Titel: | Ueber Conservirung antiker Bronzen. |
Autor: | F. Rathgen |
Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 45 |
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Ueber Conservirung antiker Bronzen.
Von Dr. F.
Rathgen.
Ueber Conservirung antiker Bronzen.
Seit einer Reihe von Jahren werden in dem zu Conservirungsarbeiten eingerichteten
Laboratorium der königl. Museen zu Berlin C. Bronzealterthümer, besonders
ägyptischen Ursprungs, einer Behandlung durch den elektrischen Strom unterworfen,
die ich ausführlich an anderer Stelle geschildert habe.Polytechnisches
Centralblatt, Bd. IV S. 197. Lueger's
Lexikon der Technik, Bd. I S. 260. Die Arbeiten sind
seiner Zeit, nach vorhergehenden Untersuchungen von Prof. Finkener, von mir aufgenommen worden und haben in allen Fällen in den hellgrünen Ausblühungen der Bronzen, welche ihren mehr
oder weniger raschen Zerfall bewirken, einen Gehalt an Chlor ergeben.
Ganz überraschend war es mir daher, gelegentlich eines Besuches im Kölner
Wallraf-Richartz-Museum von Director Dr. Aldenhoven und
Dr. Kisa daselbst von einer Veröffentlichung: „Sopra
la cosi della rogna dei bronzi antichi“ in den Berichten der Accademia dei
Lincei zu Florenz zu erfahren, nach welcher L. Mond und
G. Cuboni den Zerfall der Bronzen in anderen
Ursachen zu finden glauben. Da die Kenntniss der 1893 erschienenen Abhandlung meines
Wissens in Deutschland kaum verbreitet zu sein scheint, so lasse ich hier eine
Uebersetzung derselben folgen:
„Mit dem Namen ‚rogna‛Die wörtliche
Uebersetzung für „rogna“ wäre wohl Ausschlag. Ich werde im
Folgenden neben Ausschlagen die im Deutschen noch gebräuchlichen
Bezeichnungen Ausblühen und wilde Patina anwenden. oder
‚caries‛ der Bronze bezeichnen die Archäologen eine besondere Veränderung,
welcher bisweilen in Museen aufbewahrte antike Bronzen, wie Statuen, Münzen,
Vasen u.s.w., unterworfen sind. Diese Veränderung besteht in einer Art
Ausblühen, welches in einem oder in einigen wenigen Punkten der Oberfläche des
Gegenstandes beginnt, indem sich Flecken von hellgrüner Farbe bilden, die sich
allmählich wie Oelfarbe über ein Papierblatt hin ausbreiten und die Oberfläche
und das Innere der Bronze zerstören, indem diese in ein amorphes weisslichgrünes
Pulver umgewandelt wird.
„Die Schnelligkeit, mit welcher der Zerstörungsprocess sich bei der Bronze
verbreitet, ist sehr verschieden, je nach Umständen, die noch nicht genügend
aufgeklärt sind. Bisweilen wächst der zerstörende Fleck so langsam, dass die
Ausdehnung nach einigen Monaten kaum bemerkbar, mitunter wächst er sehr schnell;
die Flecken bilden sich zahlreich, dehnen sich aus, gehen in einander über und
nach wenigen Monaten kann eine antike Münze gänzlich zerstört sein. In dieser
Weise werden Alterthümer, werthvoll durch ihre Geschichte oder durch ihre Kunst,
bisweilen mehr oder weniger durch die Entwickelung der wilden Patina, welche die
Archäologen als eine Pest für die Sammlungen bezeichnen, beschädigt.
