Titel: | Eisenhüttenwesen.Neuerungen im Eisenhüttenbetriebe. |
Autor: | Weeren |
Fundstelle: | Band 307, Jahrgang 1898, S. 86 |
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Eisenhüttenwesen.Neuerungen im Eisenhüttenbetriebe.
Von Dr. Weeren in
Charlottenburg.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 306 S.
6.)
Mit Abbildungen.
Neuerungen im Eisenhüttenbetriebe.
Kleinbessemerei (Walrand-Process).
Die Bessemer-Birne von Emil Weithe in Haspe in Westfalen
bezweckt, das Einschmelzen des Roheisens in der Birne selbst vornehmen zu können.
Sie ist, um unmittelbar an die Formkästen herangefahren werden zu können, auf einem
Wagen c0 gelagert, der
mittels des Schneckenradgetriebes abc fortbewegt wird.
Die Birne b0 schwingt
um Zapfen d in dem Gestell a0. Der eine Zapfen ist massiv und trägt
ein Schneckenrad e, in welches die durch Handrad zu
drehende Schnecke f eingreift. Durch den anderen hohlen
Zapfen wird der Gebläsewind eingeführt.
Von den gebräuchlichen Birnen unterscheidet sich die Weithe'sche in ihrer Gestalt dadurch, dass sie von der Ebene ihres
grössten Querschnittes aus symmetrisch und ausserdem bauchiger als die
Bessemer-Birne ist. Ferner besitzt die Birne an beiden Enden Oeffnungen, die durch
Deckel g und h dicht
verschlossen werden können. Deckel g ist massiv,
während h die bekannten Winddüsen h1 enthält. Die
Construction der Leitung veranschaulicht Fig. 1. Ausserdem wird
eine zweite Windleitung k in der Nähe des Deckels g in die Birne eingeführt. Beide Leitungen sind mit
Hähnen versehen.
Textabbildung Bd. 307, S. 86
Bessemer-Birne von Weithe.
Die Birne wird in folgender Weise verwendet:
Zwecks Einschmelzung der Roheisencharge wird die Birne zunächst in die durch Fig. 1 veranschaulichte
Stellung gebracht. Der massive Deckel g ist
geschlossen, h hingegen offen. Es werden nun Brennstoff
und Eisen in die Birne eingetragen und letzteres durch Anlassen des Gebläsewindes
durch Rohr h geschmolzen. Nach vollendeter Schmelzung
bringt man die Birne in ihre wagerechte Stellung (Fig. 2), stellt den Wind
ab, öffnet den Deckel g, schliesst h und dreht unter gleichzeitigem Anlassen des
Windes durch die Düsen h1 die Birne um weitere 90°, so dass Deckel h
sich unten befindet. Es folgt dann die Umwandlung des Eisens in bekannter Weise und
nach Abstellen des Windes die Entleerung des entkohlten und entsilicirten Eisens in
die bereit stehenden Formen. (D. R. P. Nr. 82997.)
D. Herdofenprocesse (Martin-Verfahren).
Vorbereitung des Roheisens für den Siemens-Martin-Process von
der Staffordshire steel and iron ingot Company limited in Bilston
(Staffordshire). Der Zweck des Verfahrens ist ein erhöhtes Ausbringen an Stahl in
jeder Hitze. Erreicht soll dies dadurch werden, dass in die Pfanne, die das Roheisen
von dem Hochofen bringt, eine grob gemahlene Mischung von Eisenoxyd und Kohle
eingelegt und auf diese das flüssige Roheisen gegossen wird. Der Haupttheil des
Eisenoxyds wird durch die Hitze des Roheisens unter gleichzeitiger Einwirkung der
Kohle, sowie des Siliciums und des Kohlenstoffs des Roheisens sehr schnell reducirt
und von dem Roheisen aufgenommen. Versuche haben ergeben, dass in den meisten Fällen
im Roheisen so viel überflüssige Wärme vorhanden ist, dass ungefähr 5 Proc. seiner
Menge aus dem Oxyd reducirt werden kann. Bei Benutzung eines Roheisengemisches
stellt sich dieses Verhältniss noch günstiger. Man verwendet hierbei an Eisenoxyden
zweckmässig solche, die zu viel Silicium und Schwefel enthalten. Die besten
Resultate sind mit Puddel- und Walzsinter erzielt worden. Mit diesen werden 15 bis
