Titel: | Das Lochstanzen als Prüfungsverfahren für die Metallfestigkeit. |
Autor: | Pregél |
Fundstelle: | Band 305, Jahrgang 1897, S. 49 |
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Das Lochstanzen als Prüfungsverfahren für
die Metallfestigkeit.
Von Prof. Pregél in
Chemnitz.
Mit Abbildungen.
Das Lochstanzen als Prüfungsverfahren für die
Metallfestigkeit.
Eine natürliche Ergänzung finden die üblichen mechanischen Prüfungsverfahren, als
Biege-, Bruch-, Schlag- und Druck-, Torsions- sowie Zerreissproben, durch das Stanz-
oder Abscherverfahren.
Unter den vorgenannten Prüfungsverfahren hat das, auf die Zerreiss- bezieh. Dehnungs-
oder Zugfestigkeit gegründete den Vorrang behauptet, weil in Folge der Dehnung und
Einschnürung des Stabes messbare Werthgrössen geschaffen werden, mittels welcher auf
die Eigenschaften des Stabmaterials geschlossen werden kann, wobei die Belastungen
der vollen Querschnittsfläche des Stabes an der Streck- und Bruchgrenze die
Grundlage der Festigkeitsberechnung bilden. Die Leichtigkeit, mit welcher diese
Belastungen messbar sind, und ferner das Freibleiben des Probestabes von jeglichem
Eingriff eines Werkzeuges sind allgemein anerkannte Vorzüge, dagegen bedingen die
Herstellungskosten sowohl der Probestäbe selbst, als auch die Kostspieligkeit der
Prüfungsmaschinen in Bezug auf Anlage und Betrieb schwer zu vermeidende Nachtheile.
Zudem bleibt dieses Verfahren nicht ganz frei von Mängeln und Schwankungen in den
Ergebnissen, die ganz wohl von 2 bis 10 und mehr Procent ansteigen können, was
namentlich bei den aus dem rohen Blechmaterial geschnittenen Versuchsstücken
auffällig hervortritt, wenn dieselben Neigung zum Schiefziehen zeigen. Unter allen
Umständen muss dem Versuch die mechanische Bearbeitung des Probestabes vorangehen,
was selbstverständlich mit beträchtlichen Kosten verbunden ist.
Es wäre daher von nicht geringem Vortheil für den Praktiker, eine Materialprüfung mit
unmittelbarer Verwendung des eigentlichen Werkstückmaterials ohne besondere
Vorbereitungsarbeiten und mit Benutzung der eigentlichen Werkzeugmaschine, d. i.
ohne wesentliche Kosten und Betriebsstörungen, vornehmen zu können.
Hierzu eignet sich besonders gut das Stanz- und Schnittwerk, namentlich das Lochstanz
werk, wenn ein Maasstab durch Vergleichsversuche gewonnen wird, zu welchem die
Zugfestigkeitsversuche die Grundlage abgeben sollten. Bereits im J. 1893 wurden von
Alfred Hunt in Chicago Vorschläge in dieser
Richtung gemacht, während vorher schon von Smith in
Barrow-in-Furness, Lancashire, das Material der Eisenbahnschienen beim Stanzen der
Laschenlöcher geprüft wurde. Später hatte CodronThe Railroad Gazette, 1894 * S. 592.
in Verbindung mit B. Johnson und A. Hunt diese Prüfungsmethode mittels Lochstanzen
weiter verfolgt und die Versuchsergebnisse in Diagrammen zusammengestellt.
Baclé, Fremont, Bouhey u.a. haben dieses Verfahren in
ausführlicher Weise studirt, wobei auf die älteren Stanzversuche von Tresca, Berrier-Fontaine, Tolmer, Keller, Karmasch,
Hartig und Kick zurückgegriffen wurde, unter
welchen die sorgfältigen Stanzversuche von Prof. Keller
in Karlsruhe hervortreten (vgl. D. p. J. 1895 298 * 145).
