Titel: | Neuerungen in der Technik der Glasindustrie. |
Autor: | Weeren |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 12 |
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Neuerungen in der Technik der
Glasindustrie.
Von Dr. Weeren in
Charlottenburg.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 298 * S.
108.)
Mit Abbildungen.
Neuerungen in der Technik der Glasindustrie.
Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung von Drahtglas
von Frank Overn, Horace Pettit und John Overn in Philadelphia. Das Auswalzen des Glases zu
einer Tafel geschieht zwischen zwei der Plattendicke entsprechend einstellbaren
Walzen D1 und D2, wobei das
Drahtgewebe in die Mitte der entstehenden Glasplatte G
eingeführt und durch den Druck der Walzen innig mit jenem verbunden wird. Eine
Vorrichtung zur Ausführung desselben veranschaulichen die Fig. 1 und 2. An die Walze D2 schliesst sich ein
schräg liegender, mit seitlichen Rändern ausgestatteter Tisch A an, der mit den Walzen einen trichterförmigen Raum
zur Aufnahme des flüssigen Glases bildet. Der Tisch A
setzt sich in die Platte B fort, welche die fertige
Drahtglasplatte aufnimmt. Die Führungsarme h und h1 für das
Drahtgeflecht greifen über die Walzen, die das Drahtgeflecht in der Mitte zwischen
den Walzen führen. Das Drahtgeflecht wird von der flüssigen Glasmasse vorgewärmt und
setzt in Folge dessen dem Verschmelzen mit den Glasschichten keinen Widerstand
entgegen. (D. R. P. Kl. 32 Nr. 79256 vom 13. März 1894 ab.)
Textabbildung Bd. 299, S. 12
Drahtglaswalze von Overn und Pettit.
Drahtglaswalzverfahren von William Windle Pilkington in St. Helens (Grafschaft Lancaster, England).
Die Walzen aa sind wagerecht neben einander gelagert;
der Glasentnahmetisch o nimmt die heraustretende
Drahtglasplatte auf. Fig.
3 und 4
veranschaulichen die Einzelheiten. Zwischen jedem Walzenpaare ist ein gewisser
Zwischenraum, der durch aufgesetzte Bunde g, die auf
den Walzen a gleiten, geregelt wird, und dessen Grösse
sich nach der Dicke der herzustellenden Drahtglasplatte richtet. Die fertigen, auf
den Wagen o liegenden Platten können dann sofort in den
Kühlofen
gefahren werden. (Englisches Patent Nr. 9554 A. D. 1894.)
Textabbildung Bd. 299, S. 13
Drahtglaswalze von Pilkington.
Herstellung von Drahtglas von C.
H. Tondeur in Syracuse, Nordamerika. Während bei den übrigen Verfahren
stets die erforderliche Menge Glas in besonderen Vorrichtungen von dem
Glasschmelzofen zur Walzmaschine transportirt werden muss, um hier weiter
verarbeitet zu werden, wird bei dem Tondeur'schen
Verfahren die Drahtglasplatte im Schmelzofen selbst
hergestellt, und zwar mittels eines Glaswannenofens beliebiger Construction. Zwei
gegenüberliegende Seitenwände desselben besitzen etwas oberhalb des Niveaus der in
der Wanne befindlichen flüssigen Glasmasse je einen schmalen Längsschlitz, der etwas
länger ist, als das verwendete Drahtgeflecht Breite besitzt. Vor einem der Schlitze
sind senkrecht über einander zwei wagerecht gelagerte glatte Walzen angeordnet.
Dieselben haben die bei Drahtglaswalzmaschinen übliche Construction; sie drehen sich
während des Betriebes gleich schnell um und setzen dabei durch geeignete
Zahnradübertragung zwei schnell laufende, mit Flügeln ausgestattete Winderzeuger,
die vor ihnen in derselben Horizontalebene liegen, in Umdrehung.
