Titel: | Die Dampfmaschinen der Berliner Gewerbeausstellung 1896. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 303, Jahrgang 1897, S. 49 |
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Die Dampfmaschinen der Berliner
Gewerbeausstellung 1896.
Von Fr. Freytag in
Chemnitz.
(Fortsetzung des Berichtes S. 25 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Die Dampfmaschinen der Berliner Gewerbeausstellung
1896.
Die Maschinenbau-Actiengesellschaft vorm. L.
Schwartzkopff in Berlin hatte auf der ersten Kraftstation in der Haupthalle
zwei stehende, schnell laufende Verbunddampfmaschinen ohne Condensation ausgestellt.
Die kleinere dieser Maschinen von 325 bezieh. 475 mm Cylinderdurchmesser für 350 mm
Kolbenhub gab, mit 260 Umdrehungen in der Minute laufend, normal 120 an
eine mit ihr direct gekuppelte Gleichstromdynamo ab, während die grössere, mit einer
Drehstromdynamo verbundene Maschine von 400 bezieh. 600 mm Cylinderdurchmesser für
425 mm Kolbenhub bei 240 minutlichen Umdrehungen normal 225
entwickelte.
Textabbildung Bd. 303, S. 49
Fig. 13.Verbunddampfmaschine der Maschinenbau-Actienges. vorm.
Schwartzkopff.
Die angegebenen Leistungen werden bei einer Kesselspannung von 10 at Ueberdruck
erreicht. Beide Maschinen unterscheiden sich in der Ausführung nur dadurch von
einander, dass die Cylinder der grösseren Maschine mit Dampfmantel versehen sind.
Die einfache und gedrungene Bauart der in Rede stehenden Maschinen lässt Fig. 13 erkennen.
Die Dampfvertheilung erfolgt durch Kolbenschieber, System Tosi (D. R. P. Nr. 66070), deren Construction und
Wirkungsweise 1892 284 * 147 zu entnehmen sind. Das
Charakteristische dieser Steuerung liegt darin, dass die Schieber in einer gemeinschaftlichen, auf die ganze Länge beider Cylinder
sich erstreckenden Kammer untergebracht und auch auf derselben Stange befestigt
sind. Die bei plötzlichen Belastungsänderungen stattfindende schnelle Regulirung
wird hauptsächlich durch die besondere Bauart der Maschine erreicht, welche einen
nur bei Tandem-Anordnung möglichen kleinsten
Receiverraum zwischen dem aus einem Stück gegossenen Hoch- und Niederdruckcylinder
gestattet. Ausserdem werden die beiden Kolbenschieber in ihrer Dampfvertheilung von
einem kräftigen Achsenregulator empfindlich beeinflusst, der, dem jeweiligen
Kraftbedarf entsprechend, sofort die Füllung verändert. Bei Belastungsschwankungen
bis 50 Proc. soll der Unterschied in der Umlaufszahl nur ± 2 Proc. der normalen
betragen; ebenso sind die Differenzen in der Winkelgeschwindigkeit während einer
Umdrehung durch Ausbalancirung der bewegten Massen und grosse Umfangsgeschwindigkeit
des verhältnissmässig schweren Schwungrades auf das kleinste Maass
herabgemindert.
Die Abdichtung der Kolbenstange in der zwischen Hoch- und Niederdruckcylinder
gelegenen Zwischenplatte wird mittels Metallpackung bewirkt.
Die Schmierung sämmtlicher Zapfen kann während des Ganges der Maschine regulirt
bezieh. erneuert werden und eine Schmierpresse mit geräuschlosem Antrieb ölt
selbsthätig alle in Dampf arbeitenden Theile.
Der Dampfverbrauch der Maschinen stellt sich auf 11 bezieh. 11,5 k für 1 ind.
und Stunde.
Die Maschinen werden auch als Eincylindermaschinen für Leistungen von 7 bis 80
effective gebaut.
Die 7pferdige Maschine (bei 20 Proc. Füllung und 8 at Kesselspannung) hat einen
Cylinder von 140 mm Durchmesser für 100 mm Hub und läuft normal mit 500 Umdrehungen
in der Minute.
Die Maschinenfabrik Leop. Ziegler in Berlin hatte eine
liegende Eincylindermaschine mit vom Regulator beherrschter Rider-Steuerung
ausgestellt, welche mit 100 minutlichen Umdrehungen 50 bis 60 entwickelt.
