Titel: | Allgemeines.Universität und technische Hochschule. |
Autor: | F. Klein |
Fundstelle: | Band 310, Jahrgang 1898, S. 17 |
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Allgemeines.Universität und technische
Hochschule.Es möge hier auf das im
Buche von A. Riedler
„Unsere Hochschulen und die Anforderungen des zwanzigsten Jahrhunderts“
(1898 308 270) behandelte Kapitel „Technische
Hochschule und Universität“ und auf die diesbezüglichen Verhandlungen im
Schosse des Vereines deutscher Ingenieure verwiesen sein. D.
R.
Vortrag von Prof. Dr. F.
Klein-Göttingen in der 70. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu
Düsseldorf am 19. September 1898.
Universität und technische Hochschule.
Nach einer interessanten Uebersicht über die bisherige Entwickelung, welche
Universität und technische Hochschule genommen haben, führt Redner, der nicht als
Vertreter der Universitäten, auch nicht als Anwalt der technischen Hochschulen,
sondern als ein Mann spricht, der nach beiden Seiten Verbindungen hat und sich das
Recht wahren möchte, den Blick auf das Ganze zu richten, Folgendes aus:
Die Technik gebraucht zweifellos eine grosse Zahl von praktisch erzogenen Ingenieuren
ohne weitgehende wissenschaftliche Ausbildung. Aber die Candidaten für derartige
Stellungen drängen sich doch gern auf die technische Hochschule, weil es vornehmer
aussieht und nach einer ziemlich verbreiteten Meinung die spätere Carrière
erleichtert. Ihnen kommt das Verhalten zahlreicher Kreise entgegen, die an einer
unterschiedslosen Vermehrung der Frequenz der technischen Hochschule interessirt
sind. Diese Momente wirken dahin oder drohen dahin zu wirken, den
Hochschulunterricht unter Verkennung seiner eigentlichen Aufgaben auf ein niederes
Niveau herab zudrücken. Hier hat eine entschiedene Reform einzusetzen, und es
besteht auch alle Hoffnung, dass es geschieht. Dieselbe darf sich aber nicht darauf
beschränken, dass die Hochschule verschärfte Aufnahmebedingungen stellt, vielmehr
ist die Forderung hinzuzufügen, dass der Staat der Entwickelungmittlerer technischer
Fachschulen (also der Technica, wie sie wohl genannt werden) noch viel mehr
Aufmerksamkeit schenkt als bisher. Es handelt sich hier, wie wohl ohne besondere
Ausführung ersichtlich ist, nicht nur um eine Lebensfrage der Hochschulen als
solcher, sondern ebenso sehr um die gesunde Entwickelung der Industrie selbst.
Unter denselben Gesichtspunkten stellen wir dann noch die zweite, sozusagen die
complementäre Forderung, dass nämlich aus dem immer noch grossen Kreise derjenigen,
welche die technische Hochschule mit Fug und Recht besuchen, eine kleinere Zahl
wesentlich weiter zu fördern ist als die Gesammtheit, damit sie Führer auf dem
Gebiete wissenschaftlichen Fortschritts werden. Es ist das sozusagen die
Wiederaufnahme des Pariser Ideals in einer unseren heimischen Verhältnissen
angepassten Form. Beispielsweise wird hier eine weit entwickelte Mathematik am
Platze sein, die sich allerdings nur nach Seiten der Anwendungen, nicht in
abstracter Richtung, erstrecken soll. Wie nothwendig diese ganze Forderung ist, mag
daraus hervorgehen, dass dieselbe, soviel zu sehen, von allen in Betracht kommenden
Ingenieurkreisen erhoben wird. Aber es stellt sich ihr allerdings eine doppelte
Schwierigkeit entgegen. Zunächst müsste eine Reihe neuer Lehrstellen geschaffen und
mit geeigneten Kräften besetzt werden. Denn die jetzt vorhandenen Docenten sind
durch die ausserordentliche quantitative Entwickelung der Hochschule so überlastet,
dass ihnen für einen weitgehenden Specialunterricht thatsächlich keine Zeit bleibt.
