Titel: | Ueber amerikanische Zangen. |
Fundstelle: | Band 300, Jahrgang 1896, S. 181 |
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Ueber amerikanische Zangen.
Von W. Klussmann.Nach einem uns freundlichst übersandten
Sonderabzug aus Beiblatt zur Zeitschrift für
Instrumentenkunde,Vereinsblatt der Deutschen Gesellschaft für Mechanik
und Optik, 1896 Heft 4 und 5.
Mit Abbildungen.
Ueber amerikanische Zangen.
Zum selbsthätigen genau laufenden Einspannen von runden Gegenständen auf der Drehbank
bedient man sich der bekannten „amerikanischen Centrirfutter“. Vor 10 bis 15
Jahren waren diese Futter bei dem Präcisionsmechaniker noch sehr selten zu finden,
sie wurden nur bei der Herstellung von Massenartikeln verwandt; heut ist man auch
schon in kleineren präcisionsmechanischen Werkstätten dahin gekommen, Centrirfutter
möglichst vielseitig zu benutzen.
In der letzten Zeit wird den „amerikanischen Futtern“ durch eine in der
gesammten Mechanik und Uhrmacherei bei der Herstellung selbst der genauesten
Massenfabrikate unentbehrlich gewordenes Werkzeug, die sogen. „amerikanische
Zange“, wirksame Concurrenz gemacht.
Wir verstehen unter „amerikanischer Zange“ allgemein ein aus einer mehrfach
aufgeschlitzten Hülse bestehendes Klemmwerkzeug, dessen Princip schon lange bekannt
und in Anwendung gekommen ist. Dass diese Vorrichtung jetzt allgemeiner gebraucht
wird, ist die Folge der grossen Billigkeit bei dennoch vollkommener Präcision. Dies
aber ist wiederum ermöglicht durch vorzügliche maschinelle Einrichtungen zur
Massenherstellung, wie sie wohl zuerst in Amerika bestanden, weshalb man dem
Werkzeug auch den Namen „amerikanische“ Zange wird lassen können. Jedoch auch
in Deutschland haben wir Fabriken, welche diese Zangen in höchster Vollkommenheit
und ausserordentlich billig liefern, wie z.B. Boley; Lorch,
Schmidt und Co.: Wolf, Jahn und Co. u.a.
Als hauptsächlichsten Vortheil der „Zangen“ gegenüber den „Futtern“
möchte ich grössere und länger anhaltende Genauigkeit anführen, weil erstere
einfach, letztere dagegen sehr complicirt und theilweise nach sehr gewagten
Principien gebaut sind. Die Futter bestehen aus vielen einzelnen Theilen, die theils
mit einander verschraubt oder auch nur mit Konus auf einander getrieben sind, theils
aber beweglich gegen einander gelagert sein müssen. Das Eindringen von Staub
oder Spänen ist bei einem complicirten Werkzeug gar nicht zu vermeiden und nicht
sofort zu bemerken, und es werden daher sehr leicht Störungen hervorgerufen, die das
Futter bald für genauere Arbeiten unbrauchbar machen. Es nutzt sich auch
ungleichmässig ab, falls in demselben eine bestimmte Drahtdicke häufiger bearbeitet
wird. Ferner kommt noch der hohe Preis in Frage (40 bis 50 M.), den anzulegen sich
eine kleine Werkstätte scheut; sie nimmt lieber die Unbequemlichkeiten des Zwei-
oder Dreibackenfutters mit in den Kauf.
Die „amerikanische Zange“ dagegen in ihrer jetzigen Form besteht nur aus einer
durchbohrten, an dem einen Ende mit einem Aussengewinde, an dem anderen mit einer
Verdickung versehenen, glasharten Stahlhülse. An der Seite der Verdickung ist die
Zange mit einem steilen Konus versehen und dreitheilig aufgeschnitten. Die
durchbohrte Spindel hat eine entsprechend steile, konische Ausdrehung; in diese legt
sich die Zange ein und lässt sich nun von hinten durch ein mit einem Kordelrad oder
Knebel versehenes Stahlrohr mit Innengewinde in die Spindel hineinziehen, wodurch
die Bohrung verengt wird. Gegen Drehung ist die Zange durch Nase und Nuth gesichert.
