Titel: | Neue Beiträge zur Rauchfrage. |
Autor: | v. Schroeder, W.Schmitz-Dumont |
Fundstelle: | Band 300, Jahrgang 1896, S. 136 |
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Neue Beiträge zur Rauchfrage.
Von † Prof. Dr. v.
Schroeder und Dr. W.Schmitz-Dumont.
(Schluss des Berichtes S. 111 d. Bd.)
Neue Beiträge zur Rauchfrage.
III. Versuche, betreffend die Erhöhung des
Schwefelsäuregehaltes der Blattorgane ohne gleichzeitige Störung des
Gesundheitszustandes der betreffenden Pflanzen.
Wenn Pflanzen durch schweflige Säure geschädigt werden, so findet stets eine mehr
oder weniger weit gehende Erhöhung des Schwefelsäuregehaltes der Blattorgane statt.
Das geht sowohl aus den früheren, wie auch aus den hier mitgetheilten Versuchen mit
Bestimmtheit hervor. Bei solchen Versuchen müssen wir die Annahme machen, dass die
Blattorgane verschiedener unter ganz denselben Bedingungen erwachsener gleichartiger
Individuen zu derselben Zeit auch den gleichen Schwefelsäuregehalt haben. Diese
Voraussetzung trifft sehr annähernd zu, wie das z.B. die im vorigen Abschnitt
angeführten drei Untersuchungen der Controlkiefern zeigen, welche für die gesammte
Benadelung 0,226 Proc. 0,229 Proc. und 0,238 Proc. Schwefelsäure ergaben.
Bei richtiger Wahl des Vergleichsmaterials können daher bei Versuchen
verhältnissmässig geringe Steigerungen des Schwefelsäuregehaltes der Blattorgane
noch mit Sicherheit nachgewiesen und erkannt werden. Eine solche Erhöhung des
Schwefelsäuregehaltes muss auch in der Natur zu Stande kommen, wenn Rauch, der
schweflige Säure enthält, die Blattorgane trifft und dieselben mehr oder weniger
beschädigt. Der Nachweis dafür ist aber hier nicht so leicht und nicht mit derselben
Sicherheit zu liefern, weil das heranzuziehende Vergleichsmaterial
selbstverständlich niemals von derselben Stelle, wo die beschädigten Pflanzen
stehen, entnommen werden kann.
Man ist also darauf angewiesen, das Vergleichsmaterial weiter entfernt von der
Rauchquelle, in derselben oder wohl auch in anderen Gegenden, sich herauszusuchen,
und dabei ist zu berücksichtigen, dass auch unter normalen Verhältnissen der
Schwefelsäuregehalt der Blattorgane gesunder Pflanzen gewissen und zuweilen nicht
unbedeutenden Schwankungen unterliegt. Verschiedene Entwickelungszustände, ungleiche
Bodenverhältnisse u.s.w. haben hierauf einen Einfluss und alles das ist in Betracht
zu ziehen, wenn es sich darum handelt, in einem speciellen Falle wirklich
brauchbares und beweisendes Vergleichsmaterial auszuwählen. Wir haben darauf schon
früher ausführlich hingewiesenv. Schroeder und Reuss, Kap. III S. 116 bis 131, sowie alle in diesem Buch
behandelten Rauchschadenuntersuchungen, besonders die Schäden im
Oberharz. und es ist klar, dass man nur dann mit Erfolg sich
einer solchen Arbeit unterziehen kann, wenn man mit den einschlagenden
physiologischen und chemischen Fragen, die hier in Betracht kommen, hinlänglich
vertraut ist.
Aber selbst wenn man das Untersuchungsmaterial mit der nöthigen Umsicht aussucht, so
wird man in jedem Falle bei der Beurtheilung der gefundenen Zahlen und bei den
Schlüssen, die man aus denselben zieht, vorsichtig sein müssen und namentlich
kleineren Differenzen nur dann eine Bedeutung beilegen, wenn eine grössere Anzahl
beweisender Analysen vorliegt.
