Titel: | Elektrotechnik.Die Schöpfwerke im Memel-Delta von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft. |
Fundstelle: | Band 307, Jahrgang 1898, S. 205 |
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Elektrotechnik.Die Schöpfwerke im Memel-Delta von der Allgemeinen
Elektricitäts-Gesellschaft.Auszüglich nach einem
Berichte der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1897
Heft 39.
Mit Abbildungen.
Die Schöpfwerke im Memel-Delta von der Allgemeinen
Elektricitäts-Gesellschaft.
Die volkswirthschaftliche Bedeutung der Elektricität wächst durch die tägliche
Eroberung neuer Gebiete, zu denen sich neuestens der Landbau gesellt.
Zu den einschlägigen Aufgaben gehört insbesondere die Eindeichung und Entwässerung
von Länderstrecken, die der Hochfluth der Ströme entrissen öder dem Wogendrang der
Meere abgetrotzt werden müssen. Bemerkenswerth ist die Neuanlage am Memel-Delta
wegen ihrer erstmaligen Anwendung der Elektricität, bei der die Vortheile der
Wirtschaftlichkeit in Anlage und Unterhaltung Hand in Hand gehen.
Man darf von der Eindeichung und den Schöpfwerkanlagen eine Umwälzung in der
Bewirthschaftung erhoffen.
Die volkswirthschaftliche Bedeutung der elektrischen Energievertheilung wird freilich
erst zu voller Tragweite gelangen, wenn auch die Gefälle der Ströme für die Landschaft dienstbar gemacht werden.
Ostpreussen birgt grosse productive Wasserkräfte, die zugleich für die Bevölkerung
Wohlstandsquellen bedeuten könnten. Nach Intze's
Untersuchungen harren in den Stromgebieten des Landes gegen 40000 der
industriellen und agronomischen Verwerthung.
Das eingedeichte Gebiet umfasst über 18000 ha Landes. Die Gesammtkosten der ganzen
Deich- und Entwässerungsanlage belaufen sich auf etwa 2000000 M., von denen 1500000
M. auf den Deich und rund 500000 M. auf die Schöpfwerksanlagen entfallen.
Bei der öffentlichen Ausschreibung für die maschinelle Anlage der Schöpfwerke wurde
den concurrirenden Firmen freigestellt, für die zur Hebung des Wassers nöthige
Energieerzeugung elektrische Kraftübertragung in Vorschlag zu bringen. Nach Lage der
Verhältnisse war die Errichtung einer Centralstation das ausgesprochen Günstigste,
denn die Anlage von Kessel- und Maschinenhäusern, Fundamenten und Schornsteinen an
den verschiedenen Schöpfwerken hätte ziemlich kostspielige Fundirungen erfordert,
die durch die Centralisirung der Krafterzeugung erspart wurden. Eine zweite
Schwierigkeit bildete der Transport der englischen Kohle, die in dieser Gegend
allein als Feuerungsmaterial zur Verwendung kommen konnte. Die Kohlenladungen
hätten auf leichte Fahrzeuge umgeladen und die Mündungen der einzelnen Flüsse
hinaufgefahren werden müssen, was 3000 M. Mehrausgaben verursacht hätte. Dazu hätten
sich aber noch die erhöhten Betriebskosten für das Maschinenwärterpersonal
gesellt.
