Titel: | Ueber die Kohlenstoffernährung der Sprosshefe. |
Autor: | Th. Bokorny |
Fundstelle: | Band 303, Jahrgang 1897, S. 140 |
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Ueber die Kohlenstoffernährung der
Sprosshefe.
Von Dr. Th.
Bokorny.
(Fortsetzung der Abhandlung S. 115 d.
Bd.)
Ueber die Kohlenstoffernährung der Sprosshefe.
II. Organische Säuren.
Gegen freie organische Säuren sind manche niedere Organismen, wie Spirogyra und
Sphäroplea, sehr empfindlich. In 0,1procentiger Citronensäure sterben sie schon nach 30 Minuten, in 0,05procentiger Aepfel- oder Weinsäure
binnen 26 Stunden, in 0,01procentiger Lösung dieser Säuren nach einigen Tagen; ja
sogar die schwächere Asparaginsäure tödtet sie bei 0,1 Proc. nach einigen Tagen. In
neutralisirter Lösung aber sind diese Stoffe Nährstoffe. Ameisensäure, , übt (wegen ihrer Aldehydnatur wahrscheinlich)
vielfach eine ganz besonders schädliche Wirkung aus. Die Fäulniss der Gelatine wird
verhindert durch 0,25 Proc. die Gährung (Hugo Schulz,
J. Th. 15, 526) des Rohrzuckers durch 0,05 Proc. und die Entwickelung mancher
pathogener Bakterien soll schon durch 0,006 Proc. Ameisensäure verhindert werden. Im
Einzelnen sind die Resultate folgende:
Dass solche, wie die Essigsäure, CH3 . CO2 H, Weinsäure, CO2H . CHOH
. CHOH . CO2H, und die Citronensäure, C3H4(OH)(CO2H)3, nach dem
Neutralisiren der Sprosshefe zur Nahrung dienen können,
haben Naegeli und O. Loew
vor vielen Jahren (Sitz.-Ber. d. Münchner Ak., 1877) gezeigt.
Dieselben wandten z.B. 300 cc NährflüssigkeitDieselbe enthielt ausgeglühte Asche von Fichtenholz, von jungen Trieben
der Rosskastanie und von Erbsen, die durch Phosphorsäure neutralisirt war,
ferner ausgeglühte Asche von Bierhefe, und zwar jeweilen 0,1 g auf 100 cc
Flüssigkeit. an und setzten 0,2 Proc. phosphorsaures Ammoniak und
1,4 Proc. Citronensäure hinzu. Es bildeten sich sehr
reichliche Schimmel- und Sprosspilze (a. a. O. S. 307).
Bei einem Controlversuch, welcher keine Citronensäure enthielt, unterblieb die Pilz
Vegetation.
Ein weiterer Versuch, bei welchem 0,4 Proc. essigsaures
Ammoniak, 1 Proc. essigsaures Natron und die nöthigen
Mineralstoffe (nebst freier Phosphorsäure) angewandt wurden, ergab ziemlich
reichliche Schimmel- und Sprosspilzvegetation.
Weinsäure erwies sich auch als brauchbare
Kohlenstoffnahrung für Hefe.
Es war nun von Interesse, auch noch einige andere organische Säuren auf ihre
Ernährungskraft zu untersuchen.
Propionsäure, CH3 .
CH2 . CO2H,
wurde zu 0,2 Proc. in Wasser gelöst, mit Kali neutralisirt und mit den nöthigen
Mineralsalzen, sowie mit einer Spur Hefe versetzt; nach 6 Tagen war die Flüssigkeit
trübe von Spaltpilzen, welche sich unter dem Mikroskop als sehr kleine Stäbchen
erkennen liessen. Hefe war nicht gewachsen. Nun wurde eine Spur freier Phosphorsäure
zugesetzt, so dass die Reaction der Flüssigkeit deutlich sauer war. Auch nun bildete
sich, trotz dieser für Hefe günstigeren Verhältnisse, keine Hefenvegetation.
