Titel: | Neuere Locomotiven. |
Fundstelle: | Band 302, Jahrgang 1896, S. 11 |
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Neuere Locomotiven.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 301 S.
277.)
Mit Abbildungen.
Neuere Locomotiven.
Neilson und Co. in Glasgow bauten im J. 1892 für die
englischen Capbahnen 32 sechsachsige, vierfach gekuppelte Güterzuglocomotiven mit
vorderem zweiachsigen Drehgestell, die sich während eines nun dreijährigen Betriebes
sehr gut bewährt haben. Die Hauptabmessungen dieser Locomotiven sind nach Engineer, November 1895 S. 497, folgende:
Spurweite
1067
mm
Cylinderdurchmesser
432
mm
Kolbenhub
584
mm
Durchmesser der Treib- und Kuppel- räder
1073
mm
Durchmesser der Laufräder
711
mm
Radstand der Treibachsen
3658
mm
„ des Drehgestelles
1600
mm
„ gesammter
6490
mm
„ von Locomotive und Tender
13843
mm
Mittlerer Durchmesser des Kessels
1295
mm
Blechstärke des Kessels
15
mm
Länge der äusseren Feuerbüchse
2591
mm
„ „ Feuerrohre
3277
mm
Durchmesser der Feuerrohre
45
mm
Heizfläche in den Feuerrohren
84,63
qm
„ „ der Feuerkiste
9,15
qm
„ gesammte
93,78
qm
Rostfläche
1,63
qm
Verhältniss der Kost- zur Heizfläche
1 : 57,5
Dampfüberdruck
11,25
at
Wasserinhalt des Tenders
10
cbm
Kohleninhalt „ „
5
t
Schienendruck
belastet
leer
Drehgestell
10,62 t
10,01 t
Vordere Kuppelachse
8,84 t
7,16 t
Treibachse
8,69 t
7,98 t
Mittlere Kuppelachse
9,14 t
8,94 t
Hintere „
8,94 t
7,72 t
Gewicht der Locomotive
46,23 t
41,81 t
„ des Tenders
31,70 t
16,66 t
Gesammtgewicht
77,93 t
58,47 t
Um trotz des grossen Radstandes Curven von nur 100 m Halbmesser noch bequem
durchfahren zu können, sind die Flanschen bei den vorderen Kuppelrädern
fortgelassen, wodurch sich der feste Radstand auf 2438 mm vermindert. Ausserdem ist
der Tender mit der Locomotive elastisch verbunden und eine besondere Feder- und
Bufferanordnung getroffen.
Die innere Feuerkiste besteht aus 13 mm starkem Kupferblech, die äussere aus 16 mm
starkem Eisenblech. Um das Verfeuern südafrikanischer Kohle zu ermöglichen, ist ein
besonderer Rost vorgesehen.
Die Locomotive ist mit einer Dampfbremse ausgerüstet, welche auf sämmtliche
gekuppelte Achsen wirkt und mit der auf Tender und Wagen wirkenden Luftsaugebremse
selbsthätig verbunden ist.
Die Locomotiven ziehen einen Zug von 210 t Wagengewicht auf einer 10 km langen
Strecke mit Steigung 1 : 40 und Curven von 140 m Halbmesser mit einer
durchschnittlichen Geschwindigkeit von 10,5 km in der Stunde und legen mit
gemischten Zügen auf der Horizontalen 48 km in der Stunde zurück. Die Locomotiven
haben Joy'sche Steuerung und senkrechte, zwischen den
Cylindern liegende Schieberkästen. Diese Anordnung hat sich besser bewährt als die
mit oberhalb der Cylinder liegenden Schiebern, wenn es sich darum handelt, längere
Gefäll strecken mit abgesperrtem Dampfe zurückzulegen.
Ueber vergleichende Versuchsfahrten, welche von Ernest
Polonceau, Zugförderungschef der Paris-Orleans-Eisenbahn, im September und
October 1894 mit einer Locomotive mit unabhängigen Ein- und Auslasschiebern, System
Durant und Lencauchez
(1892 286 * 126, 1894 293 10),
und einer solchen mit gewöhnlichen Muschelschiebern angestellt wurden, berichten Mémoires pp. de la Société des ingénieurs civils,
1895.
Zur Ausführung der Versuche wurde ein Dynamometerwagen hinter die Locomotive
eingeschaltet und in diesem behufs Feststellung der von den Kolben verrichteten
Arbeiten mittels geeigneter Apparate die am Tenderzughaken wirkenden Zugkräfte,
sowie die zugehörigen Geschwindigkeiten gemessen. Es ergab sich hiernach für die
Maschine mit Dampfvertheilung nach Durant und Lencauchez ein um 11,2 Proc. geringerer Wasserverbrauch
für jede am Tenderzughaken gemessene Pferdestärke als bei der gewöhnlichen
Locomotive.