Ferner aber wird es möglicher Weise schwer halten, bei den Zuhörern gegenüber dem
mächtig entwickelten Streben ihrer Umgebung nach praktischer Bethätigung für die
stillere und zunächst entsagungsvollere Thätigkeit eingehender wissenschaftlicher
Untersuchungen viel Raum zu gewinnen. Es ist daher die Frage aufgeworfen worden, ob
man diesen Theil der Ingenieurbildung nicht lieber den Universitäten überweisen
solle. Es ist dies dann so verstanden worden, als ob die Universitäten eine
Entwickelung der technischen Hochschulen in dem besagten Sinne mit Missgunst
aufnehmen würden, als wenn sie jede Art der höchsten wissenschaftlichen Ausbildung
sich als Monopol sichern wollten. Da mein Name mit diesen Erörterungen einmal
verbunden ist, so will ich doch hier in unzweideutiger Weise die Erklärung
wiederholen, die ich schon öfters bei anderen Gelegenheiten abgab, dass ich auch bei
dieser Frage für die Entwickelung der technischen Hochschule eintrete. Unbeschadet
aller Verbindungen, die man zwischen Universität und technischer Hochschule in
Zukunft möglicher Weise wird herstellen wollen, empfehle ich den Angehörigen der
Universität fürs erste, dahin zu arbeiten, dass die Wissenschaft überall da, wo sie
hingehört, auch voll zur Geltung kommt, dass der Gegensatz zwischen Theorie und
Praxis, den man ja nie völlig aus der Welt schaffen wird, und die beide einander
doch so nöthig haben, nicht zu einer Zerreissung unseres höheren Unterrichtes führt.
Ein Betonen dieses Grundsatzes von Seiten der Universität erscheint mir viel
wichtiger als die Verteidigung sogen. Vorrechte. Uebrigens gehe ich so weit, mir von
Einrichtungen der geplanten Art an der technischen Hochschule eine wohlthätige
Rückwirkung auf die Universität selbst zu versprechen; pflegt doch in menschlichen
Dingen etwas Concurrenz allemal nützlich zu sein. Die technischen Hochschulen
werden allerdings einige Energie einsetzen müssen, um hier durchzudringen. Denn es
handelt sich um eine Forderung, deren hohe Bedeutung für die Qualität unserer
industriellen Leistung schliesslich nur derjenige voll ermessen kann, dem eine
gewisse Reife des wissenschaftlichen Urtheils zukommt, eine Forderung also, die
nicht eigentlich populär verständlich ist.
Indem ich mich nun zur Universität wende, lade ich Sie zunächst ein, den Vergleich
der technischen Hochschule mit der medicinischen Facultät zu machen. Sie haben bei
letzterer alles das, was wir bei der technischen Hochschule vermissten, vor allen
Dingen eine genaue, vielleicht übertriebene strenge Abgrenzung nach aussen hin.
Hierin drückt sich in charakteristischer Weise das höhere Alter der Institution aus.
Im Uebrigen aber ist unverkennbar, dass bei der medicinischen Facultät hinsichtlich
der centralen Aufgabe ein weitgehender Parallelismus mit derjenigen der technischen
Hochschule besteht, hier wie dort soll eine grössere Zahl junger Männer in relativ
kurzer Zeit so weit durchgebildet werden, dass sie später in der Lage sind, einen
verantwortungsvollen Beruf selbständig auszuüben. Es wäre interessant, diesen
Vergleich ins Einzelne zu verfolgen und zu sehen, wie analoge Ursachen bei aller
äusseren Verschiedenheit analoge Wirkungen hervorrufen. Ich rechne dahin den fest
geregelten Studienplan, welcher der Individualität des Studirenden in den ersten
Semestern nur wenig Freiheit lässt, das Zwischenexamen und anderes mehr. Ich meine,
die Gegenüberstellung muss jedem deutlich machen, dass zwischen den Aufgaben der
technischen Hochschule und denjenigen der Universität in keiner Weise eine solche
principielle Verschiedenheit besteht, wie oft gemeint wird. Nicht viel anders wird
das Resultat herauskommen, wenn wir die juristische, die theologische Facultät zum
Vergleich heranziehen. Es ist nicht so, dass die eine Anstalt schlechtweg für die
Praxis vorbereitet und die andere die reine Wissenschaft lehrt, sondern beide haben
ganz allgemein die Aufgabe, durch wissenschaftliche Studien die Grundlage für die
spätere höhere Berufstätigkeit zu schaffen. Einzig die philosophische Facultät
scheint mit dem so formulirten Satze nicht recht übereinzustimmen. Es ist eine
merkwürdige Fügung, dass die technische Hochschule mit keinem anderen Theile der
Universität in unmittelbaren Contact kommt, als gerade mit der philosophischen
Facultät. Ich möchte Sie bitten, mit mir speciell diejenigen Studien der
philosophischen Facultät ins Auge zu fassen, welche am weitesten nach der rein
akademischen Seite verschoben sind, nämlich die Studien unserer
Lehramtscandidaten.