Propionsäure ernährt die Sprosshefe nicht.
Bernsteinsäure, CO2H .
CH2. CH2. CO2H, welche sich von der Weinsäure durch den Mangel
zweier Hydroxyl-(OH-) Gruppen unterscheidet und an Stelle dieser Wasserstoffatome
besitzt, sollte auch einer Prüfung auf Ernährungskraft bei Hefe unterzogen werden.
Es wurde eine 0,2procentige Lösung hergestellt, diese mit Kali genau neutralisirt
und mit den nöthigen Mineralsalzen, sowie mit einer Spur Hefe versehen.
Nach 6 Tagen hatte sich – nicht eine Hefenvegetation –, sondern eine ziemlich
kräftige, grünlich schimmernde Spaltpilzvegetation eingestellt, bestehend aus winzig
kleinen Stäbchen.
Um die Spaltpilze auszuschliessen, wurde nun eine weitere Lösung ebenso hergestellt,
aber mit Phosphorsäure etwas angesäuert; eine Spur reiner Hefe wurde zugesetzt.
Trotzdem entwickelten sich hauptsächlich Bakterien (das Lösungswasser war nicht
sterilisirt, die Luft hatte Zutritt), wie die mikroskopische Untersuchung ergab. Nur
ganz vereinzelt fanden sich auch sprossende Hefezellen vor. Die Bernsteinsäure ist,
wenn überhaupt, jedenfalls eine schlechte Nahrung für Hefe.
In einer mit Kali neutralisirten 0,2procentigen Asparaginsäurelösung, CO2H . CH2 . CHNH2 . CO2H, bildete sich nach Zusatz aller nöthigen
Mineralsalze und einer Spur Hefe binnen wenigen Tagen im Brütofen eine
Hefenvegetation aus; einzeln liegende und zu Sprossverbänden vereinigte Hefezellen
fanden sich zahlreich in jedem Tröpfchen der Flüssigkeit vor; daneben entstand
freilich auch eine Spaltpilzvegetation, bestehend aus sehr kleinen Stäbchen. Asparaginsäure ist eine Kohlenstoffquelle für
Hefezellen; sie können wachsen, wenn in einer Nährflüssigkeit keine andere
Kohlenstoffverbindung vorhanden ist als Asparaginsäure; wahrscheinlich kann sie auch
als Stickstoffquelle dienen.
Chinasäure, Tetraoxymonocarbonsäure, C7H12O6 oder C6H7(OH)4 . CO2H, ist eine Säure aus der aromatischen Reihe,
welche als Wasserstoffadditionsproduct einer Tetraoxybenzoësäure aufzufassen ist:
\mbox{C}_6\mbox{H}(\mbox{H}_6)\left\{{{(\mbox{OH})_4}\atop{\mbox{CO}_2\mbox{H}}}\right.
Sie kommt in den Chinarinden und Kaffeebohnen vor und wird als Nebenproduct bei der
Bereitung des Chinins gewonnen.
In einer 0,2procentigen neutralisirten Auflösung dieser Säure, welche schon von den
Untersuchungen Naegeli's und Loew's her als eine auffallend gute Kohlenstoffquelle für Schimmelpilze
bekannt ist, wuchs binnen wenigen Tagen eine kräftige Pilz Vegetation heran (auf
Zusatz einer Spur Hefe). Die Vegetation bestand aber nicht aus Hefe, sondern aus
lebhaft beweglichen sehr kleinen Stäbchen.
Um die Bakterien Vegetation auszuschliessen, wurde nun auch hier eine neue Lösung von
derselben Art wie vorhin hergestellt, aber mit Phosphorsäure etwas angesäuert. Es
ergab sich wiederum keine Hefen Vegetation, trotzdem eine Spur fast rein gezüchteter
Hefe hinzugebracht worden war. Die Chinasäure kann also den Saccharomycesarten nicht
zur Kohleustoffnahrung dienen, so günstig sie auch zur Ernährung von Bakterien und
Schimmelpilzen ist.