Während Locomotiven mit zwei drehbaren Motorengestellen und einzelne Locomotiven mit
lenkender Laufachse für beide Fahrtrichtungen die zwanglose Einstellung in Curven
gewährleisten, geschieht dies bei Locomotiven mit nur einem drehbaren
Motorengestell, sowie anderen Locomotiven mit lenkender Laufachse nur für die
Fahrtrichtung, bei welcher das drehbare Motorengestell bezieh. die lenkbare
Laufachse voranläuft. Bei der anderen Fahrtrichtung wird zwar die voranlaufende
festgelagerte Kuppelachse durch das nachfolgende drehbare Motorengestell bezieh. die
als Endachse laufende Lenkachse in die möglichst günstige Lage zum Gleise gebracht,
sie vermag sich jedoch nicht radial einzustellen, ergibt einen entsprechenden
Widerstand und damit auch unvermeidliche Abnutzungen von Schiene und Radreifen, so
dass derartige Maschinen zweckmässig nur mit dem drehbaren Motorengestell bezieh.
der Laufachse voranlaufen und am Ende der Fahrt gedreht werden.
Die Locomotiven mit Motorengestellen erfordern in Folge der vorhandenen beiden
zweicylindrigen Maschinen mit allem Zubehör an Steuerung u.s.w., der erforderlichen
Gelenke und Stopfbüchsen in den Dampfleitungen nothwendiger Weise öftere Reparaturen
als die zweicylindrigen Maschinen mit lenkbarer Laufachse, die nur eine Steuerung
und keine gelenkigen Rohrleitungen, dafür aber oft andere Complicationen
aufweisen.
Eine Locomotive mit gekuppelten lenkbaren Achsen und Ausgleichung der Radbelastungen
an den Endachsen (Patent Klien-Lindner) beschreibt Fr. Reimherr in Glaser's
Annalen vom 15. August 1895 S. 64.
Textabbildung Bd. 302, S. 12
Fig. 1.Locomotive, Patent Klien-Lindner.
Bei dieser Locomotive sind sämmtliche Achsen in gewöhnlicher Weise durch feste
Stangen gekuppelt und in, dem Federspiel folgenden, ausserhalb der Räder
angeordneten Achsbüchsen gelagert. Die beiden in gewöhnlicher Weise angeordneten
Cylinder, wie auch die Steuerung liegen aussen; Kessel, Steuerung, Federanordnung
u.s.w. sind dieselben wie bei jeder gewöhnlichen Locomotive. In besonderen Fällen
können vier Cylinder – je zwei hinter einander liegende auf jeder Seite der
Locomotive – angewendet werden. Zur Erzielung höchster Leistung mit grösster
Kohlenersparniss werden die Locomotiven zweckmässig als Verbundlocomotiven
hergestellt.
Die radial einstellbare und unabhängig von der radialen Einstellung in der
Achsrichtung verschiebbare Locomotivachse besteht aus der in gebräuchlicher Weise
gelagerten und angetriebenen Kernachse A (Fig. 1 und 2) und der die Räder
tragenden Hohlachse B, welche die in der Mitte mit
einem Kugelzapfen a versehene Kernachse mit einer
zweitheiligen Kugelschale b umfasst, hierdurch das
antheilige Locomotivgewicht von der Kernachse in der Mitte übertragen erhält.
Der Antrieb der Hohlachse erfolgt durch den doppelten, in den Kugelzapfen a eingepressten Mitnehmerzapfen c, welcher die Kugelschalen b mit Spielraum
durchdringt und an seinen Enden mit Gleitstücken versehen ist, welche in nach
aussen verschlossenen und zugleich die Fettkammern bildenden Führungen der Hohlachse
mit dem für Drehung und Verschiebung in der Längsrichtung der Achse erforderlichen
Spielraum d gleiten.
Die Hälften des Kugellagers bilden nach aussen einen abgestuften Cylinder, welcher in
der mittleren Höhlung der Hohlachse bezieh. in den mit dieser fest verbundenen
Ringen f geführt ist und bei seiner Verschiebung eine
der durch die Führungen f in der Hohlachse
eingespannten Federn g zusammendrücken muss, die dann
nach dem Verschwinden der auf Verschiebung wirkenden Kraft die Hohlachse in ihre
Mittelachse zurückführt.