Der Betrieb mit diesem Apparate gestaltet sich folgendermaassen. Zunächst wird in
bekannter Weise die Wanne des Glasschmelzofens bis fast zur Höhe der beiden
vorerwähnten Schlitze mit Glas versehen und hierauf durch den nicht mit Walzen
versehenen Schlitz ein Drahtgewebe in die Wanne eingeführt, mittels langer Zangen,
Haken o. dgl. durch den gegenüberliegenden Schlitz wieder herausgezogen und zwischen
die hier vorhandenen Walzen gebracht. Diese setzt man nunmehr in Umdrehung, wodurch
das Drahtgewebe von den Walzen selbständig weiter geführt wird. Bei seinem Durchgang
durch den Glasofen kommt es nun mit der flüssigen Glasmasse in Berührung, sinkt in
dieselbe ein und nimmt eine dicke Schicht Glas mit sich fort, die dann sofort durch
die Walzen zu einer Glasplatte ausgewalzt wird, in deren Mitte sich das Drahtgewebe
befindet. Die Dicke der Schicht hängt vornehmlich von dem Flüssigkeitsgrade der in
der Wanne befindlichen Glasmasse und der Maschenweite des Drahtgewebes ab; je
dünnflüssiger jene und je grobmaschiger dieses, desto geringer die Dicke der
mitgenommenen Glasschicht. Bei ihrem Austritt zwischen den beiden Walzen, von denen
übrigens die obere, um beim Einführen und ersten Durchziehen des Drahtgeflechtes
bequem an den hinter den beiden Walzen liegenden Schlitz gelangen zu können, sehr
leicht gehoben und gesenkt werden kann, wird die fertige Drahtglasplatte durch die
vorbeschriebene Kühlvorrichtung etwas abgekühlt und gelangt dann in einen
Kühlofen.
Dieser Kühlofen besteht aus drei schmalen Gängen oder Kammern, die rechtwinklig
an einander stossen. Durch sämmtliche Kammern wird die aus den Walzen austretende
Drahtglasplatte transportirt. Um sie bequem befördern zu können, wird an das vordere
Ende jedes Drahtgewebes, welchem vorher die beabsichtigte Länge der fertigen Platte
gegeben wird, ein Metallstab oder -röhre befestigt, deren Dimensionen solche sein
müssen, dass sie sicher durch die beiden Schlitze des Wannenofens hindurchgeht.
Sobald dieser Metallstab bis zu den beiden Glättwalzen gelangt ist, wird die obere
derselben angehoben und sodann sofort wieder behufs Auswalzens der Stab an seinen
über die Breite des Drahtgeflechtes etwas hinausragenden Enden erfasst und mitsammt
der daran hängenden Drahtglasplatte in die Kühlkammern getragen. Hier wird der
Metallstab mit frei herabhängender Drahtglasplatte auf eine zweckentsprechende
Transportvorrichtung, z.B. eine endlose Kette, gehängt und mittels derselben langsam
durch die drei Kammern des Kühlofens bewegt. In der ersten schmalen Kammer, welche
mit geeigneten Heizvorrichtungen versehen ist, wird die Drahtglasplatte stark
erhitzt, um sich unter dem Einflüsse der Hitze selbständig gerade richten zu können.
Die beiden folgenden Räume dienen zum allmählichen Abkühlen der gerichteten
Drahtglasplatten. (Amerikanisches Patent Nr. 538393.)
Textabbildung Bd. 299, S. 13
Erhitzen des Drahtgeflechtes von Guinard.
Zum künstlichen Erhitzen des Drahtgeflechtes, sowie des
Glases während des Walzens bezieh. Pressens desselben schlägt Henry Guinard in New York vor, das Drahtgewebe vor und
während des Walzvorganges durch elektrische Ströme kräftig zu erhitzen. Die
Ausführung dieses Vorschlages denkt er sich in der durch Fig. 5 und 6 veranschaulichten
Weise, welche die Herstellung eines Glashohlgefässes mit Drahtgeflechteinlage zeigt.
