Titel: | Schiffbau.Neues im Schiffswesen. |
Fundstelle: | Band 307, Jahrgang 1898, S. 220 |
Download: | XML |
Schiffbau.Neues
im Schiffswesen.
(Fortsetzung des Berichtes S. 199 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Neues im Schiffswesen.
Die Verwendung von Wasserröhrenkesseln hat jetzt eine
besondere Bedeutung für die Handels- wie Kriegsmarine erlangt. Eingehende Versuche
haben die grossen Vorzüge nachgewiesen, welche sich aus der schnellen
Dampfentwickelung und der erheblich steigerbaren Dampfspannung ergeben, aber auch erkennen
lassen, dass die Anwendung der leicht verletzlichen Kessel nicht gefahrlos ist.
P. Sigaudy legte dem internationalen Congress der
Schiffbauer und Marineingenieure ein Schema für die Ausrüstung eines Schnelldampfers
vor, welchem nach Engineer, 1897 S. 29, folgende
Angaben entnommen sind.
Das Schema ist für eine durchschnittliche Kraftleistung von 23000 gedacht,
welches einer Kraftausübung von 26000 bis 28000 für Versuchszwecke
entsprechen würde. Zur Erzeugung des erforderlichen Dampfes sind 16 Kessel des
Normand-Sigaudy-Typus angenommen, welche in zwei Gruppen beiderseits der Längsachse
des Schiffes angeordnet sein sollen. Folgende Verhältnisse und Maasse sind
angenommen:
Dampfdruck
15
at
Anzahl der Kessel
16
„ „ Feuerungen für jeden Kessel
2
Rostfläche für jeden Kessel
95
Quadratfuss
=
9
qm
Heizfläche „ „ „
74000
„
=
666
qm
Länge der Wasserröhren
7' 8''
=
2,3
m
Durchm. der Wasserröhren
13/10''
=
29,7
mm
Zahl der Röhren jeden Kessels
1700
Gesammtzahl
27200
Wasserinhalt eines Kessels
326
Cubikfuss
=
9,6
cbm
„ aller Kessel
5216
„
=
153
cbm
Dampfinhalt eines Kessels
172
„
=
5,2
cbm
Das Gesammtgewicht der 16 Kessel erstreckt sich auf 938 t.
Bei einem Kohlenverbrauch von 1,5 Pfund für 1 i würde sich ein Gesammtverbrauch von 34500 Pfund ergeben oder 22,7 Pfund
auf 1 Quadratfuss Heizfläche.
Das Gesammtgewicht cylindrischer Kessel würde sich für gleiche Leistung auf 1700 t
beziffern.
In der deutschen Kriegsmarine sind Versuche mit Thornycroft-Wasserrohrkesseln auf dem
Panzerschiffe IV. Klasse Aegir angestellt, über welche
die Marine-Rundschau, 1897 Heft 8, berichtet. Der Aegir hat acht Kessel mit zusammen 1500 qm Heizfläche
und 25,5 qm Rostfläche. Der Kesseldruck beträgt 12 at.
Die Leistung der Kessel und Maschinen unter verschiedenen Bedingungen lässt folgende
Tabelle erkennen.
6stündigeFahrtforcirt
24stünd.FahrtDauer-leistung
4stündigeFahrtforcirt
24stünd.FahrtMarsch-geschwin-digkeit
Zahl der Kessel
8
8
4
8
Maschinenleistung i
5017
3364
2085
1126
Füllungsgrad des Hoch- druckcylinders
0,66
0,5
0,5
0,54
Luftdruck unter dem Rost mm
Wassersäule
33
12,5
–
0
Kohlen-verbrauch
für 1 qm Rost- fläche kfür 1
k
nichtermitteltdesgl.
109,660,76
194,61,075
51,180,95
Die Speisung der Kessel erfolgt mit Hilfe eines selbstthätigen Reglers
ausserordentlich gut. Ohne diesen etwas umständlich gebauten Regler, mit dessen
Störung stets gerechnet werden muss, ist die Speisung sehr sorgfältig zu regeln.
Der Kohlenverbrauch erwies sich als etwas niedriger wie bei den Locomotivkesseln des
Schwesterschiffes Hagen, dessen Maschinenanlage der des
Aegir gleicht. Beim Hagen stellte sich der Kohlenverbrauch bei einer Maschinenleistung von
3322 i auf 0,881 k für 1 i und Stunde.
Die Versuche haben den Erfolg gehabt, dass die Marine für alle neuen
Schiffsbauten Wasserrohrkessel verwenden will, und zwar sollen die Kessel von Belleville, Niclausse und Dürr benutzt werden. Auf dem grossen Panzer Kaiser
Friedrich III soll dagegen noch ein gemischtes System von Cylinder- und
Wasserrohrkesseln Anwendung finden.