Oxybenzoësäure ist als Para-, sowie als Metaverbindung
eine gelblichweisse pulverige Substanz; sie wurde zuerst in etwas heissem Wasser
gelöst, dann mit Aq. dest. verdünnt bis zu 0,1 Proc. und nun mit verdünnter
Kalilauge genau neutralisirt. In der 0,1procentigen Lösung der Paraverbindung
blieben Thiere und Pflanzen 24 Stunden lang am Leben; desgleichen bei der
Metaverbindung. Auch nach weiteren 12 Stunden fand ich in beiden Lösungen die
Infusorien und sonstigen Thiere noch in lebhafter Bewegung begriffen vor, die Algen
noch schön grün und offenbar lebendig. Oxybenzoësäure ist also im neutralisirten Zustande für
niedere Thiere und Pflanzen nicht schädlich, weder in der Para- noch in der
Metaverbindung.
Man kann also Ernährungsversuche mit 0,1procentiger Lösung von Oxybenzoësäure machen,
ohne befürchten zu müssen, dass eine Giftwirkung störend eingreift.
0,1procentige Lösung von Paraoxybenzoësäure (mit Kali
neutralisirt) brachte bei einer auf die Brauchbarkeit derselben als
Kohlenstoffquelle gerichteten Versuchsanstellung eine starke Pilzvegetation binnen 3
Wochen im Brütofen hervor. Diese Vegetation bestand aber nicht aus Saccharomyces,
trotzdem etwas Presshefe zugesetzt worden war, sondern aus Spaltpilzen und
Schimmelpilzen. Für Saccharomyces scheint die (P)Oxybenzoësäure keine
Kohlenstoffquelle zu sein.
Name der Substanz
Chemische Formel
Brauchbarkeit
Autor
Publicationsort
Propionsäure 0,2 Proc.(neutralisirt)
CH3 . CH2 . CO2H
Keine Kohlenstoffnahrungfür Hefe
Bokorny
Diese Abhandlung,
Bernsteinsäure 0,2 Proc.(neutralisirt)
CO2H . CH2 . CH2 .
CO2H
Keine, oder doch sehrschlechte
Kohlenstoff-nahrung für Hefe
Desgl.
Ebenda.
Asparaginsäure 0,2 Proc.(neutralisirt)
CO2H . CH2. CH(NH2) .
CO2H
Ernährt Hefe
Desgl.
Ebenda.
Chinasäure (Tetraoxymono-carbonsäure)
(neutralisirt)
C6H7(OH)4 .
CO2H
Ernährt Hefe nicht (da-gegen Schimmel- und
Spalt-pilze gut)
Desgl.
Ebenda.
Paraoxybenzoesäure(neutralisirt)
C6H4(OH) . CO2H
(1,4)
Keine Kohlenstoffquelle fürHefe, wohl aber
fürBakterien
Desgl.
Ebenda.
Essigsäure (neutralisirt)
CH3 . CO2H
Ernährt Hefe
Naegeli
Ernährungschemismus derniederen Pilze.
Citronensäure (neutralisirt)
C3H4(OH)(CO2H)3
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Weinsäure (neutralisirt)
CO2H . CHOH . CHOH .
CO2H
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
III. Aldehyde.
In einer Nährlösung, welche 1 : 10000 Aethylaldehyd,
CH3 . COH, als einzige C-Quelle enthielt, trat
nach 8 Tagen Trübung durch Spaltpilze ein; bei Verdünnung 1 : 5000 stellten sich
etwas später Schimmelpilze ein, welche als Rasen in der Flüssigkeit schwammen und an
der Wand festsassen; bei 1 pro Mille Aldehydgehalt trat lange keine Pilzvegetation
ein; erst, als die Flüssigkeit (durch Oxydation eines beträchtlichen Theiles des
Aldehyds zu Essigsäure) saure Reaction angenommen hatte, nach 20 Tagen, stellte sich
eine Schimmelpilzvegetation ein, welche bald sehr mächtig wurde.