Die Form A, in welcher dasselbe durch Pressen erzeugt
wird, ist etwas grösser als das Drahtgeflecht a,
während der Presstempel B entsprechend kleiner gehalten
ist. Die Drahteinlage wird in der richtigen Lage durch mehrere vorspringende
Drahtspitzen gehalten, die auf der Form A aufruhen. Bei
c und d steht dasselbe
mit der Dynamomaschine D in leitender Verbindung.
Beim Betriebe wird zunächst das Drahtgeflecht in die Form eingesetzt und nach
Herstellung der leitenden Verbindung dann sofort mit der elektrischen Erwärmung
desselben begonnen. Hierauf folgt das Einbringen von flüssiger Glasmasse und schliesslich
die Pressung derselben durch den Presstempel B. In
derselben Weise kann das Drahtgewebe auch bei Platten o. dgl. durch den elektrischen
Strom erhitzt werden. (D. R. P. Kl. 32 Nr. 82609 vom 20. November 1894.)
Verfahren Drahtglas zu schneiden von Frank Shuman in Philadelphia. Drahtglas lässt sich
nicht wie gewöhnliches Glas durch Schneiden mit einem Diamanten in Stücke zerlegen.
In Folge dieses misslichen Umstandes werden die Drahteinlagen schon vorher auf die
gewünschte Grösse zugeschnitten, wobei es allerdings besonders bei kleineren
Formaten recht erhebliche Schwierigkeiten macht, diese Gewebe von verhältnissmässig
kleinen Abmessungen in richtiger Weise zu führen. Nach dem Verfahren von Shuman kann man Drahtglastafeln von sehr grosser Länge
herstellen, aus denen nach dem Kühlprocesse die gewünschten Formate geschnitten
werden.
Textabbildung Bd. 299, S. 14
Walzen der Glasröhren von Sievert.
Das Verfahren besteht in Folgendem: Die Drahtglasplatte wird zunächst wie
gewöhnliches Fensterglas mit einem Diamanten geritzt und dann durch Klopfen auf die
Unterseite der Platte an der Schnittfläche aus einander gesprengt. Nun schiebt man
den kürzeren der beiden Plattentheile, die durch das Drahtgewebe noch mit einander
verknüpft sind, bis an die Tischkante und biegt ihn vorsichtig auf und nieder, den
grösseren Plattentheil während dessen fest auf den Tisch pressend. Dieses Biegen der
Plattentheile muss zuerst sehr vorsichtig, um ein weiteres Zerbrechen zu verhüten,
ausgeführt werden. Durch dasselbe springen an der Schnittfläche kleine Glasstückchen
ab und diese weitet sich dadurch langsam mehr und mehr. Es ist schliesslich ein
Leichtes, die etwas frei liegenden Drähte mittels einer Säge zu zerschneiden
und dadurch die Drahtglastafel zu zertheilen. Man kann auch die freiliegenden Drähte
durch Eintauchen der Platte bis zur Schnittfläche in eine Säurelösung zerfressen
lassen und so die Verbindung der beiden Platten lösen. (Amerikanische Patente Nr.
531874 und Nr. 531875.)
Verfahren zur Herstellung von Glasröhren durch Walzen
von Paul Sievert in Dohlen bei Dresden. Es lag bei der
Ausführung des Verfahrens der Herstellung von Glasstangen durch Walzen nach dem
Patente Nr. 70228 (vgl. 1894 292 30) der Gedanke nahe,
dieses Verfahren unter Benutzung eines geeigneten Kernes, zur Herstellung von Röhren
umzuwandeln.
Textabbildung Bd. 299, S. 14
Walzen der Glasröhren von Sievert.