Die neuen deutschen Schnelldampfer sind sowohl betreffs ihrer Schnelligkeit wie ihrer
günstigen Ausführung und Sicherheit bemerkenswerth. Der Norddeutsche Lloyd in Bremen hat jetzt sechs grosse Doppelschraubendampfer
in Auftrag gegeben, deren erster, Bremen, jüngst auf
der Schichau-Werft in Danzig vom Stapel gelaufen ist, während die übrigen noch in
Danzig bei Schichau, beim Vulcan in Stettin und Blohm und Voss in
Hamburg auf Stapel stehen.
Diese Schiffe sollen die schwer zu vereinigende Aufgabe lösen, gleichzeitig eine
starke Ladung und eine grosse Zahl Fahrgäste aufzunehmen.
R. Ziese hat über diese eigenartigen Dampfer im
Petersburger polytechnischen Verein einen längeren Vortrag gehalten, dem wir das
Folgende entnehmen:
Diese Dampfer zeigen über das bisherige Maass der Dampfer des Norddeutschen Lloyd nicht unerheblich hinausgehende Maasse. Bei einer
Länge zwischen den Steven von 525 Fuss = 157,5 m, einer Breite von 60 Fuss = 18 m
und einer Raumtiefe von 34 Fuss = 10,2 m werden sie über 10000 Register-Tonnen
messen und eine Wasserverdrängung von annähernd 20000 t bei 28 Fuss = 8,4 m Tiefgang
erhalten. Während die gesammten Laderäume des Schiffes, einschliesslich der für die
Aufnahme von Zwischendeckern bestimmten Räume, eine Ladefähigkeit von reichlich
11000 qm erhalten, bieten die Kajütseinrichtungen Platz für 100 Passagiere erster
und 76 Passagiere zweiter Klasse. Die volle Ausnutzung der für die
Zwischendeckspassagiere bestimmten Räume wird es gestatten, bis zu 2300 Passagiere
zu befördern.
In erster Linie handelt es sich darum, solche ungeheure Mengen Ladung in den Häfen in
möglichst kurzer Zeit und, soweit die Bearbeitung in den Zwischenhäfen zu erfolgen
hat, ohne grosse Belästigung der Passagiere zu löschen und zu laden. Zu diesem
Zwecke wurden die Kajütspassagiere sämmtlich in einem kurzen, dafür aber zwei
Geschosse enthaltenden Mittelschiffshaus untergebracht, um auf diese Weise für die
Bearbeitung der Ladung an den beiden Enden der Schiffe möglichst viel freien Platz
für die Luken und das Ladegeschirr zu erhalten. Im vorderen und hinteren Schiffe
sind je vier, also zusammen acht grosse Ladeluken vorhanden, welche mit 16
hydraulischen, auf dem Dampfer Bremen sogar mit soviel
elektrischen Krähnen versehen sind. Diese Art des Ladegeschirres wählt man, um
geräuschlos arbeiten zu können. Während die im Betriebe befindlichen Schiffe des
Lloyd nur ein Promenadendeck auf dem Mittelschiffshause besitzen, erhalten die der
neuen Klasse deren zwei über einander; das untere wird von den Fahrgästen zweiter
Klasse benutzt, das obere ist den Passagieren erster Kajüte vorbehalten.
Das auf dem Oberdeck stehende Mittelschiffshaus von 256 Fuss = 76,8 m Länge reicht
von Bord zu Bord und hat im Inneren zwei von vorn bis hinten durchlaufende breite
Gänge, die nicht nur dem geschützten Verkehr von dem Vor- nach dem Hinterschiffe
dienen, sondern auch zu einer vorzüglichen Ventilation der an den Gängen liegenden
Wohnräume beitragen werden.
An der Steuerbordseite des Mittelschiffshauses befinden sich nur die
Schlafkammern nebst Closetts und Badezimmern der zweiten Kajüte, während an der
Backbordseite die Wohnräume der Besatzung und die Hospitäler der Passagiere dritter
Klasse untergebracht sind. Der eigentliche Schiffsverkehr wird sich bei dieser
Anordnung nur in dem Backbordgange abspielen, ohne die Passagiere, die an der
Steuerbordseite wohnen, zu incommodiren. Im Mittelschiffshause auf dem Oberdeck sind
ausserdem noch zwei sehr grosse Gepäckgelasse für die Reisenden erster und zweiter
Klasse vorhanden, welche so angelegt sind, dass ein Jeder leicht an seine Sachen
kommen kann. Ferner sind in dem Brückenhause noch drei sehr ausgedehnte Küchen
vorhanden, wovon eine für die Kajütspassagiere und die andere für die Zwischendecker
bezieh. für die Mannschaft bestimmt ist.