Wir haben da zunächst wieder einer wichtigen äusseren Entwickelung der letzten
Decennien zu gedenken, ich meine die Entstehung unserer heutigen Practica und
Seminare. Der traditionelle Bann des geschriebenen und einfach vorzulesenden
Collegheftes ist längst gebrochen und an die Seite des freien Lehrvortrages ist der
persönliche Gedankenaustausch von Docent und Student getreten, durch welche der
letztere zum selbständigen Denken und womöglich zum selbständigen Arbeiten
angeleitet werden soll. Wer längere Jahre hindurch die Universität nicht besucht
hat, wird erstaunt sein zu sehen, wie weit dieser Umwandelungsprocess vorgedrungen
ist. Wir haben jetztan zahlreichen Universitäten z.B. für Mathematik, für klassische Philologie,
für die verschiedenen neueren Sprachen, Geschichte u.s.w. nicht nur
Seminarbibliotheken, sondern Seminararbeitsräume, in welchen den reiferen Studenten
alles für sie wichtige Material in liberalster Weise zur Verfügung gestellt wird
(von der Ausstattung der hier in Betracht kommenden naturwissenschaftlichen
Institute ganz zu schweigen).
Die Absicht bei Gründung der Seminare ist ursprünglich jedenfalls gewesen, den
späteren Lehrer unmittelbar für seinen Beruf besser vorzubereiten. Inzwischen hat
die Entwickelung einen anderen Verlauf genommen, sie ist ganz wesentlich der
Steigerung der rein wissenschaftlichen Studien zu gute gekommen. Eine früher
unbekannte Energie des Unterrichtsbetriebes hat Platz gegriffen, verbunden mit
weitgehender Specialisirung und Individualisirung. Es ist fast so, als sollten die
sämmtlichen Studenten zu wissenschaftlichen Forschern von selbständiger Bedeutung
ausgebildet werden!
Wollen wir diese Erscheinung richtig beurtheilen, so müssen wir uns über ihre
eigentliche Wurzel klar sein. Nicht das Andrängen irgend welcher äusserer
Forderungen, sondern der wissenschaftliche Enthusiasmus hat dieselbe geschaffen und
hält sie aufrecht. Bemerken Sie, dass die Wirksamkeit des Docenten dabei in keiner
Weise controlirt oder honorirt wird, sondern gänzlich seiner persönlichen Initiative
überlassen ist. In diesem Hervortreten ausschliesslich idealer Momente liegt eine
Stärke und eine Bedeutung der Institution, die nicht überschätzt werden können. Aber
allerdings hat sich die Institution zu einseitig entwickelt. Man muss fragen, ob
nicht das mittlere Unterrichtsbedürfniss der Mehrzahl unserer Studenten zu Gunsten
der höheren Leistung einer Minderzahl zu sehr zurückgedrängt wird, ob die
frühzeitige Specialisirung nicht gelegentlich der allgemeinen Grundlegung, ob die
einseitige Betonung der wissenschaftlichen Forschung nicht der Freude am späteren
Lehrberuf schadet. Sie haben hier, wie ich kaum hervorzuheben brauche, das genaue
Gegenbild zum Betriebe der technischen Hochschule. Während wir bei letzterer die
Einführung eines Specialunterrichts, also, um es prägnant auszudrücken, gerade des
Seminarwesens in einem gewissen Umfange postuliren mussten, handelt es sich hier
darum, dass die Specialcurse nicht andere wichtige Seiten des Unterrichtes ersticken
und damit schliesslich (wegen ungeeigneter Ausbildung zahlreicher Candidaten) ihre
eigene Wirksamkeit in Frage stellen.