Ursprünglich wurde der zum vollständigen Lochstanzen aufgewendete Arbeitsaufwand, A mk für D mm
Stempeldurchmesser, δ mm Plattenstärke und den
Bruchcoëffizienten K
k/qmm für
Abscherfestigkeit nach
A=(\pi\,D\,.\,\delta)\,.\,K\,.\,\frac{\delta}{1000}
berechnet oder wenn das Verhältniss
\frac{\delta}{D}=i gesetzt wird, so würde
A = 0,001 . π D3 . K .
i2
folgen. In dieser Beziehung ist die Annahme enthalten, dass
der Höchstdruck (π D . δ).
K den Weg (0,001 . δ)
zurücklegt. Karmasch vermindert diesen Arbeitswerth auf
die Hälfte und setzt
A = 0,005 . π D3 . K .
i2
Nach Versuchen von Hartig würde für das Durchstossen von
Eisenblech
A=0,0145\,\pi\,D^3\,\left[i^2+17,2\,\frac{i^2}{\delta}\right]
zu setzen sein.
Während Karmasch als Wegstrecke für den Volldruck
\frac{\delta}{2} angenommen hat, setzt Kick für den Weg ⅔ δ und
für K = 20 k ein, so dass die Beziehung
A = 0,0133 π D3 . i2 mk
entsteht.
Nach Keller ist für den Arbeitsverbrauch, wenn i >
⅔:
A = 0,04 π D3 [i2 – 0,21]
und wenn i < ⅔:
A =0,02 π D3
i2
zu nehmen bezieh. nach neueren Versuchen für den vollständigen
DurchstossvorgangZeitschrift d. V. d. I., 1888 Bd. 32 Nr. 4/5 *
S. 77 und 100. mit
A = 0,01 π D3 [i2 – 0,14 i + 0,01]
mk
zu berechnen.
Ch. Fremont hat mit seinem verbesserten
ElasticimeterMémoire sur le Poinçonnage et le Cisaillement des
Métaux p. Ch. Fremont.
(Fig. 1), vgl. D. p.
J. 1895 298 * 148, die Federwirkung des
Lochmaschinengestelles benutzend, Arbeitsdiagramme beim Lochstanzen abgenommen,
welche ganz und gar
die charakteristischen Formen der construirten Stanzdiagramme von Keller's Genauversuchen zeigen.
Textabbildung Bd. 305, S. 50
Fig. 1.Fremont's Elasticimeter.
Von dem Stempelschlitten a (Fig. 1) wird mittels Kettenzug b das
Rähmchen c bewegt, während durch den Druckstift d, welcher vom Winkelhebel f
g beständig an die obere Maulwand des Stanzgestelles gedrückt wird, die der
Stanzkraft proportionale Maulerweiterung nachgewiesen wird.Vgl. Frank H. Richards, D. p. J. 1889 272 * 273. Wenn nun diese Drücke im
Diagramm (Fig. 2) zu den entsprechenden Stempelwegen
selbsthätig aufgetragen werden, so gibt dieses Diagramm nicht nur ein Bild der
Arbeitsvorgänge, sondern bei bekanntem Druckmaasstabe auch das Maass der absoluten
Arbeitsgrösse bezieh. den mittleren und grössten Arbeitsdruck an.
Nach Keller würde die Diagrammfläche, zerlegt, die
Arbeitsgrössen vorstellen:
1) (A B H) Arbeit während des Eindringens der
Körnerspitze. Diese Arbeitsgrösse sollte vom eigentlichen Durchstossvorgang in Abzug
gebracht werden.
2) (H B C D E L) Arbeit während des Eindringens des
Stempels bis zur Erreichung des Höchstdruckes.
3) (L E F N) Abscherarbeit.
4) (N F G) Arbeit zur Abtrennung des Lochkernes.