Auf dem von Bord zu Bord reichenden Mittelschiffshause befindet sich ein breites,
jedoch nicht bis ganz an die Schiffsseite reichendes Deckhaus von 213 Fuss = 63,9 m
Länge; dieses birgt vorn den geräumigen Speisesaal erster Klasse nebst Rauch- und
Damenzimmer der zweiten Kajüte. Das Deck dieses Deckhauses geht bis an die
Schiffsseite, wo es von Stützen getragen wird und so für das untere Promenadendeck
zu beiden Seiten des Deckhauses einen breiten, geschützten und an den Seiten offenen
Gang bildet.
Auf diesem Deck, welches als oberes Promenadendeck bezeichnet wird, befindet sich
noch ein grosses eisernes Deckhaus, das in seinem Vorderende das Damenzimmer erster
Klasse und die Wohnung des Capitäns, dahinter die Schlafcabinen der ersten Kajüte
und etwa in der Mitte den Rauchsalon erster Klasse aufnimmt. Das obere
Promenadendeck ist bis an die Bordwand mit einem festen, an der Seite durch Stützen
getragenen Sonnendeck überdacht, auf dem die zahlreichen, zum sofortigen
Ausschwingen fertigen Rettungsboote aufgestellt werden. An weiteren Aufbauten
bekommen diese Schiffe noch eine kurze, etwa 60 Fuss = 18 m lange Poop und eine 80
Fuss = 24 m lange Back. Die Poop dient zur Aufnahme von Passagieren dritter Klasse,
sie wird jedoch im Bedarfsfalle mit Kammereinrichtungen für zweite Kajütspassagiere
versehen. In der Back wohnen die Seeleute; zahlreiche Waschhäuser und Wasserclosetts
für diese und für einen Theil der Zwischendecker erhalten hier ihren Platz. Heizer
und Stewards logiren mittschiffs unter dem Oberdeck. Die oberen Decke können
eventuell für Passagiere dritter Klasse oder für Ladung verwendet werden. Die mit
grossen Kühlräumen versehenen Proviantmagazine liegen hinter den Maschinen; Linde'sche Kühlmaschinen sorgen für genügende Kühlung
der Magazine. Ein Theil der Laderäume des Hinterschiffes von etwa 800 cbm Inhalt
kann ebenfalls durch eine Kühlanlage (System Linde)
temperirt werden.
Zur Mitnahme von Trinkwasser sind Behälter von 250 cbm Inhalt vorhanden, aus denen
das Wasser mittels einer starken Dampfpumpe nach allen Verbrauchsstellen getrieben
werden kann. Ein am Bord eines jeden Steamers aufgestellter Destillirapparat vermag
in einem Zeitraum von 24 Stunden 18000 l Trinkwasser zu geben.
Obwohl die Schiffe dieser Klasse in erster Linie für den Verkehr nach Nordamerika
bestimmt sind, so wird bei ihrem Bau von vornherein Rücksicht auf die Möglichkeit
einer Benutzung auf den anderen Linien des Norddeutschen
Lloyd genommen werden. Es sind mit Rücksicht auf etwaige Tropenfahrten
alle Aufenthaltsräume für Kajütsreisende oberhalb des Oberdecks angeordnet, so dass
die Bewohner die Fenster ihrer Schlafräume möglichst lange offen halten können. Auf
die Ausstattung der Kajüten hat man besondere Sorgfalt verwendet.
Die Passagierschlafkammern erster Klasse, welche sämmtlich auf den beiden
Promenadendecken liegen, sind möglichst bequem und mit dem grössten Comfort,
bestehend in eisernen Betten, Schlafsophas, Kleiderschränken, Waschtischen, Kommoden
und kleinen Tischen, eingerichtet. Ein grosser Theil der Cabinen erster Klasse ist
nur für je eine Person bestimmt. Auch sogen. Luxuszimmer für vornehme Reisende sind
vorhanden. Jede Cabine ist mit elektrischem Telegraph und elektrischem Licht
versehen, welches während der ganzen Nacht beliebig benutzt werden kann.
Die Vorplätze, Gänge und das Treppenhaus sind in Rücksicht auf Fahrten in heissem
Klima luftig, leicht und hoch gehalten und gewähren daher den Reisenden einen
besonders angenehmen Aufenthalt. Diese Räume sind sämmtlich hell gemalt und nur die
der Beschädigung stark ausgesetzten Theile derselben in polirtem Teakholz
hergestellt. Grosse viereckige Fenster mit Jalousien erlauben selbst bei schlechtem
Wetter stets frische Luftzuführung. Bequeme Sitze und Sessel, mit Haartuch und
Leinenplüsch bezogen, schmücken Treppenhaus und Vorplätze. Ton in Ton ausgeführte
Malereien, Bezug auf die Namen der Schiffe nehmend, sind in den Füllungen der Wände
angebracht.