Die Fig. 7 und 8 zeigen einen hierfür
umgeänderten Apparat. Es sind ee die mit Rillen
versehenen Walzen. Ueber denselben ist ein Bassin d zur
Aufnahme flüssiger Glasmasse angeordnet, h ist der
Kern, welcher oberhalb und unterhalb der Walzen centrisch in dem durch dieselben
gebildeten Kaliber geführt wird und durch das Bassin hindurch innerhalb dieses
Kalibers nach unten gleiten kann. Der untere Abschluss des Bassins wird durch die
beiden Rillenwalzen, auf deren Achsen Scheiben mit Ringen g bezieh. Nuthen b vorgesehen sind, bewirkt,
so dass durch Ineinandergreifen beider auch nach den Seiten ein Abschluss geschaffen
ist. Das Verfahren selbst bedarf wohl keiner Erörterung.
Um den Kern h jederzeit bequem aus dem Glasrohre
entfernen zu können, erhält derselbe die in Fig. 9 und 10 dargestellte
Einrichtung, wonach er aus vier zusammenziehbaren Theilen besteht; k ist ein ihn umgebendes Glasrohr.
Textabbildung Bd. 299, S. 14
Fig. 11.Walze der Glasröhre.
Die Herstellung von Glasröhren unter Anwendung von Walzen und zusammenziehbaren
Kernen kann auch mit der Vorrichtung nach Fig. 11 bis
13 geschehen, wonach zwei Halbrundungen gewalzt
und dann zu einem Rohr zusammengeschweisst werden, a
ist die rinnenartige Form, deren Aushöhlung dem äusseren Durchmesser des
herzustellenden Rohres entspricht. Auf der oberen Fläche derselben gleitet in Nuthen
bb das zur Aufnahme des flüssigen Glases bestimmte
Bassin, welches aus den Seitenwänden dd und der
Stirnwand c besteht. Den Abschluss nach hinten bildet
ein Theil der Umfläche der Walze e. Der Durchmesser
derselben ist so bemessen, dass zwischen Walze und Form die Wandstärke des zu
bildenden Rohres verbleibt. Da es von Wichtigkeit ist, bei dem Walzprocesse die Höhe
der Glasmasse in dem Bassin stets gleich hoch zu erhalten, so ist die Wand c derart verschiebbar eingerichtet, dass sie nach
Maassgabe des fortschreitenden Walzprocesses gegen die Walze e vorgeschoben wird. Zur Ausführung dieser Verschiebung ist auf der
Walzenachse ein Kegelrad l aufgekeilt, welches in ein
zweites, auf der an der Seitenwand d des Bassins
gelagerten Achse m befestigtes l1 eingreift. Die Welle m trägt ein Zahnrad n,
welches wiederum mit einem Zahnrade n1, dessen Nabe als Mutter für die an der Stirnseite c sitzende Schraube o
ausgebildet ist, ausgestattet ist. Der Umlauf der Walze e wird also die Stirnwand c vor- oder
rückwärts verschieben und dadurch den Inhalt des Bassins verkleinern bezieh.
vergrössern.
Textabbildung Bd. 299, S. 15
Fig. 12.Walzen der Glasröhren.
Ist mit dieser Vorrichtung die Hälfte eines Rohres von der Länge der Form a hergestellt (Fig. 12),
so wird dieselbe abgehoben, ein zusammenziehbarer Kern h von entsprechenden Abmessungen in das fertig gebildete halbrunde Rohr
eingelegt und nun ein zweiter Walzapparat (Fig. 13)
mit Glasbassin aufgesetzt, der sich von dem erst beschriebenen Apparate nur durch
die veränderte Form der Walze i unterscheidet; während
die Walze e theilweise convexe Umfläche hat, ist die
der Walze i concav. Das Bassin dieses Walzapparates
wird nach dem Aufsetzen mit Glasmasse gefüllt und derselbe dann auf der Form a über den Kern h entlang
geführt. Hierdurch wird das zweite Halbrund des Glasrohres gebildet, welches durch
den Druck der Walze mit dem zuerst hergestellten Halbrund zu einem Glasrohr
zusammenschweisst. Die weitere Behandlung des auf dem Kerne h befindlichen Glasrohres ist die bereits oben beschriebene. (D. R. P. Kl.
