Titel: | Verkehrswesen.Neue Motorwagen. |
Autor: | Peter Klimentitsch v. Engelmeyer |
Fundstelle: | Band 309, Jahrgang 1898, S. 17 |
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Verkehrswesen.Neue Motorwagen.
Neue Motorwagen.
Der Wagen von Duryea (Springfield, Mass., Nordamerika)
zeichnet sich besonders durch seine Form aus, welche durch eine beträchtliche Länge
des Körpers und durch hohe Räder gekennzeichnet ist. Letztere sind mit Gummireifen
und Kugellagern versehen und haben einen Durchmesser von 965 mm und 865 mm. Der
zweisitzige Wagen wiegt 310 k. Der unter dem Sitz befindliche 4pferdige
zweicylindrige Benzinmotor gehört zur Otto-Type mit selbstthätiger Regulirung der
Gasmischung und elektrischer Zündung. Die Triebkraft wird durch Zahnräder
übertragen, von denen das eine gusseiserne und das andere Zähne aus rohem
zusammengepresstem Leder trägt. Der Motor sammt Transmission wiegt 70 k. Die beiden
Arbeitscylinder haben Wassermantel. Der Benzinbehälter reicht für 200 km aus. Die
Vorderachse ist fest mit dem Rahmen verbunden. Die um senkrechte Achsen drehbaren
Vorderräder sitzen auf den beiden Enden der Vorderachse mittels einer
Jeantaud-Vorrichtung.D. p. J. 1895 297 *
108. Der Wagen wird durch einen einzigen Hebel gelenkt, dessen wagerechte Drehung
den Wagen wendet, wogegen eine Neigung in senkrechter Richtung die Geschwindigkeit
ändert und zwar dadurch, dass verschiedene Uebersetzungen aus- oder eingerückt
werden. Dabei werden auf ebenen Wegen Geschwindigkeiten von 4,5, 9 und 15 km in der
Stunde erzielt. Ausserdem ist noch eine Backenbremse angebracht, welche mittels
eines vom Sitze aus erreichbaren Hebels und eines Pedals in Thätigkeit tritt.
Dieselbe Firma hat vordem einen Motorwagen gebaut, der zwischen London und Brighton
dem englischen Publikum vorgeführt wurde; die Eigenthümlichkeit dieses Gefährtes
bestand darin, dass der Benzinmotor einen Schaukelcylinder hatte und die Explosion
in einer selbständigen Kammer geschah, ebenfalls durch elektrische Zündung. Die
Kraft wurde unter drei verschiedenen Geschwindigkeiten den Hinterrädern mittels
dreier loser Riemen übertragen, je einer derselben wurde durch eine Rolle am Hebel
gespannt. Ein vierter Kreuzriemen diente für den Rückgang. Ausserdem war noch eine
complicirte Uebersetzung zu den Triebrädern vorhanden. Das Ergebniss war, dass sich
der ganze Mechanismus als unpraktisch erwies.
J. M. Cook's (Mt. Gilead, Ohio, Nordamerika)
sechssitziger Motorwagen ist 2,6 m lang und ist auf Rädern von 1000 mm und 865 mm
Durchmesser, welche mit pneumatischen Gummireifen versehen sind, montirt. Der
4pferdige Benzinmotor hat zwei Cylinder von 10 cm Durchmesser und ebenso viel
Hub und beansprucht im Ganzen einen Raum von 30 × 35 × 46 cm. Der Benzinbehälter
reicht für 300 km aus. Das Kühlwasser wird im Behälter abgekühlt. Ein Hebel dient
zur Aenderung der Geschwindigkeit in den Grenzen zwischen 6 und 36 km in der Stunde.
Diese Geschwindigkeiten sind auf einem Bogen verzeichnet, der am Hebel befestigt
ist. Zur Lenkung dient ein Hebel, der mittels Zahnräder die ganze Vorderachse, wie
im gewöhnlichen Wagen, dreht. Ein Handgriff verrichtet den Vor- und Rückwärtsgang
und ein Pedal drückt eine Bandbremse auf das Schwungrad des Motors. Die äussere Form
des Wagens betreffend, muss man gestehen, dass die schwierige Aufgabe hier nicht
gelöst worden ist, das „Mitwirken der Pferde“ entbehrlich zu machen. In
dieser Hinsicht steht dieser Motorwagen dem vorher beschriebenen von Duryea entschieden nach.