30 Proc. Kohlenklein vermengt.
In gleicher Weise kann dieses Verfahren bei dem sauren und basischen
Bessemer-Processe Verwendung finden. Vor den bekannten, während der Periode des
Nachblasens gleichzeitig mit dem Kalk gemachten Zuschlägen an Eisenoxyden hat das
vorliegende Verfahren den Vortheil, dass eine Ueberoxydation des Stahls, die bei
jenen Verfahren kaum jemals umgangen werden konnte, ohne Schwierigkeit zu vermeiden
ist. (D. R. P. Nr. 71704.)
Verfahren der Gewinnung von Flusseisen aus Roheisen und
Eisenerzen von Fritz Grassmann in Marchienne
au pont (Belgien). Bei dem Frischen des Roheisens mit Hilfe von oxydischen
Eisenerzen im Martin-Ofen hat sich der Uebelstand ergeben, dass das specifisch
erheblich leichtere Erz auf dem Roheisenbade schwimmt, was eine ganz beträchtliche
Verlangsamung des Frischens des Roheisens durch das Eisenoxyd zur Folge hat. Es
findet zwar anfänglich eine Wechselwirkung zwischen Eisen und Erz statt, allein die
entstehende Schlacke wird durch Abgabe ihres Sauerstoffs an der Berührungsstelle mit
dem Eisenbade so zähflüssig, dass die Reaction fast gänzlich aufhört. Man sah sich
deshalb gezwungen, die Masse kräftig durchzurühren, stiess hierbei aber in Folge der
Schwerflüssigkeit der Schlacke und der durch Oeffnen der Arbeitsthür hervorgerufenen
Abkühlung des Ofens auf Schwierigkeiten.
Grassmann bewirkt eine innige Vermischung von Erz und
Eisen in der Weise, dass er flüssiges Eisen aus einem Ofen oder einer Pfanne
fliessen lässt und schräg gegen den Eisenstrahl einen kräftigen Luftstrom richtet,
der das Eisen zu feinen Kügelchen zertheilt und mit sich in einen Herdofen
fortreisst. Gleichzeitig mit dem Luftstrom wird reines fein gepulvertes oxydisches Eisenerz gegen den
Roheisenstrahl geblasen, in Folge dessen jedes Eisenkügelchen mit einer fest
anhaftenden Oxydschicht umgeben wird. Dieses so erhaltene innige Gemisch von
oxydischem Erz und Roheisen wird als Rohmaterial für den Martin-Process benutzt, da
die dem Eisen innewohnende Wärme nicht genügt, um direct ein fertiges Endproduct
(Flusseisen) zu erhalten.
Textabbildung Bd. 307, S. 87
Fig. 4.Gewinnung von Flusseisen aus Roheisen und Eisenerzen von
Grassmann.
Das Eisen, welches gleichsam mit dem Oxyde imprägnirt ist, gibt ein vorzügliches
Ausgangsmaterial für den Martin-Process, da sozusagen jedes Molekül des Roheisens
mit dem oxydischen Erz in Berührung kommt.
Zur Ausführung des Processes wird das Roheisen in einer Giesspfanne d (Fig. 4) flüssig vom
Hochofen zum Martin-Ofen geholt. Aus der Pfanne d lässt
man dasselbe in einem gleichmässigen Strahl in einen darunter befindlichen
Gusstrichter a. Der aus letzterem ausfliessende dünne
Strahl wird durch einen kräftigen, aus der Düse c
austretenden Luftstrom getroffen und durch diesen in zerstäubtem Zustande in das
Rohr b und den Martin-Ofen e geschleudert. Das oxydische Eisenerz befindet sich in dem Behälter f, aus dem es mittels der Schnecke g in die Düse c nach
Bedarf eingeführt wird.