Die beiden folgenden Versuche zeigen, wie sich der Schwefelsäuregehalt der
Blattorgane ziemlich beträchtlich, ohne Störung der Gesundheit, erhöhen lässt durch
Vergrösserung des Schwefelsäuregehaltes des Bodens oder durch directe Berührung der
Blattorgane mit nicht zu grossen Mengen gelöster indifferenter Sulfate.
1) Kiefern, längere Zeit mit Gypslösung begossen.
Zu diesem Versuche dienten fünf Stück 3jährige Kiefern, die aus dem Pflanzgarten beim
Laboratorium Anfang Mai in Töpfe von etwa 4 l Wurzelraum umgepflanzt waren. Diese
Pflanzen waren vollkommen gesund und hatten zu Beginn des Versuches eine Höhe von
etwa 35 cm. Als Controlpflanzen wurden die gleichalterigen, im freien Lande
zurückgebliebenen Kiefern benutzt. Der Boden der Topfpflanzen wurde zunächst vom 7.
Mai bis zum 10. Juni mit gesättigtem Gypswasser begossen.
Jeder Topf wurde innerhalb dieser Zeit 15mal begossen und dabei immer 270 cc
verwendet, so dass auf jeden Topf im Ganzen 4050 cc kamen. Die Pflanzen blieben nun
bis zum 22. Juni stehen, und da sich irgend ein nachtheiliger Einfluss der
Gypszufuhr zum Boden nicht bemerkbar machte, so wurde das Begiessen mit Gypswasser
genau in derselben Weise vom 22. Juni bis zum 11. Juli wiederholt, wobei jeder Topf
im Ganzen wieder 4050 cc erhielt. Mit den 8100 cc Gypslösung sind dem Wurzelraum
einer Pflanze bei diesem Versuche demnach in Summa 16,6 g Gyps oder 9,7 g
Schwefelsäure zugeführt worden.100 cc
Wasser lösen bei 18° C. 0,205 g Gyps (Marignac). Eine Schädigung der Pflanzen war auch jetzt nach
der zweiten Gypszufuhr zunächst nicht wahrzunehmen und ebenso wenig war eine solche
hervorgetreten, als am 12. August zwei der Versuchspflanzen zur chemischen
Untersuchung abgeschnitten wurden. Die übrigen Pflanzen blieben stehen, sie
erhielten sich aber bis zuletzt vollkommen gesund, sie waren ebenso gut
fortgewachsen und unterschieden sich in nichts von den im freien Lande stehenden
Controlpflanzen. Am 21. August wurden zwei weitere Versuchspflanzen und zwei gleich
entwickelte Controlpflanzen zur chemischen Untersuchung entnommen. Das Verhältniss
der heurigen Nadeln zu den vorigjährigen stellte sich bei den untersuchten Pflanzen
wie folgt:
Gypspflanzen
Control-pflanzen
12. August
21. August
Heurige Nadeln
65,6
71,2
68,8
Vorigjährige Nadeln
34,4
28,8
31,2
––––––––
–––––––
––––––
100,0
100,0
100,0
Die chemische Untersuchung ergab für 100 Th. Trockensubstanz:
Schwefel-säure
Asche
Proc.
Proc.
Gypspflanzen12. August
Heurige NadelnVorigjährige Nadeln
0,4540,327
3,413,77
–––––––
––––
Ganze Benadelung
0,410
3,53
Gypspflanzen21. August
Heurige NadelnVorigjährige Nadeln
0,4200,391
2,773,32
–––––––
––––
Ganze Benadelung
0,412
2,93
Control-pflanzen
Heurige NadelnVorigjährige Nadeln
0,2200,242
2,583,36
–––––––
––––
Ganze Benadelung
0,226
2,82
Es hat also, wie aus vorstehenden Zahlen zu ersehen ist, durch die Gypszufuhr zum
Boden und die Aufnahme der Schwefelsäure durch die Wurzeln eine sehr bedeutende
Steigerung des Schwefelsäuregehaltes der Nadeln stattgefunden, ohne dass das auf den
Gesundheitszustand der Bäume irgend welchen nachtheiligen Einfluss gehabt hat.