Der Strom wird jedem einzelnen Schöpfwerk in gesonderten Kraftleitungen an Masten
zugeführt. Durch die Anordnung getrennter Leitungen hängt jedes Schöpfwerk direct am
Schaltbrett der Centralstation und kann unabhängig von den übrigen Werken
angeschlossen oder ausgeschaltet werden. Durch telephonische Verbindungen, die
zugleich selbsthätig die Stellungen des Wasserstandsanzeigers übermitteln, in allen
Einzelheiten unterrichtet, behält die Centrale die Gesammtleitung in der Hand. Einen
hauptsächlichen Werth aber besitzt diese directe Abhängigkeit in betriebstechnischer
Hinsicht, indem sie das Ingangsetzen der Schöpfwerke von der Hauptstation aus in der
Art ermöglicht, dass sämmtliche Elektromotoren gleichzeitig mit den Primärmaschinen
anlaufen können. Dadurch werden umständliche und kostspielige Anlassvorrichtungen
vermieden, die Betriebssicherheit und Schonung der einzelnen Motoren vor der
zerstörenden Erwärmung beim Anlassen erhöht, und endlich vom Schöpfwerkpersonal nur
ein Mindestmaass von Sachkenntniss beansprucht. Die einzelnen Hebewerke bewältigen
die Förderung der Wassermassen mittels Schöpfräder. Auf ihre Wahl wirkte bestimmend
die Einfachheit, der ausreichende Wirkungsgrad sowie die geringe
Reparaturbedürftigkeit. Sie nehmen im normalen Betrieb 32 bis 40, in Ausnahmefällen
bis zu 75 und mehr e an den Drehstrommotoren
ab. Die Bedienung der letzteren ist äusserst einfach, so dass ein besonderer Wärter
entbehrt werden kann. Sie beschränkt sich auf die Schmierung der Lager, die so
eingerichtet sind, dass die Schmiergefässe nur einmal in 7 Tagen nachgefüllt werden
müssen. Sachkenntniss muss demnach nur von dem in der Centralstation angestellten
Maschinenmeister und seinen Gehilfen beansprucht werden.
Bevor wir auf eine Schilderung der elektrischen Centralstation eingehen, möge hier
das Wichtigste über die Kraftbeanspruchung vorausgeschickt werden.
Die Arbeit der Wasserhebewerke wechselt stetig mit den Fluthständen im Haff, wurde
aber nach drei Hauptleistungsgrössen geschieden, von denen die grösste mit einem
Aussenwasserstand von + 3,2 m äusserst selten, nur etwa einmal im Laufe eines halben
Jahrhunderts, eintritt.
Es wurden nun entsprechende Binnenwasserstände von + 0,9, +1,2 und + 1,4 m als
zulässig angenommen.
Die von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft
garantirten Leistungen der Schöpfwerke sind in nachstehender Tabelle
zusammengestellt. (S. 206.)
Die Leistungsfähigkeit der Dampfmaschinen und Dynamo in der Centralstation ist derart
bemessen, dass in den Fällen I und II gleichzeitig die Arbeit aller sieben
Schöpfwerke, d.h. der sechs bereits erbauten sowie des für später in Aussicht
genommenen, bewältigt werden kann, während für den die doppelte Arbeitsmenge
erfordernden Ausnahmefall III nur vier Schöpfräder gleichzeitig betrieben werden
sollen. Demnach wäre, wie die angefügte Tabelle lehrt, eine Leistungsfähigkeit der
Dampfmaschinen von mindestens 410 e
erforderlich.
Textabbildung Bd. 307, S. 206
In den drei Fällen;
Aussenwasserstand am Petriker Pegel gemessen; Zu erzielender Binnenwasserstand
im eingedeichten Gebiet am Petriker Pegel gemessen; Förderhöhe; Zu fördernde
Wassermenge in cbm/Sec.; Theoretische Pferdestärken; Wirkungsgrad der
Schöpfräder einschliesslich der Uebersetzung; Leistung des einzelnen
Elektromotoren in effectiven Pferdestärken; Gesammtwirkungsgrad der elektrischen
Uebertragung einschliesslich Generatoren und Motoren; Die von den Dampfmaschinen
abzugebenden effectiven Pferdestärken; Dampfverbrauch in der Centrale pro
Std./k; Beanspruchung der drei Zweiflammrohrkessel pro qm/Std. (225 qm
wasserberührter Heizfläche); Kohlenverbrauch pro Std./k; Leistung der
Schöpfräder bezogen auf 1 m Förderhöhe in cbm Wasser pro Std.; Kohlenverbrauch
zum Fördern von 100 cbm Wasser auf 1 m Höhe (bei einem Mindestheizwerth von 7500
Cal.)
