Titel: | Elektrische Strassenbahnen und Telephonleitungen. |
Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 137 |
Download: | XML |
Elektrische Strassenbahnen und
Telephonleitungen.
Elektrische Strassenbahnen und Telephonleitungen.
Die Frage der Störungen des Telephonbetriebes durch elektrische Strassenbahnen,
welche in fachwissenschaftlichen Zeitschriften schon mehrmals Gegenstand der
Erörterung gewesen ist, unterzieht Dr. V. Wietlisbach
in einem in der Elektrotechnischen Zeitschrift
abgedruckten Aufsatze einer erneuten interessanten Behandlung; wir entnehmen
demselben auszugsweise folgende Einzelheiten: Verfasser betont, dass man sich bei
Untersuchung dieser ziemlich wichtigen Angelegenheit wohl auf den Standpunkt stellen
müsse, dass beide Unternehmen; die elektrische Strassenbahn und das Telephon, dem
öffentlichen Verkehr dienen und aus diesem Grunde gleicher Weise existenzberechtigt
seien; beide sind, wenigstens vorläufig während der Zeit der Entwicklung, auf die
Benutzung des Luftraums angewiesen, später werden die Leitungen der Strassenbahnen
wohl unterirdisch verlegt, ebenso die Telephonleitungen, da bei Leitungen von über
100 Drähten die unterirdische Verlegung sich aus ästhetischen, betriebstechnischen
und wirthschaftlichen Gründen als vortheilhafter erweist.
Die Störungen, welche bei den heutigen oberirdischen Leitungen die elektrischen
Strassenbahnen auf die Telephonleitungen ausüben können, sind zweierlei Art, nämlich
elektrische und mechanische.
Die elektrischen Störungen machen sich durch Geräusche bemerkbar, welche in den
Telephonen beobachtet werden und welche die Verständigung mehr oder weniger
erschweren oder auch ganz unmöglich machen. Die mechanischen Störungen entstehen
durch zufällige Contacte beider Leitungsnetze, wobei Drahtbrüche und wohl auch
Abschmelzungen in mehr oder weniger grossem Maasse entstehen, welche letzteren sogar
schon mehrfach grössere Schadenfeuer zur Folge hatten.
Die elektrischen Störungen werden verursacht erstens durch Stromübergang in der
Weise, dass der durch die Schienen in die Erde gelangende Starkstrom über die
Erdleitungen der Telephonleitungen in die Telephonapparate gelangt, und zweitens
durch elektrodynamische Induction der parallel geführten Leitungen. Obgleich der
Betriebsstrom der elektrischen Strassenbahnen ein Gleichstrom ist, findet doch ein
beständiges Schwanken desselben statt, je nachdem der Motor schneller oder
langsamer, mit grösserer oder kleinerer Belastung fährt, an Haltestellen
unterbrochen und wieder in Betrieb gesetzt wird: dieses Schwanken erzeugt nun im
Telephon ein summendes Geräusch, dessen Ton um so höher ist, je rascher der Motor
läuft, und um so kräftiger, je stärker der Betriebsstrom ist, so dass er also am
lautesten beim Anfahren und auf Steigungen wird. Läuft der Motor ohne Strom, so
verschwindet das Geräusch. Fahren mehrere Motoren gleichzeitig, so erzeugt jeder
derselben ein besonderes Geräusch und es ist möglich, jedes einzelne im Telephon
getrennt wahrzunehmen, so dass beurtheilt werden kann, wie viele Wagen laufen und
auf welcher Strecke sie sich befinden. Diese Beobachtungen treten namentlich
deutlich durch die Induction der Speiseleitungen hervor.
Theoretisch sollte der vom Motor auf die Schienen übertretende Strom durch diese nach
der als Generator wirkenden Dynamomaschine zurückfliessen, und mit Hinblick auf den
grossen Querschnitt der Schienen (etwa 30 qc) sollte man voraussetzen dürfen, dass
nur ein kleiner Theil des Stromes sich in die Erde verliere. In Wirklichkeit ist
aber eine aus den Schienen gebildete Rückleitung eine sehr unsichere, und zwar in
Folge der ungenügenden elektrischen Verbindung zwischen zwei auf einander folgenden
Schienen. Alle Berührungsflächen derselben sind mit Rost überzogen, und diese
Substanz muss eher den Isolatoren als den Leitern der Elektricität beigezählt
werden. Um diesen Uebelstand zu umgehen, werden die zwei Schienenstösse ausser durch
Laschen noch durch einen eingenieteten Kupferbügel verbunden, welcher die
elektrische Verbindung sichern soll. 6 m lange Schienen geben auf einer eingleisigen
Bahn von 1 km 333 Stösse. Wenn auch bei einer Neuanlage diese Verbindungen auf das
sorgfältigste ausgeführt werden, so wird doch nach einem kürzeren oder längeren
Betriebe durch die Erschütterungen, durch elektrolytische Processe u.s.w. die eine
oder die andere defect werden. Wenn nun auf jeder Gleisseite nur ein Stoss versagt,
wird sich der Strom in der Erde einen besser leitenden Weg suchen und sich
namentlich auf Gas- und Wasserröhren werfen. Durch diese Wege kann der Strom in ganz
abgelegene Orte gelangen, wodurch dann oft höchst merkwürdige Erscheinungen zu Tage
treten, welche die seltsamsten Erklärungen gefunden haben.
Eine andere ebenso unliebsame Folge dieser Stromvertheilung in der Erde ist die
elektrolytische Zerstörungder Gas- und Wasserrohren; welche der Strom zu seiner Ausbreitung
benutzt.