Schon mehrfach sind diese Zangen bei der Beschreibung neuerer Werkzeug- und
Werkzeugmaschinen-Constructionen besprochen worden.
In dem Vereinsblatt der deutschen Gesellschaft für Mechanik
und Optik, 1892 Heft 2 S. 131, zum Beispiel hat K.
Friedrich einige von der Frankfurter Firma Lorch,
Schmidt und Co. hergestellte Drehbänke mit Zubehör, darunter auch diese
Zangen, beschrieben. Ich glaube jedoch, dass der a. a. O. angeführte Vergleich
zwischen den Fehlern, die bei der Benutzung der Zangen auftreten können, und denen,
die bei in der Spindel einschraubbaren Spitzen, kleinen Bohrfuttern, Patronen u.
dgl. entstehen werden, nicht zutreffend ist. Bei letzterer Anordnung wird sich das
selbstverständlich unbedingt nothwendige, genau laufende Gewinde innerhalb der
Spindelbohrung leicht voll Späne setzen, die natürlich in einem Gewinde viel
schwerer wahrzunehmen und zu entfernen sind, als auf einer glatten Fläche. Dann ist
auch, vielleicht erst bei den neueren Constructionen, die Einrichtung so getroffen,
dass der mit dem Gewinde versehene cylindrische Theil der Zange, sowie auch das
Stahlrohr, an dem der Knebel befestigt ist, die Wandung der Spindelbohrung nicht
berührt, wenn die Zange einen Gegenstand spannt. Für ein genaues Centriren ist also
nur das gute Laufen des steilen Konus, sowie der Lagerung der Knebelmutter am
hinteren Ende der Spindeldocke nothwendig. Ferner wird es auch grösstentheils wenig
Mühe machen, diese leicht zugängliche, kurze konische Fläche nachzudrehen oder
nachzuschleifen. Ein Reinigen der Durchbohrung ist übrigens auch ziemlich einfach
durch eine dünne Flaschenbürste, wie sie zum Reinigen von Reagenzgläschen benutzt
wird, zu bewerkstelligen.
Einer grösseren Verwendung der amerikanischen Zangen trat der Umstand entgegen, dass
sie nur an besonders dazu eingerichteten Drehbänken zu benutzen waren, die in einer
Werkstatt vorhandenen Bänke mit durchbohrter Spindel erst einer verhältnissmässig
grösseren Umänderung unterzogen werden mussten und Zangen an Spitzenbänken, sowie im
gewöhnlichen Reitstock bisher überhaupt nicht verwandt werden konnten, trotzdem ihr
Werth vielfach schon anerkannt wurde. Um dem Bedürfnisse, die Zangen an vorhandenen
Bänken anbringen zu können, zu genügen, construirte der Mechaniker Rich. Nerrlich zu Berlin eine höchst einfache
Vorrichtung, für welche der Werkzeughandlung von Grundmann
und Kuhn in Berlin Gebrauchsmusterschutz ertheilt worden ist.
Textabbildung Bd. 300, S. 181
Amerikanische Zangen.
Ein rundes Stück Stahl (Fig.
1) ist an dem einen Ende in den für die Drehbankspitzen, Hohlkerner u.s.w.
bestimmten, schlanken Konus der Spindel gut eingepasst und an dem anderen Ende
cylindrisch angedreht. Der zwischen beiden stehengebliebene Ring ist von zwei Seiten
flach gefeilt und durchbrochen. Die ganze Vorrichtung, „Zangenfutter“
genannt, ist der Länge nach durchbohrt und an dem cylindrischen Ende mit der
konischen Ausdrehung für die amerikanische Zange, sowie für ein weiter unten noch zu
besprechendes Futter (Fig.