Der Cylinder hat 360 mm Durchmesser für 600 mm Kolbenhub. Um ein einseitiges
Ausarbeiten des Cylinders beim Aufliegen des Kolbenkörpers in Folge Durchbiegung der
Kolbenstange u.s.w. zu verhüten, ist ein sogen. Schlittenkolben (D. R. G. M. Nr.
38040) angeordnet. Derselbe besteht aus einem gewöhnlichen Kolben und einem diesen
nebst Stange tragenden, segmentförmigen Schlitten aus Bronze, dessen gewölbte
Lauffläche mit Composition ausgegossen ist. Der Kolben ruht auf der geraden Fläche
des Schlittens, dessen beide Endflächen zwischen Kolben und Deckel festgespannt
werden. Die Kolbenringe sind bei dieser Anordnung keine vollen Ringe mehr, sondern
beginnen erst bei den radialen Seitenflächen des Schlittens; sie haben
winkelförmigen Querschnitt (D. R. P. Nr. 20033) und sind im Inneren mit schrägen
Knaggen versehen, auf welche sich entsprechende Bronzeknaggen der wellenförmig
gebogenen, aus Stahl gefertigten Feder legen. Erst durch das Anziehen des
Kolbendeckels wird die Spannung der Feder und damit auch der Ringe bewirkt.
Sämmtliche Stopfbüchsen der Maschine sind mit Macbeth's
beweglicher Stopfbüchse (D. R. P. Nr. 50971) versehen, die, wie 1891 282 * 78 zu entnehmen, in Folge kugelförmiger und gerader
Gleitflächen zweier dampfdicht eingeschliffener Metallringe jeder Bewegung der
Kolbenstange folgen können. Zur Packung dienen Ringe aus Weissmetall.
Die Dampfmaschine ist zur Verhütung von Unfällen mit einer sogen.
Momentabstellvorrichtung, einer Schwungradbremse mit elektrischer Auslösung (Patent
Jacob), versehen, deren Wirkungsweise Fig. 14 und 15 erkennen lassen.
Textabbildung Bd. 303, S. 50
Momentabstellvorrichtung von Jacob.
Zwei Bremsklötze A und A1 werden mittels Hebel von ausserhalb der Maschine
liegenden Böckchen B und B1 getragen, so dass die beim Bremsen in
der Richtung der Pfeile sich ergebenden Zug- und Druckkräfte von dem Fundament
aufgenommen werden. Die Thätigkeit der elektrischen Auslösung C gestattet ein Fallen des Hebels D, dessen Zahnbogen E bei
einer Drehung des Schwungrades in Richtung des Fig. 14 ersichtlichen
Pfeiles von dem Zahnkranz F erfasst und angezogen wird,
wodurch die Bremsklötze gegen den Umfang des Schwungrades gepresst werden.
Der Zahnkranz F dreht sich leicht auf einem Ansatz G der Schwungradnabe und wird durch den Deckel H je nach Anziehen der Schrauben I an seiner Drehung mehr oder weniger behindert, so
dass der Anzug des Hebels D mit regulirbarer Kraft
erfolgen kann. Die an dem Hebel D wirkende Zugkraft
wird dann durch Hebelübersetzung vergrössert, mittels Zugstangen JJ1 auf beide
Bremsklötze mit gleicher Intensität übertragen, so dass irgend welche schädlichen
Wirkungen auf die Schwungradwelle ausgeschlossen bleiben.
Um die Bremswirkung aufzuheben, wird zunächst die den Druck des Zahnbogens E aufnehmende Keilfläche P
zurückgezogen; die Schraubenmutter erreicht dabei das Ende des Schlitzes O am Zahnbogen und bringt denselben ausser Eingriff mit
dem Zahnkranz F. Durch den Hebel S wird der Hebel D wieder
aufgestellt, wobei die Auslösung den Haken an der Stange Q auf den Zapfen T zurücklegt; nachdem wird
die Schraubenmutter wieder vorgestellt.
Der Elektromagnet C steht durch eine elektrische Leitung
mit den in den einzelnen Arbeitsräumen einer Fabrik an leicht zugänglichen Stellen
vertheilten Contactknöpfen in Verbindung. Beim Niederdrücken derselben schliesst
sich der Strom und der Elektromagnet tritt augenblicklich in Thätigkeit.
Carl Flohr in Berlin hatte zwei stehende Dampfmaschinen
– eine 100pferdige Verbundmaschine und eine stehende Dreifach-Expansionsmaschine –
ausgestellt. Beide Maschinen dienen zum Betreiben von Dynamos. In ihrer Construction
bieten die Maschinen nichts Bemerkenswerthes.