Ch. FremontMémoires de la Société des Ingénieurs Civils,
1896 Bd. 49 S. 114. will aus dem folgenden Diagramm Schlüsse
ziehen, und zwar
1) nach A B auf die Härte (dureté) des Materials,
2) nach B C auf die Starrheit (raideur),
Druckfestigkeit,
3) nach C D auf die Biegsamkeit, Federkraft,
Streckbarkeit (malléabilité) bezieh. auf die Streckgrenze (limite élastique),
4) nach D E auf Abscherbruchkraft (effort de rupture)
bezieh. auf die Dehnbarkeit (ductilité),
5) nach E F auf die Contractionsfähigkeit (striction),
wie beim Zugstab die Einschnürung, während
6) nach F G bloss der Trennungswiderstand des Lochkernes
zur Geltung kommt.
Wird von diesem letzten, für die Materialprüfung unwesentlichen Vorgange abgesehen,
so kann durch Zusammenstellung der Abscherdiagramme eines gleichbleibenden Stempels
D in verschiedene Plattenstärken δ = 25, 20, 15, 10 und 5 mm aus gleichem Material
(halbhartem Stahl) die Verhältnissmässigkeit dieser Beziehungen vorgeführt werden,
wobei die Gleichartigkeit des Materials zur Erscheinung kommt.
Nach dieser (Fig. 3) verhalten sich die Abscherkräfte
wie die Plattenstärken d, während die Gleichheit der
Richtungswinkel aller B C, C D und E F (vgl. Fig. 2) auf
die gleiche Materialbeschaffenheit in Bezug auf Druckfestigkeit, Federkraft und
Contractionsfähigkeit schliessen lässt. Demnach können diese Materialeigenschaften
als Functionen (tg ϕ), z.B. trigonometrische
Tangenten dieser Neigungswinkel angesehen oder damit ausgedrückt werden.
Bevor aber das Lochstanzen als Prüfungsverfahren zur Anerkennung kommt, müssen alle
Nebeneinflüsse des Stanzens eingehend untersucht und klargestellt werden, wozu die
Arbeiten von Tresca, Keller, sowie die diesbezüglichen
Untersuchungen von L. Bade und Ch. Fremont mit Vortheil herangezogen werden. Das Fliessen des festen
Metalles in den einzelnen Stanzperioden ist aus den Schliefen der Schnittflächen
ersichtlich. Hieraus erkennt man ohne weiteres, dass der Compression des
Plattenmaterials durch den Stempel die Einschnürung des künftigen Lochkernes folgt,
sobald die Zone der Einwirkung, das Seitwärtsfliessen des Lochmaterials, zur
Erscheinung kommt. Bei einem kreisrunden Lochstempel ist die Begrenzung dieser Zone
durch den Doppelkegel A B C zu G H J (Fig. 4 und 5) gegeben, während die Einschnürung nach dem mittleren kleinsten Kreise
E K ebenfalls nach einem Doppelkegel vor sich geht,
deren Basiskreise der Stempel- und der Matrizenrand sind. Nach diesem Doppelkegel
findet das Fliessen des Kernes und darauf folgend die Abscherung statt.
In Fig. 5 ist die mittlere Platten schiebt
herausgezeichnet und aus dem Grundriss ist zu ersehen, dass die kleinere Zone T K auch der Stempelkraft weniger widerstehen kann, als
der entsprechend längere Bogen S H desselben
Kreisausschnittes.
Textabbildung Bd. 305, S. 50
Fig. 2.
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Fig. 3.
Textabbildung Bd. 305, S. 50
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 305, S. 50
Fig. 5.