Roots und Venables (London) bauen einen zweisitzigen
Motorwagen, der mit Kerosin arbeitet, wozu ein viertactiger eincylindriger
Otto-Motor verwendet wird. Eine Vertheilungswelle, welche die Hälfte Umdrehungen
macht, dient auch zugleich zur Verminderung der Geschwindigkeit, wobei an
Transmission gespart wird. Diese Welle wird von der Hauptwelle des Motors mittels
einer endlosen Rhengold'schen Kette getrieben.
Aehnliche Ketten übertragen am anderen Ende der Welle verschiedene Geschwindigkeiten
auf zwei Räder, deren Drehungen wechselweise der hinteren Achse des Wagens durch die
Vermittelung von Hebel, Arm und Gleitmuffe mitgetheilt werden. Der Motor gibt 1½ bis
1¾ bei 600 Umdrehungen und wiegt ohne Schwungrad 38,5 k. Die Zündung
erfolgt durch einen Brenner. Die Kurbel läuft in einem Oel enthaltenden
geschlossenen Raume. Das Kühlwasser wird mittels einer kleinen Rotationspumpe durch
den Wassermantel des Cylinders und durch das Röhrensystem getrieben, welch letzteres
nach dem Vorbilde von Peugeot
Ebenda S. 105. den Rahmen des Wagens bildet. Dieser Motorwagen legt auf gutem Wege 15 km in
der Stunde zurück.
Ein von derselben Firma erbauter viersitziger Wagen, versehen mit einem 3pferdigen
Kerosinmotor, macht 18 km in der Stunde. Der Gebrauch von Kerosin anstatt Benzin ist
aus naheliegenden Gründen wünschenswerth, ist aber auch mit dem Nachtheile
verbunden, dass der Motor voluminös und schwer wird. Aus diesem Grunde sehen wir
hier einen so schwachen Motor, wogegen man für gewöhnlich die zweisitzigen Wagen
schon mit 3 bis 4 starken Motoren versieht. Diese Schwäche des Motors wird
sich an dem besprochenen Motorwagen bei der Bergfahrt sicherlich rächen. Auch ist
die hohe Lage des Motors und des Sitzes ein Nachtheil in technischer wie
ästhetischer Hinsicht. Dagegen liegt wieder ein Vortheil in der durch die Anwendung
der Transmissionsketten erzielten Geräuschlosigkeit des Ganges.
Peter, Hill und Boll (Yeovill) verwenden Räder mit
Eisenreifen und schützen die Maschine vor den starken Erschütterungen dadurch, dass
sie die ganze Maschine im Sitzkörper befestigen und letzteren auf zwei Halbfedern
und einer ganzen auf den Achsen ruhen lassen. Der auf einer Kurbel arbeitende
Doppelcylinder des Benzinmotors gibt bei jeder Umdrehung einen Stoss. Die Zündung
wirdmittels
Glühkapseln und Brenner in üblicher Weise verrichtet. Zwei Geschwindigkeiten werden
durch zwei Riemen übertragen, die lose laufen und mittels Spannrollen gespannt
werden. Letztere sitzen auf einem Hebelwerke. Dieser Hebel kann auf drei
Geschwindigkeiten eingestellt werden. Der Rückgang wird dadurch erzielt, dass eine
auf der Hauptwelle sitzende Scheibe durch einen Riemen mit einer anderen stets
verbunden ist; letztere sitzt auf einem Pedalhebel, wird gewöhnlich durch eine Feder
emporgehalten und wird mittels des Pedales an die Scheibe angedrückt, wobei der
Riemen selbst als Uebertragungskörper dient. Dieselbe Scheibe dient auch als Bremse,
indem an dieselbe durch Niederdrücken des Pedals ein Stahlband von unten angepresst
wird. Die Transmissionswelle ist in der Mitte mit dem gewöhnlichen
Differentialmechanismus versehen.Ebenda S. 109. Die Lenkvorrichtung mit dem Hebel ist auch die gewöhnliche nach Jeantaud.
Wolsley Sheep-Shearing Machine Company (Birmingham)
führt einen 2pferdigen doppelten Otto-Benzinmotor mit elektrischer Zündung, deren
Accumulator vorn angebracht ist. Die mittlere Geschwindigkeit ist 16 km in der
Stunde (vgl. D. p. J. 1897 303 * 231).