32 Nr. 71563 vom 10. December 1892, Zusatz zu Nr. 70228.)
Textabbildung Bd. 299, S. 15
Fig. 13.Walzen der Glasröhren.
Verfahren der Herstellung von Glasgefässen von Paul Sievert in Dohlen bei Dresden. Nach dem Patent Nr.
68601 (1893 290 175) werden Glasrohre grösserer
Abmessungen dadurch hergestellt, dass auf die Rohr Wandstärke ausgewalzte Glastafeln
um einen Kern zusammengeschlagen, die Stosskanten zusammengeschweisst, sodann die so
gebildeten Rohre mit dem Kerne in einen Mantel gebracht und in diesem ausgerollt
werden. Dieses Verfahren ist von Sievert zur
Herstellung von Glasgefässen weiter ausgebildet worden. In gleicher Weise wie nach
dem Stammverfahren wird zunächst eine entsprechend grosse Glastafel ausgewalzt und
dann um einen zweckmässig etwas konischen Kern zusammengeschlagen und verschweisst.
Hierauf bringt man beide in eine Mantelform, welche die äussere Gestalt des
herzustellenden Gefässes hat, dabei am konischen Ende so viel Glasrohr freilassend,
als zur Bildung des Bodens nöthig ist. Nachdem auch der Kern gleich viel
zurückgezogen worden ist, formt man das freistehende Glasrohrende um das Ende
des Kernes zu einem Boden, wozu man behufs leichteren Zusammenlegens Einschnitte in
das Glas macht und das überflüssige Glas wegnimmt. Eine derartige Herstellung von
Glasgefässen dürfte auf grosse praktische Schwierigkeiten stossen, da die
verschiedenen Phasen des Verfahrens einen plastischen Zustand des Glases bedingen.
Sievert selbst macht deshalb verschiedene
Vorschläge, um diesen Uebelstand zu vermeiden. So soll zum Anheften der
Bodenausschnitte etwas heisses Glas aus dem Schmelzofen benutzt werden. Statt dessen
könne auch der Boden für sich hergestellt und nachträglich an das zwischen Mantel
und Kern befindliche Glasrohr angeschmolzen werden. (D. R. P. Kl. 32 Nr. 71514 vom
1. Februar 1893, Zusatz zu Nr. 68601.)
Verfahren zur Herstellung flacher Glasgegenstände durch
Ausstanzen aus Glasplatten von Paul Sievert,
Dieses im J. 1892 von Sievert erfundene Verfahren,
Gegenstand des Patentes Nr. 67292 (1893 290 175), hat
wesentliche Verbesserungen erfahren. In Kürze besteht das ursprüngliche Verfahren
darin, dass flüssige Glasmasse auf einem glatten Walztisch zunächst durch eine
glatte Walze zu einer Glasplatte ausgewalzt und dann sofort durch eine zweite, mit
verjüngten Leisten besetzte Walze gestanzt wird. Beide Walzen sind zweckmässig in
einem gemeinsamen Gestell gelagert. Die mit Leisten besetzte Stanzwalze bestand bei
diesem Verfahren aus einem einzigen Gusstück und war nicht nur schwierig, sondern
auch mit grossen Kosten herzustellen. Ausserdem aber zeigten diese Walzen beim
Stanzen selbst mehrere Nachtheile. Die kalte Walzenoberfläche wirkte stark
abschreckend auf die Glasplatte, deren unverminderte Plasticität zu leichtem
Eintritt der Leisten und scharfer Begrenzung der eingestanzten Flächen erforderlich
ist. Ferner wurde bei dieser Einrichtung, wobei also Walze und Leisten aus einem
einzigen Gusstück bestanden, der Betrieb sehr oft dadurch ein unrationeller, dass
beim Ausstanzen stets alle auf der Stanzwalze befindlichen Umrisse zur Wirkung
gelangen mussten, obwohl oftmals die Herstellung mancher dieser Figuren gar nicht
erwünscht war. Es blieb in solchen Fällen dann nichts anderes übrig, als die nicht
verwendbaren ausgestanzten Theile der Glasplatte in den Glasofen zurück zu geben.
