Titel: | Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem ersten Halbjahre 1895. |
Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 110 |
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Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem
ersten Halbjahre 1895.
(Letzter Bericht Bd. 296 * S. 140 und
163.)
Mit Abbildungen.
Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem ersten Halbjahre
1895.
1) Die Rübenzuckerfabrikation.
Auf die Wichtigkeit der Rübenculturversuche nicht nur für die Landwirthschaft allein,
sondern auch für die Zuckerindustrie haben wir bereits in dem BerichteD. p. J, 1895 296 140. über „Die Fortschritte der
Rübenzuckerindustrie in den Jahren 1893 und 1894“ hingewiesen. Es nehmen
daher Düngungs- und Culturfragen auf den verschiedenen Versammlungen der Vereine für
Rübenzuckerindustrie einen hervorragenden Platz ein, ebenso wie man auch den
Rübenkrankheiten und der Rübensamenzucht grosse Aufmerksamkeit zuwendet. Strohmer, Briem und StiftOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für
Zuckerindustrie und Landwirthschaft, 1895 XXIV 8. 25.
studirten den Einfluss des Ackerbodens auf die
Samenproduction der Zuckerrübe und fanden, dass der Einfluss des Factors
Boden bei der Rübensamenproduction nicht nur in der Quantität und Qualität der
geernteten Samenknäule zur Geltung kommt, sondern auch in den aus diesen Samen
erwachsenen Rüben, also den ersten Nachkommen der Mutterrüben. DieselbenIbid. 1895 XXIV S. 279. stellten
auch weitere Untersuchungen über die Stoffbildung und den
Nährstoffverbrauch der Zuckerrübe im zweiten Wachsthumsjahre an, welche die
Resultate früherer Versuche bestätigten und im heurigen Jahre ihre Fortsetzung in
normaler Ackererde finden sollen.
Ueber die Culturversuche mit Beta im Jahre 1894 und über
Beobachtungen an Wildformen auf natürlichen Standorten liegen ausgedehnte
Untersuchungen von E. v. ProscowetzIbid. 1895 XXIV S. 227. vor, wobei
Beta maritima L. und Beta vulgaris S. zum Anbau kamen.
J. VychinskiBulletin de l'association des chimistes de sucrerie
et distillerie, 1894/95 XII S. 383. hat über die Beziehungen zwischen dem Zuckerreichthum der Rübe
und dem Blattcharakter zahlreiche Versuche angestellt und Beziehungen
bezüglich der Farbe der Blätter, der Anzahl ihrer Ringe (es sind hierbei die
concentrischen Ringe der Anhaftung der Blätter an die Wurzeln gemeint), ihrer
Anordnung und ihrer Formen zu dem Zuckergehalt der Rüben gefunden.
In eingehender Weise legt FrankZeitschrift des
Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reiches, 1895
XXXXV S. 157. die Resultate seiner neuen
Untersuchungen über Phoma Betae nieder, eine Krankheit, durch welche der
deutsche Rübenbau in den letzten Jahren grosse Verluste erlitten hat. Frank studirte genau das Wesen und die Ursache der
Krankheit und kommt zu dem Schluss, dass Phoma Betae ein in den Rübenböden
wahrscheinlich sehr verbreiteter Pilz ist, der jedoch auf Böden mit genügender
Feuchtigkeit und in Jahren mit ausreichenden Niederschlägen für die Rübenpflanzen so
gut wie ungefährlich ist. Durch die weiteren Forschungen Frank's wurden auch die Lebensweise dieses Pilzes klargelegt und
diejenigen Bekämpfungsmittel in den Kreis der Untersuchungen gezogen, welche
Aussicht auf Erfolg haben und im Bereich praktischer Möglichkeit liegen. Auch HollrungZeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie
des Deutschen Reiches, 1895 XXXXV S. 189.
beschäftigte sich mit dieser Pflanzenkrankheit, wie er überhaupt die im Jahre 1894 an der Zuckerrübe beobachteten
Krankheitserscheinungen übersichtlich zusammengestellt hat. Von demselben
ForscherIbid. S.
294. liegen auch weitere Versuche zur
Bekämpfung der Rübenmüdigkeit durch Kalisalze vor, aus welchen hervorgeht,
dass die Kalidüngung unter gewissen Verhältnissen lindernd einzugreifen im Stande
sein wird; nicht angängig ist es jedoch, dieselbe als Specificum für die
Rübenmüdigkeit anzusprechen.
Betreffs des Wurzelbrandes, dieser weit verbreiteten
Rübenkrankheit, steht E. KarlsonIbid. S. 434. auf dem Standpunkte,
dass dieselbe einzig und allein durch parasitische Pilze hervorgerufen wird, deren
Sporen sich schon auf der Samenkapsel, wohin sie durch den Wind von dem
Rübensamenfelde oder auch von den benachbarten Feldern getragen werden, befinden.
Der Wurzelbrand ist eine Schwächlichkeits-, Entartungskrankheit der Rübe und eine
directe Folge forcirter Stecklingszucht im Zusammenhang mit der ganzen Richtung der
Samencultur aus Stecklingen, welche die natürlichen Bedürfnisse der Pflanze
unberücksichtigt lässt und einzig und allein auf die möglichst billige
Samenproduction gerichtet ist. Karlson plädirt daher
für rationelle Samenzucht.
Die von Karlson verfochtenen Ansichten dürften zu einer
Polemik, namentlich von Deutschland aus, führen.