Die Kottbuser Maschinenbauanstalt und Eisengiesserei,
A.-G. in Kottbus hatte drei Dampfmaschinen für die zweite Kraftstation der
Ausstellung – die Gleichstromcentrale an der Parkallee im Vergnügungspark –
gestellt.
Die Kraftstation besteht aus drei einzelnen Gruppen. Zur ersten derselben gehört eine
stehende Verbundmaschine mit Schiebersteuerung und Condensation, welche mit einer
Dynamo direct gekuppelt ist.
Die Maschine hat 500 bezieh. 790 mm Cylinderdurchmesser für 600 mm Kolbenhub und
leistet mit 100 minutlichen Umdrehungen bei einem Anfangsüberdruck von 9 at und 0,1
Gesammtfüllung 265 effective .
Zur Dampfvertheilung des Hochdruckcylinders dient eine Doppelschiebersteuerung,
Patent Hübner; die Steuerung des Niederdruckcylinders
wird durch einen Trick'schen Kanalschieber bewirkt.
Zur zweiten Gruppe gehört eine liegende Verbundmaschine, welche mittels Vorgelege
eine Nebenschlussdynamo von 45 Kilo-Watt bei 110 Volt Spannung, ferner zwei
Gleichstromdynamo betreibt, welche bei Compoundwickelung je 100 bei 550
Volt Spannung entwickeln. Letztere dienen zum theilweisen Betreiben der elektrischen
Rundbahn auf dem Ausstellungsterrain. Die Fig. 16
ersichtliche Maschine mit Ventilsteuerung und Condensation hat besonders eingesetzte
Arbeitscylinder von 425 bezieh. 670 mm Durchmesser für 850 mm Kolbenhub; sie leistet
mit 90 minutlichen Umdrehungen und 9 at Anfangsüberdruck bei 0,1 Gesammtfüllung 250
effective .
Die Cylinder sind von Dampfmänteln umgeben, die mit Frischdampf gespeist werden.
Die Steuerung, System Kliebisch, unterscheidet sich von
der bisherigen Construction (1891 281 * 147) dadurch,
dass auf den mittels Räder von der Schwungradwelle betriebenen beiden Steuerwellen
für jedes Cylinderende nur ein einziges Excenter
angeordnet ist. An der kurzen Excenterstange greift eine Lenkstange an, deren
anderes Ende ein Gleitstück umfasst, welches sich in dem geschlitzten Arme eines
Winkelhebels führt, dessen anderer Arm mit einer nach dem Hebel des Einlassventils
führenden Stange verbunden ist. Die Verstellung des Gleitstückes in dem geschlitzten Arme des
Winkelhebels erfolgt, dem Kraftbedarf der Maschine entsprechend, bei der Steuerung
des Hochdruckcylinders durch den Regulator derart, dass veränderliche Füllungen
erreicht werden. Bei dem Niederdruckcylinder wird das Gleitstück für constante
Füllung von Hand eingestellt. Eine am äussersten Ende der Excenterstange angreifende
Stange vermittelt das Oeffnen des Auslassventils.
Das mit einer Andrehvorrichtung versehene Schwungrad von 4 m Durchmesser hat zehn
Rillen für Seile von 50 mm Stärke.
Die doppelt wirkende Luftpumpe des unmittelbar hinter dem Hochdruckcylinder
aufgestellten Condensators wird von der durchgehenden Kolbenstange des ersteren
betrieben.
Die zur dritten Gruppe gehörige Dampfmaschine ist ebenfalls eine liegende
Verbundmaschine mit Ventilsteuerung, System Kliebisch,
und Condensation; sie entspricht in ihrer Ausführung vollständig der vorgenannten
Maschine.
Die Cylinder haben 475 bezieh. 750 mm Durchmesser für 950 mm Kolbenhub. Mit 83
minutlichen Umdrehungen und 9 at Anfangsüberdruck stellt sich die Leistung der
Maschine bei 0,1 Gesammtfüllung auf 340 effective . Auf der Ausstellung
diente die Maschine mittels Vorgeleges zum Betreiben von vier Dynamomaschinen.
Das Schwungrad von 4,5 m Durchmesser hat zwölf Rillen für Seile von. 50 mm
Stärke.
