Titel: | Ueber die Kohlenstoffernährung der Sprosshefe. |
Autor: | Th. Bokorny |
Fundstelle: | Band 303, Jahrgang 1897, S. 163 |
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Ueber die Kohlenstoffernährung der
Sprosshefe.
Von Dr. Th.
Bokorny.
(Schluss der Abhandlung S. 140 d. Bd.)
Ueber die Kohlenstoffernährung der Sprosshefe.
V. Amidoverbindungen.
Anilin, C6H5 . NH2, ist nur in
geringem Maasse schädlich für niedere Pflanzen und Thiere. Denn in einer
0,1procentigen Lösung, welche hergestellt wurde durch Lösen von 0,5 g Anilin in
Alkohol und langsames Eingiessen dieser Lösung in 500 cc Wasser unter fleissigem
Umrühren, starben Algen und Infusorien binnen 6 Stunden nicht ab. Sogar nach 48
Stunden waren noch viele Conferven und Vaucherien lebendig, andere waren
abgestorben, die Thiere erschienen insgesammt leblos. Die Auflösung reagirte ganz
schwach alkalisch, so dass empfindliches Lackmuspapier kaum merklich damit reagirte.
Ein directer Vergleich mit Benzol, C6H6, ist hier nur
möglich, wenn das Anilin in der Verdünnung 0,02 Proc. angewendet wird; denn Benzol
lässt sich nicht gut in stärkerem Procentsatz lösen. Der Vergleich der
0,02procentigen Lösungen ergab, dass Benzol etwas schädlicher ist als Anilin.
Versuche, welche E. Laurent mit Hefe und Anilin anstellte, führten zu keinem
positiven Resultate. Dieser Forscher erhielt keine Hefenvegetation in
Anilinauflösungen; dasselbe kann also nicht zur Ernährung der Hefe dienen.
Toluidin, C6H4(CH3) . NH2, ist leicht zu lösen, wenn es mit etwas
Schwefelsäure und dann mit einigen Cubikcentimetern heissen Wassers versetzt und mit
kaltem Wasser verdünnt wird. Die Lösung ist dann mit Kali genau zu neutralisiren. So
stellte ich mir eine 0,1procentige Lösung von Ortho- und Paratoluidin her; also
eigentlich von den schwefelsauren Salzen. Nach 6stündigem Aufenthalt in den Lösungen
zeigten sich bei der Paraverbindung schon viele Algen und Thiere geschädigt oder
abgestorben, bei der Orthoverbindung nicht. Nach 24 Stunden waren in der ersteren
Lösung alle Thiere und Pflanzen abgestorben, in der letzteren fanden sich noch
lebende Algen und bewegliche Infusorien vor, ja sogar nach 3 Tagen war noch nicht
alles Leben erloschen. Die Paraverbindung ist also hier giftiger als die
Orthoverbindung; die Lösung der ersteren hat auch einen viel intensiveren und
unangenehmeren Geruch als die der letzteren.
Freies Toluidin in 0,1procentiger Lösung bewirkte schon binnen 2 Stunden Granulation
im Plasma vieler Spirogyrenzellen, und zwar die Paraverbindung stärker als die
Orthoverbindung. Nach 5 Stunden waren durch die Paraverbindung fast sämmtliche
Zellen getödtet oder doch geschädigt, in der Auflösung der Orthoverbindung fanden
sich noch ungeschädigte Zellen vor; sogar nach 2 Tagen waren solche noch
aufzufinden.
Meine Versuche mit neutralisirter 0,1procentiger Lösung von O-Toluidin führten zu einem negativen Resultat.
Toluidin (O.) kann von Hefe nur schwer als Stickstoff-,
gar nicht als Kohlenstoffquelle verwendet werden; dagegen scheinen Schimmelpilze
(Aspergillus) dasselbe gut als N-Quelle verwerthen zu können, ein wenig auch als
Kohlenstoffquelle. Es wurden folgende Lösungen aufgestellt:
Die 0,1procentige Lösung des Stoffes wurde nach Neutralisation mit Schwefelsäure mit
etwas schwefelsaurem Ammon, Magnesiumsulfat, Monokaliumphosphat und Chlorcalcium
versetzt; bei einer zweiten, ebenfalls 0,1procentigen Lösung des Toluidins wurde das
Ammonsalz weggelassen, dafür aber Rohrzucker in der Menge von 1 Proc. hinzugebracht.