Ueber Einmiethungsversuche mit Zuckerrüben liegen
Untersuchungen von H. ClaassenIbid. S. 204. vor, welche den Werth
der verschiedenen Einmiethungsverfahren in einwurfsfreier Weise darlegen. Bei der
Bedeutung und Wichtigkeit des Einmiethens der Rüben für die spätere Verarbeitung in
der Fabrik geben wir die von Claassen gefundenen
Resultate in ihren Hauptzügen wieder: Ueberall, wo Regen oder Feuchtigkeit zu den
Rüben gelangen kann, nehmen sie meistens an Gewicht zu oder doch nur sehr wenig ab;
wo keine Feuchtigkeit hinzugelangt, nehmen die Rüben stets an Gewicht ab. Je grösser
die Wärme des Miethenraumes ist, desto grösser ist der Gewichtsverlust. Jede Lüftung
der Miethen bewirkt je nach ihrem Grade eine mehr oder weniger starke
Gewichtsabnahme. Die Grösse der Gewichtsveränderungen hängt wesentlich von der
Witterung vor und nach der Ernte ab. Für eine gute Erhaltung der Rüben in den
Miethen ist eine hauptsächliche Voraussetzung, dass sie frisch, gesund und nicht
abgewelkt sind; sie sollen nicht zu früh, wenn möglich bei kühler Temperatur
eingemiethet werden.
Der wirkliche Zuckerverlust gleichartiger Rüben hängt hauptsächlich von der
Temperatur, der Feuchtigkeit und der Lüftung ab. Je höher die Temperatur, je grösser
der Wechsel zwischen Feuchtigkeit und Trockenheit und je stärker die Lüftung ist,
desto grösser ist der Zuckerverlust. Der wirkliche Zuckerverlust ist am kleinsten in
ganz kleinen, mit Erde bedeckten Haufen (0,006 bis 0,007 Proc. für den Tag), dann
folgen die Haufenmiethen (0,010 bis 0,012 Proc.), die wenig durchlüfteten Miethen
(0,012 bis 0,017 Proc.) und schliesslich die grosse und ziemlich warm eingedeckte
Erdmiethe (0,019 Proc.). Jeder anhaltende Wechsel in der Aussentemperatur macht sich
in allen Miethen bemerkbar, in den unbedeckten Haufenmiethen und in den der Luft
zugänglichen Stellen am schnellsten. Die durch Athmung erzeugte Wärme hielt die
Miethentemperatur in den Haufenmiethen um 2,5 bis 2,7°, in der Luftmiethe um 2,5°
und in der nicht ventilirten Erdmiethe um 7° höher, als die um 8 Uhr Morgens
gemessene Lufttemperatur.
Durch die Zersetzungsproducte des Zuckers und durch die Umwandlungsproducte anderer
Rübenbestandtheile vermehrt sich die Menge des bei der Verarbeitung in den Säften
gelöst bleibenden organischen Nichtzuckers. Ein Theil desselben bildet mit Kalk
lösliche Salze, die durch Kohlensäure nicht zerlegt werden, so dass der Kalkgehalt
der Säfte steigt.
Bei niedrigen Zuckerpreisen machen sich kostspielige Einmiethungsanlagen nicht
bezahlt. Für Gegenden mit nicht zu kalten November- und Decembermonaten entspricht
die Haufenmiethe in ihren verschiedenen Grössen am besten den Anforderungen, welche
man für die Masseneinmiethung an die Fabrik stellen muss. Für den Landwirth bleibt
die nicht zu grosse und richtig behandelte Erdmiethe das beste
Einmiethungsverfahren.
In den folgenden Betrachtungen seien nun die wichtigsten Neuerungen der Technik
hervorgehoben.
Zur Frage: Ueber die Bildung von Invertzucker bei der
Diffusion und die Bedingungen derselben, hat L.
BeaudetBulletin de l'association des chimistes de sucrerie
et distillerie, 1895 XII S. 506. verschiedene
Untersuchungen ausgeführt. Versuchsreihe I sollte feststellen, ob sich bei normalem
Diffusionsbetrieb Invertzucker bildet, und wurde die Frage verneint; in einem Falle
wurden sogar in den Rüben verhältnissmässig mehr reducirende Substanzen als in dem
Diffusionssaft gefunden. Da sich Beaudet dieses
Resultat nicht erklären kann, so werden die Versuche in der nächsten Campagne ihre
Fortsetzung finden. Bei Versuchsreihe II wurde zu ermitteln gesucht, ob sich bei
unterbrochenem Betrieb der Diffusionsbatterie Invertzucker bildet. Der Betrieb blieb
5, 8 und 9 Stunden eingestellt. Beaudet schliesst nun
aus den Ergebnissen der zweiten Versuchsreihe, dass eine Zerstörung von Zucker in
einer Diffusionsbatterie dann stattfindet, wenn die Arbeit während einer gewissen
Zeitdauer unterbrochen wird. Die Menge der reducirenden Substanzen nimmt bedeutend
zu, je länger die Unterbrechung der Arbeit dauert. Beaudet hatte ferner beobachtet, dass in den Säften und Syrupen nur
geringe Mengen von Kalksalzen vorhanden waren; zur Zeit aber, wo der Betrieb wegen
Reparaturen u.s.w. auf 6 bis 8 Stunden eingestellt werden musste, wurden bei der
Wiederaufnahme der Arbeit bedeutende Mengen von Kalksalzen in den Syrupen
constatirt. Das Maximum dieser Mengen wurde dann erreicht, wenn der während der
Einstellung des Betriebes in der Batterie verbleibende Saft zur weiteren
Verarbeitung kam. Beaudet schliesst nun, dass diese
Invertzuckerbildung ihren Haupteinfluss in einer Erhöhung der Menge der Kalksalze in
den Säften, Syrupen und Füllmassen äussert.
