Titel: | Elektromagnetischer Entlastungsapparat System Oerlikon. |
Autor: | R. L. |
Fundstelle: | Band 293, Jahrgang 1894, S. 67 |
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Elektromagnetischer Entlastungsapparat
System Oerlikon.
Mit Abbildungen.
Elektromagnetischer Entlastungsapparat System Oerlikon.
Textabbildung Bd. 293, S. 67Fig. 1.Turbine mit elektromagnetischer Entlastung.1 Oberes Lager der Dynamo. 2
Feststehende Armatur. 3 Unteres Lager der Dynamo. 4 Rotirendes Magnetfeld
der Dynamo. 5 Entlastungselektromagnet. 6 Entlastungsanker. 7
Oberwasserzapfen der Turbine. 8 Turbinengehäuse. Wenn der Spurzapfen oder Oberwasserzapfen einer Turbine ein sehr grosses
Gewicht zu tragen hat, ist es schwer, denselben so zu bemessen und so zu schmieren,
dass er kühl läuft und nicht zu einer Quelle von Betriebsstörungen und
Kraftverlusten wird. Die Turbinenbauer haben eine Menge von Methoden angewendet, das
Gewicht der Turbine und den Druck der auf ihr stehenden Wassersäule ganz oder theilweise durch
Wassergegendruck aufzuheben, Methoden, welche als mehr oder weniger empfehlenswerth
bezeichnet werden müssen. Ihre Anwendung reicht aber bei sehr grossen Gewichten
nicht immer aus und ist bei sehr geringen Gefällen meist nicht möglich. Ausserdem
ist eine durch das Wasser ausgeübte Entlastung in ihrer Wirksamkeit von der
Druckhöhe (dem Wasserstande) abhängig. Ferner leuchtet ein, dass eine auf die
Druckhöhe berechnete Entlastung wenigstens im Sinne der Verstärkung nicht regulirbar
ist. Auch sei erwähnt, dass es fast nie möglich sein wird, an einer vorhandenen
Turbine nachträglich eine hydraulische Entlastung anzubringen, indem der
Entlastungsapparat nicht ein von der Turbine getrennter, unabhängiger und unabhängig
functionirender Apparat ist, sondern durch eine besondere Anordnung der Theile der
Turbine selbst dargestellt wird.
Textabbildung Bd. 293, S. 68Fig. 2.Elektromagnet des Entlastungsapparates.Textabbildung Bd. 293, S. 68Fig. 3.Anker des Entlastungsapparates. Da das Bedürfniss nach kräftigen Entlastungen Hauptsächlich da auftritt,
wo die schweren, rotirenden Magnetfelder elektrischer Dynamomaschinen auf dieselbe
(senkrechte) Drehaxe mit den Turbinenrädern gekeilt werden, so ist es eine dem
Dynamobauer zukommende Aufgabe, eine wirksame Entlastung herbeizuführen. Es kommt
noch hinzu, dass gerade bei den geringsten Gefällen, d.h. bei den geringsten
Umdrehungszahlen die Dynamomaschine und daher auch der von der Turbinen welle zu
tragende rotirende Theil am schwersten wird, also gerade in denjenigen Fällen, wo
die Bedingungen für die Anwendung hydraulischer Entlastung am ungünstigsten
sind.
Die Maschinenfabrik Oerlikon besitzt eine sehr einfache
und allgemein anwendbare Construction (Fig. 1 bis
3) eines Entlastungsapparates, welcher ohne
grossen Kostenaufwand Entlastungen bis zu 50000 k bewerkstelligen lässt. Der grösste
bisher ausgeführte Apparat dient zur Entlastung von 12000 bis 14000 k in einer
Maschinengruppe, welche aus einer 600--Oerlikon-Dreiphasen-Wechselstrommaschine und einer Rieter'schen 600--Turbine ohne hydraulische Entlastung besteht und
im Wasserwerke der Rhone Land and Water Power Co.,
Ltd., Bellegarde, Frankreich, aufgestellt ist. Das Wesentliche dieser
Entlastungsapparate lässt sich in folgenden Sätzen ausdrücken:
Die zur Entlastung nöthige Kraft beträgt ungefähr ⅓ für 1 t der zu tragenden
Last, ein Aufwand, welcher hinter der in einem Spurzapfen für 1 t verloren gehenden
Energie weit zurückbleibt.
Die entlastende Kraft des Apparates ist von der Umdrehungszahl und der Belastung der
Maschine vollständig unabhängig und unabhängig regulirbar. (Selbstverständlich hat
der Wasserdruck keinen Einfluss, da nicht die Druckkraft einer Wassersäule, sondern
die Zugkraft von Magneten wirkt.)