H. Vallée (Le Mans, Frankreich) hält sich an
verschiedene Typen. Der Zweisitzer zeichnet sich aus durch seine wohlgefällige Form,
deren Hauptmerkmal wieder (wie bei Duryea) eine
beträchtliche Länge bei geringer Höhe und grossem Räderdurchmesser bildet. Dagegen
gehört der Viersitzer zu der misslichen vis-à-vis-Type, die für Pferdewagen zwar
allgemein üblich, für Motorwagen aber gänzlich zu verwerfen ist, weil sie den zwei
vorn sitzenden Personen das grösste Unbehagen bereitet. Beide Wagen führen denselben
2pferdigen Benzinmotor, der auf je eine Umdrehung einen Stoss gibt. Auch Kerosin
soll gut arbeiten. Der vorn angebrachte Benzinbehälter reicht für 100 km aus. Die
aus einem Carburator eingesaugte Gasmischung kann von der Hand regulirt werden, so
dass der Motor 200 bis 500 Touren macht. Der Carburator wird durch Auspuff erwärmt.
Das Kühlwasser hat mechanische Circulation. Drei Normalgeschwindigkeiten von 7, 15
und 24 km in der Stunde werden durch drei lose Riemen erzielt, welche vom Führer
mittels zweier Handgriffe gespannt werden. Ein Handrad dient zur Lenkung der beiden
Vorderräder und ein Pedal zur Bremsung. Die Steuerorgane sind zu nah an einander und
zu zahlreich. Der Viersitzer wiegt 600 k.
Neues elektrisches Coupé von Jeantaud (Paris) bietet im
Vergleich zu seinem älteren Motorwagen (D. p. J. 1895
297 106) einen entschiedenen Fortschritt zugleich als
Fahrzeug und Maschine. Dieses Coupé wurde im J. 1896 für den Fiakerdienst in Paris
erbaut, wo namhafte Kapitalisten auf ein derartiges, den praktischen Anforderungen
entsprechendes Fahrzeug harren. Der auf einem Stahlrahmen sitzende Körper ist aus
Aluminium und enthält die Accumulatorenbatterie. Letztere, nach Brault von der Firma Fulmen speciell hergestellt, soll eine Capacität von 30 Ampèrestunden für
1 Plattenkilogramm besitzen. Die elektrisch getriebene Vorderachse trägt den
üblichen DifferentialmechanismusEbenda S. 109. und treibt die Räder durch die Vermittelung von zwei Uebersetzungen mit
konischen Zahnrädern, welche hier eingeführt sind, damit man während des Ganges
die Triebräder um die senkrechten Achsen wenden kann. Letzteres, d. i. die
Lenkung des Wagens, wird mittels des Steuers und des Kettenmechanismus vom Kutscher
besorgt. Ausserdem ist noch ein Stromsteller und eine Bremse mit Pedal vorgesehen.
Dieses Coupé wiegt mit der Batterie, die für 50 bis 100 km Weg ausreicht, 1 t.
Elektrische Coupés von Morris und Salom (Philadelphia)
machen einen sehr angenehmen Eindruck, besonders das erstere, ein „cab“. Auch
diese Wagen haben die Aufgabe, den Fiakerdienst in New York zu besorgen. Von der
Erfüllung dieser Aufgabe hört man jedoch bis jetzt nur, dass etwa ein Dutzend dieser
Coupés auf den Strassen New Yorks zu sehen sind. Die mechanische wie die elektrische
Einrichtung wird sorgfältig geheim gehalten. Nur ist bekannt geworden, dass die
Accumulatorenbatterie bei einem Gewichte von etwa 300 k bis 4 Kilo-Watt während
einer Stunde abgibt, dass in beiden Fahrzeugen die vordere Achse durch zwei
getrennte Elektromotoren getrieben wird, und dass die Hinterräder zur Steuerung
bezieh. zur Lenkung des Wagens dienen, zu welchem Zwecke sie mit einer der Jeantaud'schen ähnlichen Vorrichtung versehen sind.
Benzinwagen von Lutzmann (Dessau) sind bestimmt:
ersterer als Postwagen auf Chausseen, letzterer als Omnibus in Städten zu dienen.