Einen einfachen Schnitzel- oder Pülpefänger benutzt H. ClaassenCentralblatt für die Zuckerindustrie der Welt,
1895 III S. 448., der im Princip dem Melichar'schen Apparate ähnlich ist und ohne erhebliche Kosten in jeder
Fabrik selbst angefertigt werden kann. Vorausgesetzt ist nur, dass der
Diffusionssaft in besonderen Messkästen gemessen wird. In diesem Messgefäss ist der
Schnitzelfänger F eingebaut, wie aus Fig. 1 ersichtlich ist. Der konische Theil ist
aus Eisenblech hergestellt und auf den Boden des Messgefässes M aufgeschraubt. Der cylindrische Theil ist aus
gelochtem Eisenblech, hat einen Durchmesser von 500 bis 600 mm und eine Höhe bis zur
Oberkante des Messgefässes. Die Löcher des Eisenbleches sollen einen Durchmesser von
höchstens 1 mm haben und möglichst nahe zusammenstehen, damit der freie Querschnitt
recht gross wird. Wenn der Diffusionssaft von der Batterie in das Messgefäss
gedrückt wird, so gelangt er zuerst in den Siebcylinder und läuft durch die Löcher
hindurch, während die Schnitzelstückchen und Fasern zurückgehalten werden. Ist das
Messgefäss gefüllt, so wird der Saft nach den Vorwärmern abgelassen und es lösen
sich bei dem Abzug die angesetzten Rüben fasern los und sinken entweder mit dem Saft
hinunter oder bleiben gelockert an der Siebwand hängen. Durch die periodischen
Füllungen und Entleerungen wird eine derartige Reinigung des Siebes erzielt, dass
jede weitere unnöthig ist. Ist eine Runde der Diffuseure abgedrückt, so öffnet man
(bei geschlossenem Saftventil der Diffusion), wenn der Inhalt des letzten der
Diffuseure der Runde zur Hälfte hoch gedrückt ist, ganz kurze Zeit das Ventil für
den Pülpeabzug. Der Saft schiesst alsdann aus dem Inneren des Schnitzelfängers durch
das konische Stück hinaus und reisst sämmtliche darin aufgefangene Pulpe mit. Den
aus dem Pülpefänger abgezogenen Saft mit den Schnitzelfasern u.s.w. leitet man
zweckmässig in den eben mit Schnitzeln frisch beschickten Diffuseur. Sollte sich
einmal das Sieb verstopfen, so ist die Reinigung mit Bürsten sehr einfach, weil der
Schnitzelfanger oben offen ist.
Textabbildung Bd. 297, S. 111
Fig. 1.Schnitzel- oder Pülpefänger von Claassen.
Claassen benutzt den Apparat seit zwei Campagnen mit
befriedigendem Erfolg.
Ueber die Einwirkung von Gerbsäuren auf Rübensäfte
berichtet neuerdings O. VibransDie deutsche Zucker
Industrie, 1895 XX S. 82., nachdem er der Meinung ist,
dass die Abscheidung von organischen Bestandtheilen aus Rübensäften durch Gerbsäure
nicht vollständig zu verwerfen ist, denn man kann immerhin darin einen Vortheil
erblicken, wenn es gelingt an organischem Nichtzucker ärmere Zucker zu erzeugen,
schon in Hinsicht auf das deutsche Nichtzucker-Rendement. Die Anwendung des Tannins
in der Scheidestation ist eine beschränkte. Bei zu hohem Kalkgehalt wird das Tannin
durch Kalk zersetzt; es bilden sich, ausser noch nicht genau bekannten Verbindungen,
Humussubstanzen, die den Saft färben und verschlechtern. Werden Rübensäfte bis zur
Neutralität mit Kohlensäure saturirt und dann Gerbstoff hinzugesetzt, so ist
letzterer theilweise im Ueberschuss, löst den entstehenden Niederschlag, und der
Ueberschuss von Gerbstoff muss wieder durch neue Fällungsmittel beseitigt werden,
die dann dem Saft wieder neue Verunreinigungen zuführen. Die Versuche haben am
Schluss ergeben, dass das Tannin eine annähernd so günstige Wirkung wie die
Scheidung eines Rübensaftes mit Kalk nicht ausübt. Auch gegenüber der
Reinigungswirkung durch Tannin und andere Saftverbesserungsmittel ist der Kalkeffect
stets vorherrschend.
Es wäre übrigens Zeit, die Verwendung des Tannins in der Zuckerfabrikation, sei es
zur Reinigung oder zur Klärung von Zuckersäften, endgültig zu den Todten zu werfen,
nachdem es durch andere wohlerprobte Mittel vollständig ersetzt werden kann. Dazu
kommt noch, dass es ausserordentlich schwierig ist, im Handel optisch inactives
Tannin zu erhalten; jede andere Sorte ist aber speciell für die Zuckerfabrikation
unbrauchbar.
Ueber das elektrische Saftreinigungsverfahren von
Schollmeyer, Behm und Dammeyer liegt ein ausführlicher Bericht von A. BaudryL'alcool et le sucre, 1895 III S.
104. vor, und zwar nach Versuchen, die in der russischen Zuckerfabrik
Stepanofka durchgeführt wurden. Da die Versuche, sowie die Einrichtung genau
beschrieben werden, so dürfte eine eingehendere Wiedergabe von Interesse sein, um so
mehr, als sich über dieses Verfahren noch wenig fremde Stimmen geäussert haben.