Auf die Einrichtungen der Closett- und Baderäume ist besondere Sorgfalt verwendet
worden. Letztere sind ganz besonders in Rücksicht auf etwaige Tropenfahrten in
grosser Zahl und sehr geräumig angeordnet. Den heutigen Ansprüchen des reisenden
Publicums entsprechend, ist auf jedem Schiff ein Doucheraum mit allen möglichen
Douchen, wie Mantel-, Ober- und Unterdouchen, vorhanden.
Was die Passagiere dritter Klasse anbetrifft, so sind dieselben in der beim Norddeutschen Lloyd üblichen bequemen Weise in eisernen
Betten, mit breiten Gängen an den Seiten, in welchen Tische und Bänke in
ausreichender Zahl aufgestellt sind, untergebracht. Zwei der Abtheilungen im oberen
Zwischendeck und die Poop erhalten Kammereinrichtungen für je zwei bis sechs
Passagiere dritter Klasse. Sämmtliche bewohnten Räume sind selbstverständlich mit
den besten Ventilationsvorrichtungen versehen und entsprechen nicht nur den
gleichartigen Einrichtungen der neuesten Dampfer anderer Linien, sondern werden sie
in mancher Hinsicht noch übertreffen.
Die Schiffe sind besonders stark als Vierdeckschiffe nach den höchsten Vorschriften
des Germanischen Lloyd aus bestem Stahl erbaut und gewähren mit ihren ungewöhnlich
hohen fensterreichen Aufbauten, ihren zwei mächtigen Schornsteinen und zwei Masten
einen bisher ungewohnten, imposanten Anblick.
Dass bei einem Schiffe, welches zur Beförderung so vieler Menschen und einer solchen
Menge werthvoller Ladung bestimmt ist, auf die Sicherheitsmaassregeln der
allererdenklichste Werth gelegt worden ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Ausser
einem von vorn bis hinten durchlaufenden Doppelboden ist das Schiff durch 12
besonders stark gebaute und bis zum Oberdeck reichende wasserdichte Querschotten in
13 wasserdichte Abtheilungen derart getheilt, dass zwei neben einander liegende
Abtheilungen vollaufen können, ohne dass das Schiff dadurch in Gefahr gebracht wird. Die
Anzahl und Grösse der wasserdichten Thüren ist auf das Aeusserste beschränkt und die
Pumpenvorrichtung in bisher nicht üblicher Ausdehnung und Sorgfalt angeordnet. Trotz
aller dieser Sicherheitsmaassregeln ist jedes Schiff mit über 20 Rettungsbooten
versehen, welche auf dem Sonnendeck derart placirt sind, dass sie innerhalb weniger
Minuten sämmtlich zu Wasser gebracht werden können.
Die Schiffe sind ferner ausgestattet mit je einem grossen Dampfankerspill und vier
schweren Dampfgangspillen, wovon zwei vorn auf der Back und zwei hinten auf dem
Poopdeck placirt sind. Das Ankergeschirr besteht aus vier Stück stocklosen Hall'schen Ankern, von denen zwei zum sofortigen
Gebrauche fertig in den Bugklüsen ruhend gefahren werden. Das Steuergeschirr besteht
ausser einem kräftigen Handsteuerapparat hinten auf dem Poopdeck aus einer
Dampfsteuermaschine ebendaselbst, welche durch hydraulische Uebertragung von der
Commandobrücke aus bewegt wird.
Die Maschinenanlage des Dampfers Bremen besteht aus zwei
Maschinen von zusammen 8000 i, die diesem
Schiffe eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 15 Knoten ertheilen werden. Die
Kesselanlage besteht aus drei cylindrischen Doppelkesseln und zwei einendigen
Kesseln, welch letztere abwechselnd in den Häfen als Hilfskessel gebraucht werden
sollen. Die Kessel befinden sich in zwei von einander getrennten wasserdichten
Abtheilungen und arbeiten mit natürlichem Zug. Die Bremen bekommt noch Vorrichtung, um mit künstlicher und erwärmter
Luftzuführung die Kessel bedienen zu können. Der Dampfdruck beträgt auf allen vier
Schiffen 15 k/qc.
Ausserdem ist auf dem Oberdeck noch ein kleiner Hilfskessel für Koch- und Pumpzwecke
vorhanden.
Die Asche und Schlacken werden nicht mehr wie früher in der so überaus lästigen Weise
über Bord gefördert, sondern mittels Aschejectoren vollkommen geräuschlos durch die
Schiffsseiten herausgepumpt. Die Schiffe sind selbstverständlich in allen ihren
Theilen mit elektrischer Beleuchtung, die aus etwa 700 Glühlampen von 25
Normalkerzen Leuchtkraft mit drei direct gekuppelten Dynamomaschinen besteht,
ausgestattet.