Für Hefe ist der Aethylaldehyd schon wegen seiner
Giftigkeit nicht als Nährstoff zu brauchen. Wie vorhin erwähnt, wächst in einer
0,1procentigen Aldehydlösung nicht einmal ein Schimmel- oder Spaltpilz (so lange die
Substanz unverändert vorhanden ist), geschweige denn ein Hefepilz.
Aldehyde sind überhaupt wegen des Giftcharakters der Aldehydgruppe, welche leicht in
das Molekül des activen Albumins eingreifen kann, hier mit Vorsicht anzuwenden. Nur
wenn die Giftigkeit keine erhebliche ist, kann eine ernährende Wirkung erwartet
werden.
Formaldehyd, CH2O,
scheint für Saccharomyces keine Nahrung zu sein. Denn
in einer Lösung, welche 0,01 Proc. freien Formaldehyd (die Verdünnung muss so stark
sein, weil diese sehr giftige Substanz sonst schädlich wirkt) und ausserdem
Ammoniaksalz als Stickstoffquelle, sowie die sonst nöthigen Mineralsubstanzen
enthielt, trat binnen mehreren Wochen keine Pilzvegetation auf. Erst nach 6 Wochen
zeigte sich ein Pilzräschen auf dem Grunde, anscheinend aus Saccharomyces bestehend,
der nach Bildung einiger Sprosszellen in Mycel ausgewachsen war.
Oxybenzaldehyd, C6H4(OH). COH, stellt als Paraverbindung ein weisses
Pulver, als Orthoverbindung eine Flüssigkeit von ziemlich starkem
bittermandelölähnlichem Gerüche dar. Die 0,1procentigen Lösungen der beiden
Substanzen wirken schädlich auf niedere Organismen ein, aber die Orthoverbindung
viel mehr als die Paraverbindung. In ersterer sterben Algen und Infusorien binnen 12
Stunden alle ab; in letzteren bleibt eine Anzahl von Spirogyren am Leben, wenn auch
schon krankhafte Veränderungen, wie Verschiebung der Chlorophyllbänder, des Kernes
u.s.w., daran sich zeigen.
Paraoxybenzaldehyd in 0,1procentiger Auflösung erwies
sich als Kohlenstoffquelle für Schimmel, nicht für Hefe. Binnen 3 Wochen war ein
mächtiger Schimmelrasen in der Lösung gewachsen.
Mit der Orthoverbindung stellte ich wegen deren grösserer Giftigkeit keine Versuche
über Hefenernährung an.
Orthonitrobenzaldehyd, C6H4(NO2) .
COH, erwies sich als sehr giftig; denn in 0,1procentiger Auflösung dieses Stoffes
starben alle hineingebrachten thierischen und pflanzlichen Zellen binnen 6 Stunden
ab. Sogar in 0,2procentiger Lösung zeigte sich beginnendes Absterben und nach 24
Stunden waren sämmtliche Zellen auch in dieser sehr verdünnten Auflösung vergiftet.
Auch die 0,01procentige Lösung war noch schädlich und erst in 0,005procentiger
Lösung blieben Pflanzen und Thiere 24 Stunden intact.
