Titel: | Die Anwendung der Elektricität auf Kriegsschiffen. |
Autor: | R. L. |
Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 88 |
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Die Anwendung der Elektricität auf
Kriegsschiffen.
Die Anwendung der Elektricität auf Kriegsschiffen.
Ingenieur A. Brancher beschreibt in Le Genie civil die neueste Anwendung der Elektricität
auf dem Panzerschiff Le Capitan Prat. Er betont, dass
gerade die Elektricität berufen sei, fernerhin die für viele Zwecke nothwendige
Energie zu liefern. Die Biegsamkeit der Zuleitung und ihre schnelle Ausführung
bieten bei den sehr gedrängten Raumverhältnissen grosse Vortheile; gegenüber dem
Dampf erhöhen die Zuleitungen die Temperatur der Räume, in denen sie liegen,
keineswegs; ausserdem spielt ihr sehr geringes Gewicht eine grosse Rolle. Selbst
wenn irgend ein Unfall eintritt, ist derselbe untergeordneter Natur; da überall
Parallelschaltung gewählt und in jeder einzelnen Leitung eine Bleisicherung
angebracht ist, so ist jedesmal nur ein kleiner Theil wieder herzustellen, während
der gesammte andere Theil der Anlage ohne Schaden weiter arbeitet. Für den Fall,
dass Matrosen, die sich erfahrungsgemäss gerne mit elektrischen Leitungen abgeben,
mit beiden Polen in Berührung kommen, ist jede Lebensgefahr bei der üblichen
niederen Spannung ausgeschlossen. Sollte z.B. die Lichtmaschine nicht betriebsfähig
sein, so kann einer der vorhandenen Motoren dieselbe ersetzen, indem solcher dann
zum Lichtbetriebe ohne Umänderung verwendet werden kann. Da während eines Gefechtes
die grossen Thürme und die Kanonen nicht gleichzeitig in Thätigkeit sind, haben die
Motoren nicht zur gleichen Zeit ihr Maximum an Arbeit zu leisten; daraus folgt, dass
die Zahl und Grösse der Hilfs- und Reservemotoren kleiner gewählt werden kann. Die
Elektromotoren sind stets betriebsfähig, so dass sie zu jeder Zeit ohne jede
Vorbereitung augenblicklich in Wirksamkeit treten können; gerade bei der Verwendung
auf Kriegsschiffen ist ihre Eigenschaft, mittels einfacher Umsteuerung dieselben in
Stromerzeuger zu verwandeln, wo sie dann als kräftige Bremsen wirken, um Winden
u.s.w. zum plötzlichen Stillstand zu bringen, von grossem Werthe. Ohne Schaden
können Elektromotoren für kurze Zeit eine fünf- bis sechsmal grössere Energie als
die normale abgeben.
Die Compagnie des Forges et Chantiers de la Méditerranée
hat die Elektricität für alle erforderlichen Bewegungen der Geschütze des
obengenannten Panzerschiffes angewendet; dasselbe besitzt eine Länge von 100 m, eine
Breite von 18,50 m und einen Tiefgang von 6,50 m. Jede Bewegung der acht
ausgeglichenen Thürme, die mit Kanonen von 24 und 12 cm bewaffnet sind, sowie das
Herbeischaffen und Einsetzen der Geschosse wird elektrisch bewirkt; nach über
einjährigem Betriebe hat sich die gesammte elektrische Anlage sehr gut bewährt, ohne
zu den geringsten Klagen Veranlassung gegeben zu haben. Die Thürme sind auf ihrer
Drehungsachse vollständig ausgeglichen; bei aufgestelltem Geschütz liegt ihr
Schwerpunkt genau in der Mitte.
Das seitliche Richten der Geschütze geschieht entweder mit der Hand oder
elektrisch; der Manövrirraum befindet sich unterhalb der Panzerbrücke und über der
Geschossvorrathskammer. Um Seitendrücke auf das Rohr zu vermeiden, werden zwei zur
Achse des Rohres symmetrisch angeordnete Elektromotoren verwendet, die gleiche
Stärke und Tourenzahl besitzen; man erreicht dies, indem man zwei
Nebenschlussmotoren nimmt, deren Schenkel – jeder für sich – direct an den Klemmen
des Stromerzeugers liegen, während die beiden Ringe hinter einander geschaltet sind.
Die Motoren treiben je ein Schneckenrad, das mit einem Zahnrad in Verbindung steht;
über dasselbe läuft eine Gall'sche Kette, deren beide
Enden unter Zwischenschaltung von starken Spiralfedern auf zwei Trommeln befestigt
sind, die vom Rohr getragen werden und über welche sich die beiden Ketten neben
einander abrollen. Jede der beiden Trommeln besitzt starke Spiralfedern, um den
nicht gespannten Theil der Kette selbsthätig aufzurollen. Diese federnde Befestigung
mildert sehr die heftigen Stösse bei plötzlichem Halten und vernichtet die etwa noch
vorhandene lebendige Kraft. Die Handhabung erfolgt von zwei Commutatoren aus, von
denen der eine sich neben den Motoren, der andere im Panzerthurm über Deck befindet;
der untere Commutator folgt augenblicklich den Bewegungen des oberen, was durch
elektrische Verbindung vollständig erreicht ist. Mit dem unteren Commutator stehen
die Motoren in Verbindung, welche durch Drehung des Commutators in dem einen oder
anderen Sinne die Motoren rechts oder links in Bewegung setzen und schnell oder
langsam laufen lassen. Um ein augenblickliches Stillstehen des Thurmes zu erzielen;
ist mit dem Commutator eine Vorrichtung verbunden, welche die Motoren dadurch zu
sehr kräftigen Bremsen umgestaltet, dass dieselben von den Zuleitungen abgeschlossen
werden und auf einen Widerstand als Primärmaschinen arbeiten; je nach der Grösse
dieses Widerstandes ist der Strom, den der Motor als Stromerzeuger abgeben muss,
bedeutend und in Folge dessen die Bremswirkung entsprechend gross.