„Die chemische Substanzveränderung besteht in der Regel in einer Umwandlung,
welcher das Kupfer durch den Einfluss des Sauerstoffes, der Kohlensäure und der
Feuchtigkeit der Atmosphäre unterworfen ist, indem es in basisches Carbonat oder
Malachit umgesetzt wird. Die Art, wie diese Umwandlung sich verbreitet, und vor
allem die von vielen Altertumsforschern angegebene Thatsache, dass die wilde
Patina ansteckend ist, d.h. die inficirte Bronze überträgt die Veränderung auf
andere, vorher vollkommen unversehrte Gegenstände, liessen die Vermuthung
aufkommen, ob die Bildung dieser wilden Patina etwa mit der Thätigkeit irgend
welcher Mikroorganismen zusammenhängen könne. Die mikroskopische Prüfung aller
bisher von uns beobachteten ausblühenden Bronzen liess in den inficirten Stellen
die Gegenwart von Bakterien erkennen, und insbesondere eines Pilzes der Art
Cladosporium, welchen wir Cladosporium aeris benannt haben. Der Eine von uns hat
diesen Pilz im Bolletino della Società Botanica
Italiana, 1892 S. 287, beschrieben. Ob dieser Pilz oder irgend eine der
oben erwähnten Bakterien die Ursache des Ausblühens ist oder nicht, kann man bis
jetzt nicht wohl behaupten, da die Versuche, die wilde Patina künstlich durch
Infection mittels des einen oder anderen Bakteriums zu erzielen, bisher negativ
ausgefallen sind.
„Ein wichtiger Umstand jedoch, welcher die Hypothese, dass die wilde Patina
wirklich durch Mikroorganismen bewirkt wird, bestätigen würde, ist der, dass die
Erhitzung auf hohe Temperatur das Ausblühen vollkommen aufhält. 20 Minuten
langes Erhitzen auf 120° C. innerhalb eines trockenen Sterilisationsapparates
hat bei allen untersuchten Münzen diesen Process zum Stillstand gebracht. Nach 6
Monaten haben sich diese Münzen vollkommen unverändert erhalten, während bei
anderen ähnlichen, nicht erhitzten Münzen die wilde Patina verheerend weiter
auftrat. Ein sehr einfaches Experiment zeigt die grosse Wirkung des Erhitzens.
Man nehme zwei inficirte Münzen oder andere Bronzegegenstände und versuche aufs
Sorgfältigste, alle wilde Patina mit einem Lappen oder einer Bürste zu
entfernen. Darauf erhitze man den einen dieser Gegenstände in dem
Sterilisationsapparate ¼ Stunde auf 120°, während man den anderen als
Vergleichsobject unerhitzt lasse. Nach einigen Wochen wird man finden, dass sich
an dem erhitzten Gegenstande keine neue Ausblühung gebildet hat, während bei dem
anderen sicher Bildung von neuem grünem Staub auftreten wird.
„Einem von uns ist es gelungen, bei einer Bronzestatuette vermittels ¼stündigen
Erhitzens auf 150° C. die Krankheit, wenn man sich so ausdrücken darf, zu
heilen. Wir können hinzufügen, dass die trockene Erhitzung in den angegebenen
Temperatur- und Zeitgrenzen keinerlei Veränderung in dem Glanz der Patina,
welche Liebhaber bei antiken Bronzen so schätzen, hervorbringt.
„Wir beabsichtigen, unsere Beobachtungen und Versuche über diese so eigenthümliche
Veränderung der antiken Bronze fortzusetzen, indessen ist es uns wichtig
erschienen, schon jetzt bekannt zu machen, dass die Erhitzung in der
angedeuteten Weise ein einfaches und leichtes Mittel ist, um die Schäden der
wilden Patina aufzuhalten.“ –
Nach dieser Abhandlung also sollen die Kupferverbindungen, in denen wir sonst gewohnt
sind, Substanzen zusehen, welche für Organismen schädlich sind – ich erinnere daran,
dass sie zum Beispiel zur Vernichtung des falschen Mehlthaus, Peronospora viticola,
in den Weinbergen benutzt werden –, nicht nur den Aufenthaltsort für Bakterien abgeben, sondern von
ihnen gewissermaassen als Stoffwechselproduct aus dem Kupfer der Bronze geschaffen
werden. Ich glaube aber doch, dass, wenn auch die Richtigkeit der Beobachtungen,
dass sich Bakterien in jenen Ausblühungen befinden, nicht zu bezweifeln ist, hier
