Titel: | Neuerungen an Locomotiven. |
Autor: | Fr. |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 121 |
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Neuerungen an Locomotiven.
(Schluss des Berichtes S. 97 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Neuerungen an Locomotiven.
Ueber elektrische Locomotiven der Baltimore- und Ohio-Railway
Company mit oberirdischer Stromzuführung brachten wir 1895 297 240 kurze Mittheilungen.
Nach Revue universelle, 1895 S.
261, sind in neuester Zeit seitens der General
Electric Company zu Schenectady mit derartigen, zum
Befördern von Zügen auf den Untergrundbahnen in Baltimore dienenden Locomotiven
eingehende Versuche angestellt, welche gezeigt haben, dass diese Locomotiven
äusserst, vortheilhaft an Stelle der schwersten Dampflocomotiven der genannten
Eisenbahn gesetzt werden können.
Textabbildung Bd. 299, S. 121
Fig. 24.Locomotive der General Electric Company.
Die Fig. 24 ersichtliche Locomotive ruht auf zwei
Drehgestellen mit je zwei Treibachsen, deren Entfernung 2 m beträgt. Die aus
Gusstahl gefertigten Räder haben 1,570 m Laufkreisdurchmesser. Die Lager der
Achsschenkel von je 325 mm Durchmesser liegen behufs bequemer Zugänglichkeit vor den Rädern und sind nach Form der Achsbüchsen für
Güterwagen aus Gusseisen mit Schalen aus Phosphorbronze hergestellt.
Die Längsrahmen der Drehgestelle sind aus je einem Stück Schmiedeeisen von 88 mm
Stärke gebildet und an den Enden durch kräftige, ebenfalls aus Schmiedeeisen
gefertigte Querriegel mit einander verbunden.
An Motoren sind vier – zwei für jedes Drehgestell – vorhanden, die ohne
Zahnrädergetriebe arbeiten, ihre Gestalt ist pyramidenförmig. Jeder Motor hat sechs
Pole und trägt sechs Bürsten aus Kohle; dieselben werden von einem kreisförmigen
Bürstenhalter getragen, der sich um 360° drehen lässt. Vier Bürsten können entfernt
werden, ohne dass der Motor aufhört zu functioniren. Die Stromerzeuger sind von
Blechmänteln umgeben. Jeder Motor entwickelt normal 360 .
Ein Centralapparat gestattet das Kuppeln der Motoren in verschiedener Weise, sowie
das Einschalten unter der Plattform des Führerhauses liegender Widerstände. Ein
kleinerer elektrischer Motor dient zum Betreiben einer Luftpumpe, welche Druckluft
zur Bethätigung einer Bremse in vorn und hinten an der Maschine befestigte
Cylinder drückt. Auf dem Führerhaus ist der bewegliche Stromzuführer mit
Gleitcontact befestigt (vgl. auch Revue industrielle
vom 26. October 1895 S. 423.)
Eine neue elektrische Locomotive, bei welcher der Elektromotor an Stelle der sonst
üblichen Drehbewegung eine hin und her gehende Bewegung mittels Cylinders und
Kolbens ausführt, beschreiben Industries and Iron vom
8. Februar 1895 S. III.
Der zur Verwendung kommende Cylinder ist bedeutend länger als ein gewöhnlicher
Dampfcylinder und trägt in seinem Inneren eine Reihe von Magneten. Der Kolben tritt
vollständig durch den Cylinder hindurch und ist an jedem Ende mit einem Kreuzkopf
versehen. Im Inneren des Cylinders trägt der Kolben eine Reihe von Armaturen
eigenartiger Construction.