In Paranitrobenzaldehydlösung von 0,1 Proc. blieben
einige Spirogyren 6 Stunden lang am Leben; auch nach 24 Stunden waren noch viele
Zellen ungeschädigt. In 0,02procentiger Lösung schienen die Algen binnen 24 Stunden
keinen Schaden zu leiden. Freilich können diese Ergebnisse nicht als ganz genau
gelten; denn die Paranitroverbindung schied sich theilweise wieder aus, als ihre
alkoholische Lösung in Wasser gegossen wurde, sie ist sehr schwer löslich. Es ist
also ungewiss, welche Concentration hier wirklich geherrscht hat; immerhin blieb so
viel gelöst, dass man einen Vergleich mit voriger Substanz ziehen und sagen kann, die
Paraverbindung sei weniger giftig als die Orthoverbindung. In einer eigens
hergestellten 0,01procentigen Lösung, welche genau 0,01 Proc. der Paraverbindung
enthielt, zeigte sich bei weiteren Versuchen factisch die längere Erhaltung der
Lebensfähigkeit; noch nach 24 stündigem Aufenthalt in der Lösung waren viele Fäden
am Leben. Die Paraverbindung ist also hier weniger giftig als die Orthoverbindung.
(Verf. in Pflüg. Arch. f. d. ges. Physiol., 1896.)
Immerhin sind beide Substanzen für niedere Organismen so schädlich (0,1procentige
Lösungen wirken schon bald schädlich), dass es mir zwecklos erschien, hier mit Hefe
Ernährungsversuche anzustellen.
Name der Substanz
Chemische Formel
Brauchbarkeit
Autor
Publicationsort
Aethylaldehyd
CH3 . CHO
Giftig für Hefe
Bokorny
Diese Abhandlung.
Formaldehyd
H . CHO
Giftig
Desgl.
Ebenda.
Oxybenzaldehyd
C6H4(OH) . COH
Keine Kohlenstoffnahrung
Desgl.
Ebenda.
Orthonitrobenzaldehyd
C6H4(NO2) . COH
(1, 2)
Giftig
Desgl.
Ebenda.
Glyoxal
COH . COH
Untauglich zur Pilz-ernährung
O. Loew
Centralbl. f. Bakt., 1892Nr. 11/12.
IV. Kohlehydrate.
Schon lange ist es bekannt, dass zuckerhaltige Flüssigkeiten von Sprosspilzen mit
Vorliebe besiedelt werden und dass dieselben sich auf Kosten dieser Stoffe stark
vermehren, wobei zugleich ein Theil des Zuckers zur Gährung gebracht wird. Die
Technik macht von diesem Verhalten der Sprosspilze gegen Zuckerarten schon lange
praktischen Gebrauch.
Wie stark die Hefe sich ernährt und vermehrt, wenn ihr Rohrzucker, C12H22O11, dargeboten wird, hat Naegeli (a. a. O. S. 323) durch quantitative Versuche
gezeigt. „Enthält eine Nährlösung beispielsweise 9 Proc. Zucker, 1 oder 0,5 Proc.
neutrales weinsaures Ammoniak und etwas mit Phosphorsäure neutralisirte Erbsen-
oder Hefenasche, und wird diese Lösung je nach 2 Tagen erneuert, so kann während
der ersten 4 Tage die Hefe sich auf das 4 fache Gewicht vermehren, wenn die
Trockensubstanz der jedesmal zur Aussaat benutzten Hefenmenge 3 bis 4 Proc. der
Nährflüssigkeit ausmacht.“
Meine Versuche mit den verschiedenen Zuckerarten wurden an 0,2procentigen, mit allen
nöthigen Mineralstoffen und etwas freier Phosphorsäure versetzten Lösungen
angestellt. Die Ansäuerung mit Phosphorsäure geschah, um die Bakterien möglichst
fern zu halten; die verhältnissmässig geringe Concentration 0,2 Proc. wurde gewählt,
um Täuschungen durch etwaige Verunreinigungen zu vermeiden, welch letztere ja bei 2-
bis 10procentigen Lösungen, wie sie von E. Laurent u.a.
angewendet wurden, leicht für sich allein zu einer Hefeentwickelung führen konnten.