die Ansicht, dass sie auch die Ursache seien, noch nicht berechtigt ist. Und zwar
nicht so sehr wegen des bisher negativ ausgefallenen Versuches, eine directe
Infection bei intacten Bronzen zu bewirken, als vielmehr aus dem Grunde, weil sich
die Erscheinung der wilden Patina schon durch rein chemische Vorgänge erklären
lässt, wenigstens in allen Fällen, die mir bisher vorgekommen. Die Zahl der bisher
von mir behandelten Bronzen kann ich zwar nicht genau angeben, bin aber sicher, mit
der Zahl 200 bis 300 keine zu hohe Angabe zu machen, und in all diesen Fällen waren
die bei manchen Bronzen zahlreichen kleinen punktförmigen, bei anderen
fleckenförmigen, bei noch anderen die ganze Bronze überziehenden Ausblühungen stets
chlorhaltig. Aus dem wechselnden Feuchtigkeitsgehalt, aus den Temperaturschwankungen
der atmosphärischen Luft und aus ihrem Gehalt an Kohlensäure lässt sich wohl ein
Vorgang der Art annehmen, dass die Kohlensäure aus der feuchten Chlorid Verbindung
Kupfercarbon at fällt, dass dadurch frei werdender Chlorwasserstoff neues Metall
angreift, dass aus dem Kupferchlorid wieder Carbonate entstehen und so wechselnd
weiter. Ursprünglich sind die Salze durch den salzhaltigen BodenWeitaus die meisten der von mir behandelten
Bronzen stammen aus Aegypten, wo der Salzgehalt des Bodens fast alle dort
gefundenen Alterthümer durchtränkt hat. Auch bei anderen Gegenständen, wie
bei Kalksteinen (Grabkammern, Stelen) und gebrannten Thonsachen, machen sich
die Salze in unangenehmer Weise bemerkbar, indem sie besonders in unserer im
Feuchtigkeitsgehalt so schwankenden Atmosphäre durch Auskrystallisation und
Wiederauflösung die Oberfläche allmählich abblättern lassen. Solche
Alterthümer werden einfach durch Auslaugen mit Wasser von den Salzen befreit
und eventuell nach dem Trocknen noch mit Harzlösungen getränkt. Näheres
siehe an den in Anmerkung 1 angegebenen Stellen. – Die Salze sind auch wohl
mitschuldig daran, dass verhältnissmässig so wenig Eisensachen in Aegypten
gefunden werden. , aus welchem solche Bronzen ausgegraben werden,
in Gestalt von NaCl, MgCl2, Na2SO4 u.s.w. in die
Bronzen hineingekommen und erst einige Zeit nach der Ausgrabung, wo nun die Bronzen
frei von der Atmosphäre umspült werden, zeigen sich die hellgrünen Ausblühungen auf
der Oberfläche, welche meistens ein rauhes grünes Aussehen hat, veranlasst durch
Kupferverbindungen, welche sandige Theile einschliessen. Das zuerst fast immer
punktförmige Auftreten der wilden Patina kann seine Erklärung in der stets mehr oder
weniger porösen Beschaffenheit der Bronzen finden.
Auch ist es nicht undenkbar, dass das Erhitzen auf 120° einen gewissen Erfolg
aufweist, weil dadurch die Feuchtigkeit entfernt wird. Wie mir übrigens Dr. Kisa persönlich mittheilte, wäre nach seinen
Erfahrungen das Erhitzen auf 200° zu steigern, wenn es erfolgreich sein soll. Ob
aber die Bronze damit dauernd geschützt ist, lässt sich bei der Kürze der
Beobachtungszeit (6 Monate) doch noch nicht feststellen. Auch sah ich in Köln
erhitzte Bronzen, die wiederum ausblühten. Doch könnte dieser Einwand dadurch
beseitigt werden, dass die Bronzen sich in einem Glasschrank befanden, in dem auch
noch nicht erhitzte aufgestellt waren, wo also eine neue Infection durch diese
herbeigeführt sein könnte.
Bemerken möchte ich noch, dass die wilde Patina übrigens nicht nur aus
Kupferverbindungen besteht, sondern je nach der ursprünglichen Zusammensetzung der
Bronze auch Zinn- und BleiverbindungenAegyptische Bronzen zeichnen sich meistens durch grossen Bleigehalt
aus. enthält. So bestehen grössere hellgrüne pulverige Flecke
einer grossen ägyptischen Bronze, die sich augenblicklich zu Conservirungsarbeiten
im Laboratorium befindet, dem Gewichte nach ungefähr zur Hälfte aus Zinnoxyd.