Die im Maschinenhause der Centrale aufgestellten zwei grossen Dampfmaschinen leisten
bei 167 Umdrehungen in der Minute und 0,125 Gesammtexpansion je 240 , also
in Summa 480 . Die mechanischen Kraftgeber sind stehende
Verbunddampfmaschinen von gedrungener Bauart, deren Cylinder Durchmesser von 450 mm
und 700 mm bei einer Hublänge von 450 mm besitzen. Sie arbeiten mit
Einspritzcondensatoren. Die Hochdruckcylinder tragen Dampfmäntel. Die
Expansionssteuerungen der Hochdruckcylinder sind entlastete Kolbenschieber und
werden von einem kräftigen Regulator geregelt, während die Niederdruckcylinder
Kanalschieber mit fester Expansion besitzen. Wird die Beanspruchung der Maschinen
von Vollbelastung zu einem Viertel derselben ermässigt, so beträgt die eintretende
Hubzahl höchstens 5 Proc. während bei der weitgehenderen Entlastung von Voll- bis
Leerlauf eine Tourenänderung von höchstens 10 Proc. eintritt. Der Regulator ist
darauf eingerichtet, dass durch Verstellung eines Laufgewichtes die Tourenzahl der
Dampfmaschinen bis zu 10 Proc. verändert werden kann. Das Schwungrad verleiht den
Maschinen einen Gleichförmigkeitsgrad von 1/120.
Für die Dampfcylinder ist eine Möllerup'sche
Schmierpresse, für die in Bewegung befindlichen Theile Centralschmierung mit
sichtbarer, einstellbarer Tropfenschmierung angeordnet. An den Maschinen führen
eiserne Aufgangstreppen zu den Podesten, von welchen aus der Maschinenwärter das
Wechselventil handhabt, sobald zeitweilig mit Auspuff gearbeitet werden soll.
Zum Handhaben der schweren Einzelstücke von Dampfmaschinen und Dynamo dient ein
Laufkrahn von 7500 k Tragkraft, dessen Laufkatze durch Hand gelenkt werden kann. An
den Maschinenraum, nur durch eine Thür getrennt, stösst (Fig. 1 und 2) das Kesselhaus. Hier wird
Dampf von 8 at Ueberdruck in drei Zweiflammrohrkesseln von je 75 qm Heizfläche
erzeugt, und zwar verdampfen nach den Prüfungsergebnissen bei der Abnahme der
Gesammtanlage 23,7 k Wasser für 1 qm Heizfläche bei 3,08 k Kohlenverbrauch oder 7,7
k Wasser für 1 k Kohle. Die Durchmesser der äusseren Kesselwandung betragen 2,2 m
bei 7,5 m Mantellänge, die der Flammrohre 800 mm; letztere enthalten je vier
Galloway-Röhren. Die Dampfdome besitzen 900 mm im Durchmesser bei 950 mm Mantelhöhe.
Die Rostflächen betragen je 2,08 qm. Die Kessel sind aus Siemens-Martin-Flusseisen
hergestellt.
Zum Speisen der Kessel dient eine Worthington-Pumpe, die im Stande ist, den drei
Dampfkesseln das doppelte Wasserquantum ihrer höchsten Beanspruchung zu liefern
und die sowohl aus dem Kaltwasserbrunnen, als auch aus dem Ausgussrohr der
Condensation saugt.
Das Speisewasser der Dampfpumpe wird in einem Röhrenvorwärmer aus Messingröhren
vorgewärmt, der durch den Auspuffdampf der Pumpe selbst geheizt wird. Zur Speisung
dienen drei Restarting-Injecteure. Jeder derselben vermag seinem Kessel Speisewasser
zu liefern ebenfalls bis zum doppelten Quantum von dessen Maximalbeanspruchung. Die
Dampfstrahlpumpen sind mit gesonderten Saug- und Druckröhren ausgerüstet.
Die Dampfleitungen sind leicht zugänglich oberirdisch geführt; die Wasserleitungen
dagegen, mit Ausnahme der Druckrohre, in gemauerten Kanälen des Fussbodens
untergebracht, welche mit abnehmbaren Riffel blechplatten gedeckt sind.
Die Frischdampfleitung ist mit gut wirkenden Wasserabscheidern mit Dreiwegehahn und
an sämmtlichen Abzweigestellen mit Absperrventilen versehen. Sie ist aus
patentgeschweissten Rohren zusammengesetzt, ihre Flanschen sind abgedreht und mit
profilirten Kupferringen gedichtet. Knie- und ⊤-Stücke
bestehen aus Kupfer. Eine Umhüllung aus Korksteinen und Leinwand schützt, die
Leitung vor Wärmeverlust.
Sämmtliche Rohrleitungen sind so angelegt, dass das Wasser bei Frost abgelassen
werden kann.