R. Wolf in Magdeburg-Buckau hatte auf einer
Halbinsel im „Karpfenteich“ eine eigene Maschinenhalle errichtet, welche zur
Aufnahme einer Locomobile von normal 200, maximal 350 diente. Für solche
enormen Leistungen sind bisher derartige Maschinen noch nicht gebaut worden.
Textabbildung Bd. 303, S. 51
Fig. 16.Dampfmaschine der Kottbuser Maschinenbauanstalt.
Der geschmackvolle Aufbau der Maschinenhalle verdient besonders hervorgehoben zu
werden.
Textabbildung Bd. 303, S. 51
Fig. 17.Locomobile von Wolf.
Die Locomobile, deren Construction Fig. 17 erkennen
lässt, ist nach dem Verbundsystem gebaut und arbeitet mit Einspritzcondensation. Der
Arbeitsdruck beträgt 10 at. Die Cylinder sind, wie bei den von R. Wolf gebauten Locomobilen üblich, nebst dem Receiver
im Dampfdom des Kessels gelagert und vollständig von Kesseldampf umgeben; hierbei
wird jeglicher Dampfverlust auf dem Wege vom Kessel zur Maschine vermieden und eine
sehr vortheilhafte Ausnutzung des Dampfes erzielt.
Der Hochdruckcylinder ist mit selbsthätiger Rider-Steuerung, die unter Einwirkung
eines schweren Porter-Regulators steht, versehen. Der Antrieb des letzteren
geschieht durch geräuschlos arbeitende, mittels Präcisionshobelmaschine aus dem
vollen Eisen geschnittene Zahnräder. Die Füllung des Niederdruckcylinders, dessen
Dampfvertheilung durch einen Kanalschieber, System Trick, geregelt wird, lässt sich durch ein verstellbares Excenter
ändern.
Die einfach wirkende, durch ein Excenter betriebene Condensationsluftpumpe hat ausser
dem Kolbenventil noch ein besonderes Saug- und Druckventil mit Gummiklappen. Von dem
genannten Excenter wird gleichzeitig die mit der Luftpumpe vereinigte
Kesselspeisepumpe betrieben – als zweite Speisevorrichtung dient ein Injector.
Der ausziehbare Röhrenkessel ist aus besten Schweisseisenblechen hergestellt und
hydraulisch genietet. Zum Schutz gegen Wärmeverlust durch Ausstrahlung ist er mit
einem doppelten Mantel aus Isolirmasse und Eisenblech umgeben. Die Siederöhren sind
mit der vorderen Rohrwand verschraubt und bilden so mit der cylindrischen
Feuerbüchse ein Ganzes – das sogen. Rohrsystem –, welches nach Lösen der dasselbe
mit der vorderen Stirnplatte und der Rauchkammer verbindenden Schrauben leicht aus
dem Kessel herausgezogen und nebst den inneren Kesselwandungen bequem und gründlich
von Kesselstein gereinigt werden kann. Die Feuergase werden durch den nach unten
gerichteten Rauchkammerstutzen in einen unter dem Kessel befindlichen gemauerten
Kanal und von hier in einen separat auf gemauertem Sockel stehenden Blechschornstein
geführt. Hierbei bestreichen sie den unteren Theil des Kessels, wodurch eine
gleichmässige Erwärmung und auch gleichmässige Ausdehnung des ganzen Kessels bewirkt
wird.
Der Brennmaterial verbrauch derartiger Locomobilen beträgt etwa 0,8 k Steinkohle für
Stunde und effective .
Bei einer amtlichen Bremsprobe ergab eine 150pferdige Wolf'sche Verbundlocomobile nur einen Verbrauch von 0,773 k Steinkohle für
Stunde und effective .
Die Maschine diente auf der Ausstellung zum Betreiben zweier Gleichstromdynamo der
Firma Siemens und Halske von je 110 Kilo-Watt, die
zusammen 4000 bis 5000 Glühlampen speisen können.
Eine Locomobile gleichen Systems, welche normal 100, maximal etwa 175
leistet, war in einem besonderen Maschinenhause vor dem Theater „Alt-Berlin“
aufgestellt und diente zum Betreiben zweier Centrifugalpumpen. Drei weitere 40- bis
50pferdige Wolf'sche Verbundlocomobilen befanden sich
in der benachbarten Maschinenstation der Untergrundbahn, eine Hochdrucklocomobile
von 30 ferner in der Ausstellung von Ziegeleimaschinen von C. Schlickeysen und schliesslich diente noch eine
40pferdige Hochdrucklocomobile zur Bewegung des Fesselballons hinter dem
Vergnügungspark.