Die tägliche Verarbeitung in Stepanofka beträgt ungefähr 450000 k Rüben, welche 5000
bis 5200 hl Diffusionssaft ergeben. Die Installation war einfach und wenig
kostspielig, da der Dynamo direct durch Transmissionen betrieben wurde – ein
Verfahren, welches sich aber nicht empfiehlt. Der Dynamo hatte zwei Collectoren, und
die Spulen waren mit dickem Draht umsponnen. Seine Leistungsfähigkeit war 200 Ampère
bei einer elektromotorischen Kraft von 6 Volt. Im Betrieb war seine
Leistungsfähigkeit näher 50 als 100 Ampère, und zwar in Folge des Widerstandes des
Niederschlages, welcher unaufhörlich die Elektroden bedeckte, obwohl die
Stromrichtung unzähligemal, um den Niederschlag zu entfernen, gewechselt wurde. Ein
grosses Reservoir von cylindrischem Querschnitt (ein alter Melangeur) war in vier
Abtheilungen getheilt, welche hinter einander lagen; in jeder der Abtheilungen 2, 3
und 4 war eine Gruppe von fünf Zinkelektroden in der Weise angebracht, dass sie
methodisch mit dem Saft in Berührung waren, welcher von der Abtheilung 1 kam, in
welche wieder der Saft aus dem Vorwärmer floss. Die Zinkelektroden, 15 an der Zahl,
besassen eine totale Oberfläche von 84,6 qm. In jeder Gruppe von fünf
Elektroden waren drei Platten mit dem positiven, zwei mit dem negativen Pol
verbunden, oder umgekehrt, wenn die Stromrichtung gewechselt wurde. Der
Diffusionssaft kam nach Passirung eines Pülpefängers in die Vorwärmer, wo er auf 80°
C. gebracht wurde, und von da in die Abtheilung 1 des Reservoirs, in welchem ihm so
viel Kalk zugesetzt wurde, dass er ungefähr 2,5 g CaO auf 1 l enthielt. Indem der
Saft seinen Weg fortsetzte, kam er in Berührung mit der Elektrodengruppe der
Abtheilung 2, dann successive in die Abtheilungen 3 und 4, und dann endlich zur
ersten Saturation. Die Saftbewegung war eine stetige. Jede Abtheilung war mit einem
Ablassventil versehen, durch welches von Zeit zu Zeit der gebildete Niederschlag
abgelassen wurde. Diese Niederschläge wurden nach Anwärmung und Zugabe von ein wenig
Kalk direct über Kroog'sche Filterpressen getrieben.
Der elektrolysirte Saft wurde, wie gewöhnlich, nach Zugabe von 1,75 Proc. Kalk
(welches eine Verminderung von 20 bis 30 Proc. gegen früher ergibt) saturirt, war
nach dem Verlassen der Filterpressen klar, sehr wenig gefärbt, verdampfte mit
grosser Leichtigkeit, und der Dicksaft verliess, selbst am Ende der
Fabrikationsperiode, das Quintuple-effet mit einer Stärke von 30° Bé., während es in
derselben Epoche des vorhergegangenen Jahres schwierig war, ihn stärker als mit 25°
Bé. zu erhalten, und zwar in Folge von Incrustationen, welche in der erwähnten
Epoche immer stärker auftraten. Die Füllmassen waren trocken, wenig gefärbt und
schleuderten sich leicht; nichtsdestoweniger war es aber nicht möglich, eine
Erhöhung des Rendements und der Qualität des Zuckers zu constatiren. In Russland
erzeugt man nämlich nur Zucker von sehr hoher Reinheit in Form von
„Sandzucker“. Es ergab sich aber doch eine Verbesserung der Arbeit, da
man zur Anwendung von geringeren Kalkmengen, zum Aussaturiren von mehr Kesseln in
der Stunde und zur Erzielung eines Saftes von besserer Qualität angelangt war. Baudry hat nun gefunden, dass die Reinigung des Saftes
unter dem Einfluss folgender drei Factoren stattgefunden hat: 1) Temperatur, 2) Kalk
und 3) Elektrolyse. Es scheint nun, dass die Elektrolyse in derselben Weise wie der
Kalk wirkt, wenn letzterer von einer entsprechenden Temperatur unterstützt wird, und
dass es dieselben Substanzen sind, welche angegriffen werden. Die Elektrolyse wirkt
auf dieselben organischen Substanzen wie der Kalk, ohne jedoch dieselbe Energie wie
jener bei einer Temperatur von 80° C. zu besitzen. Die Erfinder des Verfahrens
empfehlen, die Säfte während der Elektrolyse auf eine Temperatur von 65° R.,
entsprechend 81° C., zubringen. Es erübrigte daher noch, den Einfluss der Temperatur
des Saftes vor der Elektrolyse zu studiren und zu sehen, ob eine Erhöhung der
Temperatur der Reinigungswirkung nicht günstig sei, in Folge des weniger grossen
Widerstandes, welche der Saft dem elektrischen Strome entgegenstellt. Die Versuche
constatirten deutlich, dass eine Erhöhung der Temperatur auf 90 bis 95° C. ungünstig
gewirkt hat, nachdem sogar eine Verminderung der Reinheit, in Folge
Wiederlöslichwerdens eines Theiles des Niederschlages, welcher sich vorher durch
Einwirkung von Kalk und Wärme gebildet hat, eingetreten ist.
Der Einfluss der Elektrolyse ist aber unzweifelhaft, da an Tagen, wo der Dynamo
stillstand, es zur regelmässigen Arbeit nothwendig war, die Menge des Kalkes zu
erhöhen. Zu Ende der Campagne waren die Füllmassen, welche vom elektrolysirten
Safte herkamen, trocken, wenig gefärbt und enthielten 0,161 g organisch-sauren Kalk,
während diejenigen der gewöhnlichen Arbeit dunkler waren und 0,210 g
organisch-sauren Kalk enthielten.