Von der Einschnürungsstelle E K wird die Abscherfläche
nach F L der Matrizenkante verlaufen und die Ausbiegung
des Materials in der angedeuteten Weise ausführen. Während diese Ausbauchung nach
dem scharfen Matrizenrande sich gestaltet, wird die oberste Materialschicht vom
Stempelrand allmählich verlaufend muldenförmig eingedrückt, sobald das Material zähe
und biegsam ist. Die Abscherung im oberen Plattentheil erfolgt aber nach einer
Fläche, welche nach dem Kegelmantel D C bezieh. J L verläuft und der mit dem unteren Abscherkegel F E collidirt, so dass am Lochkern ein Mantelkragen
stehen bleibt (vgl. Fig. 3 und 4 1895 298 * 147).
Besondere Einflüsse auf die Stanzvorgänge sind bisher beobachtet worden:
1) von Keller in Bezug auf die Geschwindigkeit der
Stanzarbeit,
2) von demselben und von Fremont in Bezug auf den
Durchmesserunterschied zwischen Stempel d und Matrize
D,
3) von Chamberlin und Allen
bezieh. Fremont in Bezug auf die Gestalt der
arbeitenden Stirnfläche bezieh. der Schneidkante des Stempels,
4) von Barba in Bezug auf das Material des Lochmantels,
und
5) in Bezug auf das lochgestanzte gesammte Werkstückmaterial von Barba bezieh. Beck-Guerhard.
Bei rasch verlaufender Stanzarbeit, bei welchem dem Material nur eine kleine Zeit zum
Fliessen (zur Verdrängung) gelassen ist, werden bedeutende Steigerungen des
Höchstdruckes und damit der Stanzarbeit verbunden sein.
Schon bei kleinen Arbeitsgeschwindigkeiten sind nach Keller's Versuchen mit D = 12 mm
Stempelunterschiede wahrgenommen worden.
So war für 1 mm Stempelweg
die Zeitdauer
t = 89 und 20 Sec.
der Höchstdruck
P1 = 16,75
bezieh. 17,72 t
die Arbeit
A = 13,56 bezieh. 15,22 mk.
Textabbildung Bd. 305, S. 51
Fig. 6.
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Fig. 7.
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Fig. 8.
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Fig. 9.
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Fig. 10.
Textabbildung Bd. 305, S. 51
Fig. 11.
Dass diese Werthe bei Arbeitsgeschwindigkeiten von Secundenbruchtheilen beträchtliche
Steigerungen erfahren werden, steht nach dem Vorhergehenden zu vermuthen; man
braucht bloss an die Stanzarbeit der Geschosse beim Durchschlagen der Panzerplatten
zu denken. Immerhin liegen bei gewöhnlichen Durchstossmaschinen diese
Arbeitsgeschwindigkeiten innerhalb bekannter oder leicht zu bestimmender Grenzen, so
dass für eine und dieselbe Versuchsmaschine die Geschwindigkeitsunterschiede nur von
der Plattenstärke δ bedingtwerden.
Ist die Matrize grösser als der Stempel, so folgt gewöhnlich ein unvollständiger
Durchstossvorgang. Indem auf die Versuche Keller's
zurückverwiesen wird (vgl. 1895 298 * 146), sind noch die
Versuche von Fremont mit Stempel d = 35 mm Durchmesser in Matrizen D1
= 36 und D2
= 39 mm Durchmesser in Platten verschiedenen Materials
von gleicher Plattenstärke δ = 25 mm anzuführen, welche
in den Diagrammen Fig. 6 bis 11 in der Weise veranschaulicht sind, dass die Strichpunktlinien der
kleineren Matrize D1 =
36 zukommen.
In Fig. 6 ist in beiden Fällen für Messing ein
unvollständiger Durchstossvorgang erzielt. Dieses Verhalten des Messingbleches
während der Stanzwirkung ist von grosser Bedeutung bei der Herstellung der
Uhrenbestandtheile mittels Stanzens.
In Fig. 7 tritt das Verhalten des Kupfers, in Fig. 8 jenes von weichem Stahl und in Fig. 9 von Eisen zur Erscheinung.
