Titel: | Die Erzeugung von rauchlosem Pulver. |
Fundstelle: | Band 293, Jahrgang 1894, S. 94 |
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Die Erzeugung von rauchlosem Pulver.
Von Oscar
Guttmann.
(Nach einem Vortrage, gehalten am 21. Mai 1894 in
der Society of Chemical Industry in London.)
Die Erzeugung von rauchlosem Pulver.
Das allgemeine Interesse, welches durch das Auftauchen der sogen. rauchlosenBei der deutschen Armee ist bekanntlich die
Bezeichnung „rauchschwaches Pulver“ üblich. Pulver
hervorgerufen wurde, welche in fast jeder Armee der Welt Eingang fanden, und die
nebenher gehende Unkenntnisse in welcher sich das Civilpublikum bezüglich deren
Natur und Erzeugung befindet, Hessen es mir wünschenswerth erscheinen, eine kurze
Uebersicht der auffallendsten Eigenthümlichkeiten dieser rasch fortschreitenden
Industrie zu geben.
Es ist bekannt, dass zuerst im Jahre 1888 die Welt in Erstaunen versetzt wurde durch
Zeitungsberichte über ein neues und rauchloses Pulver, welches von einem Chemiker
der französischen Regierung erfunden wurde, und dass sehr bald danach die deutsche
Armee ein ähnliches besass. Es wurde seitdem festgestellt, dass die ersten Versuche
zur Erzeugung
rauchlosen Pulvers im Jahre 1884 durch Vieille, den
bekannten Chemiker der französischen Regierungspulverfabriken, gemacht worden waren.
Was dieses Pulver zu jener Zeit war, ist nicht ganz klar, doch ist es nicht
unwahrscheinlich, dass es aus einer Mischung von Collodiumwolle und Pikrinsäure
bestand, ähnlich der ursprünglichen Zusammensetzung des viel besprochenen Melinits.
Es scheint jedoch, dass diese Zusammensetzung nach kurzer Zeit verlassen wurde, und
dass jene Gattung von rauchlosem Pulver angenommen wurde, welche gegenwärtig in
anderen Ländern, ebenso wie in Frankreich, in ausgedehnter Weise verwendet wird.
Im Jahre 1889 nahm Alfred Nobel ein Patent auf die
Erzeugung von Ballistit, welches ein Abkömmling seiner Sprenggelatine ist. Dieses
und das vorerwähnte französische Pulver sind die zwei Typen, aufweichen die meisten
der modernen rauchlosen Pulver beruhen.
Die erste Annäherung zu einem Pulver, welches keinen Rauch beim Verbrennen gab, und
welches zu gleicher Zeit nicht aus der üblichen Salpeter-, Schwefel- und
Holzkohlemischung bestand, war, abgesehen von der vor mehr als 30 Jahren benützten
Schiessbaumwolle, das Schnitze-Pulver, welches als
Jagdpulver seit mehr als 20 Jahren im Gebrauche ist, durch Nitrirung von Holz und
Zumischung von Salpeter oder einem ähnlichen Körper erzeugt wird. Obwohl dieses
Pulver zu relativ grosser Vollkommenheit für Jagdzwecke gebracht wurde, konnte es
bisher für militärische Zwecke nicht verwendet werden, weil es nicht wohl in so
gleichmässiger Beschaffenheit hergestellt werden kann, als hierfür erforderlich
ist.
Ein näherer Schritt zu den modernen rauchlosen Pulvern und thatsächlich
einigermaassen den Weg zu ihrer Gewinnung weisend, war das von Walter F. Reid erfundene E. C.-Pulver, das Reid und Johnson im Jahre 1882 patentirt wurde.