Durch die innige Mischung des Roheisens mit dem Erz unter gleichzeitiger Einwirkung
der mitgeblasenen Luft entsteht eine heftige Reaction des Sauerstoffs des Erzes auf
den Kohlenstoff-, Mangan-, Silicium- und Phosphorgehalt des Eisens. Diese Elemente
oxydiren sich unter gleichzeitiger Reduction des Erzes. (D. R. P. Nr. 72046.)
Textabbildung Bd. 307, S. 87
Ofen zur Flusseisengewinnung von Gjers.
Verfahren und Ofen zur Flusseisengewinnung von John Gjers in Middlesbrought-on Tees. Den bereits
vorstehend angedeuteten, durch die Leichtigkeit des Eisenerzes im Verhältniss zum
Roheisen verursachten Uebelstand, der der allgemeineren Benutzung oxydischer
Eisenerze bei der Flusseisengewinnung entgegenarbeitete, sucht Gjers in anderer Weise zu vermeiden. Ausgehend von dem
Umstände, dass beim Puddeln der aus oxydischen Eisenschlacken bestehende Boden des
Puddelofens wesentlich zur Beschleunigung des Puddelprocesses beiträgt, schlägt Gjers vor, die Vorbedingungen des Puddelofens mit denen
des Stahlschmelzofens zu verbinden und das Roheisen in einem Herdofen zu schmelzen,
dessen Boden und Wände aus Eisenoxyd hergestellt sind, dabei aber durch eine
genügend hohe
Temperatur dafür Sorge zu tragen, dass das Eisen während der ganzen Dauer der
Umwandlung in Flusseisen bezieh. Flusstahl vollkommen flüssig bleibt. Als besonders
geeignetes Auskleidungsmaterial bezeichnet Gjers
reiches Titaneisenerz, welches weniger schmelzbar ist als gewöhnliches Eisenerz;
auch ein reiches Magneteisenerz mit 70 bis 72 Proc. Eisen dürfte sich für den
vorliegenden Zweck eignen. Wird reiche Eisenschlacke zur Ausfütterung verwendet, so
empfiehlt Gjers, diese in einem kleinen Nachbarofen
einzuschmelzen und in flüssiger Form in den Herdofen einzubringen. Bei Benutzung von
gepulvertem Eisenerz feuchtet man dieses zweckmässig mit Wasser an, in dem eine
alkalische Substanz, wie z.B. Kochsalz oder Soda, aufgelöst worden ist.
Zur Ausführung seines Verfahrens wählt Gjers den in den
Fig. 5 bis 7 dargestellten
Doppelofen, dessen Grundriss Fig. 6 zeigt. Die beiden Herde a sind in
einem Winkel zu einander angeordnet, um die beiden Brennkammern ff, sowie die darüber befindlichen Regeneratoren cc an einer Seite und neben einander zu haben. Der Ofen
kann mit Gas oder festem Brennstoff beheizt werden. Bei Benutzung festen
Brennstoffes werden die Kammern ff mit Brennstoff
gefüllt, der durch die aus den Regeneratoren c
strömende heisse Luft verbrannt wird. Diese Feuerung mit Oberflächenverbrennung ist
Gjers durch die Patente Nr. 80502 und 86359 in
Deutschland geschützt. Gjers hält es für das
Zweckmässigste, die Oefen nicht durch Schornsteinzug, sondern durch einen gelinden
Windstrom, der durch ein Gebläse h erzeugt und durch
ein Rohr h1 mit
Umstellklappe k in den oberen Theil eines jeden
Regenerators abwechselnd eingeführt wird, zu betreiben.
Mit dem Ofen wird in der Weise gearbeitet, dass abwechselnd auf dem einen Herde
Roheisen niedergeschmolzen und auf dem anderen gefrischt wird, wobei jedesmal in
denjenigen Generator Wind eingeblasen wird, auf dessen zugehörigem Herde a der Frischprocess vor sich geht. Das Erhitzen und
Einschmelzen des Roheisens erfolgt somit durch die aus dem jedesmaligen Frischofen
abziehenden heissen Verbrennungsproducte. Der allmählich schmelzende Eisenoxydboden,
der nach jeder Charge neu herzurichten ist, wirkt auf das schmelzende Roheisen
oxydirend ein. Das erzielte Flusseisen bezieh. Flusstahl wird in gewöhnlicher Weise
mit Ferromangan und Ferrosilicium fertig gestellt und zu Blöcken vergossen.