Diese durch den Spielraum e begrenzte Verschiebung der
Endachsen ermöglicht ein Befahren strenger Curven und ermöglicht dabei die zur
Wirkung kommende Feder g einen stossfreien Einlauf des
Fahrzeuges in die Curve.
Wird, wie es bei dreiachsigen Locomotiven (Fig. 2) genügt, nur eine
der Endachsen in der beschriebenen Weise lenkbar hergestellt, so ist die Hohlachse
zur Verhinderung von Schwingungen bei der Fahrt im geraden Gleise mit einer
Rückstellvorrichtung auszurüsten, welche die ausschlagende Achse in ihrer
Mittelstellung zurückzuführen sucht bezieh. ihrer Drehung einen bestimmten
Widerstand entgegensetzt. Diese Rückstellvorrichtung besteht aus einer kräftigen
Feder h (Fig. 2, 3 und 4), welche je nach der
Ausschlagrichtung der Achse durch eine der Druckplatten i oder k zusammengepresst wird. Die auf
Druck. oder Zug wirkende Stange l ist an eine
Bügelstange m angeschlossen, welche die kugelig
abgerundete Wulst n an der Hohlachse umschliesst.
Bei vier- oder fünfachsigen Locomotiven werden die beiden Endachsen mit lenkbaren
Hohlachsen ausgestattet. Dieselben laufen dann entweder als freie Lenkachsen und
werden in diesem Falle mit Rückstellvorrichtungen nach Fig. 2 und 4
ausgestattet, oder es werden beide Achsen derart mit einander verbunden, dass sie
die ihnen zufallende Radialstellungsbewegung gleichzeitig ausführen müssen. Zu
letzterem Zwecke werden die beiden Bügelstangen durch einen Gegenlenker
verbunden.
Um die Locomotiven auch für die Befahrung aussergebräuchlich starker Curven
verwendbar zu machen, erhalten die Mittelachsen vier- und fünfachsiger Locomotiven,
soweit dies angängig, Radreifen mit cylindrischer Lauffläche, oder sie werden
ebenfalls als Hohlachsen hergestellt. Diese werden dann von den Kernachsen
angetrieben und erhalten nur Seiten Verschiebung auf den Kernachsen ohne
Rückstellfedern. Da die verschiebbaren Mittelachsen in den Curven energisch den
äusseren Schienenstrang anzulaufen suchen, kann die Verschiebbewegung der den
Endachsen zunächst liegenden Mittelachsen mit der Drehbewegung der Endachsen durch
Lenkgestänge zwangsläufig verbunden werden.
Bei allen Ausführungsweisen ist durch Uebertragung des antheiligen Maschinengewichtes
durch den Kugelzapfen der Kernachse auf die Mitte der Hohlachse die Gleichheit des
Achsdruckes der beiden Räder der Endachsen auf die Schienen in jeder Lage der Achsen
gesichert. Es werden daher von den Endachsen stets gleiche Raddrücke auf die
Schienen ausgeübt, die Locomotive mag auf geradem, überhöhtem oder unregelmässig
liegendem Gleise stehen, und es wird als ein nicht unbeträchtlicher Nebengewinn die
volle Sicherheit gegen Entgleisen gewonnen, welche Sicherheit bekanntlich bei Locomotiven
mit durchaus gekuppelten festgelagerten Achsen bei Schmalspurbahnen, insonderheit
wenn sie schlecht unterhalten sind, ziemlich gering ist.
Die lenkbare Locomotiv-Treib- und Kuppelachse hat sich nach Mittheilung der königl.
sächsischen Staatsbahnen bei einer Probeausführung an einer dreiachsigen,
gekuppelten Locomotive von 0,75 m Spurweite während der Dauer zweier Jahre
vollständig bewährt. Die dreifach gekuppelten Locomotiven mit festgelagerten, nicht lenkbaren Achsen zeigen eine
erhebliche Abnutzung der Schienen und Radreifen, welche letztere bei den vorhandenen
Curven bis herab auf 50 m Halbmesser nach 10000 bis 14000 km scharf werden, während
die probeweise mit der lenkbaren Achse ausgerüstete
Locomotive nach 2jähriger Betriebszeit und zurückgelegten 32000 km nur sehr geringe
Abnutzung der Reifen der lenkbar hergestellten Vorderachse und scharfgelaufene
Reifen der Hinterachse zeigte; letzteres war nach dem Laufe des Fahrzeuges und dem
Nichtdrehen der Locomotive nach der Fahrt zu erwarten. Das Kugellager mit der
Antriebsvorrichtung der Hohlachse hatte sich bei 2jähriger Dienstleistung nicht
bemerkbar abgenutzt, trotzdem dieses Kugellager mit Zubehör nur in Zeitabschnitten
von 1 bis 2 Monaten eine geringe Menge consistenter Schmiere nach Lösung einer
Schmierschraube zugeführt erhielt. Die gut versicherte Verbindung beider Hälften der
Hohlachse hat sich niemals gelockert, noch hat die Hohlachse irgend eine
Betriebserschwerniss gezeigt. Reparaturen waren daher, abgesehen ein Drehen der
Reifen in Folge des Scharflaufens der festgelagerten Hinterachse, nicht
vorzunehmen.