Während die Lochkerne aus der Messingplatte (Fig. 6)
in beiden Fällen glatt ohne Mantelkragen erscheinen, besitzen die Lochkerne, von der
grösseren Matrize D2 =
39 mm und jene von der kleineren Matrize D1
= 36 mm herrührend, Mantelkragen, während die Lochkerne
dem Diagramm Fig. 10 und dem Diagramm Fig. 11 entsprechen. Im Diagramm Fig. 10 ist eine kleine Steigerung des Höchstdruckes
wahrnehmbar, während im Diagramm Fig. 11 die
eigentliche Stanzarbeit sich in beiden Fällen gleicht, die Verdrängung des
Lochkernes bei D1 = 36
mm Matrizenöffnung aber einen grossen Theil mechanischer Arbeit durch Reibung
verbraucht, was an dem geglätteten Mantelkragen zu erkennen ist.
Zur Untersuchung des Einflusses, welchen die untere Stempelform auf den Stanzvorgang
hat, sind von Chamberlin (Assoc. of Engineering
Societies, 1892 * S. 463) bezieh. von S. Allen
(Engineering News, 1894 Nr. 18 S. 364) verschieden geformte Stempel von
gleichem Durchmesser und in demselben Material zur Anwendung gekommen. Die Versuche
von Allen ergaben Unterschiede in den specifischen
Pressungen von 3920 bis herab zu 2660 k/qcm für den Höchstdruck für Stempelformen, welche
sich der abnehmenden Pressung nach wie folgt ordnen.
Stempel mit doppeltem keilförmigem Seitenschlief und
Körnerspitze,
Stempelfläche ganz eben ohne Körnerspitze,
Stempelfläche eben mit Körnerspitze,
doppelschraubenförmige Stempelfläche mit Körnerspitze,
doppelte und in stumpfe Schneide ausgehende Keilflächen mit
Körnerspitze,
einfache Schraubenfläche mit Körnerspitze,
doppelte Schraubenfläche mit stumpfen Mittelschneiden und
Körnerspitze,
doppelte Keilflächen, in eine eingekerbte scharfe Mittelschneide
ausgehend,
einfache schwachgeneigte, abgeschrägte Stempelstirnfläche ohne
Körnerspitze.
Hiernach würde eine einseitig abgeschrägte Stempelfläche, dem Schnittvorgange einer
schrägen Schere am meisten entsprechend, den kleinsten Höchstdruck beanspruchen. Ob
dieser Stempel in Folge des bedeutenden Seitendruckes praktisch verwendbar bleibt,
ist zu bezweifeln.
Dieser Frage näher zu treten, hat Fremont Versuche mit
drei Stempeln von d = 25 mm Durchmesser in Matrize D1 = 26 mm in der Weise
durchgeführt, indem die Stirnfläche vom Stempel I flach mit Körnerspitze, II
doppelkeilförmig, in durchgehende Mittelschneide ausgehend, III
doppelschraubenförmig mit Körnerspitze geformt war.
Aufschluss über die Arbeitsweise dieser Stempelformen geben die Diagramme Fig. 12 bis 14, woraus
hervorgeht, dass, wie in Fig. 12 hervortritt, der
gewöhnliche Flachstempel I dem doppelten Keilstempel II, auch wie Fig. 13 ausweist, dem Schraubenstempel III überlegen
ist, während nach Fig. 14 der Schraubenstempel III
den Keilstempel II etwas übertrifft. Hieraus folgt zum Schluss, dass der einfache,
billigst herstellbare Flachstempel mit Körnerspitze die besten Ergebnisse
liefert.
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Fig. 12.
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Fig. 13.
Textabbildung Bd. 305, S. 51
Fig. 14.
Ueber das Nachstanzen eines bereits gestanzten Loches sind auch Versuche vorgenommen
worden, nach welchen absolut keine Vortheile ersichtlich sind. In eine 23 mm starke
Eisenplatte wurde ein 20 mm grosses Loch vorgestanzt und hierauf mit einem d = 25 mm starken Stempel nachgestanzt. Der ringförmige
Lochkern wurde in Folge der Materialverdrängung nach dem inneren Hohlraum zu von der
ursprünglichen, 23 mm betragenden Höhe auf 14 mm zusammengedrückt, während die
Lochwand ebenso rauh ausgefallen war wie bei einem einfachen Stossvorgange.