Die im Maschinenraume angeordneten zwei 36poligen Drehstromdynamo, Type A 200, sind
für eine Kraftaufnahme von je 240 bei einer gleichzeitigen Leistung von
rund 160 Kilowatt gebaut. Ihr Wirkungsgrad beträgt demnach 91 Proc. bei
Vollbelastung. Ihre Leistungsgrösse ist derart bemessen, dass bei normaler
Inanspruchnahme (Fall I und II) jede der beiden bequem drei Schöpfwerke zu treiben
vermag. Sie liefern Strom von 2900 Volt für die Phase, was einer Hauptspannung von
5000 Volt zwischen je zwei Leitungsdrähten entspricht. Die Generatoren gehören zum
Typus der Einspulenmagnetdynamo mit stillstehender Wickelung, die neben einer
billigen Erregung noch den Vortheil besitzen, dass sich an der Maschine nur das
Schwungrad mit seinen Polhörnern dreht.
Die beiden Dynamo laufen normal mit einer Geschwindigkeit von 167 Umdrehungen in der
Minute und bilden eine directe Fortsetzung der Dampfmaschinen. Fig. 3 illustrirt diese
von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft seit
einigen Jahren gebaute Type. Innerhalb des feststehenden ringförmigen Eisenmantels
(Fig. 4) ist die
Magneterregerspule S feststehend angeordnet. Ebenfalls
feststehend schliessen sich an den Eisenmantel die beiden mit Spulen versehenen
Ankerringe A aus untertheiltem Eisen. Die Ankerringe
bilden mit dem Eisenmantel einen C-förmigen Querschnitt
am Umfange des Gehäuses, durch den der magnetische Kreislauf sich vollzieht, wie das
in Fig. 3 angedeutet
ist.
Textabbildung Bd. 307, S. 207
Fig. 1.Kesselhaus.
Der einzige bewegliche Theil, der vor dem Dynamogehäuse rotirende 18polige Läufer,
ist aus dem Schwungrade der angekuppelten Dampfmaschine herausgebildet, indem an
demselben Polhörner P angeschraubt worden sind. Diese
Polhörner greifen in den C-förmigen Ringquerschnitt des
festen Gehäuseumfanges hinein, schliessen dadurch den magnetischen Kreislauf und,
indem sie bei der Rotation des Schwungrades zwischen den Spulen der Armatur
hindurchgleiten, verschieben sie die Stellen höchster magnetischer Dichte rund im
Kreise und induciren in den feststehenden Ankerspulen den Dreiphasenstrom. Dieser
bedarf demnach, um von der Maschine abgenommen zu werden, keinerlei Schleifcontacte.
Der hochgespannte Strom geht vielmehr durch drei feststehende Klemmen an die
Sammelschienen der Schalttafel und von da in die Fernleitungen. Jede nicht isolirte,
blanke Stelle ist dem Bedienungspersonal unzugänglich gemacht, so dass letzteres
geschützt bleibt. Wie man sieht, ist die Anordnung eine sehr gedrängte; die
Dampfmaschine und der elektrische Energieerzeuger rücken constructiv in
einander.
Als günstigste Wechselzahl für den Dreiphasenstrom sind bei normalem Gange 100
Wechsel in der Secunde angenommen.
Textabbildung Bd. 307, S. 208
Fig. 2.Kesselhaus.
Den Gleichstrom zur Magneterregung der Generatoren liefern zwei kleine
Erregermaschinen, von denen jedoch eine genügt, um beide Hauptdynamo in vollem
Betriebe zu erhalten. Die zweite Gleichstrommaschine dient beim Anlassen der
Hauptdynamo, sowie zu Reservezwecken und ist, vollkommen unabhängig vom übrigen
Maschinencomplex, seitlich an einer Wand des Maschinenraumes aufgestellt. Ihr
Antrieb erfolgt von einer daneben stehenden kleineren Auspuffmaschine. Die
Hauptdynamo werden, wie bereits bemerkt, gleichzeitig mit den Elektromotoren der
entfernten Schöpfwerke angelassen. Bereits vor Beginn ihrer Ingangsetzung ist es
erforderlich, dass der Gleichstrom in ihrer Erregerspule die volle Normalspannung
besitze. Um dies zu erreichen, wird eine der Gleichstrommaschinen zuvor in
Thätigkeit gesetzt. Diesem Zwecke dient eben die kleine Dampfmaschine. Es ist dies
eine stehende eincylindrige Hochdruckdampfmaschine von 205 mm Cylinderdurchmesser
und 200 mm Hub, welche bei 250 Umdrehungen in der Minute und 0,2 Füllung 17
e leistet. Die Erregerdynamo ist auf
Gleitschienen verschiebbar, sobald ein Nachspannen des Riemens dies erfordert.