Schliesslich ergab sich auch beim praktischen Betrieb, dass die zwischen den von den
Leisten umgebenen Vertiefungen der Walze und der Glasmasse eingeschlossene Luft sehr
nachtheilig auf die Form der plastischen Glasoberfläche einwirkte und zu vielem
Ausschuss Veranlassung gab. Versuche, die Walzenfläche an geeignet vielen Stellen zu
durchbohren, schafften zwar in dieser Beziehung Abhilfe, riefen dafür aber oftmals
den Nachtheil hervor, dass sie sich mit flüssiger Glasmasse vollsetzten, die nur
äusserst mühsam wieder zu entfernen war.
Diese Nachtheile hat Sievert durch seine sogen.
Skelettwalzen mit auswechselbaren Leisten vollkommen beseitigt. Eine derartige Walze
ist in Fig. 14, sowie ein Theil derselben in
vergrössertem Maasstabe in den Fig. 15 und 16 dargestellt. Die
Skelettwalze besteht aus einem regelmässigen oder unregelmässigen Gitter, welches die Umfläche
derselben bildet. Die die Figuren, Buchstaben u. dgl. erzeugenden verjüngten Leisten
a werden mittels Schrauben auf der durchbrochenen
Umfläche befestigt, sind also beliebig austauschbar. Ihre Herstellung geschieht in
folgender Weise: Zunächst wird dieselbe in Holz modellirt, geformt und ein Abguss
davon in einem biegsamen Metall, wie Zinn oder Blei oder einer Composition, gemacht.
Diesen Abguss biegt man dann nach Maassgabe der Walzenumfläche, formt ihn und stellt
in dieser Form einen zweiten Abguss aus Eisen, Bronze o. dgl. her, der nach dem
Zurichten mittels kleiner Schrauben auf der Skelettwalze befestigt wird und demnach
leicht gegen andere, falls die Anfertigung der durch sie herstellbaren Figuren nicht
mehr gewünscht wird, ausgetauscht werden können.
Textabbildung Bd. 299, S. 16
Fig. 14.Sievert's Skelettwalze.
Für das Ausstanzen grösserer Gegenstände oder von Massenartikeln empfiehlt Sievert zwei Walzen, von denen die eine eine Glättwalze
und die zweite die vorstehend beschriebene Skelettwalze ist. Beim Ausstanzen
kleinerer Gegenstände sind hingegen statt dieser Walzen besser Pressplatten
anzuwenden. Am zweckmässigsten sind dann beide Platten, von denen die eine die
Glasmasse zu einer Platte auspresst, die andere aus derselben die gewünschten
Figuren, Buchstaben u. dgl. ausstanzt, in der Weise vereinigt, dass die eine
(glatte) Seite die Druck- bezieh. Pressfläche für das erste Niederdrücken der
Glasmasse und die andere (gitterartige) Seite die mit verjüngten austauschbaren
Leisten besetzte Ausstanzfläche bildet. Diese vereinigten Platten werden in einem
Bügel drehbar und feststellbar aufgehängt, so dass zunächst die Druckfläche
niedergeht und die Glasmasse ebnet und nach Erheben dieser Platte eine Umdrehung im
Bügel stattfindet, so dass die Ausstanzfläche nach unten steht und bei erneutem
Niedergehen der Platten in die Glasplatte eindringt. (D. R. P. Kl. 32 Nr. 71635 vom
14. Januar 1893, erster Zusatz zu Nr. 67292.)
Textabbildung Bd. 299, S. 16
Sievert's Skelettwalze.