Obgleich im unteren Commutator starke Ströme auftreten, bei deren plötzlichem Ein-
und Ausschalten grosse Funken entstehen, ist bis jetzt eine Verbrennung einzelner
Theile noch nicht vorgekommen, da man bei der Construction mit Rücksicht auf die
sehr grosse Abnutzung und die schroffe Behandlung durch das Aufsichtspersonal
geeignetes feuerbeständiges Material verwendete. Der obere Commutator dient nur
dazu, den unteren selbsthätig in Bewegung zu setzen; der dazu nöthige Strom
entspricht dem einer 16kerzigen Glühlampe, so dass die Verbindungen von oben nach
unten wegen ihrer kleinen Durchmesser überall mit Leichtigkeit befestigt werden
können und die Bewegungen in dem knappen Raum keineswegs beeinträchtigen. Diese
Vorrichtung gestattet Vor- und Rückwärtsbewegung; falls der das Geschütz Bedienende
den Hebel einmal aus den Händen lässt, kehrt derselbe selbsthätig auf die
Nullstellung zurück und bewirkt dadurch ein Ausschalten der Motoren. Ausserdem
lassen sich mit demselben Hebel vier verschiedene Geschwindigkeiten erreichen. Neben
dem Hebel dienen zwei, Telegraphenschlüsseln ähnliche Drücker dazu, um ganz geringe
Vor- oder Rückwärtsdrehungen zu erhalten, indem der Strom entsprechend dem mehr oder
wenig langen Drücken eingeschaltet bleibt. Diese elektrische Anordnung hat
bedeutende Vortheile: sämmtliche Steuer- und Commandoapparate sind vollständig
geschützt, die Kleinheitdes oberen Apparates erlaubt eine viel grössere Manövrirfähigkeit im
Panzerthurm und bietet den feindlichen Geschossen viel mehr Sicherheit; sollte je
der Fall eintreten, dass die Zuleitung, die ebenfalls durch Bleisicherungen
geschützt ist, unterbrochen wird, so ist die Wiederherstellung durch Einschalten
einer neuen Bleisicherung in sehr kurzer Zeit geschehen. Für solche Fälle dient dann
der untere Commutator, der durch Zeichen von oben so lange gehandhabt wird, bis der
obere wieder in Betrieb ist.
Die grosse Sicherheit liegt, wie oben bemerkt, in dem Umstände, dass der Hebel,
sobald er nicht bedient wird, augenblicklich auf Null zurückkehrt; für den Fall
eines Versagens schaltet der Thurm selbst, nachdem er eine bestimmte Drehung
gemacht, die Motoren dadurch aus, dass er auf den Hebel elektrisch einwirkt, der nun
unbedingt auf Null zurückkehren muss.
Neben dem elektrischen Antriebe ist ein Handantrieb vorhanden; soll derselbe in
Thätigkeit treten, genügt es, den Strom in den Schenkeln und im Ring zu unterbrechen
und die Kuppelung des Handantriebs mit der Motorenachse auszuführen; die Masse des
Ringes des Motors wirkt gleichzeitig als Schwungrad.
Die Auf- und Abwärtsbewegung des Thurmes erfolgt ebenfalls elektrisch. Der Motor
sitzt auf dem Rohr selbst und dreht sich bei seitlichen Bewegungen mit demselben;
unter Zwischenschaltung von Zahnrädern und einer Schraube ohne Ende wirkt derselbe
auf eine Schraubenspindel, welche direct die (ratschen Ketten mitzieht. Die Bewegung
erfolgt durch einen Commutator, der sich im Innern des Rohres befindet und auf
mechanische Weise von der Geschosskammer aus bedient wird. Die
Sicherheitsvorrichtungen sind die gleichen wie bei der seitlichen Bewegung; auch
hier ist ein Handantrieb vorhanden.
Die Magnete sämmtlicher Motoren werden mit 70 Volt gespeist; während die Ringe mit 70
oder 140 Volt betrieben werden können.
Die Geschütze werden von zwei getrennten Stromerzeugern bedient; sie sind für eine
Leistung von 500 Ampère und 70 Volt gebaut und können auf einfache Weise hinter
einander geschaltet werden; sollte eine Maschine nicht im Gang sein, kann die andere
den ganzen Betrieb übernehmen.
Die neuesten Versuche ergaben folgendes Resultat: Die Drehung der Thürme beträgt
270°; das Anhalten erfolgt selbsthätig, indem die Hebel ausser Thätigkeit gesetzt
wurden; es ergaben sich folgende seitliche Geschwindigkeiten: 1,27, 1,17, 1,12,
1,04, (im Mittel 1,15) m/Sec.. Dabei verbrauchten die Motoren bei 20 Ampère
140 Volt; die Erregung betrug 21 Ampère bei 70 Volt. Zum Heben des Thurmes brauchte
man 0,57 m/Sec.,
zum Senken 0,49 m/Sec.; an Strom wurden verbraucht: 25 Ampère 142 Volt bezieh. 5 Ampère 142
Volt bei einer Erregung von 13 Ampère und 71 Volt.
Die Prüfungscommission bestätigte, dass die Anlage, selbst bei Sturm auf hoher See,
während eines mehrstündigen ununterbrochenen Betriebes vorzüglich gearbeitet
habe.
R. L.