Das Material der Lochwandung wird durch das Stanzen zwar beeinflusst, aber, wie die
Versuche von J. Barba (1875) zeigen, nicht in dem
Maasstabe, wie gewöhnlich angenommen wurde. In Stahlbleche von 8 und 12 mm
Plattendicke wurden cylindrische Löcher von gleichem Durchmesser (16 mm) I) gebohrt,
II) auf 14 mm gestanzt und auf 16 mm durch Ausreiben erweitert, und III) auf 16 mm
gestanzt. Auf
einer Drehbank wurde in vorsichtiger Weise alles umliegende Material bis auf ½ mm
Wandstärke abgedreht und diese Proberinge Biegeversuchen unterworfen, deren
Ergebnisse in Fig. 15
zur Ansicht kommen.
Der gebohrte Probering I a ist mittels Hammers
flachgedrückt und darauf nach I b aufgebogen, erst in
I b zeigt sich ein Bruchriss am linken Ende. Ebenso
verhält sich der gestanzte und mittels Reibahle erweiterte Probering II a und II b, der erst
nach dem Aufbiegen Bruchrisse zeigt, während der gestanzte Probering III a dem Flachdrücken widersteht und schon bei
geringer Formänderung Risse aufweist. Aus den weiteren Bruchstücken III b bis III c erkennt
man, dass die Bruchtheile die ursprüngliche Lochkrümmung beibehalten haben. Dem
Angriff mittels Feile widerstehen diese Proberinge III
weit mehr als jene I und II. Gestanzte und in einem Gasofen ausgeglühte Proberinge IV a können flachgedrückt und die Form IV b wieder ausgeweitet werden.
Textabbildung Bd. 305, S. 52
Biegeversuche von Barba.
Ein gestanzter und ausgeglühter Probering V wurde
aufgeschnitten, flacheben geschlagen und in die Form V
a zurückgebogen, ohne Bruche zu zeigen.
Hiernach folgt, dass durch das Ausreiben der gestanzten Löcher bezieh. durch das
Ausglühen der gestanzten Blechplatten das Material der Lochwandung gegenüber
gebohrten Löchern wesentlich gebessert und den letzteren beinahe gleichwerthig
gemacht wird. Konische Lochringe verhalten sich selbstverständlich bei den Versuchen
etwas ungünstiger.
Bevor auf die Beeinflussung des Werkstückmaterials durch das Lochstanzen eingegangen
wird, möge ein interessanter Zerreissversuch von Mauclère (1885) vorangeführt sein.Mémoires, 1896 Nr. 1 * S. 100. Ein
Zerreisstück von d = 15,95 mm Durchmesser (2 cm
Querschnitt) und L = 200 mm Länge zwischen den Marken
wurde bis auf L1 = 234
mm gestreckt, wobei die Einschnürungsstelle d1
= 14,3 mm von der linken Marke 105,5 mm abständig ist.
Nachdem dieser Stab auf 14 mm nachgedreht und auf L2 = 241 mm gestreckt war, zeigte sich die neue
Einschnürungsstelle d2
= 11,6 mm von der Marke 40 mm abständig. Hierauf wurde der auf 11 mm nachgedrehte
Stab bis auf L3 = 248
mm gedehnt, wobei die neue Einschnürung d3 = 7,25 mm von der früheren Marke 113 mm entfernt
war, so dass die letzte Contractionsstelle zwischen den beiden vorhergehenden zu
liegen kam. Wäre nach Erreichung der ersten Einschnürung der Stab weiter belastet
worden, so würde zweifellos die Bruchstelle in die Einschnürung gefallen sein. Durch
die Contraction haben aber die Metallfasern an dieser Stelle eine Steigerung ihrer
Zugfestigkeit erlangt, so dass nach Abminderung der anderen, nicht angegriffenen
Stabtheile das ursprüngliche Material derselben weniger widerstandsfähig als jenes
in der früheren Contractionsstelle sich zeigte.