Gjers hält einen Zuschlag von Kalk oder Magnesia zur
Beschickung nicht nur nicht für nützlich, sondern sogar für schädlich. Das
verwendete Roheisen braucht nicht frei von Phosphor, wohl aber von Schwefel zu sein.
(D. R. P. Nr. 90356.)
Beschleunigung des Frischprocesses beim
Siemens-Martin-Verfahren mittels heissen Windes von Dr. Kaichiro Imaizumi in Berlin. Um den
Siemens-Martin-Process abzukürzen, hat man bisher wiederholt versucht, von der
frischenden Wirkung des Gebläsewindes Nutzen zu ziehen. Imaizumi schlägt hierfür folgende Einrichtung vor (Fig. 8). Der Hauptkanal b
für die Heissluft ist mit einem Schieber j aus
feuerfestem Material versehen. Vor diesem Schieber geht von dem Hauptkanal eine
Nebenleitung f ab, die im Ofen zu einer Winddüse g ausläuft. Durch ein Kugelgelenk sind f und g beweglich mit
einander verbunden, wodurch es möglich wird, dem Heissluftstrahl eine beliebige
Richtung zu geben. Ist das Ventil j offen, so ist
der Ofen wie ein gewöhnlicher Siemens-Martin-Ofen zu gebrauchen, wobei eine geringe
Luftmenge auch durch den Zweigkanal f in den Ofen
gelangen kann, ohne den Process irgendwie schädlich zu beeinflussen. Wird hingegen
nach vollendetem Einschmelzen der Charge das Ventil j
geschlossen, so kann der Heisswind seinen Weg nur durch den Zweigkanal f nach dem Ofen nehmen. Allerdings lässt sich durch den
Zug des Schornsteins für den Heissluftstrahl nicht genügend Pressung erzielen,
vielmehr ist es nöthig, für diesen Theil des Verfahrens eine Gebläsemaschine zu
benutzen, welche den Wind bis auf 0,5 at Pressung bringt. Durch den auf das
Metallbad auftreffenden Heisswindstrahl wird die Schlackendecke weggeblasen und das
Eisen rasch gereinigt und entkohlt, wozu die hohe Temperatur des Gebläsewindes ganz
wesentlich beiträgt. Nach beendetem Frischprocess wird der Gebläsewind abgestellt,
der Schieber j geöffnet und nunmehr bei gewöhnlichem
Luftzug das Eisen durch die gebräuchlichen Zusätze von Ferromangan, Ferrosilicium
oder Spiegeleisen fertig gestellt. (D. R. P. Nr. 93594.)
Textabbildung Bd. 307, S. 88
Fig. 8.Beschleunigung des Frischprocesses von Imaizumi.
Verfahren zur Herstellung von Flusseisen nach dem basischen
Flammofenprocess von Ernst Bertrand und Otto Thiel in Kladno (Böhmen). Dieses Verfahren,
welches unter dem Namen „Bertrand-Thiel“-Martin-Process das Interesse der Fachwelt in
ungewöhnlichem Grade in Anspruch genommen hat, bezweckt, die dem gewöhnlichen
Martin-Process anhaftenden Nachtheile zu beseitigen. Bekanntlich zeigt der
Martin-Process bei Verwendung eines hohen Procentsatzes an Roheisen gewöhnlich den
Nachtheil, dass in Folge des langen Frischens sich die Dauer der einzelnen Chargen
ganz bedeutend steigert, was Erzeugungsverminderung, erhöhten Brennstoffaufwand und
geringere Haltbarkeit der Oefen im Gefolge hat. Durch reichlichen Erzzusatz lässt
sich die Frischperiode zwar abkürzen, allein durch den hierdurch bedingten höheren
Kalkzuschlag wird die beschleunigende Wirkung wieder stark beeinträchtigt. Diese
Uebelstände treten besonders bei der Verarbeitung von silicium- und phosphorreichem
Roheisen zu Tage, da die dabei entstehenden grossen Schlackenmengen der ganzen
Schmelz- und Frischarbeit sehr hinderlich sind.