Dem an dieser Stelle besprochenen grössten Seedampfer der Welt Kaiser Wilhelm der Grosse, der inzwischen mehrere
Oceanfahrten zur grössten Befriedigung in bisher nicht erreichter Schnelligkeit
zurückgelegt hat, können die Engländer nun den „grössten und schnellsten“
Schaufelraddampfer in der Empress Queen zur Seite
stellen. Scientific American gibt 1897 * S. 18248
Angaben über dieses Schiff, welches von der Fairfield
Shipbuilding and engineering Company bei Glasgow gebaut ist, um den Verkehr
zwischen Liverpool und Douglas zu vermitteln. Das Schiff hat eine Länge von 375 Fuss
= 102,5 m und eine Breite im Rumpf von 42 Fuss = 12,6 m, über den Radkästen von 83,5
Fuss = 25 m bei einer Höhe von 25,5 Fuss = 7,5 m. Das Schiff ist aus Stahl gebaut
und hat einen Raum von 2500 t. Der Rumpf ist in mehrere wasserdichte Abtheilungen
getheilt und hat mehrere Decke. Im Speisesaal erster Klasse ist Platz für 124
Gäste.
Die Dampfmaschinen haben diagonale Anordnung und sind mit dreifacher Expansion
gebaut. Der Hochdruckcylinder hat 68 Zoll = 1700 mm Durchmesser, jeder der beiden
Niederdruckcylinder hat 92 Zoll = 2250 mm Durchmesser. Der Hub beträgt 84 Zoll
= 2100 mm. Steuer- und Umsteuervorrichtung werden durch Dampf- und
Wasserdruckmaschinen bethätigt. Der Dampfdruck der acht Kessel beträgt 140 Pfund =
15 at. Die Maschinen leisten 10000 i und
haben dem Schiffe eine Geschwindigkeit von 23 Knoten ertheilt.
Für die White-Star-Line wird bei der Firma Harland and
Wolff in Belfast ein Riesendampfer gebaut, der an Grösse, Maschinenkraft
und Schnelligkeit den Kaiser Wilhelm der Grosse
schlagen soll. Der neue Dampfer soll Oceanic heissen
und 214,6 m lang werden bei 21,95 m Breite und 7,92 m Tiefe, Wasserverdrängung 23400
t bei 17000 t Ladefähigkeit. Die Maschinen sollen 45000 indiciren und dem
Schiffe mit drei Schrauben 27 Knoten Fahrt geben.
Die Fahrgeschwindigkeiten der transatlanischen Schnelldampfer bewegen sich seit dem
Jahre 1840, in welchem Jahre der regelmässige Postdampferverkehr zwischen England
und Amerika begann, in einer stetig ansteigenden Linie. Hält man die in Zeiten von
10 zu 10 Jahren erreichten grössten Durchschnittsgeschwindigkeiten dieser Dampfer
zwischen den Jahren 1840 und 1880 fest, so gelangt man zu folgenden Zahlen, welche
die in der Stunde geleisteten Seemeilen (Knoten) angeben: 8,3, 9,5, 11,5, 14 und
15,5, oder in Kilometer ausgedrückt: 15,3, 17,5, 21,2, 26 und 28,6. Dieser
Steigerung der Geschwindigkeit entspricht eine Abnahme der Reisedauer zwischen
Liverpool und New York von 15 auf 13, 11, 9 und 8 Tage.
Zu Beginn des vorigen Jahrzehnts tritt ein rascheres Tempo ein. Im J. 1885 beträgt
die grösste Durchschnittsgeschwindigkeit in der Stunde bereits 17,5 Knoten (32,4
km), die Oceanreise nur mehr 7 Tage. Seit dem Jahre 1890 legen die schnellsten
Handels- und Passagierdampfer 19 Knoten (35,2 km) mit 6¼tägiger Oceanfahrt zurück,
und der schnellste, seit 1893 verkehrende Cunard-Dampfer Campania fährt mit 21 Knoten (38,9 km) Durchschnittsgeschwindigkeit und
überwindet die eigentliche Oceanstrecke in 5¾ Tagen. Zur Orientirung sei aber
bemerkt, dass unter den letztgenannten „Oceanstrecken“ nur der zwischen
Queenstown und New York liegende, etwa 2900 Seemeilen (5560 km) lange Theil
verstanden ist, so dass für die Reisen von Hamburg aus noch etwa 1½ Tage
zuzuschlagen wären.