Reid stellte Körner aus Nitrocellulose dar, indem er
pulverförmige Schiesswolle in ein Fass gab, dieselbe mit Wasser besprengte und das
Fass in Umdrehung versetzte, wobei durch Agglomerirung Körner verschiedener Grösse
sich bildeten. Diese wurden getrocknet und dann mit Aetheralkohol befeuchtet,
wodurch die Oberfläche der Körner gelatinirt wurde. Eine geringe Zugabe von Aurin
verlieh dem Pulver eine Orangefarbe. Nach neuerlichem Trocknen wurden die Körner
durch ein Sieb gerieben, um sie von einander zu trennen, da sie in Folge des
Gelatinirungsprocesses ein wenig an einander hafteten.
In ähnlicher Weise erzeugte Max von Förster
Schiesswollwürfelpulver, indem er gepresste Schiessbaumwolle zu Würfeln sägte und
dieselben in Essigäther tauchte, wodurch sie äusserlich mit einer dünnen Haut von
Collodion bedeckt wurden. Dieses Pulver wurde nur zum Füllen von Granaten
verwendet.
Später machten Judson und Borland ein J. B.-Pulver
genanntes rauchschwaches Pulver mit Hilfe eines dem E. C.-Pulver ähnlichen
Verfahrens, mit dem einzigen Unterschiede, dass die Schiesswollkörner mit einer
Lösung von Campher in Benzin behandelt wurden, welche nach dem Verdampfen etwas
Campher zurückliess. Dieses Pulver blieb nicht lange im Verkehre.
Es ist schade, dass Reid bei dem von ihm erreichten
Stadium der Erzeugung stehen blieb, denn er war sehr nahe daran, jene Gattung von
rauchlosen Pulvern zu erzeugen, welche jetzt als reine Schiesswollpulver
bekannt sind; doch zu seiner Entschuldigung mag gesagt werden, dass zu jener Zeit
das Bedürfniss nach einem solchen Pulver noch nicht klar vorhanden war, weil es
weder ein Gewehr noch ein Projectil gab, welche für solche Pulver verwendet werden
konnten, deren Gasdrucke und Verbrennungsgeschwindigkeiten im Allgemeinen so viel
grösser sind, als die des gewöhnlichen Schwarzpulvers.
Es ist den guten Erfolgen der längere Zeit fortgesetzten Versuche zweier
schweizerischer Fachmänner, des Majors Rubin und des
Professors Hebler, welche mehr als 10 Jahre hindurch
die Anwendung von Kleinkalibergewehren empfahlen, zu verdanken, dass die Fabrikanten
von Pulver gezwungen waren, solche Pulver zu finden, welche für den Gebrauch in
derlei Waffen geeignet waren.
Ich erinnere mich sehr wohl daran, dass zu Anfang des Jahres 1886 Professor Hebler mir eine Patronenhülse zeigte, welche
versuchsweise für sein Kleinkalibergewehr hergestellt wurde, und mich fragte, ob ich
ihm einen Cylinder von gepresster Schiesswolle geben könnte, welcher, in eine solche
Hülse geladen, seinem langen cylindrischen Geschosse die erforderliche
Geschwindigkeit geben würde. Ich stellte ihm damals vor, dass eine solche Ladung
unmöglich sei wegen der plötzlichen Verbrennung und des sehr hohen Gasdruckes,
welchen dieselbe entwickeln würde, und ich bot ihm an, ein Stückchen Sprenggelatine
zu erzeugen, welches mehr schichten weise abbrennen und deshalb seinen Zwecken
dienlicher sein würde. Der blosse Gedanke, Sprenggelatine in einem Gewehre zu
verwenden, war so sehr im Widerspruche mit allen herrschenden Ideen, dass die
Angelegenheit nicht weiter verfolgt wurde, aber trotz alledem hat diese meine, mehr
auf das Gerathewohl gemachte Aeusserung sich als ein fruchtbarer Gedanke erwiesen,
obzwar ich an seiner Entwicklung keinen weiteren Antheil hatte.