Dasselbe lehrt der mitgetheilte Begiessungsversuch mit verdünnter schwefliger
Säure, bei welchem der Schwefelsäuregehalt der Nadeln ebenfalls erhöht ist und die
Pflanze gesund bleibt. Diese durch den Boden veranlassten Steigerungen des
Schwefelsäuregehaltes sind ebenso gross und zum Theil noch grösser, als die
Erhöhungen der Gehalte, die in Folge der Aufnahme der schwefligen Säure durch die
Blattorgane sich bei den beschriebenen Versuchen zeigten, und wo in Folge dieser
Aufnahme eine sichtbare Erkrankung und ein theilweises Absterben der Nadeln
erfolgte. Das ist aus folgender Zusammenstellung sehr deutlich zu ersehen:
SchwefelsäureProc.
Normale gesunde Controlpflanzen aus dem Pflanzgarten
beim Laboratorium
0,231
(0,226 bis 0,238)
Gesunde Kiefer mit schwefliger Säure begossen
0,314
Gesunde Kiefer mit Gypslösung be- gossen
0,411
(0,410 bis 0,412)
Kranke Kiefer mit dem Boden ge- räuchert
0,242
Kranke Kiefer mit Ausschluss des Bodens
geräuchert
0,366
Kranke Kiefern 20mal zu 1/1000000 schwef- liger
Säure geräuchert
0,487
Eine gewisse Mehraufnahme von Schwefelsäure durch die Wurzeln ist also gewiss ganz
unschädlich für die Pflanzen und es können dadurch Steigerungen der
Schwefelsäuregehalte der Blattorgane zu Stande kommen, die ebenso gross und grösser
sind als diejenigen, welche durch die höchst nachtheilige Aufnahme der schwefligen
Säure aus der Luft veranlasst werden. Dass der hier in Folge der Begiessung mit
Gypswasser sich zeigende Schwefelsäuregehalt der Kiefernadeln von 0,410 bis 0,412
Proc. ein ganz abnormer, d.h. ein so hoher ist, wie er bei gesunden Kiefern in der
Natur nicht oder nur ausnahmsweise sich vorfinden kann, das lehrt der Vergleich der
Schwefelsäurebestimmungen in Kiefernadeln aus verschiedenen Gegenden. Im Oberharz
ergaben sich nach unserer Untersuchung folgende Resultatev. Schroeder und
Reuss, Tabelle III im Anhange S. XXVIII bis
XXX und S. 207.:
SchwefelsäureProc.
Gesunde in der Hauptsache normal grüne Nadeln
0,099
bis
0,135
Schwach beschädigte Nadeln
0,288
Beschädigte Nadeln ohne Rothfärbungen
0,363
„
0,658
Beschädigte Nadeln mit Rothfärbungen
0,244
„
0,841
Auf dem Fischhäuser Revier bei DresdenEbenda
S. 264. ergaben gesunde Kiefernadeln 0,204 Proc., die
rauchkranken dagegen 0,349 Proc. Aus einem deutschen IndustriebezirkEbenda S. 122., wo neben
Hüttenrauch auch viel Steinkohlenrauch in die Luft geschickt wird, zeigten gesunde
Kiefernadeln ohne Rauchverletzungen 0,106 bis 0,156 Proc. Schwefelsäure, in den
kranken rauchbeschädigten Nadeln fanden sich 0,310 bis 0,480 Proc. Gesunde normal
grüne Kiefernadeln ¼ Stunde vom Alaunwerk Godesberg bei Bonnv. Schroeder und
Reuss, S. 122 (diese Einäscherungen ohne
Sodazusatz). hatten Schwefelsäure von 0,069 bis 0,101 Proc. die
stark verletzten Nadeln in der Nähe der Halden dagegen 0,460 bis 0,517 Proc. Prof.