Erstere Lösung enthielt ausser Toluidin keine kohlenstoffhaltige Substanz, konnte
also zur Prüfung der Frage dienen, ob Toluidin für Hefenpilze eine Kohlenstoffquelle
sei; letztere Lösung enthielt ausser dem Amidstickstoff des Toluidins keine
Stickstoffquelle, es musste sich also ergeben, ob das Toluidin eine Stickstoffquelle
sei.
Bei 3 wöchentlichem Aufenthalt der beiden mit einer Spur Presshefe versetzten
Lösungen zeigte sich in ersterer Versuchsflüssigkeit keine Hefe; aber eine schwache
Schimmelvegetation; die Pilze erwiesen sich unter dem Mikroskop als verzweigte
gegliederte Fäden; sie fructificirten an der Oberfläche. In der ammoniakfreien
Lösung hatte sich eine starke Pilzvegetation eingestellt, welche zum grösseren
Theile aus Schimmelpilzen, zum kleineren aus Hefe bestand.
Anisidin,\mbox{C}_6\mbox{H}_4\left<{{\mbox{O.CH}_3}\atop{\mbox{NH}_2\ \ \
}}\right; die Orthoverbindung bildet eine gelbliche Flüssigkeit, die
Paraverbindung grosse weisse Krystalle; beide sind in Wasser ziemlich leicht auf
löslich und verbreiten einen starken gewürzhaften Geruch. Die 0,1procentigen
wässerigen Auflösungen reagiren schwach basisch auf Lackmus und erweisen sich als
ziemlich unschädlich. Nach 12 Stunden langem Aufenthalt in denselben waren die
eingesetzten Organismen noch vielfach unbeschädigt; thierische Bewegung war noch
bemerkbar. Die Oogonien einer Vaucheria schienen durch die O-Verbindung geschädigt,
durch die P-Verbindung nicht. In letzterer waren nach 48 Stunden noch lebende
Spirogyren aufzufinden, freilich meist mit Granulationserscheinungen im Zellsaft; in
ersterer fast nicht mehr (Granulationen waren auch hier zu sehen). Die
Paraverbindung scheint hier weniger schädlich zu sein als die Orthoverbindung.
Zu Versuchen mit Hefe verwandte ich die
unschädlichere der beiden Isomeren, die Paraverbindung in 0,1procentiger Auflösung;
sie wurden in gleicher Weise angestellt wie die bei Toluidin beschriebenen. Es ergab
sich, dass das P-Anisidin eine Stickstoffquelle für
Saccharomyccs sei; denn die Hefe hatte sich vermehrt, ebenso zahlreich allerdings
hatten sich auch Spaltpilze eingestellt. Eine Kohlenstoffquelle scheint es für Hefe
nicht zu sein; denn bei dem daraufgerichteten zweiten Versuche zeigte sich keine
Vermehrung der Hefe, während ein Schimmelpilz, der in ziemlich starken Raschen sich
eingefunden hatte, diesen Stoff als Kohlenstoffquelle verwerthen zu können
schien.
In 0,1procentiger wässeriger Auflösung von Paranitranilin, C6H4(NO2) . NH2, welcher die nöthigen Mineralstoffe, aber keine weitere organische
Substanz zugesetzt war, wuchs Saccharomyccs nicht. Die Spur Hefe, welche anfangs
zugesetzt worden war, hatte sich binnen 3 Wochen bei einer Temperatur von 27° kaum
vermehrt. Das Nitranilin kann also nicht als Kohlenstoffquelle für Hefenpilze
dienen, auch nicht für andere Pilze, denn es zeigte sich bei diesem Versuch
keinerlei Pilz Vegetation, wiewohl andere Pilze auch Zutritt hatten. Hingegen ist
das Nitranilin eine gute Stickstoffquelle für Hefe wie auch für Schimmelpilze. Bei
einem zweiten, gleichzeitig aufgestellten Versuch mit 0,1procentiger Lösung des
Nitranilins, welche keine Stickstoffquelle ausser dem Nitranilin selbst, sonst aber
alle nöthigen Stoffe enthielt, stellte sich eine mächtige Pilzvegetation binnen 3
Wochen ein; es hatte sich die Hefe stark vermehrt, ein Schimmelpilz hatte sich
ausserdem angesiedelt, dessen Fäden einen dichten Rasen bildeten und an der
Oberfläche der Flüssigkeit zahlreiche Sporen abschnürten.