Die Abläufe der beiden Füllmassen enthielten 0,382 bezieh. 0,510 g organisch-sauren
Kalk. Es scheint also, dass die Elektrolyse (welche durchaus nicht im Stande ist, so
viel organischen Nichtzucker zu entfernen, wie die vorhergehende Scheidung, welche
sie im Verfahren Schollmeyer begleitet) sowohl auf
gewisse organische Verbindungen, welche der Kalk in derselben Zeit nicht vollständig
zerstört, als auch auf einen Theil des fällbaren oder durch Kalk bei passender
Temperatur zerstörten organischen Nichtzuckers einwirkt. Das Verfahren von Schollmeyer ist sicherlich modificationsfähig, aber
auch so wie es ist, kann es den Zuckerfabrikanten gute Dienste leisten. Sein
hervorragendstes Verdienst ist, eine bemerkenswerthe Kalkersparniss zu gestatten (25
bis 30 Proc.), wenn man es mit einer vorhergehenden Scheidung combinirt, wie es die
Erfinder empfehlen.
Baudry spricht sich also für das Verfahren in günstiger
Weise aus. Manche Versuchszahlen, die er gibt, können aber nur mit grossem Bedenken
aufgenommen werden; denn z.B. eine Reinheit eines elektrolysirten Saftes von 99,40
Proc. ist, wenn nicht irgendwelcher Druckfehler vorliegen sollte, überhaupt nicht
discutabel.
Gegenüber dem Angriffe, welchen das elektrische Reinigungsverfahren erfahren hat und
welcher dasselbe für unbrauchbar erklärt, erwidert DammeyerDie deutsche Zuckerindustrie, 1895 XX S.
433., dass sich die von ihm getroffene Einrichtung der
elektrischen Anlage in der Zuckerfabrik Ottleben in der Campagne 1894/95 ganz
vorzüglich bewährt hat. Die Durchschnittsanalyse der Füllmasse des ersten Productes
(mit elektrischer Scheidung) und mit 2 Proc. Kalkzusatz betrug:
Zucker
89,3
Organischer Nichtzucker
3,07
Salze
2,65
Wasser
4,98.
Als Parallelversuch wurde 14 Tage ohne elektrische Scheidung gearbeitet und ergab die
Füllmassenanalyse bei 3 Proc. Kalkzusatz:
Zucker
86,8
Organischer Nichtzucker
4,31
Salze
3,31
Wasser
5,58.
Bei den Nachproducten zeigte sich bei den mit elektrischer Scheidung behandelten
Säften entschieden der Vortheil in der Mehrausbeute, sowie in der schnellen
Krystallisation. Dammeyer bemerkt schliesslich, dass
er, wenn die elektrische Scheidung nach seinen Angaben eingerichtet wird, bestimmte
Garantien über Mehrausbeute, weniger Kalkverbrauch und Erzielung eines höheren
Rendements des Zuckers sämmtlicher Producte übernimmt.
Die continuirliche Saturation findet in Frankreich immer
mehr Verbreitung. Der continuirliche SaturateurLa sucrerie indigène
et coloniale, 1895 XXX S. 179., System H. Vivien, in der Zuckerfabrik Calonne-Ricouart in
Anwendung, setzt sich aus einem System von krummlinigen Rühren zusammen, welche in
Querschnitt und Grösse der beabsichtigten Verarbeitung angepasst sind. Dieselben
sind, je nachdem es der einzelne Fall verlangt, entweder wagerecht oder schräg im
inneren Raum des Saturateurs angeordnet. Der mittels Klappen geregelte Eintritt
von Saft und Kohlensäure erfolgt gleichzeitig durch eine Rohrverzweigung, welche mit
der Hauptleitung des Saftes und des Gases verbunden ist. Gegenüber dem Safteintritt
befindet sich eine eigenthümliche Vorrichtung, welche den Zweck hat, den vorher mit
Kalk behandelten Saft zu zertheilen, um eine directe Berührung desselben mit dem
Saturationsgas in einer dünnen Schicht zu ermöglichen. Diese Vorrichtung besteht in
einem länglichen Kegel, welcher zwischen den Klammern der Rohre des Saturateurs
befestigt ist. Das Gas hat dieselbe Wegrichtung wie der Saft, und dadurch wird eine
gleichförmige Ausnützung desselben gesichert. Die Gasabsorption wird noch durch eine
beim Saftaustritt aufrecht stehende Säule unterstützt oder einfach dadurch, dass man
eine der Rohrabzweigungen nach aufwärts krümmt, so dass ein gewisser Druck auf die
im Apparat eingeschlossene Flüssigkeit entsteht, und auf diese Weise die Entleerung
des Saturationsgases, welches weniger dicht ist als der Saft, nach seiner Einwirkung
beschleunigt. In Folge dieser diversen Einrichtungen erhält man in einigen Minuten
eine vollständige Saturation, wobei weder ein Verlust an Gas, noch eine Alteration
des Saftes und eine starke Schaumbildung eintritt, da sich die Operation im
geschlossenen Gefäss vollzieht. Der Diffusionssaft wird in ein Gefäss gebracht, wo
man die Scheidung vornimmt; eine Pumpe bringt alsdann den geschiedenen Saft direct
in den Saturateur oder in ein geeignetes Gefäss. Man regulirt den Eintritt von Saft
und Gas in der Weise, dass der Saft den Apparat ungefähr ⅘ saturirt verlässt;
alsdann wird fertig saturirt, und zwar entweder in dem Gefäss, wo der Apparat
eingerichtet ist, wenn man die ununterbrochene Arbeit vorzieht, oder aber im
benachbarten Gefäss, wenn man die continuirliche Arbeit angenommen hat.