Die Hohlachse ist vom Krupp'schen Gusstahlwerk in
vollentsprechender Weise geliefert worden.
Diese dreiachsige Locomotive läuft sicher im geraden Gleise und in den Curven,
trotzdem die Lenkachse noch keine Seitenverschiebung hat. Die radiale Einstellung
der Lenkachse ist eine präcise, wenn auch in Folge des kurzen Gesammtradstandes
nicht so vollständig ruhige, wie sie bei grösserem Radstande und bei Verwendung
einer vorderen und hinteren Lenkachse nach den Erfahrungen an Wagen zu erwarten ist.
Der Federdruck ist nach Aufschreibungen rechts und links im gleichen Augenblick
stets derselbe und schwankt um einen gleichen Betrag, entsprechend den nickenden
Bewegungen der Maschine.
Die Locomotive mit gekuppelten lenkbaren Achsen erscheint namentlich für Militär-,
Feld- und sonstige Kleinbahnen, die sich der Bodenlage möglichst anpassen müssen,
oft nicht sorgfältig hergestellt und unterhalten werden können, besonders
geeignet.
Derartige Bahnen verlangen überdies Locomotiven, die sich durch Einfachheit und
Dauerhaftigkeit der angewendeten Constructionen, grösstmögliche
Leistungsfähigkeit, leichte Bedienung, geringe Unterhaltungskosten auszeichnen und
anstandslos in beiden Fahrtrichtungen verkehren können, welchen Ansprüchen die
vorliegende Construction voll genügen dürfte.
Wir berichteten 1896 299 77 über neuere vierachsige
Schnellzuglocomotiven der württembergischen Staatsbahn, welche zur Erleichterung des
Durchfahrens von Bahnkrümmungen bei fester Treib- und Kuppelachse mit einer
Einstellvorrichtung der beiden Endachsen versehen sind. Da indess ein grosser Theil
der Linien des Landes hinsichtlich der Brücken die Verwendung von schwereren
Locomotiven als solchen mit drei Achsen auf absehbare Zeit nicht gestattet, musste
diesen Anforderungen mit einer dreiachsigen Bauart entsprochen werden.
Textabbildung Bd. 302, S. 13
Locomotive, Patent Klien-Lindner.
Die Locomotiven wurden durch die Maschinenfabrik
Esslingen nach den Angaben des Oberbauraths Klose zur Ausführung gebracht und unterscheiden sich nach Mittheilungen
des Oberinspectors Kittel in Stuttgart in dem Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1896 S.
112, von bisherigen derartigen Locomotiven hauptsächlich durch folgende
Eigenthümlichkeiten:
Der Achsstand ist mit 5 m verhältnissmässig gross gewählt, um einen ruhigen Gang zu
erzielen; die zwei, in einem Stück zusammengegossenen Cylinder sind aus demselben
Grunde, wie auch in Rücksicht auf die Oberbauerhaltung und auf Grund der Erfahrung,
dass damit Heizstoffersparnisse erzielt werden, innen
angeordnet. Die Raddurchmesser sind verhältnissmässig gering gewählt, um auf den
ungünstigen Gebirgsstrecken die einer Güterzuglocomotive entsprechende grosse
Zugkraft zu erreichen.
Weiter ist hervorzuheben, dass verhältnissmässig lange Tragfedern, welche den
Achsbüchsen in der Längsrichtung folgen, zur Verwendung gelangten, dass die Kessel
in der Längsnaht geschweisst sind und dass die Steuerung nach einer neuen Anordnung
zur Ausführung gelangt ist. Ausserdem dürfte die Treibradbremse Erwähnung verdienen,
welche durch Dampf betrieben wird, und zwar derart, dass sie durch Dampfauslass aus
dem Bremscylinder in Thätigkeit tritt.