Moderne rauchlose Pulver können in drei Klassen eingetheilt werden:
1) solche, bei welchen nur Schiessbaumwolle zur Verwendung kommt, sei sie nun die
sogen. unlösliche oder die sogen. lösliche Gattung;
2) solche, bei welchen Nitroglycerin in Verbindung mit löslicher oder unlöslicher
Nitrocellulose verwendet wird;
3) solche, in welchen Nitrocellulose zusammen mit einem Nitroderivate eines
aromatischen Kohlenwasserstoffes enthalten ist.
Es wurden auch andere Combinationen für rauchlose Pulver angegeben, welche
Nitrocellulose zusammen mit Sauerstoffträgern enthalten, und auch solche, welche aus
bloss mechanischen Mischungen von Sauerstoffträgern und kohlenstoffhaltigen Körpern
bestehen, aber keine derselben hat bis jetzt für militärische Zwecke Verwendung
gefunden.
Ich will ganz kurz die Zusammensetzung jener rauchlosen Pulver angeben, welche bisher
auftauchten.
In erster Linie kommen die reinen Nitrocellulosepulver in Betracht, bei welchen die
Nitrocellulose einfach in irgend einem Lösungsmittel aufgelöst ist und dann in die
Form von Blättchen oder Körner gebracht wird. Solche Pulver sind die französischen
B-Pulver, das deutsche rauchschwache Pulver, die Pulver von Wetteren, Walsrode, v. Förster und verschiedene andere. Die französische
Regierung, v. Förster und einige andere verwenden eine Mischung
von Aether und Alkohol als Lösungsmittel, die übrigen deutschen Fabrikanten Aceton.
Die verwendete Nitrocellulose ist gewöhnlich Schiessbaumwolle, obzwar einigemale
Holznitrocellulose versucht wurde.
Unter die reinen Nitrocellulosepulver können das E. C- und das J. B.-Pulver gereiht
werden. Das jetzt als E. C.-Pulver Nr. 2 verkaufte enthält etwas Campher und ist
völlig in Aetheralkohol getränkt, wodurch ein härteres Korn erzielt wird.
Zur zweiten Klasse gehören Pulver aus Nitroglycerin und Nitrocellulose. Da ist vor
allem das Ballistit von Alfred Nobel, welches aus
gleichen Theilen Nitroglycerin und Collodiumwolle besteht, mit einem Zusätze von 1
bis 2 Proc. Anilin oder Diphenylamin. Dieses Ballistit wurde mit einigen
Abänderungen in Italien, Oesterreich und für gewisse Geschütze in Deutschland
angenommen. In Italien nennt man es, wenn zu Schnüren verarbeitet, Filit. Zur selben
Klasse gehört das von der britischen Regierung angenommene Cordit. Es besteht aus 58
Th. Nitroglycerin, 37 Th. höchst nitrirter Schiessbaum wolle und 5 Th. Vaselin,
welche in 19,2 Th. Aceton aufgelöst werden.
Curtis und André machten ein Pulver, das aus 44 Th.
Trinitrocellulose, 12 Th. Dinitrocellulose und 40 Th. Nitroglycerin besteht, mit
einem Zusätze von festem Paraffin und Schellacklösung, das dann mit Hilfe einer
Aetheralkoholmischung in Körner verwandelt wird. Dieses Pulver wird unter dem Namen
Amberit verkauft.
M. E. Leonard in Manchester in den Vereinigten Staaten
macht ein Pulver aus 155 Th. Nitroglyeerin, 50 Th. Schiessbaumwolle, 10 Th.
Lykopodium und 4 Th. gepulverten Uratkrystallen, welche sämmtlich in Aceton gelöst
werden.
Zur dritten Klasse, nämlich zu der, welche nitrirte aromatische Kohlenwasserstoffe
enthält, gehören die folgenden Pulver: das Indurit von Professor Charles Munroe, welches aus unlöslicher Nitrocellulose
und Nitrobenzol hergestellt wird; das Du Pont-Pulver der Du
Pont Powder Company in Wilmington, Vereinigte Staaten, welches auch aus
Nitrocellulose und Nitrobenzol besteht und durch einen eigenthümlichen Process
gekörnt wird. Es gibt auch eine grosse Anzahl von Pulvern, welche von der Smokeless Powder Company in Warwick erzeugt werden,
unter den Namen Riflit, S. S.-Pulver, S. R.-, S. K.-, S. V.-, S. B.-Pulver.