Die andere kleine Erregerdynamo ist mit einem gleichwertigen kleinen Drehstrommotor
von 20 direct gekuppelt, und zwar ist diese Verbindung durch eine
elastische Stahlblattkuppelung hergestellt, welche eine stossfreie Uebertragung
ermöglicht. Seinen Betriebsstrom erhält der Motor von einer der Hauptdynamo. Jedoch
geschieht die Zuleitung von Betriebskraft in den Motor nicht direct, sondern erst
durch Vermittelung eines Transformators, der die Hauptspannung von 5000 Volt auf 200
Volt herabsetzt. Die Primärdynamo erzeugen demnach, sobald sie einmal im Gange sind,
ihren Erregergleichstrom auf indirectem Wege selbst.
Der Erregermotor macht 950 Umdrehungen in der Minute. Für den Nothfall ist Vorsorge
getroffen, dass die mit dem Drehstrommotore gekuppelte Erregerdynamo direct von der
nächststehenden Hauptdynamo betrieben werden kann. Zu diesem Zwecke ist die
Kuppelung als Riemenscheibe abgedreht und kann durch Riemen mit dem Schwungrade
der nächsten Hauptdampfmaschine verbunden werden.
Jede der Gleichstrommaschinen ist so bemessen, dass sie ausser dem nöthigen
Erregerstrome für beide Hauptdynamo noch gleichzeitig den zur Beleuchtung
erforderlichen Strom liefert; sie speist 30 Glühlampen von 16 Normalkerzen.
Die kleine Dampfmaschine, die unter gewöhnlichen Umständen für Beleuchtungszwecke
nicht verwendet wird, trägt demnach ebenso wie die damit verbundene
Gleichstromdynamo den Charakter einer Reservemaschine und kommt ausser beim
Ingangsetzen der elektrischen Anlage nur in ausserordentlichen Fällen zur
Verwendung.
Textabbildung Bd. 307, S. 208
Dynamo der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft.
Die beiden Erregermaschinen sind zweipolige Nebenschlussdynamo, Type N G 100, mit
Trommelanker von 65 Volt Spannung und 950 Umdrehungen in der Minute; sie sind mit
Ringschmierung versehen. Der dazu gehörige Elektromotor besitzt eine gesonderte
kleinere Schalttafel. Diese ist gleich links von der Hauptschalttafel angebracht und
über ihr consolenartig der erwähnte Transformator, Modell D B 20, befestigt.
Die beiden Erregerstrom liefernden kleinen Gleichstromdynamo besitzen eine eigene
Schalttafel, die links in der Ecke der Schalttafelwand, dem Fenster nahe, angebracht
ist. Sie ist
mit zwei Strom-, zwei Spannungsmessern und zwei doppelpoligen Schalthebeln versehen.
Der Strom wird auf gemeinsame Schienen geleitet. Ein anderes Paar doppelpoliger
Schalthebel führt den Strom nach den beiden Magnetregulatoren der Hauptdynamo.
Diese Anordnung des Schaltbrettes ermöglicht es, die Verbindung zwischen den
Maschinen nach Bedarf herzustellen, und zwar entweder die Hauptstromdynamo durch
eine Erregermaschine zu erregen, oder beide Erregermaschinen in Parallelschaltung
auf einen Stromkreis zu vereinen. Die Gleichstrommaschinen sind mit
Nebenschlussregulatoren versehen, welche unterhalb ihres Schaltbrettes angeordnet
sind.
Textabbildung Bd. 307, S. 209
Fig. 5.Schaltungsschema.
Der Erregerstrom passirt die beiden unten am Hauptschaltbrett symmetrisch
angebrachten Magnetregulatoren, welche die Regelung der Hochspannung des in den
Hauptdynamo erzeugten Betriebsstromes bewirken. Alle diese Regulatorwiderstände
werden nur von Strömen niederer Spannung durchflössen und bieten daher keine Gefahr
für das Bedienungspersonal.