Wie sollen wir ändern? Vielleicht dass eine bemerkenswerthe Einrichtung, die man in
den letzten Jahren geschaffen hat, von selbst eine gewisse Besserung herbeiführt.
Nach dem Vorbilde der Mediciner und Theologen u.s.w. finden jetzt auch die
Gymnasiallehrer alljährlich Gelegenheit, in geeigneten Feriencursen die Beziehung
zur Universität und zur Wissenschaft wieder aufzufrischen. Die
Universitätsprofessoren sind in diese Entwickelung bereitwillig eingetreten, weil in
ihnen der lebhafte Wunsch besteht, den wissenschaftlichen Gedanken, mit denen sie
sich beschäftigen, nach aussen hin, in das praktische Leben hinein, eine mehr
unmittelbare Wirksamkeit zu verschaffen, als augenblicklich statt hat. Aber die
Einrichtung kann nicht ohne Rückwirkung auf die Docenten selbst bleiben, indem sie
denselben greifbar vor Augen stellt, wie weit sich der Universitätsunterricht,
den die Theilnehmer der Curse genossen haben, bewährt hat, und ob derselbe nicht
vielfach ganz anders gefasst werden muss, wenn er im späteren Berufsleben auf die
Dauer wirksam sein soll, wie wir es doch alle anstreben.
Also eine Correctur durch Bezugnahme mit dem Schulbetrieb, wie sich derselbe in
Wirklichkeit gestaltet! Aber allerdings genügt mir derselbe noch nicht, ich wünsche,
dass unsere Docenten weiter blicken und sich die Frage vorlegen, welches die
voraussichtliche Entwickelung unserer höheren Schulen in den kommenden Decennien
sein wird, und ob sie den Studirenden das Rüstzeug, dessen diese im Hinblick hierauf
bedürfen, wirklich in die Hand geben. Ich möchte die Ueberlegungen, die hier
entstehen, sofort sehr verallgemeinern und für die Entwickelung unserer
Universitäten hier um so mehr eine grosse weittragende Forderung aufstellen, als
diese durch den Vergleich mit den technischen Hochschulen, der uns heute
beschäftigt, besonders nahe gelegt wird. Indem die Universitäten den
wissenschaftlichen Betrieb auf den überkommenen Gebieten steigerten, haben sie zu
wenig Ausschau nach neuen Gebieten gehalten, die der Fortschritt unserer allgemeinen
Cultur in den Vordergrund gerückt hat. Ich verlange eine durchgreifende Erweiterung
der Universitäten nach der modernen Seite hin, eine volle wissenschaftliche
Berücksichtigung aller Momente, die in dem hochgesteigerten Leben der Neuzeit als
maassgebend hervortreten.
