiten einen grossen vierachsigen Anhängewagen
(Eigengewicht 5600 kg) mitnehmen, trotzdem einzelne Strecken bei gleichzeitigen
scharfen Kurven Steigungen bis zu 1 : 22 (Schmargendorf–Wilmersdorf) aufwiesen. Das
Anfahren an diesen Stellen zeigte wohl einen Ausschlag des Strommessers bis auf etwa
150 Ampère (Normalstromverbrauch nur 20 bis 25 Ampère), hatte aber sonst keinerlei
nachteilige Folgen für den Akkumulator, so dass also der Beweis für das
Vorhandensein der dritten Bedingung, nämlich Fähigkeit, plötzliche und hohe
Stromstösse hergeben zu können, erbracht ist. Nach diesen 6 Monaten zeigte sich die
Kapazität der Batterie als durchaus unvermindert. Die einzelnen Zellen wiesen keine
Spur einer Veränderung auf. Das Celluloid war glasklar und unverändert wie zu
Anfang. Aus diesen Daten geht zur Genüge die hohe praktische Leistungsfähigkeit des
Akkumulators hervor.
Ein ebenfalls interessantes Objekt, welches auf der Ausstellung vorgeführt wurde, war
der elektrische Fahrradmotorwagen „Electra“ (System Müller) von A. Krüger in Berlin. Dieses
Fahrzeug (Fig. 47), welches Platz für zwei Personen
bietet, wird mit transportabler Elektrizität betrieben.
In fachmännischen als auch Laienkreisen machte sich schon seit einiger Zeit das
Bedürfnis fühlbar, unabhängig von jeder Ladegelegenheit (wie sie bei Akkumulatoren
erforderlich) Elektrizität in irgend einer Form käuflich, wie z.B. Petroleum, Benzin
u.s.w., zu erwerben.
In der „transportablen Elektrizität“ (D. R. P. Nr. 93427 u.s.w.) ist es
gelungen, eine primäre galvanische Batterie mit leicht auswechselbaren Elektroden
(Platten) von hoher Leistungsfähigkeit zu schaffen. Diese Batterie zeichnet sich vor
Akkumulatorenbatterien durch ein wesentlich geringeres Gewicht bei gleicher
Kapazität aus, wobei die Leistungsfähigkeit noch dadurch erhöht wird, dass die
Spannung bei gleicher Zeilenzahl etwa 20% höher ist. Hierzu tritt der weitere
Vorteil, dass der Raumbedarf der „transportablen Elektrizität“ gegenüber den
Akkumulatorenbatterien bei gleicher Leistungsfähigkeit ein wesentlich geringerer
ist.
Diese hohe Leistungsfähigkeit wird durch die eigenartige Zusammensetzung der Batterie
erreicht. Als positive Elektroden werden nämlich Bleisuperoxydplatten und als
negative Zinkplatten verwendet. Die nach eigenem Verfahren (D. R. P.) hergestellten
Bleisuperoxydplatten besitzen eine grosse Porosität und bedeutende Härte. Die Poren
der Platten sind mit einem konzentrierten Elektrolyten gefüllt, welcher durch
einfaches Aufgiessen von Wasser ausgelaugt wird.
Die Batteriekästen erhalten einzelne Zellen, in welche die Zinkplatten bereits
eingesetzt sind und werden durch sinnreich konstruierte Deckel (D. R. G. M.)
geschlossen. Zum Zweck der Benutzung einer solchen Batterie setzt der Konsument die
entsprechende Anzahl Superoxydplatten in die Zellen, füllt dieselben mit
gewöhnlichem Wasser und schliesst den Deckel. Die Batterie ist sodann sofort
gebrauchsfähig und liefert eine Anfangsspannung von 2,5 Volt pro Zelle.
Nach stattgehabter Entladung (Verbrauch des Stromes) ersetzt man die entladenen
Bleisuperoxydplatten durch frische und füllt den Apparat mit frischem Wasser,
wodurch die Batterie sogleich wieder betriebsfähig wird.
Sowohl zur Bequemlichkeit als auch zur Vermeidung jedes Stromverlustes während der
Nichtbenutzung werden grössere Batterien mit einem Füll- und Entleerapparat (D. R. P.)
versehen, welcher gestattet, durch einen einzigen Handgriff die selbstthätige
Entleerung bezw. Wiederfüllung der Batterie einzuleiten.
Die erwähnten Bleisuperoxydplatten lassen sich trocken Verpackt, beliebig lange
aufbewahren. Infolgedessen wird wohl in absehbarer Zeit jedermann seinen Bedarf an
Elektrizität in der Form der oben beschriebenen Platten zu allen möglichen
Verwendungszwecken käuflich an allen Orten in der Weise beziehen können, wie z.B.
Petroleum u.s.w., denn die Platten selbst repräsentiren einen Behälter für die
Elektrizität und können nach geschehener Benutzung durch ein geeignetes Verfahren
immer wieder regeneriert werden.