Die Locomotive besitzt folgende Hauptabmessungen und Gewichte:
Gesammtachsstand
5000
mm
„ mit Tender
10500
mm
Cylinderdurchmesser
450
mm
Kolbenhub
612
mm
Raddurchmesser
1380
mm
Kesselüberdruck
12
at
Heizfläche
in der Feuerbüchsein den 205
Rohreninsgesammt
6,64110,11116,75
qmqmqm
Rostfläche, gesammte
1,4
qm
„ freie
0,7
qm
Achsdrücke der Locomotiveauf die
Schienen
leer
im Dienste
Vorderachse
12,6 t
13,9 t
Treibachse
11,8 t
13,8 t
Hinterachse
11,3 t
13,8 t
Gesammtgewicht
35,7 t
41,5 t
Hinsichtlich des Verhältnisses der Rostfläche zur Gesammtheizfläche
\frac{1,4}{116,75}=\frac{1}{83,4} mag erwähnt werden, dass
auf den württembergischen Staatseisenbahnen in Folge der geographischen Lage nur
beste Kohlen, und zwar vorzüglich Saar-Stückkohlen, zur Verfeuerung kommen, und dass
hierbei diese Rostfläche erfahrungsgemäss auch für die höchsten Leistungen genügend
gross ist.
Das Rahmengestell der Locomotive bildet wie bei allen neueren Locomotiven ein für
sich bestehendes Ganzes, versteift und fest verbunden wie ein Kastenträger, an
dessen steifen Wänden das Lauf- und Triebwerk angebracht und auf welchem der Kessel
leicht aushebbar gelagert ist.
Textabbildung Bd. 302, S. 14
Fig. 5.Locomotive nach Klose.
Die mittlere Treibachse ist in dem innenliegenden Hauptrahmen in gewöhnlicher Weise
gelagert und durch Schleifbacken geführt, ausserdem als Kurbelachse auch noch in
einem besonderen mittleren Hilfsrahmen gelagert. Die Endachsen sind durch armförmige
Achsbüchsen A (Fig. 5)
gefasst, welche in seitlichem Sinne durch am Rahmen angenietete Schleif backen S geführt werden; in diese Armlager ist die eigentliche
Achslagerschale L etwas drehbar eingesetzt, so dass die
Achse durch Verschiebung der beiden Armlager und damit der Achshälse in
entgegengesetztem Sinne verdreht werden kann. Hierzu sind die Enden der Armlager
durch Hebel bc und ef
(Fig. 6) gefasst, die so im Rahmen gelagert und
unter sich verbunden sind, dass die Verschiebung einer Achsbüchse in der
Längsrichtung eine gleich grosse, entgegengesetzt gerichtete, sowohl der
zweiten zur gleichen Achse gehörigen, als auch der auf der gleichen Rahmenseite
gelegenen Achsbüchse der anderen Endachse bedingt, so dass also jeweils die auf
derselben Rahmenseite gelegenen Achsbüchsen sich in entgegengesetztem, die einander
übereck gegenüberliegenden in gleichem Sinne verschoben werden. Die Verbindung
geschieht durch Stangen bf und Doppelhebel kk. Um zu bewirken, dass sich die Einstellung der
vorderen und hinteren Locomotivachse in Curven stets in Uebereinstimmung mit der
entsprechenden Winkelstellung der Längsachse des Tenders zu der der Locomotive
befindet, ist der Doppelhebel kk durch die Welle W und den Arm W1 dessen Stein m
zwischen Backen der Dreieckkuppelung greift, mit dem Tender zwangsläufig verbunden.
Hierbei sind die Abmessungen der Hebel derart gewählt, dass Vorder- und Hinterachse
der Locomotive sich in Krümmungen stets nach dem Krümmungsmittelpunkte
einstellen.
Textabbildung Bd. 302, S. 14
Fig. 6.Locomotive nach Klose.
Die der Verstellung der Endachsen entsprechende Verlängerung und Verkürzung der
Kuppelstangen, welche die Endachsen mittels Kugelzapfen erfassen, erfolgt durch die
Ausgestaltung des mittleren Kuppelzapfenlagers zu einem Kreuze D (Differentialkopf), welches durch Verdrehung die
Kuppelstangen länger oder kürzer werden lässt, unbeschadet der Kraftübertragung in
hin und her gehender Richtung. Die durch die Punkte n
und o abgegebenen Schubkräfte sind gleich, da die
Druckaufnahme in der Mitte des Kreuzes erfolgt. Um zu vermeiden, dass das Kreuz in
Folge ungleicher Widerstände umkippt, ist es zwangläufig mit der beschriebenen
Einstellvorrichtung der Endachsen verbunden, so dass jeder Stellung dieser Achsen im
Rahmen eine bestimmte Winkelstellung des Kreuzes und somit eine bestimmte zugehörige
Gesammtlänge der Kuppelstangen entspricht. Diese Verbindung ist hergestellt durch
die Parallelogrammstangen 1, 1 und 2, 2 und das Stück P mit
dem in t am Rahmen gelagerten Hebel rs, dessen Stellung durch die Stange su und einen Hebel uv in
Abhängigkeit von der Verbindungsstange bf und damit der
Endachsstellung gebracht ist.