Die Hauptschalttafel befindet sich gegenüber dem Generatorencomplex an der Längswand
des Maschinenraumes. Sie trägt auf einer Marmorplatte die Anschluss-, Sicherheits-
und Messapparate für sämmtliche Fernleitungen. Das Schaltungsschema zeigt Fig. 5.
Im Stromkreise jeder Hauptdynamo ist je ein Strom- und ein Spannungsmesser
eingeschaltet. Die Messung der Spannung findet nicht direct statt; es ist vielmehr
ein kleiner Transformator angeordnet, der die Spannung von 5000 Volt auf 120 Volt
bringt. Diese Transformatoren dienen zugleich dem Anschlusse eines optischen
Phasenindicators, der dem Maschinenwärter den zum Parallelschalten der
Primärgeneratoren geeigneten Augenblick anzeigt.
Für den Anschluss der Schöpfwerke, sowie für den Motor der Erregermaschine sind
sieben dreipolige Umschlaghebel vorhanden, zugleich mit einem dreipoligen
Schalthebel zum Parallelschalten der Hauptdynamo, die man gemeinsam auf beide
Sammelschienengruppen arbeiten lassen kann. Die blanken Schalthebeltheile sind in
einem abgedeckten Raum hinter der Schalttafel untergebracht. Nur die isolirten
Handgriffe ragen aus der Schaltwand hervor. Für das später zu schaffende siebente
Schöpfwerk ist entsprechender Raum für Umschlaghebel und Leitungsdrähte vorbehalten.
Gegen Ueberlastung sind Maschinen und Motoren durch dreipolige
Hochspannungssicherungen geschützt, die über der Schalttafel angebracht sind.
Die Anlage des Erdschlussanzeigers ist folgendermaassen getroffen. Eine besondere
gemeinsame Leitung verbindet sämmtliche nicht stromführende Metalltheile der
Schaltapparate unter einander und setzt sie mit der Erdplatte des Blitzableiters in
Verbindung. Ebenso sind die neutralen Punkte der Drehstrommaschinen an Erde gelegt.
In diese Erdverbindung ist die Primärwickelung eines Transformators eingeschaltet. I
secundären Stromkreise des Transformators befindet sich ein Signal Voltmeter,
welches jeden Erdstrom sofort anzeigt.
Wie bereits erwähnt, lässt man die Elektromotoren direct von der Centralstation
anlaufen, und zwar gleichzeitig mit dem Ingangsetzen der Generatoren. Sobald ein
Motor hinzugeschaltet werden soll, werden die Dynamo stillgestellt und mit dem
angeschlossenen Motor von Neuem angelassen.
Als Wasserförderapparate dienen in den einzelnen Hebewerken Wurfräder, die das Wasser
über die Kropfwand nach dem Oberwasser zu hinausdrücken. Sie haben einen Durchmesser
von 8 m, eine Breite von 1,68 m und arbeiten normal mit einer secundlichen
Umfangsgeschwindigkeit von ungefähr 1,1 m. Bei dieser Geschwindigkeit fördern sie
1,7 cbm Wasser mit 0,9 m Förderhöhe in der Secunde, während in jenem äussersten
Falle III, wo die Leistungsfähigkeit mit derselben Wassermenge auf die doppelte
Förderhöhe, also 1,8 m steigen muss, eine um etwa 10 Proc. ermässigte
Umfangsgeschwindigkeit, nämlich von 1 m erforderlich wird. Diese
Geschwindigkeitsverminderung bei erhöhter Arbeitsleistung fällt zwar im ersten
Augenblick auf, sie wird aber dadurch erklärlich, dass die Schöpfräder in diesem
äussersten Falle hohen Wasserstandes, wo auch ein höherer Binnenwasserstand
zugelassen wird, viel tiefer ins untere Schöpfgerinne tauchen und somit grössere
Flüssigkeitsmengen fördern.
Die Schöpfräder sind mit zwei Zahnkränzen versehen, an denen die Stahltriebe des
Vorgeleges angreifen. Die 28 Schaufeln aus Eichenholz sitzen innerhalb zweier
Blechkränze oder Scheibenringe, die einen äusseren Durchmesser von 8 m und einen
inneren von 3,5 m bei einer Stärke von 7 mm haben.