RamannE. Ramann, Zeitschrift für Forst- und
Jagdwesen, 1894 Novemberheft S. 660 ff. fand in gesunden
normalen Kiefernadeln Schwefelsäuregehalte, die je nach dem Standorte und den
verschiedenen Nadeljahrgängen von 0,0916 bis 0,238 Proc. schwankten.
Wie aus diesen Versuchen zu entnehmen ist, wird man bei Rauchuntersuchungen immer mit
der Möglichkeit zu rechnen haben, dass zuweilen durch besondere
Standortsverhältnisse bedingte höhere Schwefelsäuregehalte der Blattorgane vorkommen
können. Durch umsichtige, alle einschlagenden Verhältnisse berücksichtigende
Probeentnahme, und durch eine grössere Anzahl Bestimmungen in jedem einzelnen Falle
ist diese Schwierigkeit aber immer zu überwinden, und Verwechselungen werden um so
mehr ausgeschlossen sein; da ja gefundene höhere Schwefelsäuregehalte für sich
allein das Vorhandensein eines Rauchschadens noch nicht beweisen.
IV. Kann der durch die Einwirkung von Rauch und Hüttengasen
erhöhte Schwefelsäuregehalt der Blattorgane durch eine auslaugende Wirkung des
Regens wieder herabgesetzt werden?
Es ist schon von verschiedener Seite die berechtigte Vermuthung ausgesprochen worden,
dass durch die atmosphärischen Niederschläge aus Blättern und Nadeln der
rauchbeschädigten Pflanzen die aufgenommene schweflige Säure bezieh. Schwefelsäure
wieder herausgelöst und entfernt werden könne, so dass auch bei unleugbaren
Rauchschäden die chemische Untersuchung keinen anormal hohen Gehalt an Schwefelsäure
aufzufinden vermöge. Ein derartiger Einfluss des Regens würde den Werth der
Schwefelsäurebestimmung als ein wesentliches Glied in der Reihe der Kennzeichen für
Rauchschäden bedeutend herabsetzen, so dass eine sorgfältige Prüfung obiger Frage
geboten ist.
Es liegt hierzu bereits ein Versuch von NobbeGeheimrath Nobbe
hatte die Güte, hierüber uns mündlich Mittheilung zu machen. vor,
bei welchem Bohnenpflanzen mit einer das vollständige Zusammenfallen und Absterben
dieser Pflanzen schnell herbeiführenden Menge SO2
geräuchert und dann mit grossen Quantitäten Wasser übergössen wurden. Die Analyse
zeigte in diesen Pflanzen kein Plus von Schwefelsäure gegenüber gesunden
Exemplaren.
Hier wurde zunächst mit Kartoffelstauden operirt und in einem Vorversuch das
Verhalten derselben gegen Einwirkung einer 1/1000 Volum SO2
haltenden Atmosphäre geprüft. Zu dem Zwecke wurde in einem zum Pflanzgarten
gehörigen Kartoffelfelde ein Räucherkasten über die dichtbelaubten, saftiggrünen,
durchschnittlich 40 cm hohen Stauden gesetzt, nachdem ein etwa 10 cm die Stauden
überragender, am oberen Ende eine Holzscheibe tragender Stab zwischen die Pflanzen
gesteckt war. Auf die Holzscheibe kam ein Porzellanschälchen mit der zur Räucherung
erforderlichen Menge einer alkoholischen CS2-Lösung
zu stehen. Dem 1/1000 Volum des Kastens = 174,9 cc entsprechend waren hier 0,227 cc
flüssiger Schwefelkohlenstoff (geben 0,4742 g SO2 =
174,9 cc SO2) zu verbrennen. Demgemäss wurden 10 cc
CS2 mit Alkohol auf 100 cc verdünnt und 2,3 cc
dieses Gemisches im Porzellanschälchen entzündet.