Die so formulirte Forderung kann des Beifalls gerade der Fernerstehenden von
vornherein ziemlich sicher sein, und es wird genügen, dass ich auf ein, zwei
Beispiele exemplificire. Betrachten Sie etwa die Entwickelung des modernen Verkehrs,
durch die uns fremde Völker, fremde Verhältnisse in unmittelbare Nähe gerückt sind,
die uns früher gewissermaassen nur dem Namen nach bekannt waren. Soll das auf unsere
sprachlichen, auf unsere historischen, auf unsere juristischen Studien ohne Einfluss
bleiben? Man sagt, dass unsere Officiere nach dem Krieg von 1870/71 eifrig begonnen
haben, russisch zu lernen. Warum sind die Universitäten nur erst so wenig in die
entsprechende Bahn eingelenkt? Oder nehmen Sie andererseits und ganz besonders den
Aufschwung unserer Technik. Mögen sich die Universitäten immerhin um die Ausbildung
der Ingenieure keine Sorge machen, weil diese den technischen Hochschulen
anheimgegeben ist, sollen aber darum unsere Mathematiker (insbesondere diejenigen,
die berufen sein werden, an technischen Anstalten zu wirken), unsere späteren
Beamten, welche ihre Stellung im öffentlichen Leben doch nach allen Richtungen
ausfüllen sollen, während ihrer Universitätszeit hiervon gar nichts erfahren? Die
Antwort auf diese Fragen liegt in der That auf der Hand, soweit es sich um das
allgemeine Princip handelt. Die Schwierigkeiten beginnen aber in dem Augenblick, wo
man versucht, der Ausführung näher zu treten. Dies eine ist jedenfalls klar, dass es
sich um eine ausserordentliche Erweiterung des Lehrgebietes der Universität und
dementsprechend um eine weitergehende Specialisirung oder Gliederung der
Universitätsstudien handelt. Aber die Anforderungen, welche entstehen, sind so
zahlreich, die Verhältnisse, um die es sich handelt, noch so wenig methodisch
geklärt, der Kreis der Lehrenden wie der Lernenden noch so wenig vorbereitet, dass
es ganz unmöglich scheint, ohne weiteres einen allgemeinen Organisationsplan
aufzustellen.Es
wird darauf ankommen, dass wir in ein Versuchsstadium eintreten, dass wir von vielen
Punkten aus, hier von der einen, dort von der anderen Seite aus, wie gerade die
Gelegenheit gegeben sein mag, die Inangriffnahme des Programms beginnen.
Es gereicht mir zu besonderer Befriedigung, hier mittheilen zu können, dass meine
Universität Göttingen seit einigen Jahren in diese Bewegung eingetreten ist. Um nur
eins zu nennen, so ist es uns jetzt gelungen, beim physikalischen Institute
Laboratoriumseinrichtungen zu schaffen, mittels deren unsere Studirenden der
Mathematik und Naturwissenschaft in der Lage sind, die grossartigen physikalischen
Processe, welche sich in unseren Wärmemotoren und unseren Dynamomaschinen abspielen,
eingehend kennen zu lernen und messend zu verfolgen. Ich erwähne dieses Beispiel aus
doppeltem Grunde. Zunächst, weil es ein positiver Schritt ist, durch den wir eine
nähere Beziehung der Universität zum Ingenieurwesen anbahnen, dann aber, weil wir
diesen Fortschritt, wie wir dankbar und rühmend anerkennen müssen, der privaten
Initiative verdanken. Eine Anzahl hervorragendster Ingenieure und Firmen ersten
Ranges hat sich zu einer Gesellschaft vereinigt, die uns nicht nur die
erforderlichen Mittel gewährt, sondern uns auch mit ihrem Rathe unterstützt. Da
haben Sie den gewünschten Contact mit dem heutigen Leben in voller, ich möchte
sagen, in idealer Gestalt. Vielleicht wird Sie noch besonders interessiren, wenn ich
zufüge, dass das Unternehmen ursprünglich von Düsseldorf aus in die Wege geleitet
wurde. Möge dasselbe zahlreiche, glänzende Nachfolge finden! Die höheren
Unterrichtsanstalten sind in Deutschland ja zunächst Staatsanstalten, und wir wissen
den ausserordentlichen Vortheil, der hierin für die Sicherheit und die Ordnung des
Betriebes und die gleichförmige Berücksichtigung aller anerkannten Bedürfnisse
liegt, voll zu schätzen. Aber das schliesst nicht aus, dass auch bei uns für das
opferwillige Eintreten Einzelner Raum genug ist, nämlich überall da, wo es sich, wie
im vorliegenden Falle, um Neubildungen handelt, bei denen der Staat mit einer
endgültigen Beschlussfassung noch zurückhalten muss.