Die Zahnkränze der Schöpfräder, welche den Antrieb aufnehmen, sind aus Gusstahl in
acht Segmenten hergestellt und zusammengeschraubt. Die Radwellen sind aus Flusstahl
und haben in den Lagerhälsen einen Durchmesser von 155 mm. Das Gesammtgewicht eines
Schöpfrades beträgt 18000 k. Die zwei Vorgelege, welche mit Ringschmierung und einem
Tourenzähler ausgestattet sind, vermitteln bei einer Zähnezahl von 440 an den
Zahnkränzen der Schöpfräder ein Uebertragungsverhältniss von
\frac{30}{440}\,\frac{20}{80}\,\frac{35}{136}=\mbox{rund }\frac{1}{228}.
Bei einer normalen Geschwindigkeit der Fördermotoren von rund 590 Umdrehungen in der
Minute machen somit die Schöpfräder in dem gleichen Zeitabschnitte 2,59 Umdrehungen
in der Minute.
Der Antrieb der Schöpfräder findet durch Drehstromelektromotoren, Type ND 800, statt,
welche zehnpolig und für 61,4 Kilo-Watt oder 75 e Betriebsleistung gebaut sind. Sie arbeiten je nach ihrer Belastung mit
einem Wirkungsgrade von 80 bis 90 Proc. Die als normal betrachtete Beanspruchung
beträgt, wie die Tabelle S. 206 zeigt, nur 40,8 e. Die Motorengeschwindigkeit ist durch Wechsel- und Polzahl an die
Umdrehungen der Primärmaschine gebunden. Demgemäss entspricht einer Tourenzahl der
Generatoren von 167 in der Minute eine Geschwindigkeit von rund 580 Umdrehungen,
wobei 3 Proc. Schlüpfungsverluste bereits in Anrechnung gekommen sind.
Die Wirkung des Ankers erhält keinerlei Strom direct zugeführt: lediglich unter dem
Einflüsse der durch die Dreiphasenwickelung der feststehenden Armatur inducirten
Ströme folgt der Kurzschlussanker der Rotation des Magnetfeldes.
Die Motoren arbeiten direct mit der Hochspannung von 5000 Volt; eine Transformirung
mit ihrem Gefolge von erhöhten Anlagekosten und Energieverlusten ist vermieden
worden. Da der hochgespannte Strom direct durch die am Motor feststehend
angebrachten Klemmen abgenommen wird, so ist es auch hier möglich, die gefährlichen
stromführenden Theile durch Schutzkästen und die Leitungsdrähte durch
Gummihüllen der Berührung durch das Bedienungspersonal zu entziehen. Ausserdem deckt
die eigenartige Construction des Lagerschildes die Wickelung der Armatur gegen
Beschädigungen durch äussere mechanische Zufälle.
Die Hebewerke liegen hart neben den Kreuzungsstellen der Flussläufe mit der
Staudeichlinie, seitlich von den Schleusen. Vor und hinter den letzteren verbinden
kurze Kanäle das Schöpfgerinne mit dem Ober- und Unterlaufe des Stromes. Die
Radkropfhöhe im Gerinne ist nur auf etwa drei Schaufeltheilungen angenommen im
Hinblicke auf Kraftersparnisse bei einem etwaigen niedrigeren Aussenwasserstande,
damit die Schöpfräder in einem solchen Falle nicht unnützer Weise das Wasser über
einen allzu hohen Kropfrand zu heben haben. Um bei steigender Aussenfluth das
Zurückfliessen des Wassers nach dem Inneren des Schöpfrades zu verhindern, sind
Vorrichtungen zur zeitweiligen Erhöhung des Kropfrandes getroffen. In den
Seitenwänden des Gerinnes sind nämlich gekrümmte Falze in Gestalt von ⊏-Eisen eingemauert, in welche Holzbalken hineingeschoben
werden können. Das Einlegen solcher Balken zur Erhöhung des Kropfes würde jedoch nur
bei Aussenwasserständen von über 3,1 m, also in einem ziemlich seltenen Falle,
erforderlich sein.