Diese Nachtheile bezweckt der Bertrand-Thiel-Process zu vermeiden, der im
Wesentlichen darin besteht, dass die verschiedenen Eisenmaterialien, aus denen sich
die Martin-Charge zusammensetzt, ihrer Natur bezieh. chemischen Zusammensetzung nach in verschiedenen Herdöfen für sich behandelt, d.h.
dieselben je nach Bedarf entkohlt, entsilicirt oder entphosphort, und alsdann die so
getrennt vorbereiteten Eisenmaterialien in einem Ofen
vereinigt und die vereinigte Charge hier in der üblichen Weise durch Zusätze fertig
gemacht wird.
Um das Eisen ohne Schwierigkeit aus dem einen Ofen in den anderen zu schaffen, ordnet
man die Ofenherde derart in verschiedenen Höhenlagen an, dass das Eisen mittels
eingeschalteter Rinnen aus dem einen Ofen in den anderen abgestochen werden kann,
bei welcher Gelegenheit man auch die fallenden Schlacken in einfachster und
vollkommenster Weise abzuscheiden vermag.
Durch diese Anordnung, die verschiedenartigen Eisensorten in getrennten Oefen zu
behandeln, ist man in die Lage gesetzt, die Abscheidung der Beimengungen des Eisens,
wie Kohlenstoff, Silicium, Phosphor, Schwefel u.s.w., je nach Bedarf in der für das
jeweilige Material günstigsten Weise für sich
durchzuführen und dann, wie schon bemerkt, die fallenden Schlacken von dem Eisen
vollkommen zu trennen, so dass sie für die Weiterverarbeitung des Eisens in den
folgenden Oefen nicht mehr in Betracht kommen.
Die Erfinder rühmen ihrem Verfahren folgende Vortheile nach:
Der Verbrauch an Zuschlägen, wie Kalk oder Kalkstein, ist wesentlich geringer, da man
bei dem getrennten Verarbeiten des siliciumhaltigen Theiles der Charge die
resultirende kieselsaure Schlacke bei der Ueberführung des Eisens von einem Ofen in
den anderen vollkommen zu beseitigen vermag und demgemäss nicht mehr jene Kalkmenge
zuzuschlagen braucht, die zur Neutralisirung der Kieselsäure erforderlich sein
würde, wenn man die ganze Charge ungetheilt in denselben Ofen eingesetzt haben
würde.
Da man es nun mit geringeren Schlackenmengen überhaupt zu thun hat, so wird die
Einwirkung der Flamme auf das Eisen eine bedeutend energischere sein, was
gleichbedeutend ist mit einer Abkürzung der Arbeitszeit – die Erfinder geben dem
gewöhnlichen Martin-Process gegenüber eine Erzeugungssteigerung von 60 bis 70 Proc.
an –, wie auch ferner einer entsprechenden Brennstoffersparniss. Mit der
Verringerung der Schlackenmenge und der schnelleren Durchführung des Processes
erzielt man ferner eine grössere Haltbarkeit und Dauer der Oefen selbst. Da die
Schlacken entsprechende Mengen von Eisen und Mangan in sich aufnehmen, so wird der
Abbrand, sowie auch der Verbrauch an Ferromangan, Spiegeleisen u.s.w. sich
verringern müssen.
Als einen besonderen Vortheil ihres Verfahrens führen die Erfinder schliesslich noch
den folgenden an, der sich namentlich bei der Erzeugung harter Stahlsorten erreichen
lässt. In diesem Falle wird dem entkieselten und entphosphorten Eisen während
seines Herabfliessens zu dem zum Fertigmachen bestimmten Ofen Kohlenstoff in Form
von Holzkohle oder Koks in entsprechenden Mengen wieder zugesetzt. Die Kohlung
erfolgt, da die Oberfläche des herabfliessenden Eisens von Schlacken völlig rein
ist, sehr energisch. Durch dieselbe wird eine Zersetzung der in dem Eisen
enthaltenen Oxyde und eine sehr bedeutende Ersparniss an Ferromangan, Spiegeleisen
u.s.w. erzielt. Gleichzeitig wird durch die Kohlung die Ausscheidung von Gasen
wesentlich befördert und demgemäss sehr dichte Güsse erhalten.