Die Abmessungen der ganzen Vorrichtung sind derart gewählt, dass die Einstellung der
Achsen bis in Curven von 150 m Halbmesser erfolgen kann.
Die Steuerung ist in einer senkrechten Ebene mit den Treibstangen angeordnet, indem
an die mit nach unten zu öffnendem Lagerkopfe versehene Kurbelstange mittels kurzer
Glieder ein Lenkhebel angeschlossen ist, der mit seinem anderen Ende den
Stein in der verstellbaren Joy-Schwinge auf und ab schwingt.
Die zwei gleichen, in der Längsnaht geschweissten Schüsse des Langkessels von 1350 mm
äusserem Durchmesser sind 14,5 mm stark und werden durch einen ebenfalls
geschweissten Laschenring verbunden.
Die Locomotiven sind, wie bereits bemerkt, ausser mit den Einrichtungen für die
Luftdruckbremsung von Tender und Zug noch mit einer Treibradbremse ausgerüstet,
welche in der Weise durch Dampf betrieben wird, dass die Bremsklötze mittels Hebel
und Dreiecken an die Mittelräder gepresst werden, wenn der stets auf beiden Seiten
eines Kolbens befindliche Dampf einerseits auf möglichst unmittelbarem Wege
ausgelassen wird. Hierdurch ist erreicht, dass der Cylinder stets erwärmt und der
Dampfkolben jederzeit zu rascher Bewegung bereit ist, während bei anderen
Anordnungen, bei welchen der austretende Dampf erst einen Vertheilungsschieber am
Führerstande durchströmen muss oder bei welchen der Betriebsdampf dem Cylinder erst
im Falle der Bremsung zugeführt wird, die rasche Wirkung wegen des Niederschlages in
den langen Röhren oder dem kalten Cylinder ungünstig beeinflusst wird. Der
Dampfaustritt der hinteren Kolbenseite und damit die Einleitung durch den Ueberdruck
auf die vordere Kolbenseite wird durch Umstellen des auf der Abbildung Fig. 7 ersichtlichen kleinen Schiebers in Stellung II veranlasst, dessen Bewegung von aussen durch einen
im Ausströmungsrohr gelagerten Daumen ohne Anordnung einer Stopfbüchse erfolgt.
Textabbildung Bd. 302, S. 15
Fig. 7.Locomotive nach Klose.
Die mit der Locomotive in 18monatlichem Betriebe gemachten Erfahrungen sind günstig.
Ihre Zugkraft ist derjenigen der dreifach gekuppelten Güterzuglocomotive gleich;
gleichzeitig kann die Locomotive schwere Personenzüge, insbesondere auf starken
Steigungen, mit Vortheil befördern und hierbei anstandslos mit einer Geschwindigkeit
bis zu 65 km in der Stunde verkehren. Auf Strecken, wo Personenzuglocomotiven von 4
m Achsstand bis zum ersten Radabdrehen 24000 km und Güterzuglocomotiven von 3,3 m
Achsstand 30000 km zurücklegten, liefen diese Locomotiven sämmtlich 50000 km, ehe
ein Abdrehen nöthig wurde.
Erwähnung mag noch finden, dass auch einige dieser Locomotiven mit Verbundeinrichtung
und mit zwei Aussencylindern von 480 bezieh. 685 mm Durchmesser, sonst aber ganz
gleichen Abmessungen und Gewichten, zur Ausführung gelangten und dass sich bei
gleichen Dienstleistungen der durchschnittliche Heizstoffverbrauch bei beiden
Locomotiven annähernd gleich ergeben hat, nämlich bei der Zwillingsmaschine zu
10,00 und 14,18 k, bei der Verbundlocomotive zu 10,18 und 14,26 k als Mittelwerthe
von 6- bezieh. 7monatlichem Dienst.