Auf der Achse der Treibräder sind Umschalter angebracht, welche, gleichwie die
Excenter die Dampfvertheilung bei einer Dampfmaschine regeln, zur Aufnahme und
Unterbrechung des elektrischen Stromes dienen. Das Charakteristische der für eine
Leistung von 8 bestimmten Maschine liegt in der Ueberführung des Stromes zu
den Magneten im Cylinder, welche vor der Kolbenstange liegen und durch ihre Wirkung
auf die Armaturen die letztere vorwärts bewegen. Sowie der Hub beendet, wird der
Strom nach dem zuerst geladenen Magnet unterbrochen und auf jenen der letzten Reihe
des Kolbens übergeführt, so dass letzterer seine Rückwärtsbewegung ausführt. Auf
diese Weise erhält man eine kräftige, regelmässige, hin und her gehende Bewegung.
Irgend welcher Gegendruck ist nicht vorhanden, während dieser bei einem rotirenden
Motor zu 20 Proc. der Stärke des verwendeten Stromes geschätzt wird. Die Maschine
kann mit 200 Umdrehungen der Treibachse in der Minute laufen, wobei der Kolben bei
einem Durchmesser des Treibrades von 2,590 m, sowie einer Entfernung des
Kurbelzapfens von Mitte Achse von 915 mm auf einem Wege von 1830 mm die volle
Leistung auf die Treibräder überträgt.
Den elektrischen Strom erhält die Maschine entweder durch Strom Zuführung mittels
eines Gleitcontactes oder einer Mittelschiene oder von einer Speicherbatterie
aus.
Ueber Locomotiven der am 1. April 1893 eröffneten Zahnstangenbahn
Yokogawa-Karuisawa (Japan) finden sich Engineering vom
19. October 1894 S. 512 ausführliche Mittheilungen.
Die nach System Abt (1892 284
107) mit vereinigter Reibungs- und Zahnradmaschine in den Werkstätten zu Shinbashi
(Tokio) erbauten dreigekuppelten Tenderlocomotiven zeigen nachstehende
Hauptabmessungen:
Spurweite
1067
mm
Reibungsmaschine
CylinderdurchmesserKolbenhub
390500
mmmm
Durchmesser der Treibräder
900
mm
Zahnradmaschine
CylinderdurchmesserKolbenhub
340400
mmmm
Durchmesser des Zahnstangengetriebes
373
mm
Dampfspannung
12
at
Heizfläche der Feuerbüchse
8
qm
„ in den Rohren
67
qm
Totalheizfläche
75
qm
Rostfläche
1,5
qm
Wasservorrath
3000
k
Kohlenvorrath
800
k
Dienstgewicht
35,5
t
Grösste Achsbelastung
12,0
t
Die Maschinen befördern einen Train von 100 t Gewicht auf Steigungen von 1 : 15 mit
einer Geschwindigkeit von 8 km und auf Steigungen von 1 : 40 (nur Adhäsion) mit
einer Geschwindigkeit von 17 km in der Stunde.
Die Zahnradlocomotiven der Iwan-Pass-Eisenbahn (zwischen Bosnien und der Herzegowina)
beschreibt Engineering vom 23. November 1894 S.
657.
Die ebenfalls nach System Abt construirten
Tenderlocomotiven mit drei Paar gekuppelten Adhäsionsrädern, zwei Zahnradachsen und
einer beweglichen hinteren Laufachse haben 8,6 m Länge und 2 m Breite; ihr
Leergewicht beträgt 23 t, das Dienstgewicht einschliesslich 3 t Wasser und 4 t Kohle
31 t. Die hauptsächlichsten Abmessungen der Locomotiven sind folgende:
Gesammte Heizfläche
70
qm
Rostfläche
1,26
qm
Dampfspannung
12
at
Reibungsmaschine
CylinderdurchmesserKolbenhub
340450
mmmm
Zahnradmaschme
CylinderdurchmesserKolbenhub
300360
mmmm
Durchmesser der Treibräder
800
mm
„ „ Zahnräder
690
mm
Gesammtradstand
4,35
m
Radstand der Treibräder (2 × 1,17)
2,34
m
Entfernung der Zahnräder
1,17
m
Grösste Belastung einer Treibachse
8
t
Die Maschinen sind in der Locomotivfabrik Florisdorf bei
Wien erbaut. Um die grösste Zugkraft entwickeln zu können, müssen die Zahnräder mit
einer Umfangskraft von 9 t, d.h. von ungefähr ⅓ des Maschinengewichtes auf die
Zahnstangen wirken.