Dieselben sind nicht patentirt und ihre Zusammensetzung wird geheim gehalten, doch
aus Nachrichten, welche ich von verschiedenen Seiten erhielt, schliesse ich, dass
das Riflit aus löslicher Holznitrocellulose besteht, die in Aceton gelöst und mit
Nitrobenzol gemischt ist und schliesslich in ähnlicher Weise wie E. C.-Pulver
gekörnt wird. Ein sehr bemerkenswerthes Pulver dieser Klasse ist das von Hermann Güttler in Reichenstein in Deutschland unter
dem Namen Plastomenit hergestellte, welches durch Auflösen von nitrirter
Holzcellulose in geschmolzenem Dinitrotoluol erzeugt wird.
Zur Klasse der „verschiedenen rauchlosen Pulver“ gehören eigentlich nur zwei
Pulvergattungen, welche beide von der französischen Regierung für Jagdzwecke
verkauft werden. Die eine Art wird das „Poudre pyroxylée“ genannt und ist wie
folgt zusammengesetzt:
Lösliche Schiessbaumwolle
28
Th.
Unlösliche Schiessbaumwolle
37
„
Barytsalpeter
29
„
Kalisalpeter
6
„
––––––––
100
Th.
Das Lösungsmittel bei diesen Pulvern ist Aetheralkohol.
Das andere Pulver, mehr neueren Ursprunges, welches an Stelle des Poudre pyroxylée
in Verkehr gebracht wird, ist das sogen. J.-Pulver. Dasselbe ist vom Ingenieur Bruneau angegeben und besteht aus 83 Th.
Schiessbaumwolle und 17 Th. Ammoniumbichromat. Die Actiengesellschaft Dynamit Nobel in Oesterreich beabsichtigte auch ein
rauchschwaches Pulver aus 70 bis 99 Th. Nitrostärke mit 30 bis 1 Th. Dinitrobenzol
zu erzeugen, doch es scheint bis jetzt noch nicht in Gebrauch gekommen zu sein. Es
wurden auch verschiedene andere Pulver vorgeschlagen, wie z.B. das von Kaliwoda von Falkenstein, von Kolf u.a., doch diese Vorschläge wurden anscheinend von Leuten gemacht,
welche mit den an ein gutes Armeepulver gestellten Anforderungen nicht genügend
vertraut waren, und es ist deshalb nicht nöthig, dieselben hier zu
berücksichtigen.
Eine der wichtigsten Bedingungen in der Herstellung von rauchlosen Pulvern ist die
richtige Auswahl der Rohmaterialien. Ich habe nicht die Absicht, ein Urtheil über
den relativen Werth der verschiedenen Pulver und in Folge dessen ihrer Bestandtheile
abzugeben. Im Allgemeinen wurde Nitrocellulose als Hauptbestandtheil gewählt, und
von den vielen zur Verfügung stehenden Nitrocellulosen die Schiessbaumwolle. Es gibt
ausser der Nitrocellulose eine Menge anderer Nitrokörper, welche explosive
Eigenschaften besitzen und keinen oder nur wenig Rauch beim Abbrennen geben, aber es
scheint, dass Nitrocellulose gewählt wurde, weil sie leicht gelöst werden, und, wie
wohl bekannt, eine Lösung leichter gemischt werden kann, als ein mechanisches
Gemenge, und auch, weil nach Verdampfen des Lösungsmittels die zurückbleibende
Nitrocellulose durch einfache mechanische Mittel und ohne Gefahr in verschiedene
Formen gebracht werden kann.
Das zur Herstellung von Holznitrocellulose verwendete Holz wurde früher, wie beim Schultze'schen Pulver, in dünne viereckige Blätter
zerschnitten. Für moderne rauchlose Pulver wurde die Holzcellulose von dem Sulfit-
und dem Natronprocesse, wie sie für die Papiererzeugung geliefert wird, versucht.