Ausser der vorgenannten Locomotive und den bereits früher erwähnten Locomotiven der
württembergischen Staatsbahn (1896 299 * 77 u. ff.) sind
nach Glaser's Annalen vom 1. März 1896 S. 93 bis jetzt
noch die nachstehend durch ihre Hauptabmessungen gekennzeichneten Locomotivtypen mit
lenkbaren Treibachsen nach der von Oberbaurath Klose in
Stuttgart herrührenden Bauart in Ausführung gekommen.
a) Dreifach gekuppelte leichte Tenderlocomotive mit zwischen den Rädern liegenden
Wasserkasten für Curven bis 90 m Halbmesser herab; die Mittelachse ist seitlich
verschiebbar und die Endachsen entsprechend drehbar.
2 Cylinder
je
380540
mm Durchmessermm Hub
Triebräder
1040
mm Durchmesser
Achsdruck
1. Achse2. „3. „
107001080010800
kkk
Radstand
4800
mm
Rostfläche
1,05
qm
Heizfläche
71,065,0
qm aussenqm innen
Dampfdruck
12
at
Dienstgewicht
32,4
t
mit 3 cbm Wasser und 1,2 cbm
Kohlen.
b) Tenderlocomotive mit vier gekuppelten Achsen, wovon die dritte seitlich
verschiebbar, die vordere und hintere lenkbar für Curven bis 50 m Halbmesser bei 750
mm Spurweite sind (1896 299 * 79).
2 Cylinder
je
340500
mm Durchmessermm Hub
Triebräder
900
mm Durchmesser
Achsdruck
1. Achse2. „3. „4. „
6960698069006930
kkkk
Radstand
4500
mm
Rostfläche
1
qm
Heizfläche
6560
qm aussenqm innen
Dampfdruck
12
at
Dienstgewicht
27,8
t
mit 3,1 cbm Wasser und 1 t
Kohlen.
c) Dreifach gekuppelte Locomotive für 750 mm Spurweite mit einachsigem Schlepptender
für Curven bis zu 30 m Halbmesser herab.
2 Cylinder
je
324400
mm Durchmessermm Hub
Triebräder
850
mm Durchmesser
Radstand
6000
mm
Heizfläche
52
qm
Rostfläche
0,9
qm
Dampfdruck
10
at
Dienstgewicht
24,7
t
mit 2 cbm Wasser und 2 t
Kohlen.
d) Dieselbe Locomotive mit einachsigem Schlepptender für 760 mm Spurweite.
2 Cylinder
je
290450
mm Durchmessermm Hub
Triebräder
900
mm Durchmesser
Radstand
6000
mm
Heizfläche
59
qm
Rostfläche
0,9
qm
Dampfdruck
12
at
Dienstgewicht
25
t
mit 2,65 cbm Wasser und 2 t
Kohlen.
e) Fünffach gekuppelte Locomotive für 760 mm Spurweite mit einachsigem Schlepptender
für Curven bis zu 60 m Halbmesser herab.
Textabbildung Bd. 302, S. 16
Fig. 8.Betriebs-Ergebnisse der Verbund-Locomotive ohne Anfahrvorrichtung,
Bauart Gölsdorf.
2 Cylinder
je
380450
mm Durchmessermm Hub
Triebräder
900
mm Durchmesser
Radstand
8200
mm
Heizfläche
106
qm
Rostfläche
1,72
qm
Dampfdruck
12
at
Dienstgewicht
42
t
mit 6 cbm Wasser und 3 t
Kohlen.
f) Locomotive für Curven bis zu 30 m Halbmesser herab und zugleich für Zahnradbetrieb
eingerichtet bei Steigungen über 1 : 25 bis zu 1 : 10 (1890 277 118). Spurweite 1000 mm. 4 Cylinder, 2 für Adhäsionsbetrieb und 2 für
Zahnradbetrieb. Sämmtlich gleich von 360 mm Durchmesser und 400 mm Hub, mit directer
oder mit Verbundwirkung nach Belieben. Triebraddurchmesser: 4 Adhäsionsräder von 800
mm Durchmesser. Triebzahnrad von 860 mm Durchmesser. (Zahnradübersetzung: 13 :
27.)
Heizfläche
88
qm
Rostfläche
1,4
qm
Radstand
6
m
Dampfdruck
12
at
Adhäsionsgewicht
22
t
Dienstgewicht
33
t
mit 3 cbm Wasser und 1 t
Kohlen.
(Beide Adhäsionsachsen lenkbar, desgleichen Triebzahnrad und
Laufachse.)
Nach dem Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens,
1896 S. 115, haben sich die bezüglich der Verbundlocomotiven ohne Anfahrvorrichtung,
Bauart Gölsdorf, früher (1894 293 * 26, 1895 295 294) mitgetheilten
Betriebsergebnisse auch ferner bestätigt.