Die Locomotiven befördern ein Traingewicht von 110 t auf der reinen Adhäsionsstrecke
mit Steigungen von 1,5 Proc. mit einer Geschwindigkeit von 10 km, auf der
Zahnstangenstrecke mit Steigungen von 3,5 Proc. dasselbe Traingewicht mit einer
Geschwindigkeit von 9 km und auf Steigungen von 6 Proc. ein Traingewicht von 60 t
mit einer Geschwindigkeit von 8 km in der Stunde.
Aehnliche, aber schwerere Locomotiven (Leergewicht 33 t, Dienstgewicht 44 t) sind
unlängst von der Schweizer Locomotivfabrik in
Winterthur für die schmalspurige Lebanon- (Beyrout und Damascus) Eisenbahn gebaut
worden.
Einige Hauptabmessungen dieser Locomotiven sind nachstehend angegeben:
Gesammte Heizfläche
96
qm
Rostfläche
1,63
qm
Dampfspannung
12
at
Reibungsmaschine
CylinderdurchmesserKolbenhub
380500
mmmm
Zahnradmaschine
CylinderdurchmesserKolbenhub
380450
mmmm
Durchmesser der Treibräder
900
mm
In neuerer Zeit wird es wieder versucht, die Luftlocomotive bei der unterirdischen
Förderung einzuführen. Eine kleinere Anlage kam vor Kurzem auf der Grube „Alte
Hoffnung Gottes“ zu Kleinvoigtsberg in Sachsen in Betrieb und auch an
anderen Orten befasst man sich nach Mittheilungen von Prof. Káš in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg-
und Hüttenwesen vom 2. März 1895 mit ähnlichen Projecten. Der Kessel der
Luftlocomotive wird bekanntlich aus einem grösseren Luftbehälter mit Druckluft von
entsprechend hoher Spannung gefüllt und die Locomotivmaschine während der Fahrt mit
Luft von verminderter Spannung aus dem Kessel gespeist. Der in dem Locomotivkessel
aufgespeicherte Arbeitsvorrath, welcher für die Fahrt zur nächsten Füllstation
ausreichen muss, ist von der Grösse des Luftkessels, von dem anfänglichen Drucke in
demselben (dem Füllungsdrucke), von dem Arbeitsdrucke, mit welchem die Druckluft in
der Locomotivmaschine zur Wirkung kommt, und von dem mittleren
Expansionsverhältnisse, mit welchem die Maschine arbeitet, abhängig.
Prof. Káš weist nun auf theoretischem Wege nach, dass
die Luftlocomotiven durchaus nicht zu den ökonomisch arbeitenden Maschinen zu
rechnen sind, indem allein durch die Druckumsetzung im günstigsten Falle 30 bis 40
Proc. der in den Luftbehälter eingeführten Arbeit verloren gehen, welcher Verlust –
ganz abgesehen von anderen, der Luftlocomotive eigenen Verlusten – bei directer
Benutzung der Druckluft (ohne Druckumsetzung) in einem stationären Luftmotor erspart
bleibt. Nur besondere Betriebsverhältnisse und besondere örtliche Umstände können
die Anlage einer unterirdischen Förderung mit der Luftlocomotive rechtfertigen.
Eine weit wichtigere Rolle spielt die ökonomische Ausnutzung der Locomotiven
selbstverständlich im Eisenbahnbetriebe.