Ein ähnlicher Vorgang ist beim Lochstanzen nachgewiesen worden. Eine in der Mitte mit
einem gestanzten Loch versehene Stahlschiene wird sich Biegeversuchen als auch
Zerreissproben gegenüber verhalten, wie Fig. 16 es angibt, indem
die mittlere, durch das gestanzte Loch unterbrochene Faserschicht sich
unnachgiebiger erweist als die unverletzten, an den Rändern befindlichen
Faserschichten. Eine Versuchsreihe von Barba (1875)
scheint diese Annahme zu bestätigen. In flachen Stahlschienen von δ = 7 mm Plattenstärke wurde in deren Mittelachse je
ein Loch mit Stempel von d = 17 mm auf Matrizen von D1 = 18 mm und D2 = 21 mm Bohrung
gestanzt und der Einfluss dieses Loches auf das Schienenmaterial für verschiedene
Breiten b mm durch Zugversuche untersucht. Die
Bruchbelastung k/qmm stellt sich bei Breiten
b
=
32
50
68
86
104
122 mm
für
D
1
=
42,7
40,8
39,8
35,7
38,2
36,4
k/qmm
D
2
=
50,0
44,5
41,4
35,2
36,1
37,4
„
während die Bruchbelastung des unverletzten Blechmaterials,
aus welchem diese Streifen geschnitten worden sind, 51 bis 52 k/qmm betragen
hat. Hiernach würde bei konisch gestanztem Loch in 32 mm breiter Schiene kaum eine
Schädigung des umliegenden Schienenmaterials zu befürchten sein.
Beobachtung der Materialoberfläche in der Umgebung des gestanzten Loches, sowie
ausführliche Zerreissversuche der nachbarlichen Materialstreifen haben Beck-Guerhard angestellt.Engineering News, 1884 * S. 279 bezieh. Mémoires, 1896 Nr. 1 S. 103. In Fig. 17 bis 19 sind die an der
Oberflächenätzung schon mit freiem Auge sichtbaren, den Lochrand tangirenden
Strahlenbüschel gezeichnet, welche feinen Haarrissen gleichen und die am Blech mit
gebohrtem Loch ganz fehlen.
Textabbildung Bd. 305, S. 52
Fig. 17 bis 19: Beobachtung der Materialoberfläche in der Umgebung des
gestanzten Loches von Beck-Guerhard.Fig. 20. Stanzfräsewerkzeug.
Um die Vortheile eines glatten, cylindrischen Stanzloches mit den Arbeitsvorzügen des
konischen Stanzloches zu verbinden, schlägt Fremont die
Verwendung eines Stanzfräsewerkzeuges (Fig. 20) vor. Dasselbe
besitzt in b den flachen Lochstempel mit Körnerkegel,
an welche sich eine Reihe, am besten schrägstehender, gerader oder auch
schraubenförmig gewundener Schneiden in staffelförmiger Reihenfolge an den nach oben
erweiterten Durchmesser anschliesst und in den Stempelkörper a ausgeht, welcher etwas schwächer als das Matrizenloch m ist, so dass dadurch das kegelförmig gestanzte
Plattenloch p hiermit in einfachster Weise cylindrisch
erweitert und dabei geglättet wird.
Nach diesen Erwägungen erscheint die Heranziehung des Stanzprocesses als
Prüfungsverfahren für Bleche und plattenförmige Metalle, namentlich als Ergänzung zu
durchgeführten Zerreissversuchen von entschiedenem Vortheil zu sein und von
zweifelloser Wichtigkeit für den ausübenden Techniker zu werden.