Ein Vergleich bezüglich des Brennstoffverbrauches, angestellt auf der Strecke
Wien-Amstetten im Monat October 1894 zwischen 4 Verbundgüterzuglocomotiven (Serie
59) der österreichischen Staatsbahnen und 15 der im Kessel vollkommen gleichen
älteren Normalgüterzuglocomotiven gewöhnlicher Bauart (Serie 56) derselben
Bahnverwaltung, gibt für die Serie 59 auf 1000 t/km einen mittleren Kohlenverbrauch von
64,2 k, für die Locomotiven der Serie 56 einen solchen von 78,5 k. Die
Verbundlocomotiven haben somit eine Kohlenersparniss von etwa 18 Proc. ergeben.
Nach Mittheilung A. Friedmann's haben sich auch die
Verbundschnellzuglocomotiven, Bauart Gölsdorf, der
österreichischen Staatsbahnen gut bewährt. Die Locomotiven sollen, wie bereits 1895
295 294 angegeben, einen Wagenzug von 200 t Gewicht
bei anhaltender Steigung 1 : 100 mit einer Geschwindigkeit von 50 km pro Stunde
befördern können.
Die Hauptverhältnisse dieser Maschinen sind folgende:
Cylinderdurchmesser
HochdruckNiederdruck
500740
mmmm
Kolbenhub
680
mm
Triebraddurchmesser
2120
mm
Laufraddurchmesser
1024
mm
Gesammtachsstand
7300
mm
Rostfläche
2,9
qm
Wasserberührte Heizfläche der
FeuerkisteFeuerrohre
11,0144,5
qmqm
Gesammtheizfläche
155,5
qm
Grösste Fällung
92
Proc.
Füllung in der Mittelstellung
10
Proc.
Feuerrohre
AnzahlLängeAussendurchmesser
205440051
mmmm
Dampfüberdruck
13
at
Dienstgewicht
1. Achse2. „3. „4. „
12900139001440014400
kkkk
––––––––––––
Gesammtgewicht
55600
k
Leergewicht
49600
k
Lineares Voreilen
8 bis 9
mm
Grösste Kanalöffnung bei 30 Proc. Füllung
11
mm
Die Steuerung ist nach der Bauart Heusinger's von
Waldegg ausgeführt.
Die Locomotive besitzt ein vorn liegendes zweiachsiges Drehgestell und zwei hinten
liegende Treibachsen. Die Kesselmitte liegt verhältnissmässig hoch, nämlich 2,580 m
über Schienenoberkante. Diese Anordnung ist durch die über den Innenrahmen
hinaustretende Feuerkiste und den grossen Durchmesser des Längskessels von 1,420 m
bedingt, hat indess die Ruhe des Ganges nicht beeinträchtigt. Cylinder und Steuerung
liegen aussen, die Rahmen innen; letztere sind vor der Treibachse eingezogen, so
dass der Abstand der Cylindermitten nur 1,920 m beträgt und das Drehgestell
vollkommen zugänglich ist. Das Verbindungsrohr zwischen beiden Dampfcylindern liegt
grösstentheils im Rauchkasten und trägt auf der höchsten Stelle ein auf 5½ at
belastetes Sicherheitsventil. Das Haupteinströmungsrohr führt vom Dome unmittelbar
zum Hochdruckcylinder.
Die Bohrungen für den Eintritt des Frischdampfes in den Niederdruckcylinder sind
derart angeordnet, dass deren Oeffnung bei einer Füllung von 62 bis 65 Proc.
beginnt.
Mit einer dieser Locomotiven wurde eine Versuchsfahrt auf der 88 km langen Strecke
Wien-Absdorf-Sigmundsberg angestellt, über welche Fig.
8 in Betreff der Fahrgeschwindigkeiten, der Leistungen in Pferdestärken,
der Dampfspannungen, der Regleröffnungen und der Cylinderfüllungen ausführliche
Angaben bringt. Auf dieser Fahrt wurden auf der Strecke von km 0 bis km 40 mit einer
mittleren Steigung von 0,375 ‰ bei einer Cylinderfüllung von 0,61 Proc., der
Regleröffnung von 0,5 bis 0,75 Proc. und einer Fahrgeschwindigkeit von 70 bis 80 km
in der Stunde 720 bis 770 geleistet, während auf der Strecke von km 40 bis
km 88 mit einer mittleren Steigung von 5,15 ‰, einer Cylinderfüllung von 0,55 bis
0,7 Proc., voller Regleröffnung und einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 60 km in der
Stunde 680 geleistet sind. Die Locomotiven haben sich hier noch als sehr
leistungsfähig erwiesen.
(Schluss folgt.)