Dimethyltoluidin, C6H4(CH3) . N(CH3)2; die
Paraverbindung ist eine gelbliche, die Orthoverbindung eine farblose Flüssigkeit,
beide lösen sich zu 0,1 Proc. nur dann, wenn man etwas verdünnte Schwefelsäure
zusetzt (ein Ueberschuss ist mit Kalilauge zu neutralisiren); die Auflösungen
verbreiten einen schwachen Geruch. Die 0,1procentigen Lösungen der (Sulfate) sind
schädlich; binnen 12 Stunden waren sämmtliche hereingebrachten Organismen
abgetödtet. In den 0,02procentigen Lösungen blieben Thiere und Algen 24 Stunden lang
am Leben; ein Unterschied zwischen den beiden Substanzen war nicht zu bemerken.
Eine ernährende Einwirkung auf Hefe ist hier nicht zu erwarten. Darum unterliess ich
Versuche mit Hefe.
In einer 0,05procentigen Lösung von Amidobenzoësäure,
\mbox{C}_6\mbox{H}_4\left<{{\mbox{NH}_2\ \ \
}\atop{\mbox{COOH}}}, welche durch Lösen von 0,1 g der Säure in etwas
Alkohol und Eingiessen dieser Lösung in 200 cc Wasser hergestellt worden war,
blieben Vaucherien, Conferven, Spirogyren und Infusorien 24 Stunden lang am Leben;
Cladophora starb ab. Selbst nach 72 Stunden waren noch viele der eingesetzten
Organismen lebendig. Vergleicht man damit das Verhalten der Benzoësäure, C6H5 . CO2H, so zeigt sich, dass durch
Einführung der Amidogruppe NH2 in das Molekül die
Giftigkeit herabgesetzt wird. Denn Benzoësäure in 0,1procentiger Lösung wirkt
tödtlich binnen 24 Stunden auf Vaucherien, Conferven, Cladophoren und Infusorien
ein. Auch nach dem Neutralisiren wirkt diese Lösung noch schädlich; in derselben sterben viele Algen
binnen 24 Stunden ab, desgleichen Infusorien.
Versuche mit Hefe und Amidobenzoësäure ergaben ein negatives Resultat.
Schon vor mehreren Jahren wurde von Loew und Verfasser
der Harnstoff, NH2 . CO
. NH2, auf sein Verhalten gegen Algen geprüft.Ber. d. d. chem.
Ges., 1890 S. 3203. In 0,2procentigen Lösungen starben
Spirogyren bei 5 tägiger Versuchsdauer ab; desgleichen in 0,2procentigen Lösungen
von Sulfoharnstoff, NH2
. CS . NH2. Ich löste nun Harnstoff zu 0,05 Proc. in
Wasser auf und fand, dass darin Spirogyren mehrere Tage lang ungeschädigt blieben
und sogar Stärke ansetzten, aber nicht so viel wie bei TyrosinDie Structurformel
des Tyrosins ist:\mbox{C}_6\mbox{H}_4\left<{{\mbox{OH}\\ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
}\atop{\mbox{CH}_2.\mbox{CH}(\mbox{NH}_2).\mbox{CO}_2\mbox{H}}}\rightEs gehört zu den Amidosäuren.. (Chem.-Zeitung, 1894 Nr. 2.)
Versuche, welche E. Laurent (Ann. d. soc. belg. de
mikr., Tome XVI 1890 S. 59) mit Harnstoff und Hefe anstellte, führten zu
einem negativen Resultat.
Desgleichen erhielt derselbe keine Hefenernährung mit Methylamin, CH3 . NH2, Aethylamin, C2H5 . NH2, und Propylamin, C3H7 . NH2; ferner keine mit Formamid, HCO . NH2, und Acetamid, CH3 . CO .
NH2.
Hingegen ist Pepton nach O.
Loew eine vorzügliche Kohlenstoffnahrung für Hefe (Sitz.-Ber. d. Münchn.
Ak., 1879 S. 329). Derselbe erhielt mit Pepton eine
mehr als 4mal so grosse Pilzernte als bei Ernährung mit Ammontartrat.
Asparagin, CO2H . CH2 . CHNH2 . CO .
NH2, kann nach Birner
(Zeitschr. f. Spir.-Ind., 1882 S. 95) sehr gut zur Kohlenstoffernährung der
Sprosshefe dienen. Nach E. Laurent (a. a. O.) wird
dasselbe von Hefe assimilirt unter Glykogenbildung.