Diese Art von Cellulose wird von den Fabriken gewöhnlich in dünnen Blättern
geliefert, welche nicht sehr porös sind, ziemlich glatte Oberfläche haben und
neuerlich zu Pülpe zerkleinert werden müssen, bevor man sie nitriren kann. Eine
bequemere Form und zugleich eine sehr reine Art von Cellulose wird von der
chemischen Fabrik Waldhof gemacht. Diese Cellulose gleicht dem Seidenpapiere mit dem
Unterschiede, dass sie von loser Structur und mehr einer Gaze ähnlich, sehr porös
ist und von Hand leicht in kleine Stücke zerrissen werden kann, so dass man sie
direct zum Nitriren benützen kann. Die Holzcellulose wurde noch nicht von vielen
Fabriken aufgenommen, aus dem Grunde, weil sie, wie es scheint, nicht ein so zähes
Pulver gibt als die Baumwolle.
Ich glaube, es ist heutzutage unnöthig, sich des Längeren über den Unterschied
zwischen unlöslicher und löslicher Schiesswolle zu verbreiten. Es genügt, zu
erwähnen, dass es allgemein anerkannt ist, dass der Ausdruck „lösliche
Nitrocellulose“ jene Art von Nitrocellulose in sich fasst, welche in
Aetheralkohol löslich ist, dass sie aber nicht von ganz gleicher Zusammensetzung
ist, nachdem der Stickstoffgehalt der löslichen Nitrocellulose bis zu 12,78 Proc.
beträgt, während auch unlösliche Nitrocelluloso zwischen 12,78 und 14,14 Proc.
Stickstoff enthalten kann. Dies bedeutet aber nicht, dass die lösliche
Nitrocellulose eine Zumischung von der sogen. Hexa- oder unlöslichen Nitrocellulose
enthält, sie kann eine Mischung von verschiedenen Arten von löslicher Nitrocellulose
sein, nämlich von Zwischenstufen der Nitrirung bis zur Pentanitrocellulose, aber das
Ganze muss in Aetheralkohol löslich sein. Zugleich ist es nöthig, dass die
Nitrocellulose gewissen Bedingungen entspreche, um das daraus erzeugte Pulver für
die beabsichtigten Specialzwecke tauglich zu gestalten. Es werden also z.B. gewisse
Pulver aus einer löslichen Nitrocellulose gemacht werden, welche weniger Stickstoff
enthält, und andere aus solcher, welche den höchst möglichen Stickstoffgehalt
besitzt, der mit vollkommener Löslichkeit noch verträglich ist. Was jene Pulver
betrifft, welche nur die höchst nitrirte oder Hexanitrocellulose in ihrer
Zusammensetzung enthalten, so ist es allen mit der Erzeugung von Nitrocellulose
Vertrauten bekannt, dass es bisher unmöglich war, Nitrocellulose zu erzeugen, welche
14,14 Proc. Stickstoff enthält, d.h. welche ganz und gar aus Hexanitrocellulose
besteht. Gewöhnlich enthält die Schiessbaumwolle, welche die am meisten verwendete
Form von Hexanitrocellulose ist, ungefähr 12 Proc. lösliche Schiesswolle, aber ich
habe auch in grossem Maasstabe solche mit nur 2 Proc. erzeugt. Wenn man
Hexanitrocellulose verwendet, muss man deshalb den Gehalt an löslicher
Nitrocellulose sorgfältig regeln, was entweder durch geeignete Vermischung oder
durch Anwendung besonderer Mittel während der Erzeugung geschehen kann.