Das enthob mich aber selbstverständlich nicht der Mühe, um möglichst reine Präparate
mich umzusehen. Ferner hatte ich von manchen Kohlehydraten so geringe Quantitäten
vorräthig, dass hierdurch eine grosse Sparsamkeit geboten war. Ausserdem ist die
Concentration 0,2 Proc. immer noch gross genug, um die ernährende Einwirkung auf
Hefe festzustellen.
Milchzucker, C12H22O11, welcher bei
der Spaltung in Galactose und Dextrose zerfällt, ergab in 0,2procentiger Lösung
während 4 Tagen im Brütofen eine deutliche Hefenvegetation; eine Spur
reingezüchteter Hefe war anfangs zugegeben worden. Für das freie Auge erschien die
Hefenvegetation als ein weisser Bodensatz, während die Flüssigkeit selbst nach 4
Tagen ganz klar war. Unter dem Mikroskop zeigte sich der Satz zusammengesetzt aus
zahlreichen Sprossverbänden von Hefe, welche sich offenbar auf Kosten des
Milchzuckers gebildet hatten; letzterer war die einzige zur Verfügung stehende
Kohlenstoffnahrung (Stickstoff wurde in Form von schwefelsaurem Ammonium zugeführt,
hier und in den folgenden Versuchen).
Nach E. Laurent bildet Hefe in 1- bis 40procentiger
Milchzuckerlösung reichlich Glykogen. (Recherches
physiologiques sur les levures, Annales de la société Beige de Mikroskope,
Tome XIV.)
In 0,2procentiger Lösung von Dextrose, d. i. Glucose,
CH2OH . (CHOH)4
. COH, wuchs mir auf Zusatz einer Spur reingezüchteter Hefe und der nöthigen
Mineralsalze binnen 2 Tagen so viel Hefe, dass sie einen deutlichen weissen
Bodensatz bildete, während zuerst keine Spur einer Trübung sichtbar war (so wenig
Hefe wurde in die Lösung gebracht). Unter dem Mikroskop erwies sich der Bodensatz
als zusammengesetzt aus zahllosen Sprossverbänden und einzelnen Zellen der
ursprünglich hineingebrachten Hefeart.
E. Laurent (a. a. O.) hat ebenfalls schon vor einigen
Jahren constatirt, dass die Dextrose unter reichlicher Glykogenbildung von der Hefe
assimilirt wird.
Aehnlich wie Dextrose verhielt sich bei meinen Versuchen die Lävulose (Fructose), CH2OH . (CHOH)3 . CO . CH2OH, eine
Ketose; nur war die entstandene Hefemenge geringer.
Auch die Galactose, CH2OH . (CHOH)4 . COH, wurde bei gleicher
Versuchsanstellung von der Hefe assimilirt. Die zugesetzte Spur reingezüchteter Hefe
vermehrte sich binnen 4 Tagen so, dass sie als weisser Bodensatz sichtbar wurde;
derselbe bestand aus Sprossverbänden.
Auch mit Rhamnose, CH3 .
(CHOH)4 . COH, ferner Sorbose, CH2OH . (CHOH)3 . CO . CH2OH
(einer Ketose), dann Arabinose und Xylose, zwei Pentosen von der Formel COH. (CHOH)3 . CH2OH, und
endlich mit Mannose, CH2OH . (CHOH)4 . COH, erhielt ich positives
Resultat.
Zu erwähnen ist ferner, dass bei allen von mir mit Kohlehydraten angestellten
Versuchen schliesslich ein schwacher (an der kalten, sowie an der gekochten
Flüssigkeit wahrnehmbarer) Weingeistgeruch auftrat. Es war also etwas Alkohol
gebildet worden aus sämmtlichen Kohlehydraten.
Im Anschluss an die Kohlehydrate sei hier noch erwähnt, dass von E. Laurent verschiedene Glykoside, wie Salicin, CH2OH . C6H4 . O . C6 H11O5, und Amygdalin, C20H27NO11, als
Nährstoffe der Hefe erkannt wurden (a. a. O. S. 61).