Im ersten Falle ist es nöthig, einen Apparat in jedem Saturateur anzubringen, im
zweiten Fall genügt ein einziger Apparat vollkommen. Ueberdies kann man die
Saturation im Saturateur selbst vollständig zu Ende führen. Das vorliegende System
besitzt noch ausserdem den Vortheil, dass man den Apparat nicht nur bei der ersten
und zweiten Saturation anbringen kann, sondern dass er sich auch zur Reinigung und
Entfärbung der Säfte durch schweflige Säure oder andere chemische Agentien anwenden
lässt. In der Zuckerfabrik Calonne-Ricouart (Pas de Calais) hat man mit diesem
Apparat sehr schöne Erfolge erzielt. Die Fabrik hat in der vergangenen Campagne 47 k
Kohle auf 1000 k Rüben weniger verbraucht, als in der vorhergegangenen, wobei die
Qualität der verwendeten Kohle dieselbe war. Man muss einen grossen Theil dieser
Ersparniss dem Umstand zuschreiben, dass das Niederschlagen des Schaumes mit Dampf
durch die Anwärmung des Saftes im Saturateur selbst überflüssig war, wodurch bei der
Schnelligkeit der Arbeit, welche ein Abkühlen der Säfte verhinderte, ein weiteres
Aufwärmen unnöthig wurde. Die Reinigungs- und Erhaltungskosten sind gleich Null, und
hat der Apparat die ganze Campagne, ohne aus einander genommen oder gereinigt zu
werden, functionirt. Nur die Dampfschnattern wurden wie gewöhnlich demontirt, doch
wird es in der Zukunft leicht sein, diese kleine Unbequemlichkeit zu umgehen.
Die Fabrik verarbeitete um ein Drittel mehr Rüben; man erzielte ausserdem eine grosse
Ersparniss an Gas,
Kalkstein und Koks. Ferner verhinderte der Apparat ein übermässiges Schäumen
und Wärme Verluste bei der Saturation und ermöglichte dadurch eine grosse Ersparniss
an Fett und Brennmaterial. Schliesslich hat man eine bessere Reinigung der Säfte und
eine höhere Ausbeute an Füllmasse und Zucker erzielt, als im Vorjahr. Die Vortheile
dieses Verfahrens sind sehr werthvoll, um so mehr, wenn man die einfache und billige
Installation in Rechnung zieht, welche sich an den in jeder Fabrik vorhandenen
Apparaten anbringen lässt.
L. Jesser hat seine umfangreichen Studien über AlkalitätenOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie und
Landwirthschaft, 1895 XXIV S. 299. weiter fortgesetzt
und speciell Versuche mit Rohsäften angestellt, welche aber noch lange nicht
abgeschlossen sind und keine sicheren Schlüsse auf die Zusammensetzung des
Nichtzuckers zulassen. Bezüglich dieser Abhandlung muss auf das Original verwiesen
werden.
Unter dem Titel Bericht über die Diffusionsversuche des
Vereinslaboratoriums hat Herzfeld in den
Vorjahren eine Reihe von Versuchen veröffentlicht, welche mit auf eigener kleiner
Batterie erzeugtem Diffusionssaft vorgenommen wurden. Obgleich diese Versuche das
engere Gebiet der Arbeit auf der Batterie bereits überschritten haben, so wurde des
Zusammenhanges der Arbeiten wegen der Name „Diffusionsversuche“ beibehalten.
Betreffs der Versuche der Campagne 1894/95 liegen die Resultate vor, und
beantwortete HerzfeldZeitschrift des
Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reiches, 1895
XXXXV S. 474. die Frage: Finden bei der
Scheidung unbestimmbare Verluste statt? Die Versuche der vergangenen
Campagne bezweckten in erster Linie einen Vergleich von in dritter Saturation mit
schwefliger Säure und mit Kohlensäure behandelter Säfte, und da vorauszusehen war,
dass dabei charakteristische Unterschiede in der Zusammensetzung der Dünnsäfte nicht
hervortreten würden, wurde der Saft im Vacuum zur Dicksaftconsistenz eingedampft.
Die Versuche waren aber leider unbrauchbar, da nämlich nur directer Dampf von etwa
130° C. zu Heizzwecken auch für den ersten und zweiten Körper zur Verfügung stand
und sich in Folge dessen beim Verdampfen ein sogen. Polarisationsverlust einstellte.
Interessant ist aber die Beobachtung, dass wider Erwarten die geschwefelten Säfte
bei genau gleicher Phenolphtalein-Alkalität des Dünn- und Dicksaftes wesentlich
besser in der Farbe ausfielen, als die entsprechenden nur mit Kohlensäure
behandelten. Diese Beobachtung steht mit den Herzfeld'schen älteren an künstlichen Säften, sowie mit den Ansichten anderer
Chemiker im Widerspruch. Die Erscheinung kehrte aber an den natürlichen Säften so
regelmässig und ausnahmslos wieder, dass an der Thatsache, für welche es schwer
fällt, eine wissenschaftliche Erklärung zu geben, nicht zu zweifeln ist. Die
Versuche haben aber nach einer nebenbei bearbeiteten Richtung hin ein positives
Resultat ergeben. Es wird nämlich gegen die Trockenscheidung nicht selten eingewendet, dass in Folge Zuckerzerstörung
beim Löschen des Kalkes im Saft grössere Zuckerverluste stattfinden müssten, und
gerade die Angst vor solchen ist es, welche manche Fabrikanten abhält, sich dem
Verfahren zuzuwenden. Um diese Frage zu prüfen, wurde eine Reihe quantitativer
Scheideversuche nach verschiedenen Verfahren ausgeführt, wobei die Menge des ein-
und ausgeführten Polarisationszuckers genau ermittelt wurde. Aus den Resultaten
kann man nun schliessen, dass ein nennenswerther Polarisationsverlust bei der sogen.
kalten nassen Scheidung nicht stattfindet. Aber auch bei der Trocken Scheidung
ergibt sich als Gesammtresultat, dass nennenswerthe sogen. unbestimmbare
Polarisationsverluste nicht stattgefunden haben. Wenn nun unter Umständen bei
anderem Rübenmaterial grössere Polarisationsverluste bei der Scheidung auftreten
können, so kann man annehmen, dass solche alsdann nicht von Zerstörung der
Saccharose durch Kalk herrühren.