Name der Substanz
Chemische Formel
Brauchbarkeit
Autor
Publicationsort
Pepton
–
Vorzügliche Kohlenstoff-quelle für
Sprossliefe
O. Loew
Sitz.-Ber. d. math. Kl.München, 5. Juli
1879S. 329.
Asparagin
CO2H . CH2 . CHNH2 .
CONH2
Sehr gute Kohlenstoff-nahrung für
Sprosshefe
Birner
Zeitschr. f. Spir.-Ind. 1882S. 95.
Desgl.
Desgl.
Wird assimilirt mitGlykogenbildung
E. Laurent
A. a. O.
Leuein 1 Proc.
–
Wird etwas assimilirt vonSprosshefe ohne
Glykogen-bildung
Desgl.
Recherches phys. surles levures, Annales de
soc.belg. de mikroskope, TomeXIV 1890 S. 59.
Asparaginsäure 1 Proc.
–
Wird assimilirt ohneGlykogenbildung
Desgl.
Ebenda.
Glutaminsäure 1 Proc.
–
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Glutamin 1 Proc.
–
Wird assimilirt, wenigGlykogen entsteht
dabei
Desgl.
Ebenda.
Caseïn
–
Assimilation ohneGlykogenbildung
Desgl.
Ebenda.
(Eier) Albumin
–
Assimilation mit wenigGlykogen
Desgl.
Ebenda.
Anilin
C6H5 . NH2
Unbrauchbar
Desgl.
A. a. O.
Toluiüin (Ortho-) (neutrali-sirt) 0,1
Proc.
C6H4(CH3) .
NH2
Keine Kohlenstoffnahrungfür Hefe; gute
Stickstoff-nahrung für Schimmel
Bokorny
Diese Abhandlung.
Anisidin (Para-) 0,1 Proc.
C6H4(OCH3) .
NH2
Stickstoff-, aber nichtKohlenstoffnahrung für
Hefe
Desgl.
Ebenda.
Nitranilin 0,1 Proc.
C6H4(NO2) .
NH2
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Methylamin
CH3 . NH2
Keine Kohlenstoffnahrungfür Hefe
E. Laurent
A. a. O.
Aethylamin
C2H5 . NH2
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Propylarain
C3H7 . NH2
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Formamid
HCO . NH2
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Acetamid
CH3 . CO . NH2
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
VI. Verschiedene organische Substanzen.
In einer Auflösung, welche 0,1 Proc. Orthonitrozimmtsäure (mit Kali völlig neutralisirt) und etwas
schwefelsaures Ammon, schwefelsaure Magnesia, Monokaliumphosphat, ferner 2 Proc.
Rohrzucker enthielt, zeigte sich nach Zusatz von einer Spur Presshefe binnen 48
Stunden (im 30° warmen Brütofen) ein Pilzrasen, bestehend aus vielfach verzweigten,
ziemlich dicken Pilzfäden. Orthonitrozimmtsäure verhindert also selbst bei einer
Stärke von 0,1 Proc. das Pilzwachsthum nicht. Die Hefe selbst hatte sich freilich
nicht vermehrt. Bei Weglassung des Ammonsalzes aus der Lösung erhielt ich keine
Pilzvegetation, desgleichen nicht, als der Rohrzucker weggelassen wurde. Die Säure
kann also weder als Kohlenstoff-, noch als Stickstoff
quelle dienen.
Paranitrozimmtsäure in einer der vorigen ganz gleichen
Auflösung verhielt sich ähnlich, nur war der entstandene Pilzrasen nicht so gross
wie in voriger Lösung. Als nun aus der Auflösung bei einem zweiten Versuch das
Ammonsalz weggelassen wurde, bildete sich wieder ein ziemlich starker Pilzrasen, theils
aus dicken Pilzfäden, theils aus Bakterienfäden bestehend, ein Zeichen, dass die
Nitrogruppe der Paranitrozimmtsäure manchen Pilzen als Stickstoffquelle dienen kann,
der Hefe allerdings nicht.
Als Kohlenstoffquelle kann die Substanz nicht dienen, wie ein eigener Versuch lehrte.