Es war seit einiger Zeit bekannt und ist kürzlich von Nobel und Macnab erwiesen worden, dass durch
Behandlung bei einer weit unter dem Gefrierpunkte des Quecksilbers stehenden
Temperatur die sogen. unlösliche Nitrocellulose in Aetheralkohol löslich sei, doch
sind dies Umstände, welche nur ganz ausnahmsweise zu erzielen sind. Professor Odling hat auch gefunden, dass, wenn man besondere
Mischungen von Salpetersäure und Schwefelsäure herstellt, es ganz gut möglich sei,
zwei Arten von Schiessbaumwolle zu erzeugen, welche beide ungefähr denselben
Stickstoffgehalt besitzen, obzwar die eine löslich, die andere unlöslich in
Aetheralkohol ist. Dies hat weiter keinen Einfluss auf die Erzeugung im Grossen als
dem Fabrikanten zu zeigen, wie er es vermeiden muss, solche Resultate zu erzielen,
welche seinen Absichten entgegen sind. Worauf man gewöhnlich hinzielt, und was
heutzutage gut möglich, ist, Nitrocellulosen herzustellen, welche einen bestimmten
Stickstoffgehalt und einen geeigneten Grad von Löslichkeit oder Unlöslichkeit
besitzen. Die meisten Militärpulver enthalten die höchst nitrirte Cellulose,
gewöhnlich in Essigäther oder Aceton gelöst. Für Jagdpulver, wo eine weniger rasche
Wirkung wünschenswerth ist, wird lösliche Nitrocellulose benützt, manchmal in einer
Mischung von Aetheralkohol gelöst.
Ueber das für die Erzeugung von rauchlosem Pulver benützte Nitroglycerin ist nicht
viel zu sagen, nachdem es heutzutage keiner Schwierigkeit unterliegt, ein vollkommen
stabiles und in jeder Hinsicht geeignetes Product zu erzeugen. Es ist dies natürlich
nicht so leicht, als es nach den Angaben in chemischen Werken scheint. Es kann nur
in Fabriken geschehen, welche auf Grundlage von gesunden wissenschaftlichen
Principien geleitet werden und welchen lange Erfahrung zur Seite steht.
Ein sehr wichtiger Punkt bezüglich der endgültigen Zusammensetzung des Pulvers
ist das benützte Lösungsmittel. Obwohl man fast stets dessen vollkommene Verdampfung
herbeizuführen bestrebt ist, so bleiben doch geringe Spuren davon und insbesondere
die in dem Lösungsmittel enthaltenen Verunreinigungen in dem Pulver zurück. Die Art
des Lösungsmittels ist für die Structur und das Ansehen des erzeugten Teiges von
Wichtigkeit und dadurch mag das fertige Pulver eine verschiedene Dichte und eine
verschiedene Oberfläche besitzen und damit eine wechselnde
Verbrennungsgeschwindigkeit.
Es ist bekannt, dass Aether häufig sauer ist, und obzwar das Pulver nach dem
Verdampfen des Aethers nicht sauer zu sein scheint, so kann es doch, wenn nicht die
erforderliche Vorsicht gebraucht wird, die Wärmeprobe weniger gut als nothwendig
bestehen. Aceton ist ein verhältnissmässig neues Lösungsmittel und von den
Eigenschaften des im grossen Fabriksbetriebe hergestellten war wenig bekannt. Für
die Verwendung zu rauchlosen Pulvern hat es sehr strengen Bedingungen zu
entsprechen. Ein gut brauchbares Aceton soll ganz klar sein und sich in allen
Verhältnissen mit destillirtem Wasser mischen lassen, ohne dass sich ein
Niederschlag bildet. Es soll nicht mehr als 0,005 Proc. Säure enthalten und nicht
mehr als 0,1 Proc. Aldehyd. Bei Prüfung mit Krämer's
jodometrischer Probe (Verwandlung in Jodoform durch einen Ueberschuss von Jodlösung
bei Gegenwart von Sodalösung) soll es mindestens 98 Proc. reines Aceton geben, und
wenn mit einer 0,1procentigen Lösung von Kaliumpermanganat behandelt, soll die
Färbung mindestens zwei Minuten lang bestehen bleiben.
(Schluss folgt.)