Die Frage der Trocken- oder nassen Scheidung hat
überhaupt zu einem regen Meinungsaustausch geführt, der, nachdem sich Stimmen aus
beiden Lagern erhoben, zur Entscheidung der Streitfrage nur förderlich sein kann. In
der vergangenen Campagne hat O. KöhlerDie deutsche
Zuckerindustrie, 1895 XX S. 478. mit aus dem Betriebe
entnommenem Diffusionssaft Scheideversuche mit Trockenkalk
und Kalkmilch im Laboratorium durchgeführt. Die Trockenscheidung geschah in
einem Gefäss, in welchem sich ein Sieb in Muldenform zur Aufnahme des Kalkes befand;
der Kalk war vollständig von der Flüssigkeit bedeckt und wurde unter dem Sieb
gerührt. Bei der Kalkmilchscheidung wurde frisch bereitete Kalkmilch von 20 bis 22°
Bé. verwendet. Sowohl bei der Trocken- als auch bei der Nasscheidung wurden neun
Versuche bei verschiedener Scheidewärme (60 bis 90° C.) durchgeführt; die Procente
Kalk (CaO) schwankten von 2,0 bis 2,5 Proc.
Bei Anwendung von Kalkmilch wurden nun Säfte erhalten, welche eine höhere Reinheit
und weniger organischen Nichtzucker enthielten, als die mit Trockenscheidung
erhaltenen Säfte. Da bei allen Versuchen während des Löschens mit Kalk im Saft
inmitten des Kalkes Temperaturen von 100° C. nachgewiesen wurden, so ist es leicht
möglich, dass diese hohen Wärmegrade einige organische Substanzen gelöst halten;
diese Ansicht findet gewissermaassen dadurch ihre Bestätigung, dass bei sehr gutem
und sich schnell löschendem Kalk, wobei die hohe Temperatur nicht so lange auf den
Saft einwirkt, Säfte erhalten werden, welche gleiche oder sehr wenig verschiedene
Zusammensetzung mit den Kalkmilchsäften haben. Bei Anwendung des Trockenkalkes ist
eine bestimmte Zeit des Rührens bedingt; die scheinbar besseren Ergebnisse der
Trockenscheidung sind dann wohl darauf zurückzuführen, dass der Kalk längere Zeit
auf den Saft einwirken kann, während bei der früheren Arbeit der Scheidesaturation
schon bei Beginn der Kalkmilchzugabe Kohlensäure eingeleitet wurde und hierdurch
wahrscheinlich ein Theil des Kalkes nicht so energisch einwirken konnte. Durch die
Einführung der Trockenscheidung gewinnt man nur die Kosten für das aus der Kalkmilch
mehr zu verdampfende Wasser, nimmt aber auf der anderen Seite eine Verschlechterung
der Säfte mit in Kauf. Köhler hat ferner die
Beobachtung gemacht, dass sich die durch Trockenscheidung erhaltenen Säfte röthlich
färbten, während dies bei der Kalkmilchanwendung nie geschah. Dieselbe Erscheinung
trat auch im Betrieb ein. Er ist nun der Meinung, dass bei Gegenwart von
Invertzucker in den Rübensäften während der Trockenscheidung Zersetzungsproducte
desselben auftreten, welche sich mit den im Saft gelöst befindlichen Eisensalzen
verbinden und die röthliche Farbe der Säfte hervorrufen, während dies bei Anwendung von Kalkmilch
nicht oder nur in ganz geringem Maasse geschieht.
N. RydlewskiDie deutsche Zuckerindustrie, 1895 XX S.
610. hat in Parallelversuchen zwischen
Trockenscheidung und Kalkmilchscheidung die Scheideversuche Köhler's wiederholt und sogar noch schlechtere Säfte
bei Anwendung von Trockenkalk erzielt. Die Versuche wurden im Laboratorium
durchgeführt und dazu Pressaft verwendet. Bei der Scheidung mit Kalkpulver stieg die
Temperatur der Säfte um 10° C. und mehr, so dass sie in den meisten Fällen 100° C.
und noch darüber betrug. Darin ist wohl auch der Grund der Vermehrung des
organischen Nichtzuckers in allen aus trocken geschiedenen Säften dargestellten
Füllmassen zu suchen. Bei der zweiten Saturation schäumten die mit Kalkpulver
geschiedenen Säfte sehr stark, während die mit Kalkmilch versetzten gar nicht oder
nur sehr wenig schäumten. Die Füllmassen, welche aus den nach 15 Minuten langem
Einwirken und Rühren von Kalkpulver und Kalkmilch aussaturirten Säften dargestellt
wurden, waren bedeutend heller als die Füllmassen der nach dem Kalkzusatz sofort
aussaturirten Säfte; ferner waren die Füllmassen der durch Kies filtrirten Säfte
heller, als die ohne dritte Filtration erhaltenen. Am hellsten waren aber die
Füllmassen der durch Knochenkohle filtrirten Säfte. Konnte man bei den angeführten
Füllmassen keine grossen Farbenunterschiede erkennen, die zu Gunsten der
Kalkmilchscheidung oder zu Ungunsten der Trockenscheidung sprachen, so war dies bei
den Füllmassen der durch Knochenkohle filtrirten Säfte in hervorragendem Maasse der
Fall. Die Füllmassen der mit Kalkpulver behandelten Säfte waren strohgelb, während
die mit Kalkmilch behandelten wasserhell waren. Dieser Farbenunterschied muss zu
Ungunsten der Trockenscheidung in Bezug auf die dunklere Färbung der Füllmassen
sprechen. Sämmtliche Versuche erwiesen aber in deutlicher Weise, dass bei der
Trockenscheidung etwas Zucker zersetzt wurde, denn bei allen diesen Versuchen wurde
bei der Trockenscheidung der organische Nichtzucker vermehrt, der Zuckergehalt
dagegen verringert.