Am Morgen des 5. Juli wurde zum ersten Mal geräuchert, wobei die Pflanzen 1 Stunde in
der schweflige Säure haltenden Atmosphäre blieben. 3 Stunden später hatte die
frischgrüne Farbe bei sämmtlichen Blättern sich in ein mattes Graugrün
verwandelt und die Blätter hingen welk herab. Am folgenden Tage waren die Blätter
stark zusammengeschrumpft und der welke Zustand hatte sich auch auf die Stengel
ausgebreitet. Diese Stauden, sowie eine entsprechende Anzahl nicht geräucherter
wurden gleichzeitig abgeschnitten und zur Analyse die Fiederblättchen abgepflückt.
Am 8. Juli wurde die Räucherung mit neuen Stauden nochmals vorgenommen und bis zum
9. das gleiche Resultat wie oben erhalten. Auch diese Pflanzen wurden nebst
Controlpflanzen abgeschnitten, die Fiederblättchen abgepflückt und mit dem
entsprechenden Analysenmaterial der ersten Räucherung vereinigt. Die Trockensubstanz
der Blätter gab in den
AscheProc.
SchwefelsäureProc.
Versuchspflanzen
14,88
3,103
Controlpflanzen
14,78
1,628
Die Einwirkung der schwefligen Säure hatte also eine Erhöhung des
Schwefelsäuregehaltes auf nahezu das Doppelte zur Folge gehabt.
Nunmehr wurden zum eigentlichen Versuch wie oben am 18. Juli zwei Partien gesunder
Kartoffelstauden einmal geräuchert und, nachdem dieselben bis zum 20. braun geworden
waren und wie völlig abgestorbene Pflanzen aussahen, täglich mehrere Mal mit je 3 1
Wasser überbraust. Um möglichst die ganze Wassermenge auf die geräucherten Pflanzen
zu bringen, wurde der Räucherkasten wieder über dieselben gesetzt und nach Abnahme
der die Decke des Kastens bildenden Glasplatte mit einer kleinen Brause das Wasser
auf die im Kasten befindlichen Pflanzen gesprengt. Die von dem Kasten umgrenzte
Bodenfläche betrug 1485 qc. Vom 20. bis 24. Juli wurden die Stauden in dieser Weise
mit 30 1 Wasser beregnet, entsprechend einer Regenhöhe von 202 mm (vergleichsweise
sei hier angeführt die jährliche Regenmenge für Tharandt im J. 1894 = 809,3 mm),
dann nebst Controlpflanzen abgeschnitten und analysirt. Die Trockensubstanz der
Blätter enthielt bei den Versuchspflanzen 1,646 Proc. Schwefelsäure, bei den
Controlpflanzen 1,650 Proc.
Aus diesen für die geräucherten und nicht geräucherten Stauden fast gleich gefundenen
Schwefelsäuregehalten gegenüber den im Vorversuch gefundenen weit höheren der mit
schwefliger Säure in gleicher Weise behandelten wäre zu folgern, dass durch Wasser
aus den geräucherten Pflanzentheilen die aufgenommene Säure wieder ausgelaugt werden
kann. Da ferner diese Wirkung mit einer dem vierten Theile des in Tharandt 1894
gefallenen Regens entsprechenden Wassermenge erreicht wurde, so wäre kein Grund
vorhanden, dem Regen in der Natur die gleiche Wirkung auf den durch Rauch erhöhten
SO3-Gehalt von Pflanzen abzusprechen.
Eine dritte Partie Kartoffelstauden, am 16. Juli wie oben geräuchert und vom 19. bis
24. mit 10 × 3 l Wasser überbraust, gab in der Blättertrockensubstanz = 2,313 Proc. Schwefelsäure.
Da bei diesen Pflanzen nur ein Theil der Blätter durch die Räucherung zu völligem
Absterben gebracht worden war, während die übrigen nur braune Flecken zeigten, so
lag die Annahme auf der Hand, dass die auslaugende Wirkung des Wassers nur bei
abgestorbenen Pflanzentheilen sich geltend mache.