Orthonitrotoluol in 0,02procentiger Auflösung mit Zusatz
der nöthigen Mineralsubstanzen zeigte nach Hinzufügung von 2 Proc. Rohrzucker und
einer Spur Hefe binnen 48 Stunden (im 30° warmen Brütofen) einen Pilzrasen. Als der
Rohrzucker aus der Nährlösung weggelassen wurde, bildete sich keine Pilzvegetation,
ein Zeichen, dass Nitrotoluol der Hefe und mancher anderen Pilze nicht als Kohlenstoffquelle dienen kann. Aus dem
erstangeführten Versuche geht nur hervor, dass 0,02 Proc. O-Nitrotoluol die
Pilzvegetation nicht verhindert. Versuche über die Verwendbarkeit des
Orthonitrotoluols als Stickstoffquelle führten zu einem negativen Resultat.
Paranitrotoluol in ganz gleicher Lösung wie vorhin
brachte einen Pilzrasen hervor, bestehend aus Achlya; viele Fäden hatten sich schon
zur Flüssigkeitsoberfläche erhoben und dort Oogonien gebildet. Es ist also in
0,02procentiger Lösung dem Pilzwachsthum im Allgemeinen nicht hinderlich, die Hefe
vermehrt sich aber nicht darin. Als der Rohrzucker aus der Lösung weggelassen wurde,
bildete sich dennoch wieder ein Pilzrasen, ein Zeichen, dass das Paranitrotoluol für
manche Pilze eine Kohlenstoffquelle ist. Für Hefe ist das Nitrotoluol keine
Nahrung.
Benzol, C6H6, ist in geringem Maasse schädlich für niedere
Pflanzen und Thiere. Denn in einer 0,02procentigen Auflösung desselben (hergestellt
durch Lösen von 0,2 g Benzol in absolutem Alkohol und Eingiessen der Lösung in 1000
cc Wasser unter starkem Umrühren) sterben Vaucheria, Cladophora, Confera, Diatomeen,
Infusorien u.s.w. binnen 48 Stunden nicht ab; aber die Bewegungen der Infusorien
verlangsamen sich, viele Algenfäden kränkeln.
Ernährungsversuche mit Hefe ergaben, wie nicht anders zu
erwarten war, negatives Resultat.
Xylol, C6H4 (CH3)2; sowohl die Ortho- als die Paraverbindung liessen
sich nicht in wässerige Auflösung von 0,1 Proc. bringen, auch nicht bei Zusatz von
etwas Alkohol; damit konnten also keine Versuche angestellt werden.
Name der Substanz
Chemische Formel
Brauchbarkeit
Autor
Publicationsort
Nitrozimmtsaure (Ortho-und Para-)
\mbox{C}_6\mbox{H}_4\left<{{\mbox{NO}_2\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\ \ \ \ \ }\atop{\mbox{CH}=\mbox{CH.COOH}}}\right
Keine Kohlenstoffnahrungfür Hefe
Bokorny
Diese Abhandlung,
Nitrotoluol (Para-)
C6H4 (CH3) .
NO2
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Benzol
C6H6
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Schluss.
Wenn man die Kohlenstoffernährung der Hefe, sowie sie sich aus den vorhin
beschriebenen Versuchen ergibt, überblickt, fällt sofort die verhältnissmässig
geringe Anzahl von organischen Verbindungen auf, die zur Ernährung dienen können.
Die Sprosshefe ist sozusagen wählerischer in ihrer Nahrung als die Spalthefe und der
Schimmel.
Methylalkohol ist eine ziemlich gute Kohlenstoffnahrung für Spaltpilze; Sprosshefe
kann sich nicht davon ernähren, auch nicht, wenn die Verdünnung so gewählt wird,
dass eine Giftwirkung ausgeschlossen erscheint. Concentrationen von 1 bis 5
Proc. wie sie von manchen Forschern bei Ernährungsversuchen angewandt wurden, können
schon wegen der giftigen Beschaffenheit solcher Lösungen nicht zum Ziele führen.
Chinasäure ernährt Schimmel- und Spaltpilze gut, ist aber keine Nahrung für
Sprosshefe.
Von Propionsäure kann sich Schimmel ernähren, nicht aber Hefe.
Methylamin ist eine zwar schlechte Kohlenstoffnahrung für Spaltpilze, aber sie können
zur Noth davon leben. Für Sprosshefe ist Methylamin ein indifferenter Körper.
Solche Beispiele liessen sich zu Dutzenden anführen; es besteht also factisch ein
grosser Unterschied in der organischen Ernährung zwischen Hefe und Spaltpilzen,
sowie Schimmelpilzen.