H. ClaassenCentralblatt für die Zuckerindustrie der Welt,
1895 III S. 726. behauptet nun gegenüber den Versuchen von Köhler, dass deren Ausführung wesentlich von derjenigen
Herzfeld's verschieden ist, in Folge dessen ein
Vergleich beider Arbeiten in Bezug auf die Trockenscheidung durchaus unzulässig ist.
Ferner weist er auf Grund der Köhler'schen Zahlen nach,
dass die Versuche vielfach widersprechende Resultate ergeben haben und daher nur
beweisen, dass die von Köhler angewendete
Trockenscheidungsmethode, welche als eine schlechte bezeichnet werden muss, meistens
weniger gute Säfte ergibt, als die Kalkmilchscheidung. Die Arbeit von Köhler gibt einen erneuerten Anlass, darauf
hinzuweisen, dass die Arbeit mit der Trockenscheidung nicht ganz so einfach ist, wie
es den Anschein hat. Es gehören dazu Vorrichtungen zur gleich massigen Vertheilung
des Kalkes im Saft, ein gutes Rührwerk, ferner sollen die Sieb- oder Rostflächen
nicht zu nahe an der Oberfläche des Saftes liegen. Der Erfolg bei Einführung der
Trockenscheidung in die Praxis äussert sich zunächst darin, dass die Producte nicht
in merklicher Weise von denjenigen der Kalkmilchscheidung verschieden sind, ferner
in einer merklichen Ersparniss an Kalk, in dem Fortfall der lästigen
Kalklöschstation, in einer leichten Saturation und in einer wesentlichen Ersparniss
an Kohlen, welche gegenüber einer Verwendung von ungefähr 2½ Proc. Kalk in Form von
Kalkmilch ½ bis ¾ Proc. Kohlen auf Rüben berechnet
ausmacht. Am Schluss bemerkt noch Claassen, dass auch
die Resultate der Versuche von Rydlewski mit denen des
grossen Betriebes nicht übereinstimmen und sich theilweise selbst widersprechen.
Gegenüber den Ausführungen Claassen's erwidert zuerst
RydlewskiDie deutsche Zucker Industrie. 1895 XX S.
682., indem er darauf hinweist, dass die Arbeitsweisen, welche
er, Köhler, Herzfeld und Bodenbender eingehalten haben, verschiedene waren. Wenn daher auch die
Resultate verschiedene waren, so stimmten sie doch darin überein, dass stets eine
Vermehrung des organischen Nichtzuckers und eine Verminderung der Reinheit eintrat.
Wie weit dies aber in dem grossen Fabrikbetriebe zutrifft, muss durch
Parallelversuche untersucht werden.
KöhlerIbid. S.
715. verwahrt sich gegenüber dem Vorwurf Claassen's, dass seine Versuchsausführung eine falsche war. Der
Unterschied zwischen seinen und Herzfeld's Versuchen
liegt darin, dass Herzfeld mit chemisch-reinem Kalk
gearbeitet hat, welcher schnell und leicht löschte, während Köhler mit Betriebskalk arbeitete, welcher theilweise längere Zeit zur
Scheidung bedurfte. Wenn Claassen auf einen unlösbaren
Widerspruch in den Analysen hinweist, so erwidert darauf Köhler, dass sich solche Widersprüche in den Ergebnissen von Herzfeld, Bodenbender und Rydlewski finden.
In dieser Streitfrage äussert sich HerzfeldZeitschrift des
Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reiches, 1895
XXXXV S. 491. in einer Abhandlung: Ueber
die Ursache der Misserfolge bei der Trockenscheidung, sowie der Graufärbung der
Rohzucker, indem er aufmerksam macht, dass bei der Trockenscheidung viel
leichter als bei der nassen unlöslicher Zuckerkalk gebildet wird. Sobald derselbe in
der nachfolgenden Saturation nicht vollständig zerlegt wird, müssen natürlich die
trocken geschiedenen Säfte, da ihnen Zucker entzogen ist, schlechtere Quotienten
zeigen, als die der nassen Scheidung entstammenden. Die Graufärbung des Rohzuckers
bei der Trockenscheidung ist nicht auf eine mangelhafte Scheidung, sondern
gleichfalls auf mangelhafte Saturation zurückzuführen, eine Erscheinung, welche
nicht mit der gleichen, noch häufigeren, welche durch Uebersaturation hervorgerufen
wird, zu verwechseln ist. Es bleiben nämlich sowohl Eisenoxydsalze als besonders
Eisenoxydulsalze in Lösung, wenn nicht Gelegenheit ist, durch genügende
Kohlensäurezufuhr dieselben als Carbonate zu fällen. Enthält der Schlamm Zuckerkalk,
so wird den Säften dann noch nachträglich bei der Filtration wieder Kohlensäure
entzogen und die Flüssigkeit dadurch befähigt, gefälltes Eisen wieder zu lösen.
Jedenfalls ist es sicher, dass das gelöste Eisen nicht bei der Scheidung, sondern
bei der nachfolgenden Saturation gefällt wird, und dass, wenn dieselbe sorgfältig zu
Ende geführt wird, ohne einerseits Zuckerkalk im Schlamm zu lassen oder andererseits
überzusaturiren, auch bei der Trockenscheidung eisenfreie Säfte und damit Rohzucker
von gesunder Farbe erhalten werden müssen.
Da die Versuche von Herzfeld und auch von Köhlermit Betriebskalk fortgesetzt werden, so dürfte es
dann zu einer Klärung der Streitfrage kommen.
(Fortsetzung folgt.)