Um einen besseren Anhalt für diese Vermuthung zu gewinnen, wurde bei einer vierten am
22. Juli geräucherten und vom 23. bis 29. Juli mit 48 l Wasser überbrausten
Partie, welche gleichfalls noch eine Anzahl grüner Blätter aufwies, die
abgestorbenen Blattheile von den noch grünen getrennt, analysirt. Die
Trockensubstanz der Blätter ergab
für die abgestorbenen Theile
=
1,590
Proc.
Schwefelsäure
für die grünen
=
3,304
„
„
Dieser Befund stimmt mit obiger Vermuthung überein und das Resultat dieses Versuches
wäre nunmehr, dass durch anhaltende Einwirkung des Wassers
bezieh. Regens auf abgestorbene Blätter die aus der Luft aufgenommene schweflige
Säure bezieh. Schwefelsäure wieder entfernt werden kann.
Das Ergebniss dieses Versuches Hess sich indess nicht so ohne weiteres für alle
Pflanzen verallgemeinern, denn von harz- oder wachsreichen Blattorganen,
insbesondere von den Nadeln der Coniferen war vorauszusetzen, dass sie der
besprochenen Wirkung des Wassers einen weit höheren Widerstand bieten würden. Zur
Erörterung dieses Punktes wurde obiger Versuch mit jungen Kiefern wiederholt. Vier
Stück im freien Lande freistehende, kräftig entwickelte 3jährige Kiefern (54 bis 68
cm hoch, Länge des Gipfeltriebes 24 bis 33 cm) wurden vom 29. Juni an mit 1/10000
schwefliger Säure geräuchert, bis sie eine ausgeprägte starke Beschädigung zeigten.
Am 18. Juli zeigten alle vier Bäumchen an alten und jungen Nadeln starke
Rothfärbung. Zwei derselben wurden jetzt gleichzeitig mit zwei Controlpflanzen
desselben Standortes abgeschnitten. Es fand sich in der Trockensubstanz der Nadeln
bei den Versuchspflanzen 0,459 Proc. Schwefelsäure, bei den Controlpflanzen 0,229
Proc. Die Versuchspflanzen enthielten demnach einen reichlichen Ueberschuss an
Schwefelsäure über den natürlichen Gehalt.
Die beiden anderen geräucherten Kiefern wurden, wie vorbeschrieben, vom 29. Juli an
mit Wasser überbraust. Bis zum 2. August waren so 36 1 Wasser, entsprechend 242 mm
Regenhöhe, gegeben worden. Das eine der beiden Exemplare nun analysirt wies 0,477
Proc. Schwefelsäure auf; somit war eine wesentliche Auslaugung der Schwefelsäure
durch obige Wassermenge sicherlich noch nicht herbeigeführt worden. Mit dem anderen
Exemplare wurde die Beregnung bis zum 4. September fortgeführt und bis zu diesem
Zeitpunkt 270 1 Wasser, entsprechend 1802 mm Regenhöhe, auf die Kiefer gebracht. Die
anfangs rothbraunen beschädigten Nadelpartien waren bei dieser Behandlung
abgebleicht und hatten ein fahles, braunstichiges Gelb angenommen, während die
unbeschädigten Nadeltheile ihr normales frisches Grün bewahrt hatten.
Um einen klareren Einblick in den Wirkungsgrad des Wassers zu gewinnen, wurden bei
dieser Versuchspflanze, wie bei der einen Partie Kartoffelstauden, die beschädigten
Nadeltheile von den unversehrten sorgfältig durch Ausschneiden getrennt. Die Analyse
ergab für die Trockensubstanz der unbeschädigten Theile
=
0,523
Proc.
Schwefelsäure
der beschädigten Theile
=
0,527
„
„
Eine gleichzeitig abgeschnit- tene Controlpflanze
gab
=
0,221
„
„
Trotz der ungeheuren Menge Wasser (mehr als die doppelte Regenhöhe von 1894), welche
hier auf die Nadeln zur Einwirkung gekommen war, hatten nicht einmal die
abgestorbenen Nadelpartien die absorbirte Säure wieder verloren, wenigstens nicht in
einem merkbaren Grade, der die Constatirung der stattgehabten Einwirkung der schwefligen Säure
unmöglich machte, wie dies bei den Kartoffelpflanzen doch der Fall gewesen war.