Die Schwierigkeiten nun, welche die Schiffstechnik zu bewältigen hatte, um eine
solche Steigerung der Geschwindigkeit mit den Forderungen der Oekonomie, der
Rentabilität der Schiffe in Einklang zu bringen, ergeben sich aus dem Umstände, dass
der bei der Bewegung eines Schiffes zu überwindende Widerstand mit dem Quadrate, die
zu leistende Arbeit daher mit dem Cubus der Geschwindigkeit wächst. Soll daher
beispielsweise die Geschwindigkeit eines Schiffes von 15 auf 19 Knoten erhöht
werden, so müsste – da hierbei die zu leistende Arbeit im Verhältnisse 153 : 193, d. i.
auf das Doppelte, wächst –, auch die Maschinenleistung auf das Doppelte gesteigert
werden. Diese erfordert aber wieder die Verdoppelung des Kohlenverbrauches, welcher
den wesentlichsten Theil der Betriebskosten ausmacht. Mit der Maschinenanlage und
den grösseren Kohlenvorräthen wachsen natürlich auch die Maasse des Schiffes, und so
treibt eine geringe Geschwindigkeitsvermehrung dessen Grösse, Bau- und
Betriebskosten rasch in die Höhe. Es ist daher begreiflich, welche wichtige Etappe in der
schrittweisen Steigerung der Schiffsgeschwindigkeit jene maschinellen
Verbesserungen, namentlich die Einführung der zweifachen und dreifachen Expansion,
bedeuteten, durch welche der Kohlenverbrauch zur Erzeugung gleicher maschineller
Leistung herabgedrückt wurde.
Die eben entwickelte Tendenz – behufs Beschleunigung der Fahrt die ganze
Schiffsanlage zu vergrössern – wurde noch durch den Umstand begünstigt, dass die
erforderliche Maschinenleistung langsamer wächst als der Tonnengehalt des Schiffes,
dass daher mit Zunahme des letzteren die auf die Tonne Ladung entfallenden
Betriebskosten abnehmen, dass ferner durch die grössere Masse des Schiffskörpers die
Stabilität und die Gleichmässigkeit des Ganges gefördert wird.
Aus diesen Gründen sind wir denn heute zu Schnelldampfern mit 10000 bis 14000 t
Deplacement und einer Maschinenleistung von 9000 bis 16000, ja von 30000 ff gelangt,
welche Schiffsungeheuer täglich 300, ja bis 450 t Kohle verschlingen.
Der angedeutete Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit, Maschinenleistung und
Deplacement gestattet nun einen Blick in die nächste Zukunft, nämlich die Frage nach
den muthmaasslichen Grenzen der mit unserem heutigen technischen Können überhaupt
erreichbaren grössten Dampfergeschwindigkeit. Diese Frage wurde von Prof. C. Busley in seinem Buche: Die
neueren Schnelldampfer, in geistvoller Weise behandelt.
Busley gelangt zu einer technisch erreichbaren
Geschwindigkeit von etwa 26 Knoten (48,8 km), als einer Oceanfahrt (zwischen
Queenstown und New York) von 4½ Tagen. Riehn hält zur
Erzielung dieser Wirkung das Zurückgehen auf viel kleinere Fahrzeuge, als sie heute
für Schnelldampfer üblich sind, für erforderlich, bezeichnet aber zugleich derartige
Schiffe vom geschäftlichen Standpunkte aus als ganz verfehlt. Torpedokreuzer mit
solchen Geschwindigkeiten – die freilich nicht auf so grosse Strecken eingehalten
werden können – sind bekanntlich auch schon wiederholt ausgeführt worden. Busley dagegen hält diese Geschwindigkeitsgrenze mit
einem riesigen Dreischraubendampfer für erreichbar, der zwar bei einem Deplacement
von 22000 t und einer Maschinenleistung von 45000 ff bei einer einmaligen Oceanreise
3500 t Kohle verbrauchen würde, der aber vom Standpunkte der heutigen Technik wohl
ausführbar wäre. Aber auch dieses Schiff wäre vom kaufmännischen Standpunkte, und
zwar wegen seiner hohen Bau- und Betriebskosten und wegen der Schwierigkeit, seine
Tragfähigkeit genügend auszunutzen, wohl nichts weniger als empfehlenswerth. Bei dem
heutigen Stande der Schiffstechnik dürfte daher die wirthschaftlich zulässige Grenze
der Dampfergeschwindigkeit ziemlich weit hinter der oben genannten technisch
erreichbaren liegen und wenig über das bisher Erreichte hinausgehen.
Erwägungen ähnlicher Art über die Grenze der mit unseren Schiffen erreichbaren
Geschwindigkeit haben Ernst Bazin, Professor an der
École des mines in Paris, schon seit Jahren veranlasst, die Lösung des Problems, wie
diese Grenze zu überschreiten wäre, nach einer ganz neuen Richtung zu verfolgen. Er
suchte nämlich das bisher übliche Princip im Wasser gleitender Schiffskörper zu
verlassen und hierfür die rollende Bewegung einzuführen. Nach langjährigen Versuchen
ist es ihm gelungen, diese Idee für die Construction von Schiffen zu verwerthen;
eine Gesellschaft hat die beträchtlichen Mittel beigestellt, und so wurde denn
am 19. August 1897 in der Schiffswerfte Cail in St.