Es scheint, dass die Hefe keine so grosse Oxydations- und Zerspaltungskraft besitzt,
wie die Schimmel- und Spaltpilze. Die meisten Substanzen müssten ja behufs Aufbau
von Kohlehydraten zuerst zerspalten und oxydirt werden.
Wenn wir den Ursachen nachgehen, warum die Hefe nur einige Kohlenstoffverbindungen
assimiliren kann, so kommen wir auf die Constitution der chemischen Verbindungen als
maassgebendes Moment.
Naegeli sagt hierüber (mit Bezug auf Pilze im
Allgemeinen): „Versuchen wir den allgemeinen Charakter der assimilirbaren
Kohlenstoffverbindungen festzustellen, so besteht die Bedingung wohl darin, dass
sie die Gruppe CH2, oder bloss CH
enthalten.“
„Der Kohlenstoff kann nicht assimilirt werden, wenn er unmittelbar nicht mit H-,
sondern mit anderen Elementen zusammenhängt, wie dies in der Cyangruppe, ferner
beim Harnstoff und der Oxalsäure nebst deren Abkömmlingen (Oxamid) sicher ist.
In diesen Verbindungen sind an C-bloss N-, O- und C-Atome befestigt.“ (A. a.
O. S. 283.)
Was hier über Pilzernährung im Allgemeinen gesagt ist, gilt sicher auch für Hefe
insbesondere. Für sie sind z.B. Cyanverbindungen keine Nahrung. Allein hier muss
eine noch grössere Einschränkung Platz greifen.
Bei weitem nicht immer sind Kohlenstoffverbindungen für Hefe nahrhaft, welche die
CH2-Gruppe enthalten. Nur diejenigen Substanzen,
welche in der relativen und sonstigen Zusammensetzung den Baustoffen der Hefezelle
(Cellulose, Glykogen u.s.w.) schon einigermaassen nahestehen, können von der
Sprosshefe verwendet werden. Darum sind die Zuckerarten und das Glycerin eine gute
Nahrung für Hefe. Nach O. Loew (Centralbl. f. Bakt.,
1891 Bd. IX) lassen sich mit Bezug auf die Förderung des Pilzwachsthums durch
nährende Stoffe folgende allgemeine Gesichtspunkte aufstellen:
1) Hydroxylirte Säuren sind besser als die entsprechenden nichthydroxylirten, z.B.
Milchsäure besser als Propionsäure.
2) Mehrwerthige Alkohole sind besser als die entsprechenden einwerthigen, z.B. Glycerin
besser als Propylalkohol.
3) Der Nährwerth der Fettsäuren und der einwerthigen Alkohole der Fettreihe nimmt mit
steigender Anzahl der Kohlenstoffatome ab; z.B. Essigsäure ist besser als
Buttersäure (Naegeli, Stutzer) und Methylalkohol besser
als Amylalkohol (Brown).
4) Eintritt von Aldehyd- oder Ketongruppen erhöhen die Nährfähigkeit; z.B. Glukose
oder Fructose sind besser als Mannit u.s.w. Bei gesteigerter Labilität der
Aldehydgruppe kann jedoch Giftwirkung eintreten.
Diese Sätze lassen sich auch mit Bezug auf Hefe grossentheils aufrecht halten, nur
mit dem Unterschied, dass manche der hier als schlechtere Nährstoffe angeführten
Substanzen die Hefe gar nicht ernähren. Z.B. Glycerin, CH2OH . CHOH, CH2OH, ist ein guter Nährstoff
für Hefe, Propylalkohol ernährt sie gar nicht. Essigsäure ernährt Hefe, Propionsäure
nicht.
Die Giftigkeit der Aldehyde ist für Hefe in mehreren Fällen erwiesen (Aethylaldehyd,
Formaldehyd, Nitrobenzaldehyd). Manche Zuckerarten aber, welche die Aldehydgruppe
enthalten, wie Dextrose, stellen eine sehr gute Kohlenstoffnahrung für Hefe dar.
Stoffe wie Benzol dürften wohl aus zwei Ursachen nicht zur Hefenahrung geeignet sein.
Erstens vermag das Hefeprotoplasma den Benzolring (Kohlenstoffring), der ja auch
gegen chemische Einwirkungen widerstandsfähiger ist als die Kohlenstoffkette bei den
Verbindungen der Fettreihe, nicht zu sprengen. Zweitens müsste eine starke Oxydation
stattfinden, um das C6H6 in C6H10O5 zu verwandeln. Beides kann die Hefe
offenbar nicht.