Diesem Uebelstande hat man in der Schweiz dadurch abgeholfen, dass die Legung eines 7
bis 8 mm dicken Kupferdrahtes (von gleicher Stärke wie der Contactdraht) neben den
Gleisen, und mit denselben verbunden, angeordnet ist. Die Erfahrung hat gezeigt,
dass durch diesen Erddraht die sogen. vagabondirenden Ströme wenigstens für die
Telephonleitungen vollständig beseitigt werden.
Nicht so leicht wie die Stromvertheilung durch die Erde ist die Induction zu
vermeiden. In Zürich angestellte Versuche zeigten, dass bei Parallelverlauf an der
gleichen Strasse auf eine Entfernung von 500 m mit einer Entfernung der beiden
Linien von etwa 10 m ein Geräusch entsteht, welches die Verständigung wesentlich
erschwert und von den Theilnehmern als ernstliche Betriebsschwierigkeit empfunden
wird.
Bei den gemachten Versuchen war das Geräusch bei einfachen und Schleifenleitungen
annähernd gleich. Das Geräusch in den Schleifenleitungen rührte weniger von der
directen Induction der Speiseleitungen her, sondern es waren die einfachen
Telephonleitungen, welche inducirend auf die Schleifen wirkten. Durch
Schleifenschaltung der einfachen Telephondrähte konnte der grössere Theil des
Geräusches auf den interurbanen Leitungen beseitigt werden.
Die Resultate aus den angestellten Versuchen lassen sich etwa folgendermaassen
zusammenfassen:
1) Parallel verlauf auch nur auf 100 m längs der gleichen Strasse ist bei einfachen
Drähten ausgeschlossen.
2) Mit Schleifenschaltung ist ein Parallelverlauf bis auf 5 km thunlich, doch müssen
auf der beeinflussten Strecke sämmtliche Drähte, also auch allfällige Reservedrähte,
in Schleifenschaltung gebracht werden.
3) Längere Leitungen; besonders solche, welche mit anderen längeren Leitungen
verbunden werden, sind am besten auf eine andere Trace zu verlegen.
4) Kreuzungen sind unschädlich, wenn sie sich nicht zu oft (etwa mehr als dreimal)
wiederholen und in angemessener senkrechter Entfernung vom Contactdraht
erfolgen.
Die mechanischen Störungen äussern sich durch die Schadenfeuer, welche ganze
Telephonämter zerstört haben, abgesehen von den ungezählten Theilnehmerstellen,
welche durch Abschmelzen des Wickelungsdrahtes ausser Betrieb gestellt wurden. Auch
diesem Uebelstande ist verhältnissmässig leicht entgegenzutreten.
Bei den bisher für den Schutz gegen die atmosphärischen Entladungen aufgestellten
Blitzplatten sucht man dem Blitz einen möglichst leichten Weg zur Erde darzubieten;
solche Apparate eignen sich aber nicht dazu, die Telephoneinrichtungen gegen die
Starkströme der elektrischen Bahnen zu schützen. Denn, sobald die Linie an Erde
liegt, entsteht Kurzschluss und die Stärke des fremden Stromes wächst, anstatt
abzunehmen. Angenommen, die Leitung erhalte in der Blitzplatte Kurzschluss, so dass
die Apparate auf dem Vermittelungsamte ausgeschaltet sind, und es liege der
Berührungspunkt zwischen der Bahn- und der Telephonleitung 1 km vom
Vermittelungsamte weg, so wird bei 1,5 mm-Bronzedraht der Widerstand annähernd 30
Ohm betragen, was bei 500 Volt Betriebsspannung der Bahn einen Strom von 17 Ampère
ergibt, welcher im Telephondraht fliesst. Besteht der Draht aus 3 mm starkem
Kupferdraht, so beträgt der Widerstand nur noch 2,5 Ohm es kann dann eine
Stromstärke von 200 Ampère entstehen, welche eine Erwärmung von 500° C. zur Folge
hat, die leicht entzündliche Stoffe in Brand setzen kann. Bei noch geringerer
Entfernung kann der Draht in Roth- und Weissglut gerathen.
Wird aber zwischen Blitzableiter und Linie ein Abschmelzdraht eingeschaltet, so wird
diese Gefahr offenbar vermieden; zu solchen Sicherungen eignet sich am besten
Stanniol, dasselbe schmilzt bei einer Temperatur von unter 200° C. Ein Streifen von
0,8 mm Breite schmilzt bei einer Stromstärke von 1 Ampère, was genügt, um die
Telephonapparate zu sichern, wenn es sich um kurz dauernde Ströme handelt. Da ein
Dauerstrom von dieser Stärke die Spulen der Apparate zu sehr erhitzen würde, theilt
man die Sicherung in zwei Theile, von denen der eine auf einen starken momentanen
Strom, der andere auf einen schwächeren Dauerstrom wirkt.
Dieselbe ist derart construirt, dass durch einen kurz dauernden Strom von etwa 4
Ampère die Bleisicherung abbrennt und die Leitung unterbrochen wird, dass dagegen
durch einen Dauerstrom von 0,1 Ampère die Linie an Erde gelegt wird.
Um Unfälle, wie sie sich in letzter Zeit ziemlich häufig wiederholt haben, zu
vermeiden, ist es nothwendig, bevor der Strassenbahnbetrieb eröffnet wird,
diejenigen Maassregeln zu ergreifen, welche die Telephonleitungen vor den bekannten
Störungen sicherstellen können.