In dieser Hinsicht sind, wie die Oesterreichische
Eisenbahn-Zeitung mittheilt, wesentliche Fortschritte erzielt worden. Nach
statistischen Nachrichten betrug die Anzahl der Locomotiv-Kilometer, welche
durchschnittlich auf eine Locomotive entfallen:
im J. 1888
im J. 1892
bei den österreichischen und un- garischen
Bahnen
31676
33415
bei den deutschen Bahnen
33670
35532
„ „ übrigen Vereinsbahnen
32294
35828
Ebenso waren auch die auf eine Locomotive entfallenden Zugs-Kilometer gestiegen und
zwar in dem gleichen Zeitraum bei den österreichischen und ungarischen Bahnen von
22860 auf 23850, bei den deutschen Bahnen von 20880 auf 21850 und bei den übrigen
Vereinsbahnen von 24940 auf 26610.
Bei der Beurtheilung, ob die Ausnutzung der Locomotive auch auf die wirthschaftlich
beste Art erfolgt, ist jedoch nicht der durchschnittlich zurückgelegte Weg allein
maassgebend, sondern es entscheiden noch andere Factoren, zu welchen insbesondere
die Kosten der Verbrauchsgegenstände und hauptsächlich jene zur Erhaltung der Locomotiven
gehören.
Darüber gibt die nachstehende Zusammenstellung der diesbezüglichen Ergebnisse aus den
Jahren 1888 und 1892 Aufklärung. Hiernach ist in dem Verbrauche der Materialien fast
allgemein eine Steigerung eingetreten, während die Kosten der Erhaltung und
Erneuerung der Locomotiven und Tender bei den österreichischen und ungarischen
Eisenbahnen, sowie den Vereinsbahnen gefallen, bei den deutschen Bahnen dagegen
gestiegen sind.
Von den Ausgaben für Zugförderungs-und
Werkstättendienst entfallen inHunderttheilen auf
Brennstoff
SpeisungundSchmierung
Erhaltung u.Erneuerungder
Locomoti-ven u. Tender
1888
1892
1888
1892
1888
1892
Oesterr. Staatsbahn
19,2
23,6
13,1
5,7
20,7
19,5
Aussig-Teplitzer Eisenb.
8,9
8,6
3,3
5,4
20,6
21,5
Buschtiehrader Eisenb.
8,7
14,1
4,1
4,8
24,8
19,1
Kais. Ferd.-Nordbahn
17,8
18,4
2,8
2,6
20,8
20,3
Oesterr Nordwestb.
Gar.Erg.
27,020,1
29,220,9
3,6 2,3
3,1 2,4
16,516,8
16,517,3
Oesterr.-ungar. St.-E.-G.
21,4
21,1
3,7
3,2
18,3
17,5
Kaschau-Oderbergerbahn
18,6
24,4
3,6
3,4
15,4
15,9
Ungar. Staatsbahn.
22,4
22,8
4,8
15,7
23,6
18,9
Im Durchschnitte bei den österr. u. ungar.
Bahnen
22,8
24,1
4,0
5,3
21,0
19,6
Im Durchschnitte bei den deutschen
Bahnen
18,8
22,4
3,8
3,4
18,4
20,5
Im Durchschnitte bei den übrigen
Vereinsbahnen
21,8
24,0
7,9
12,2
17,7
17,2
Allgemein wird angenommen, dass die Zunahme an Leistung bei den Locomotiven der
Vereinsbahnen zum grössten Theil der sogen. wechselnden und insbesondere der
doppelten Besetzung zuzuschreiben ist. Diese Einrichtung hat sich im Allgemeinen gut
bewährt, indem dieselbe eine erheblich bessere Ausnutzung der Locomotiven ermöglicht
und den Dienst des Personals erleichtert, womit allerdings in den meisten Fällen ein
grösserer Personalbedarf sich verbindet. Die Unterhaltungskosten werden zwar erhöht,
doch anscheinend in geringerem Maasse als die Leistung der Locomotive zunimmt, so
dass eine Steigerung dieser Kosten für die Leistungseinheit nicht zu erwarten
ist.
Allen anderen stehen die amerikanischen Eisenbahnen in der Ausnutzung der Locomotiven
voran. Unter den europäischen Eisenbahnen haben die englischen die Führung,
wenngleich dort seit dem Jahre 1890 eine fallende Tendenz zu beobachten ist.
Fr.