6) auch aussen mit der entsprechenden konischen Andrehung versehen. Die
auswechselbare Zange ist auch hier durch Nase und Nuth gegen Drehung gesichert. In
der Aussparung befindet sich eine Mutter, welche sich auf die Zangen aufschrauben
lässt; sie ist mit Kordel und ausserdem mit 6 Löchern zur Benutzung eines
einschraubbaren Anziehstiftes versehen. Es genügt vollkommen eine Sechsteldrehung
zum Oeffnen und Schliessen der Zange, so dass man den Stift in der Mutter lassen
kann und zum Ein- und Ausspannen nur die kurze Bewegung zu machen braucht, welche
durch die Anschläge begrenzt ist. Es wird so bei häufigem Aufspannen ein zu weites
Oeffnen unmöglich, was auch wieder von Vortheil und Zeit ersparend ist. Es wäre
vielleicht noch rathsam, anstatt der 6 Löcher eine ungerade Anzahl, etwa 5 oder 7 zu
nehmen, da es leicht vorkommen kann, dass die unverdeckten Löcher auf der einen
Seite des Zangenfutters so ungünstig liegen, dass die Zange nicht fest genug spannt.
Die Lage der Löcher auf der zweiten Seite des Futters würde sich dann jedenfalls
günstiger gestalten. Dieser Punkt kommt hier natürlich nur bei eingeschraubtem
Anziehstift in Frage.
Die ganze Vorrichtung ist äusserst einfach, entspricht aber gerade deshalb ihrem
Zweck vollkommen und hat den Vorzug, billig zu sein.
Für dieses Zangenfutter sind nun die verschiedensten kleinen Futter und Werkzeuge,
wie solche zu den grösseren Drehstühlen der oben genannten Firmen hergestellt werden
zu haben und können jederzeit einzeln nachbezogen werden, da sie äusserst
gleichmässig, also stets passend gefertigt sind. So hat man für dasselbe ausser der
mit verschieden grossen Bohrungen, die von 0,4 mm anfangend um je 0,2 mm
steigen, versehenen Zange (Fig. 2) noch Stufenfutter, Achtschraubenfutter, Einsatzzapfen für kleine
Fräsen und Schmirgelrädchen, Einsätze mit konischer Holzschraube, Laternen zum
Verrunden der Kuppen von Schrauben, Aussenstufenfutter und verschiedene andere
Einrichtungen (vgl. Fig.
3 bis 6). Zum
Schraubenpoliren hat man auch ausser den gehärteten Stahlzangen solche aus Messing.
Die Preise dieser einzelnen Theile bewegen sich zwischen 1,00 und 3,50 M.; eine
gehärtete Stahlzange kostet zum Beispiel etwa 1,25 M. Das letzterwähnte
Aussenstufenfutter, Patentringfutter „Lorch“ genannt, wird wie die anderen
Zangen in die Vorrichtung gesteckt. Der Konus des Futters legt sich aber bei
demselben über den aussen angedrehten der Vorrichtung und treibt beim Festziehen das
Aussenstufenfutter aus einander.
Auch von Werkzeugen, für die einfache Zange passend, sind Bohrer, Flachsenker,
Zapfenfräser, Scheibenstecher, Gratstecher und ähnliche für einen ganz geringen
Preis, wofür dem Mechaniker die Einzelherstellung selbst in der primitivsten Form
nicht im entferntesten möglich ist, käuflich zu haben; andere dem jeweiligen
Bedürfnisse entsprechende Werkzeuge lassen sich leicht zu den Zangen passend
herstellen.
Es sei schliesslich noch auf einen besonderen Vortheil des Zangenfutters aufmerksam
gemacht. Die Zangen lassen sich jetzt auch sehr bequem in dem mit Schraube in der
Pinole versehenen Reitstock verwenden, so dass man auf der Bank auch mit zwei
Vorrichtungen arbeiten kann. Das Zangenfutter wird sich im Reitstock zum Bohren,
ohne Kerner anzustechen, Zapfenfräsen, ohne Spitze anzudrehen, Gratstechen u. dgl.
m. sehr nützlich erweisen, so dass Arbeiten, wie sie mit den Revolverköpfen
hergestellt werden, mit Reitstock und Spindeldocke bequem ausgeführt werden
können.