In einem jüngeren Patente hat Sievert das durch das
Hauptpatent (Nr. 67292) geschützte Glasstanzverfahren wesentlich erweitert.
Nach seinen bisherigen Patenten konnten nur Gegenstände mit ebener Grundfläche
hergestellt werden, deren Oberfläche beliebig zu gestalten war. Eine abgerundete
Oberfläche entsteht hierbei dann von selbst, wenn auf die Oberfläche des zwischen
den Stanzleisten befindlichen Glases kein Druck ausgeübt wird, namentlich also bei
Anwendung der im Patent Nr. 71635 beschriebenen Skelettwalzen (vgl. Fig. 17). Gleichzeitig
nimmt hierbei in Folge der Dehnung des Glases zwischen den Leisten unter Mitwirkung
der Hitze der auszustanzenden Glastafel die Oberfläche derselben eine Feuerpolitur
an, wie sie sonst nur beim Blasen, Ausziehen oder Einwärmen von Glas zu erzielen
ist.
Um auch Gegenstände mit unebener Grundfläche (erhaben oder vertieft) herstellen zu
können, gibt Sievert der Unterlage, auf welcher das
Ausstanzen des Glases vorgenommen wird, Erhöhungen oder Vertiefungen. Die Fig. 18 bis 21 veranschaulichen das
neue Verfahren. Versieht man die Unterlage a mit einer
Vertiefung a1 und lässt
die Stanzleisten oder -messer i in die Glasmasse g eintreten, so entsteht ein Körper e von linsenförmigem Querschnitt. Haben die Stanzmesser
i hierbei eine kreisringförmige Gestalt, so hat der
Glaskörper e die Gestalt einer biconvexen Linse. In
gleicher Weise können durch Stanzen auch convex-concave Linsen hergestellt werden
(Fig. 20 und 21). (D. R. P. Kl. 32
Nr. 81096 vom 22. September 1894, zweiter Zusatz zu Nr. 67292.)
Textabbildung Bd. 299, S. 16
Sievert's Glasstanzverfahren.
In seinem Hauptpatente Nr. 67292 empfiehlt Sievert, die
Stanzleisten nicht völlig durch das Glas treten und die Glasgegenstände bereits
durch Stanzen gänzlich aus der Glasplatte abzutrennen, sondern dieselben durch eine
dünne Glasschicht an einander hängen zu lassen, und zwar deshalb, um die Gegenstände
als ein noch zusammenhängendes Ganzes in den Kühlofen transportiren zu können. Die
Trennung der einzelnen Gegenstände von einander erfolgt dann nach beendeter Kühlung
durch Abschleifen der Rückseite der Platte oder durch Ausbrechen derselben. Um diese
beiden Arbeitsvorgänge leichter und sicherer vornehmen zu können, schlagen Goerisch und Co. in Dresden vor, als Unterlagplatte
keine ebene Platte, sondern eine solche zu verwenden, welche den Stanzleisten,
-messern o. dgl. gegenüber geringe Vertiefungen besitzt. Eine solche Platte ist in
der Fig. 22 abgebildet,
in welcher A die Unterlage, B die plastische Glasplatte bedeuten; a und
bsind die Stanzmesser und Lochstempel, welchen die
Vertiefungen c der Platte A gegenüber stehen. Es bilden sich in Folge dessen auf der unteren Fläche
der Glasplatte Wulste c1 (Fig. 23).
Eine solche gestanzte Glasplatte nach dem Kühlen zu zerlegen, ist wesentlich
leichter, da man nicht die ganze Rückfläche der Glasplatte bis auf die Stanzschnitte
abzuschleifen braucht, sondern nur die kleinen Wulste c1. (D. R. P. Kl. 32 Nr. 78738 vom 17.
März 1893, von Nr. 67292 abhängiges Patent.)
Textabbildung Bd. 299, S. 17
Unterlagplatte zum Walzen von Goerisch und Co.
(Fortsetzung folgt.)