Der Apparat ist sowohl von der Turbine, als auch von der Dynamomaschine nach
Wirkungsweise und Construction völlig unabhängig. Er kann über oder unter der
Dynamomaschine, überhaupt an beliebiger sonst passender Stelle auf der Drehachse
angebracht werden.
In seiner einfachsten Gestalt besteht der elektromagnetische Entlastungsapparat
System Oerlikon aus einem dem Magnetfelde einer
gewöhnlichen Oerlikon-Wechselstrommaschine ganz
ähnlichen kranzförmigen System von Magnetpolstücken (vgl. Fig. 1 und deren beigesetzte Erläuterungen, sowie Fig. 2 und 3), welche,
durch eine einzige Spule von Drahtwindungen erregt, magnetisirt werden. Dieser Kranz
von Elektromagneten, oder vielmehr dieser Elektromagnet mit seinem Kranz von in
ihrer Polarität abwechselnden Polstücken ist mit dem Fundamente der Maschine oder
sonst mit einem Widerlager fest verbunden. Die erregende Spule ist somit auch ruhend
und die Zuführung des Stromes erfordert keine Schleifringe und Bürsten, sondern nur
zwei feststehende Drahtverbindungen.
Unter den Polen des ruhenden Elektromagnets rotirt, mit der Drehachse fest verbunden,
der Anker, welcher im Wesentlichen aus einem an Breite den Polen gleichen, aus
Eisenband gebildeten Ringe besteht. Dieser Anker bildet den magnetischen Schluss
zwischen den auf einander folgenden Ringen über ihm. Die zwischen den Polen und dem
Anker auftretende Zugkraft von bis 3 k/qc ist die entlastende Kraft. Der Raum zwischen den
Polen und dem Anker ist grösser als der Spalt zwischen Leit- und Laufrad. Auch ist
dafür gesorgt, dass sich die Zugkraft nur unmerklich ändert, wenn sich dieser
Zwischenraum etwas ändern sollte. Ausserdem ist aber diese Zugkraft regulirbar.
Der den Entlastungsapparat speisende Strom ist sehr gering, z.B. für einen Apparat
für 12 bis 141 etwa 20 Ampère bei 80 Volt, und wird durch einen ganz gewöhnlichen
Regulirwiderstand geführt, mit welchem man diesen Strom und damit die entlastende
Kraft jederzeit reguliren kann. Der Strom kann entweder von einer gesondert
aufgestellten oder einer mit der grossen Maschine gekuppelten, zugleich auch für die
Erregung der letzteren dienenden, kleinen Gleichstrommaschine geliefert werden oder
endlich auch von der grossen Maschine selber, falls sie Gleichstrom erzeugt und
selbsterregend ist. Immer ist der Anschluss der Entlastungsapparate eine sehr
einfache Sache.
Der Anker des Entlastungsapparates trägt keinen einzigen Draht. Er ist ganz aus Eisen
und enthält so wenig wie der ruhende Theil desselben irgend etwas Blankes. Er
verlangt nicht die geringste Bedienung.
Jede Dynamomaschine mit senkrechter Achse besitzt in ihrem eigenen Magnetfelde einen
Entlastungsapparat. Die so erzielbare Entlastung ist verhältnissmässig gering und
erfordert, dass der rotirende Theil in der Bohrung mehr oder weniger nach unten
hängt. Dieses hat mehrere Nachtheile für das übrige Functioniren der Maschine zur
Folge. Ausserdem ist diese Entlastung von der Stärke des Magnetfeldes, und, da diese
durch die Arbeitsbelastung der Maschine bestimmt ist, auch von dieser Belastung
abhängig. Dem gegenüber ist es möglich, mit dem hier beschriebenen
Entlastungsapparat beliebig grosse Kräfte auf einfache, weder das übrige
Functioniren der Turbine und der Dynamo beeinflussende, noch von ihr beeinflusste
Weise auszuüben.
Diese Apparate sind für die grossen, langsam gehenden Dynamos und Turbinen der
zukünftigen grossen Kraft- und Lichtvertheilungsanlagen unentbehrlich. Es versteht
sich, dass diese Apparate auch anwendbar sind, wo es sich gar nicht um den Antrieb
einer Dynamo handelt, und dass die Apparate auch zur Erzielung nicht in der Richtung
der Schwere wirkender Entlastungen verwendet werden können.
R. L.