Die so erzeugte Elektrizität ist in bekannter Weise sowohl für Beleuchtung als auch
Kraftbetrieb (Automobile) u.s.w. verwendbar.
Durch die Errichtung von Verkaufsstellen dieser Platten, selbst in den kleinsten
Ortschaften, wird ganz besonders für Automobilzwecke die „transportable
Elektrizität“ an den Heerstrassen zugänglich gemacht werden können.
Ein besonderer Vorteil der „transportablen Elektrizität“ liegt noch darin,
dass die Konsumenten mit der Lebensdauer der Bleisuperoxydplatten nicht zu rechnen
haben, da der Konsument nach Verbrauch des elektrischen Stromes im Austausch gegen
die benutzten Platten stets frische erhält. Die Anschaffungskosten eines Apparates
zur Benutzung der transportablen Elektrizität sind daher nur eine einmalige Ausgabe,
während bei Akkumulatoren bei der Lebensdauer der Platten auch die Verwendbarkeit
aufhört und daher die Anschaffung einer neuen Batterie erforderlich wird.
Der Motorwagen selbst ist nun, wie auch aus der Abbildung zu ersehen, die Ausbildung
eines Dreiradmodelles als Zweisitzer, Viersitzer u.s.w.
Seit dem Bestehen des Automobilismus geht das Bestreben der Konstrukteure dahin, für
die elektrischen Automobile sowohl einen leichten und doch stabilen Wagen zu
konstruieren, als auch durch sinnreiche und doch einfache Konstruktionen einen
geeigneten Raum zur Unterbringung der Akkumulatoren, des Elektromotors und des
Antriebsmechanismus zu schaffen, der die Formen des Gefährts nicht
beeinträchtigt.
Mit dem vorliegenden elektrischen Fahrradmotorwagen „Electra“ (D. R. P. Nr.
104698 und Nr. 106439) ist es dem -Erfinder W. A. Th.
Müller in Berlin gelungen, allen angeführten Ansprüchen zu genügen.
Die Bauart dieses Wagens ist dadurch eine besonders zweckmässige, dass die
durchgehende Achse der Hinterräder Vermieden wird, wodurch ein uneingeschränkter
Raum zur Aufnahme der Betriebsorgane geschaffen ist. Durch diese Konstruktion fallen
die bei den bisherigen Motorwagen befindlichen kompakten Formen vollständig
fort.
Das Konstruktionsprinzip des vorliegenden Fahrrad-Motorwagens gestattet das Gewicht
des Wagengestells auf das Geringste zu reduzieren, denn alle Biegungsmomente sind
auf das sorgfältigste vermieden und in den einzelnen Gestängen kommen nur Zug- und
Druckspannungen vor. Trotzdem sind alle Teile des Wagens reichlich dimensioniert,
um unvorhergesehenen Beanspruchungen mit Sicherheit widerstehen zu können.
Der Gang des Wagens ist vermöge seiner Einrichtung leicht, geräuschlos und auch
vollkommen stossfrei, da die Räder mit starken Pneumatiks versehen sind.
Bei der Lenkvorrichtung ist jeder Zwischenmechanismus vermieden worden und die bei
allen Zwei- und Dreirädern bekannte Lenkvorrichtung des Vorderrades zur Anwendung
gelangt, so dass jede Vorkenntnis für den Lenkmechanismus in Wegfall kommt.
Textabbildung Bd. 314, S. 125
Fig. 47. Elektrischer Motorwagen „Electra“ (System Müller) von
Krüger.
Der Elektromotor selbst ist mit einer Wickelung versehen, die es ermöglicht, langsam
aber mit grosser Kraftentfaltung anzufahren, ferner die Geschwindigkeit in mehreren
Abstufungen zu vergrössern, sowie andererseits zu bremsen und rückwärts zu fahren.
Von besonderem Wert ist die Schaltung, welche derart ausgeführt ist, dass sich jede
Bewegungsänderung durch Handhabung einer einzigen Kurbel erreichen lässt. Auch diese
praktische Vorrichtung ist zum Patent angemeldet.
Die Federung ist durchweg eine vorzügliche; die Batterie, der Motor und der Sitz
ruhen jeder für sich auf eigens hierzu konstruierten starken Federn.
Die Bremsung dieses elektrischen Fahrradmotorwagens geschieht sowohl durch eine Fuss-
als auch durch eine elektrische Bremse.
Das Signal wird durch eine scharfe wohlklingende Glocke, welche elektrisch in
Thätigkeit gesetzt wird, bethätigt. Vorn zu beiden Seiten des Wagens befinden sich
zwei starke elektrische Reflektorlampen.
Der Elektromotor mit Vorgelege und die Batterie sind durch einen Aluminiumkasten
vollkommen eingeschlossen, daher unsichtbar und vor Staub und Schmutz geschützt.
Das Gewicht des kompletten betriebsfähigen Motorwagens für 60 km Leistungsfähigkeit
beträgt etwa 180 kg.
(Fortsetzung folgt.)