Denis ein monströses Fahrzeug vom Stapel gelassen, welches aus drei haushohen
Räderpaaren bestand, die sich im Wasser etwa bis zu einem Drittel ihrer Höhe
einsenkten und die auf den Achsen ein über dem Wasser freischwebendes Verdeck
trugen. Dieses Schiff, das von einer Schraube vorwärts getrieben, mit den durch
Dampf kraft in Drehung versetzten gewaltigen Rädern über die Wasserfläche
dahinrollen soll, wird von einem grossen Kreise französischer Fachmänner als das
„Schiff der Zukunft“ begrüsst, welches die heute erreichbaren
Geschwindigkeiten bedeutend überholen soll. Es wurde zunächst nach Rouen gebracht,
da die hohen Räder mit Rücksicht auf die längs der Seine zu unterfahrenden Brücken
in der Schiffswerfte nicht fertig montirt werden konnten. Bald soll der Ernest Bazin, dies der Name des Dampfers, seine
Probefahrt antreten.
Bazin hat in seinem Schiffe das Ergebniss folgenden
Experimentes verwendet, welchem E. Reitler nach einem
Berichte in der Neuen Freien Presse beizuwohnen
Gelegenheit hatte. Zwei hohle, linsenförmige; wasserdichte Scheiben aus Stahlblech
von etwa 20 cm Durchmesser, die wie zwei Räder auf einer gemeinsamen Welle
aufsassen, wurden ins Wasser gebracht, wo sie – wie ein Räderpaar auf weichem
Untergrunde – zum Theile einsanken und schwammen. Dieses schwimmende Scheibenpaar
wurde nun durch den Fall eines Gewichtes vorwärts gezogen, das mittels einer um eine
Rolle gespannten Schnur an der Welle angriff. Die Scheiben glitten hierbei, ohne
sich zu drehen, auf dem Wasser dahin, und das kleine Fahrzeug verhielt sich offenbar
bezüglich des bei der Bewegung zu überwindenden Widerstandes wie ein Paar
gewöhnlicher, neben einander gekuppelter Schiffe. Wurden aber hierauf die beiden
Scheiben durch die Spannkraft einer Feder in der Richtung ihrer Fahrt in Drehung
versetzt, so nahm die Geschwindigkeit dieses rollenden Fahrzeuges bei demselben
Antriebe durch das fallende Gewicht bedeutend zu, so dass das Bassin nur in einem
Bruchtheil jener Zeit durchlaufen wurde, die zuvor bei der gleitenden Bewegung der
Scheiben erforderlich war.
Eingehende und wiederholte Versuche mit elektrisch betriebenen Schiffsmodellen, bei
welchen drei solcher Scheibenpaare hinter einander verbunden waren, zeigten, dass
sich die Geschwindigkeit bei festgehaltenen und bei rotirenden Rädern, also des
gleitenden Schiffes zum rollenden – unter Voraussetzung der gleichen Antriebskraft –
wie 1 : 3 verhielt. Die zur Erzielung derselben Geschwindigkeit erforderlichen
Arbeitsleistungen würden daher nach dem früher Gesagten bei rotirenden Scheiben nur
1/27 jener bei
gleitenden Scheiben betragen. Für die Untersuchung, welchen Werth die Einführung
dieses neuen Princips für unseren Schiffsbau haben könnte, wird diese
Verhältnisszahl allerdings durch den Umstand wieder etwas herabgedrückt, dass der
Schiffswiderstand auch von der Schiffsform abhängig ist und die nach den Regeln
unserer Schiffsbaukunst construirten Dampfer einen viel kleineren Widerstand finden,
als ein solches auf sechs Linsensegmenten ruhendes Schiff von gleichem Tonnengehalt.
Die Versuche lassen aber trotzdem das Verhältniss zu Gunsten des rollenden Schiffes
noch immer so hoch erscheinen, dass sie die Perspective auf eine ungeahnte
Steigerung der Geschwindigkeit der Dampfer durch geeignete Verwendung dieses
Princips eröffnen.
Die Versuche ergaben ferner, dass die gesammte zu leistende Arbeit ein Minimum
wird, wenn die Translationsgeschwindigkeit des Schiffes etwa zwei Drittel der
Peripheriegeschwindigkeit der Scheiben beträgt, und dass hierbei der für die Drehung
der letzteren erforderliche Arbeitsaufwand etwa ein Viertel desjenigen ausmacht, der
für den Propeller für die Fortbewegung des Schiffes benöthigt wird.
Textabbildung Bd. 307, S. 225
Bazin'sches Dampfschiff.