Sie haben nun alle die Einzelheiten vor sich, hochgeehrte Anwesende, die ich Ihnen
heute vorlegen wollte, und es erübrigt, dass ich Ihnen einiges Wenige über die
Beziehung der beiden Anstalten, der technischen Hochschule und der Universität, zu
einander sage. Directe Verbindungen haben in vergangenen Jahren nur in sehr geringem
Maasse bestanden, soweit etwa, als sich aus dem Umstande ergab, dass die Professoren
der Mathematik, der Physik und der Chemie zwischen beiden Anstalten gelegentlich
wechselten. Ob die Gesinnungen, welche die Anstalten dabei gegen einander hegten,
besonders freundliche waren, kann bezweifelt werden: die Universität war geneigt, in
der jüngeren Schwester einen Emporkömmling zu erblicken, und diese wieder empfand
mit einiger Erregung die historische Vorrechtsstellung der älteren Anstalt. Es
scheint mir unzweifelhaft, dass es bei einem solchen negativen Verhalten fortan
nicht sein Bewenden haben darf. Ich hoffe. Ihnen nachgewiesen zu haben, dass die
beiden Anstalten nicht nur zusammengehörige Zielpunkte verfolgen, sondern dass sie,
wenn sie ihre Interessen richtig verstehen, sich immer mehr auf einander angewiesen
sehen: sie müssen um ihrer selbst willen daran gehen, Arbeitsmethoden,
Auffassungen, Kenntnisse, schliesslich auch Persönlichkeiten von einander zu
entlehnen. Um noch einmal das Wichtigste zu wiederholen: die technischen Hochschulen
brauchen zur Entwickelung ihres Specialunterrichts Einrichtungen nach Art der
Universitäten, diese letzteren wieder dürfen gegenüber den Fortschritten des
Ingenieurwesens, wie der Neuzeit überhaupt, nicht länger die unbetheiligten
Zuschauer spielen. Als man vor Decennien unternahm, die bis dahin bestehenden
Gewerbeschulen zu technischen Hochschulen zu entwickeln, hat man die letzteren nach
einigem Schwanken nicht an die Universitäten angeschlossen und die technischen
Unterrichtseinrichtungen, welche bis dahin in ziemlich grosser Zahl an den
Universitäten bestanden, verkümmern lassen. Es war ein verhängnissvoller Schritt,
der ja der kräftigeren Entwickelung des technischen Unterrichtswesens zeitweise zu
gute gekommen sein mag, der aber auch ein gut Theil all der Misstände und
Schwierigkeiten zur Folge gehabt hat, unter denen wir heute leiden. Jedenfalls
scheint jetzt, wenn nicht alle Zeichen trügen, die Zeit gekommen, um die Kluft, die
man damals geschaffen, wieder zu überbrücken! Das erste, auf alle Fälle Erwünschte
und auch Erreichbare dürfte sein, dass jede Anstalt bemüht sein soll, unbeschadet
ihrer eigenen Zweckbestimmung sich der anderen anzunähern. Aber man kann fragen, ob
man nicht weiter gehen soll, ob es wirklich auf die Dauer unmöglich sein wird, die
technischen Hochschulen doch noch, wenn auch nur organisatorisch, als technische
Facultäten an die Universitäten anzuschliessen. Es ist auch viel davon die Rede, an
einer Universität, welche von allen bestehenden technischen Hochschulen abgetrennt
liegt und bei der die Vorbedingungen gegeben waren, versuchsweise eine technische
Facultät zu begründen. Ich betrachte es bei der heutigen Gelegenheit nicht als meine
Aufgabe, zu derartigen Vorschlägen, welche neuerdings von sehr bemerkenswerthen
Seiten gemacht werden, Stellung zu nehmen. Mir genügt, den Gedanken von der inneren
Zusammengehörigkeit, von der Solidarität der beiden Anstalten hier vertreten zu
haben. Möge dieser Gedanke in der Oeffentlichkeit seinen Weg machen; dann haben wir
die gesunde Grundlage für alle Organisationen, welche die Zukunft bringen wird,
gewonnen!