Gegen das Einströmen des Wassers beim Stillstande der Räder sind im Ausflussgerinne
leicht drehbare Stemmthore eingebaut. Die kräftigen Holzflügel derselben bilden
einen stumpfen Winkel nach aussen, so dass sie von einer einströmenden Fluth
selbsthätig im festen und dichten Schluss gehalten werden; während ein höherer
Binnenwasserstand, der den Aussenwasserspiegel überragt, durch seinen Ueberdruck die
Thore wieder öffnen muss, worauf die nach aussen drängenden Wassermengen, ihrem
natürlichen Gefälle folgend, sich in das Haff entleeren können. Ausserdem ist für
alle jene Fälle, in denen Reparaturen am Schöpfrade oder im Schöpfgerinne
vorgenommen werden sollen, eine Einrichtung zum vollkommenen Abschluss des letzteren
gegen Wasserzufluss getroffen. Das Schöpfgerinne erhielt zu diesem Zwecke an seinen
beiden Enden in den Wänden senkrechte Falze, in welche Dammbalken eingeschoben und
so zwei abschliessende Wände gebildet werden, innerhalb deren ein trockener
Arbeitsraum für die betreffende Mannschaft geschaffen werden kann.
Die Hochspannungsleitungen, die, wie erwähnt, jedes einzelne Schöpfwerk direct mit
dem Schaltbrette der Centrale verbinden, bestehen aus Siliciumbronzedraht von 3,5 mm
Durchmesser, also einem Querschnitte von rund 9,6 qmm.
Die Leitung läuft am Fusse der Innenböschung die Deichlinie entlang und ist an
Holzmasten derart befestigt, dass der tiefst gespannte Draht noch 5 bezieh. 8 m über
der Deichkrone liegt. Die Masten besitzen eine Länge von 12 bis 13 m und eine
Zopfstärke von 18 cm. Die Isolatoren sind dreifach isolirte Hochspannungsglocken. Um
zu verhüten, dass bei einem Bruche der Hochspannungsdrähte die Telephonleitungen
Strom erhalten, sind an jedem Mäste Auffangvorrichtungen aus verzinktem Flacheisen
festgeschraubt, welche mit der Erde leitend verbunden sind, wodurch ein Erdschluss
herbeigeführt und die Sicherungen durchgeschmolzen werden.
Ebenso sind an allen Starkstromüberführungen, welche öffentliche Wege und
Landstrassen kreuzen, Drahtnetze unterhalb der Leitungen befestigt, auf die der Draht
bei einem Bruche aufschlägt. Auch diese Drahtnetze sind an Erde gelegt.
Jeder Mast trägt an seiner Spitze eine Blitzfangstange, die durch einen in das
Grundwasser reichenden verzinkten Eisendraht mit Erde in Verbindung steht. Ausserdem
ist jeder Draht der Hochspannungsleitung bei seinem Austritt aus dem Maschinenhause
der Primärstation, sowie an seiner Eintrittsstelle in das Förderwerk durch je einen
Condensatorplattenblitzableiter geschützt. Die Condensatorplattenblitzableiter der
Kraftstation, ebenso wie die jedes einzelnen Hebewerkes sind mit gesonderten
Erdplatten verbunden.
An den Masten sind ungefähr 1 m unterhalb der Starkstromdrähte die verzinkten
Eisendrähte der telephonischen Doppelleitungen für jedes Schöpfwerk geführt. Diese
sind ebenso für den Betrieb der einzelnen Stationen zweckdienlich, wie für die
Interessen der Gesammtverwaltung. Vorzüglich in Zeiten hoher Sturmfluthen, wenn die
Deichanlage bedroht erscheint, ist die augenblickliche und leichte Verständigung
zwischen den so weit aus einander liegenden Stationen von grossem Werthe. Die rasche
Entfaltung einer energischen Deichvertheidigung auf der ganzen Linie wird durch
dieses Verständigungsmittel bedeutend erleichtert.
Die Fernsprechleitungen besitzen in der Centrale einen Centralumschalter mit sieben
Klappenpaaren, das siebente für das eventuell in Aussicht genommene Schöpfwerk.
Durch eine Umschaltevorrichtung ist es ermöglicht, die Drähte sowohl für Gespräche
als für die Angaben des Wasserstandsanzeigers zu benutzen. Die eine Klappe von jedem
Paar zeigt durch ihr Fallen die höchste, die andere die niedrigste Stellung des
Schwimmers selbsthätig an, indem sie eine Scheibe mit dem betreffenden aufgedruckten
Vermerk blosslegt.
Gegenwärtig ist die elektrische Kraftübertragungsanlage auf die nothwendigsten Zwecke
der Delta-Entwässerung beschränkt. Von der Stromerzeugung zu anderweiten Arbeits-
oder Beleuchtungszwecken ist vorläufig noch abgesehen worden.