Die bisher unbekannte und bedeutsame Erscheinung des ungleichen Verhaltens rotirender
und festgekeilter Scheiben bezüglich ihres Widerstandes bei der Fortbewegung im
Wasser ist einerseits sehr überraschend, da der ins Wasser tauchende bewegte
Schiffstheil, dessen Gestalt für einen grossen Theil des Widerstandes bestimmend
ist, bei der geschlossenen Form der Kreisscheibe trotz der Drehung immer derselbe
bleibt. Andererseits ist es einleuchtend, dass die Bewegung der rotirenden Theile
der Schiffshaut im Sinne der sie benetzenden, an ihr vorübergleitenden
Wassertheilchen bis zu einem gewissen Grade eine Herabminderung des Widerstandes
hervorrufen muss. Von letzterem Standpunkte ausgehend, hat Parot in der Revue Technique vom Jahre 1895
über das Bazin'sche Schiff eine theoretische
Untersuchung angestellt, deren rechnerische Ergebnisse mit den an den Modellen
gewonnenen Versuchsergebnissen ziemlich übereinstimmen, welche jedoch noch viele
schwierige Fragen über die bei solchen rotirenden Scheiben auftretenden
hydraulischen Erscheinungen offen lässt, so dass die Theorie des neuen Schiffes
damit noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. Weitere exacte Versuche,
namentlich mit dem Versuchsschiffe selbst, werden hierüber endgültige Aufschlüsse
geben.
Um eine genauere Vorstellung von der Einrichtung und den Dimensionen des neuen
Versuchsdampfers zu ermöglichen, sei bemerkt, dass er drei Paar linsenförmiger, aus
Stahlblech genieteter und innen versteifter Scheiben besitzt von 10 m Durchmesser
und 3,5 m Dicke. Auf den Achsen sind Fachwerksträger gelagert, auf denen das 39 m
lange und 12 m breite Verdeck ruht. Dieses nimmt die Kessel- und Maschinenräume,
ferner die Kajüten- und Lagerräume auf. Das Deplacement beträgt 280 t. Das Schiff
soll eine stündliche Geschwindigkeit von 26 Knoten (50 km) erreichen. Hierbei müssen
die Scheiben mit einer Umlaufsgeschwindigkeit von 20 m, d. i. mit 38 Umläufen in der
Minute, gedreht werden. Jedes Räderpaar wird von einer gesonderten Maschine
betrieben, die 50 entwickelt; zwischen den Hinterrädern ist die
Schiffsschraube angebracht, für deren Antrieb eine Dampfmaschine von 550
vorgesehen ist. Die gesammte Maschinenleistung soll daher bloss 700
betragen. Das Schiff ist mit dem auch sonst üblichen Steuer versehen,
während Bazin künftighin die Reaction eines unter
Wasser ausfliessenden lenkbaren Wasserstrahles zur Steuerung benutzen will.
Dieses Schiff ist nur zu Versuchszwecken und zu kürzeren Fahrten bestimmt. Die
grossen Oceandampfer, die auf Grund der Versuchsergebnisse zu erbauen wären, könnten
natürlich bedeutend grössere Geschwindigkeiten erzielen – Bazin denkt zunächst an 33 Knoten (60 km) mit 4tägiger Oceanfahrt –, das
Deplacement, der Durchmesser der Scheiben u.s.w. würden entsprechend wachsen.
Die Stabilität, die Seetüchtigkeit und der ruhige Gang solcher rollender Schiffe ist
vielfach angezweifelt worden. Aber die Versuche mit Schiffsmodellen und künstlichen
Wogen haben gute Resultate ergeben; auch hat der Admiral Coulombeaud in seinen in der Marine Française
erschienenen Artikeln über das Bazin'sche Schiff dessen
zu gewärtigendes Verhalten zur See auf Grund seiner vielseitigen maritimen
Erfahrungen sehr günstig beurtheilt.
Fig. 1 und 2 geben nach Engineering, 1897 * S. 76, Abbildungen des Bazin'schen Dampfschiffes, dessen Anordnung übrigens
schon in alten Patentschriften bekannt gegeben ist, als an sich nichts Neues bietet,
sondern nur beachtenswerth deshalb bleibt, weil es sich um eine Ausführung handelt,
deren Erfolg leider der soeben verstorbene Erbauer nicht erleben sollte.
Das Schiff ist von der Firma Cail in St. Denis gebaut
und hat folgende Maasse:
Jedes der sechs Räder hat 10 m Durchmesser. Länge des Bootes 39 m, Breite 12 m.
Tonnengehalt 274. Von den 700 der Maschinen sollen 550 zum Betrieb der
Schraube und 150 für die Umdrehung der Räder Verwendung finden.
(Fortsetzung folgt.)