Kugellager finden wir nicht nur an den Räderachsen, sondern auch an der
Transmissionswelle. Jedoch haben die Räder Eisenreifen. Das daselbst sichtbare
schwere Schwungrad verräth einen Otto'schen Motor.
Letzterer verarbeitet ein Benzin von 0,70 spec. Gew. Wasserkühlung ist angewandt.
Der Postwagen ist 4 m lang, 2 m breit und 2,73 m hoch, wiegt 1300 k und nimmt sechs
Reisende auf; er hat einen 6pferdigen Motor. Der Omnibus mit acht Sitzplätzen und
einigen Stehplätzen ist 4,5 m lang, 2 m breit und 2,8 m hoch und wiegt 1500 k; sein
Motor ist 8 stark. Beide Wagen sollen auf ebenem Wege bis 25 km in der
Stunde machen und bis 12procentige Steigung bewältigen.
Der Dampfomnibus von F. Weidknecht (Paris) ist der erste
Motorwagen dieser Firma, welche bis dahin für engspurige Locomotiven bekannt war.
Der Constructeur hatte sich die Aufgabe gestellt, möglichst nahe an der Type der
Pariser Omnibusse zu bleiben. Der Verbund-Dampfmotor ist vorn angebracht, hat drei
Cylinder und gibt normal bei 300 Touren 25 , kann aber auf kurze Zeit bis 35
leisten. Der Röhrenkessel gibt einen überhitzten Dampf von 15,5 at und wird
mit Koks geheizt; der Rauch ist nach unten gerichtet. Zahnräder übertragen die
Bewegung einer Transmissionsachse, von welcher ab starke Fahrradketten die vorderen
1,7 m hohen Räder treiben. Zur Lenkung des Wagens dienen auch hier die Hinterräder.
Der Wagen nimmt 30 Reisende auf und wiegt ohne Personen, jedoch mit einem Wasser-
und Koksvorrath für 30 km, 5900 k. Die Normalgeschwindigkeit auf ebenem Wege beträgt
10 km, die maximale 15 km in der Stunde. Steigungen bis 7 Proc. bieten keine
Schwierigkeit.
Dampfwagen von Thornycroft (Chiswick) ist speciell für
Lastbeförderung bestimmt. Seine Transportfähigkeit beträgt 1 t bei 25 qm nützlicher
Bodenfläche. Seine Gesammtlänge beträgt 3,4 m; davon werden 1,4 m vom Kessel und
Motor in Anspruch genommen. Der Kessel, früher von derselben Firma für Dampfboote
verwendet, ist aus Wasserröhren gebildet, die zugleich als Flammengitterdienen. Bei 4,6 qm
Heizfläche entstehen somit 0,23 qm Rostfläche. Die kleine senkrechte Verbundmaschine
hat zwei Paar Cylinder mit 2 und 4 Zoll Durchmesser bei 3 Zoll Hub. Bei der
Bergfahrt kann man den Dampf direct auch in die grossen Cylinder leiten. Als
Heizmaterial dient eine Mischung von Koks und Steinkohlen in gleichen Theilen. Davon
wird auf 1 km etwas über 1 k verbraucht. Auf dem Deckel ist der Luftcondensator, der
aus einer Anzahl entsprechend dem Deckel verbogener Messingröhren von ½ Zoll
Durchmesser besteht. Letztere münden mit beiden Enden in zwei stärkere
Messingröhren, welche einen Durchmesser von 1¾ Zoll besitzen und längs dem Wagen auf
dem Deckel gelagert und ausserdem noch mit langen verbogenen Bolzen mit einander
verbunden sind. Der Condensator wiegt 100 k, der Wagen ohne Personen 1,5 t, wovon
1,1 t die betriebene Vorderachse belasten. Die hinteren Räder dienen zum Lenken,
wobei die ganze Achse durch eine Ketten-Steuervorrichtung gedreht wird. Da dieser
Wagen nicht für Städte, sondern für die Landstrasse bestimmt ist, so ist der Rauch
nach oben gerichtet, um den Mechanismus nicht zu berussen. Auf einer Probefahrt
zwischen Windsor und Chiswick legte der Wagen die 30 km in 2 ¾ Stunden zurück, eine
nützliche Last von über 0,5 t und 40 k Heizzeug führend. Diese Fahrt stellte sich in
jeder Hinsicht als zufriedenstellend.
Peter Klimentitsch v. Engelmeyer, Ingenieur.