Die Art der Anordnung der verschiedenen Ofenherde richtet sich natürlich nach der
chemischen Zusammensetzung der zu verarbeitenden Eisensorten. Hat man z.B. eine
Charge zu verarbeiten, welche neben Schrot aus einer siliciumreichen und einer
phosphorhaltigen Roheisensorte besteht, so kann man sich der in den Fig. 9 und 10 dargestellten
Ofenanlage bedienen. Auf erhöhtem Niveau sind zwei Herdöfen a1 und a2 angeordnet, von denen der eine das siliciumhaltige
und der andere das phosphorhaltige Roheisen aufnimmt, entkohlt und entsilicirt
bezieh. entphosphort. Nach durchgeführtem Frisch- bezieh. Entphosphorungsprocess
wird der Inhalt der Oefen a1 und a2
unter Beseitigung der resultirenden Schlacken in dem tiefer gelegenen Ofen b vereinigt und dort in bekannter Weise fertig
gemacht.
Textabbildung Bd. 307, S. 89
Herstellung von Flusseisen von Bertrand.
Auch kann man mittels der Ofenanlage nach Fig. 11 mit nur zwei
Oefen die Entkieselung und Entphosphorung derartig durchführen, dass man das
silicium- und das phosphorhaltige Roheisen in dem oberen Ofen a gemeinsam frischt und entkohlt, eventuell unter
Zusatz reicher Eisenerze, auch die Entphosphorung schon theilweise durchführt und
dann unter sorgfältiger Abscheidung der Schlacken in den Ofen b ablässt, in dem man den kohlenstoff- und
siliciumarmen Schrot eventuell mit einem kleinen Quantum Roheisen eingeschmolzen
hat. Im Ofen b wird die Entphosphorung beendet und
sodann die Charge durch die üblichen Zusätze fertig gemacht.
Endlich kann man auch nach diesem Verfahren mit drei über einander angeordneten Oefen arbeiten (Fig. 12).
Selbstverständlich sind weitere Combinationen möglich und unter besonderen Umständen
sogar wünschenswerth. Statt die einzelnen Oefen über einander anzuordnen, um durch
Rinnen ein leichtes Ueberführen des Eisens aus dem einen in den anderen Ofen zu
ermöglichen, können die Oefen auch in demselben Niveau liegen; in diesem Falle
fallen die Rinnen fort und der Transport des Eisens erfolgt durch Pfannen. Der
Bertrand-Thiel-Process lässt sich somit ohne besondere Aenderungen bei bereits
vorhandenen Herdofenanlagen zur Durchführung bringen.
Weitere ausführliche Mittheilungen über das Verfahren, welches Gegenstand des D. R.
P. Nr. 80275 ist, finden sich in Stahl und Eisen, 1897
S. 403 bis 418 und 455; Oesterreichische Zeitschrift für
Berg- und Hüttenwesen, 1897 Heft 2 S. 6 und 9 (Versuche und Ansichten von
Percy C. Gilchrist über den Martin-Process Bertrand-Thiel); Berg- und
Hüttenmännische Zeitung, 1897 Heft 27 S. 223 und 224.
Neuere Arbeiten über den Martin-Process vgl. Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen,
1894 S. 37 u. ff. und S. 47 u. ff. H. H. Campbell, Der
Flammofenprocess; Stahl und Eisen, 1894 S. 697 u. ff.
Erik G. Odelstjerna, Die Herstellung von
Martin-Flusseisen in Schweden, 1897 S. 396 u. ff. Springorum, Der Martin-Process, S. 622. Wilhelm
Schmidhammer, Verschiedenes über den Martin-Ofenbetrieb, S. 401 u. ff. R. M. Daelen, Ueber neuere Verfahren zur Erzeugung von
Flusseisen.
(Fortsetzung folgt.)