Name der Substanz
Chemische Formel
Brauchbarkeit
Autor
Publicationsort
Rohrzucker(Dextrose + Lävulose)
C12H22O11
Sprosspilze gedeihenvortrefflich
Naegeli u. Loew
Sitz.-Ber. d. Münchner Ak.,5. Juli 1879 S.
308.
Glykogenbildung gelingt
E. Laurent
A. a. O.
Dextrose (Glukose)
CH2OH . CHOH
.CHOH . CHOH . CHOH . COH
Wird von Hefe stark assi-milirt unter
Glykogen-bildung
Desgl.
Recherches physiologiquessur les levures, Annales
dela société Beige de mikro-skope, Tome XIV.
Spur Hefe entwickelt sichin 0,2procentiger
Lösungbinnen 4 Tagen zu be-trächtlichem Bodensatz
Bokorny
Diese Abhandlung.
Lävulose (Fructose)
CH2OH . CHOH
.CHOH . CHOH . CO . CH2OH
Hefe ernährt sich davon
Desgl.
Ebenda.
Galactose
CH2OH . (CHOH)4 . COH
Dient der Hefe als Kohlen-stoffnahrung
Desgl.
Ebenda.
Milchzucker = Lactose(Dextrose +
Galactose)0,2 Proc.
C12H22O11 + H2O
Ernährt HefeHefe bildet auf 1-bis 40
pro-centiger Lösung Glykogen
Desgl.E. Laurent
Ebenda.A. a. O., S. 58.
Rhamnose 0,2 Proc.
CH3 . (CHOH)4 . COH + H2O
Wird von Hefe ziemlichleicht assimilirt
Bokorny
Diese Abhandlung.
Sorbin = Sorbose0,2 Proc.
CH2OH . (CHOH)3 . CO . CH2OH
Hefe wächst, aber nichtviel
Desgl.
Ebenda.
Arabinose 0,2 Proc.
COH . (CHOH)3 . CH2OH
Hefe ernährt sich davon
Desgl.
Ebenda.
Maltose(Dextrose + Dextrose)
C12H22O11 + H2O
In 1-bis 5procentiger Lösungvon Hefe unter
starker Gly-kogenbildung assimilirt
E. Laurent
A. a. O., S. 59.
Inosit
CH2OH . C(OH)2 . CH2 .
(CHOH)2 . CH2OH
Wird in 1- bis 2procentigerLösung schwach
assimilirtohne Glykogenbildung
Desgl.
A. a. O.
Mannose 0,2 Proc.
CH2OH . (CHOH)4 . COH
Wird von Hefe assimilirt
Bokorny
Diese Abhandlung.
Xylose 0,2 Proc.
CH2OH . (CHOH)3 . COH
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Mannit
CH2OH . (CHOH)4 . CH2OH
Wird assimilirt unterGlykogenbildung
E. Laurent
A. a. O.
Erythrit
CH2OH . (CHOH)2 . CH2OH
Wird in 1procentiger Lö-sung schwach
assimilirtohne Glykogenbildung
Desgl.
Ebenda.
Erythrodextrin
–
Wird assimilirt unterGlykogenbildung
Desgl.
Ebenda.
Salicin (Glykosid)
CH2OH . C6H4 . O .
C6H5
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Amygdalin (Glykosid)
C2OH27NO11
Desgl.
Desgl.
Ebenda.
Dieselben ernähren Hefe jedenfalls nur, weil sie Verbindungen der Glykose mit anderen Stoffen (Saligenin, C6H4 . OH. CH2OH, im ersteren Falle, Bittermandelöl, C6H5 . COH, im
letzteren Falle) sind. Die Glykose kann aus Glykosiden leicht abgespalten werden und
wirkt dann ernährend. Saligenin für sich allein ist
nach E. Laurent kein Nährstoff.
(Schluss folgt.)