Gegenüber der Wichtigkeit, welche dieses Resultat für den Nachweis von Rauchschäden
bei Nadelhölzern hat, war es unumgänglich nöthig, das Ergebniss durch Wiederholung
des Versuches auf seine Richtigkeit zu controliren.
Zu diesem Zweck wurden zwei weitere Kiefern „1“ und „2“ vom 18. bis 21.
September 10mal mit 1/10000 SO2 geräuchert. Am 24. war der
Schaden voll ausgebildet und sämmtliche Nadeln roth gefärbt. Vom 25. September bis
14. October wurde das eine Exemplar „2“ mit 126 l Wasser in Portionen von je
6 l überbraust (bei 1485 qc Bodenfläche, entsprechend 848 mm Regenhöhe); das andere
Exemplar „1“ blieb unberührt stehen. Am 15. October wurden beide Pflanzen
abgeschnitten, entnadelt, die Nadeln jeder Pflanze für sich gut durchgemischt und in
zwei Theile getheilt. Der eine Theil „2a“ der beregneten Pflanze wurde direct
analysirt, der andere „2b“ einer noch energischeren Beregnung mit Wasser in
folgender Weise unterworfen: Auf ein Sieb von 144 qc Fläche gegeben, wurden diese
Nadeln 5mal innerhalb je einer Stunde continuirlich mit je 20 l überbraust. Die so
auf sie zur Einwirkung gebrachten 100 l würden die enorme Regenhöhe von 6944 mm
repräsentiren. Von den mit Wasser noch nicht in Berührung gekommenen Nadeln der
Kiefer „1“ wurde die eine Hälfte „1a“ direct analysirt, die andere
„1b“ (etwa 20 g) mit 5 l Wasser in bedeckter geräumiger Flasche bei
Zimmertemperatur 72 Stunden unter öfterem Umschütteln stehen gelassen. Um den
Versuch störende Einflüsse von Mikroben auszuschliessen, wurden dem Wasser 2 cc
Chloroform zugesetzt.
Die Analyse der Trockensubstanz dieser verschiedenen Partien ergab:
1a
1b
2a
2b
Control-pflanze
Asche Proc.
3,91
3,31
3,29
3,08
3,50
SO3 „
0,550
0,529
0,553
0,534
0,229
Die auslaugende Wirkung des Wassers auf die Nadeln war hier unter so energischen
Bedingungen geprüft worden, wie sie in der Natur nie eintreten können, wenigstens so
weit es sich um noch am Baume sitzende und nicht auf den Boden gefallene Nadeln
handelt. Der Minderbefund an Asche und Schwefelsäure in den Partien 1b, 2a und 2b
gegenüber la deutet zwar darauf hin, dass durch die äusserst energische Behandlung
der Partien b mit Wasser eine Auslaugung der abgestorbenen Nadeln eingetreten ist; doch trotzdem ist die Herabsetzung
des Schwefelsäuregehaltes nicht derartig, dass die Erkennung der vorhergegangenen
Einwirkung der schwefligen Säure auch nur im Geringsten zweifelhaft würde.
Das Gesammtresultat vorstehender Versuche ist nunmehr die Schlussfolgerung, dass Regen die Erkennung einer vorhandenen Rauchbeschädigung
aus dem Schwefelsäuregehalt der Blattorgane bei Coniferen und höchst
wahrscheinlich auch bei anderen Pflanzen, deren Blätter harz- oder wachshaltig
sind, nicht durch Auslaugen der Schwefelsäure aus den Blattorganen illusorisch
machen kann, zumal da im Rauchrayon die event. ausgewaschenen sehr geringen
Mengen Schwefelsäure durch die fortdauernde Zuführung von schwefliger
Säure bezieh. Schwefelsäure im Rauch wieder ersetzt
werden dürften.