Titel: | Sesemann's Zeitzeichen-Uebertrager. |
Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 17 |
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Sesemann's Zeitzeichen-Uebertrager.
Mit Abbildung.
Sesemann's Zeitzeichen-Uebertrager.
Um im Bereiche ihres ganzen Bahnnetzes den unerlässlichen Gleichgang sämmtlicher
Dienstuhren zu erzielen, hat die preussische Staatsbahnverwaltung die Veranlassung
getroffen, dass täglich zur bestimmten Stunde die richtige Zeit von Berlin aus an
die einzelnen Bahnverwaltungsbezirke telegraphisch bekannt gegeben werde. Es
geschieht dies mit Hilfe eines äusserst genau gehenden Chronometerwerkes, das
überdem regelmässig von der Berliner Sternwarte justirt wird, und mittels welchem
die Abgabe des telegraphischen Zeitzeichens auf sämmtliche in Berlin mündende oder
durchlaufende Eisenbahntelegraphenleitungen – durchwegs lauter auf Ruhestrom
geschaltete Morse-Linien – gleichzeitig und selbsthätig
(vgl. 1892 285 * 241) erfolgt. Das betreffende Zeichen
besteht aus einem durch die mehrfache auf einander folgende Wiederholung der
Morse-Buchstaben MEZ (soviel wie „mitteleuropäische
Zeit“) gebildeten Anruf, welcher zwei Minuten vor acht Uhr Vormittags
beginnt und 50 Secunden vor acht Uhr in eine dauernde Unterbrechung (Strich)
übergeht, welche jedoch Punkt acht Uhr wieder aufhört. In allen eingeschalteten
Stationen ist dieses Aufhören der Linien- bezieh. Stromunterbrechung durch den
Ankerabfall am Morse-Schreibapparate deutlich wahrnehmbar und bildet das eigentliche Zeitsignal, nach welchem die Dienstuhren zu
richten sind.
Damit dieses Zeitsignal aber auch in alle Zweiglinien und bis in die äussersten
Ausläufer des ganzen Bahnnetzes gelangt, muss dasselbe in allen Abzweigestationen,
wo Telegraphenleitungen münden, durch die Telegraphenbeamten mittels des
Morse-Tasters, also mit der Hand, oder mit Hilfe besonderer selbsthätiger
Uebertragungsvorrichtungen durch synchrone Nachahmung fortgepflanzt werden. Die
erstangeführte, mit der Hand zu bewerkstelligende Uebertragung bietet jedoch gewisse
Misslichkeiten, die
allerdings an und für sich unbedeutend erscheinen, nichtsdestoweniger aber
begründeten Anlass bieten, den Vorgang keineswegs für so genau und sicher gelten zu
lassen, als es mit Rücksicht auf den erwünschten Gleichgang aller Uhren anzustreben
wäre. Die geringfügigste äussere Störung, ein unwillkürliches Zucken der Hand, eine
Ablenkung der Aufmerksamkeit des übertragenden Telegraphenbeamten u.s.w., kann mehr
oder minder Differenzen zur Folge haben, die sich bei mehrfacher Uebertragung an
weitere Zweiglinien noch leicht vermehren können. Eine stete Schwierigkeit für die
Fortpflanzung des Zeitzeichens ergibt sich natürlich in jenen Stationen, wo mehr
Zweigleitungen einmünden, als Telegraphenbeamten zur Dienstleistung vorhanden sind.
Nicht nur in solchen, sondern überhaupt in allen Fällen ist also eine selbsthätige
Uebertragungsvorrichtung dem Abspielen mit der Hand vorzuziehen, da sich überdem
derlei „einseitige Translationen“ in der Regel
mit den bescheidensten Hilfsmitteln durchführen lassen.
Textabbildung Bd. 292, S. 17Sesemann's Zeitzeichen-Uebertrager. Die einfachste Uebertragungsvorrichtung bestände beispielsweise aus einem
an dem Morse-Schreiber, auf welchem das Berliner Zeitzeichen einlangt,
anzubringenden Ankercontacte, der mittels eines gewöhnlichen Klemmenwechsels oder
Kurbelumschalters während der maassgebenden Minuten in die Zweiglinie geschaltet
wird, so dass dann der Schreibhebel des besagten Morse-Apparates für die Zweiglinie
als Geber wirkt und in derselben das Zeitzeichen genau
so abspielt, wie er es von Berlin empfängt. Sind in der Station mehrere Zweiglinien
vorhanden, die aber sämmtlich zur Erde anschliessen, so reicht selbstverständlich
der eine Ankercontact am Schreibapparate für alle aus.
Etwas Verwandtes hat Sesemann für die Station Erfurt
ersonnen (vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1893 S.
212), doch wird bei dieser in Fig. 1 dargestellten
Einrichtung nicht der das Zeitzeichen empfangende Morse-Schreiber selbst als einseitiger Translator herangezogen, sondern diese
Aufgabe erfüllt für jede einmündende Zweiglinie ein eigenes Relais, welches während
des Eintreffens des Zeitzeichens mit seinen Spulen in die Ortslinie des
obenbezeichneten Morse-Apparates und mit dem Ankercontact in die zugehörige
Zweiglinie, in welche das Zeitzeichen fortzupflanzen ist, eingeschaltet wird.
In der Abbildung ist rechts der Telegraphenapparatsatz – bestehend aus der
Blitzplatte P, dem Relais R, dem Galvanoskop G, dem Morse-Taster
T und dem Morse-Schreiber M
– dargestellt, auf welchem das Zeitzeichen aus Berlin einläuft; links
befindet sich die Vorrichtung für die Zeitzeichen-Uebertragung, bestehend aus einem
Schranke SS, in welchen sechs Relais R1R2R3..., ein
Kurbelumschalter K und ein Morse-Taster T1 untergebracht sind.
Tagsüber nimmt die Handhabe N des Kurbelumschalters
stets die in der Zeichnung mit vollen Strichen dargestellte Lage ein; in diesem
Falle lehnen sich die Contactfedern g und h, bei welchen die Ortslinie des Morse-Schreibers M anschliesst, gegen ein in den Hartgummicylinder w eingelassenes Metallplättchen k, durch welches daher von g zu h dauernd ein kurzer Schluss hergestellt wird. Der
Morse-Schreiber arbeitet also für gewöhnlich mit seiner normalen, aus drei
Meidinger-Ballonelementen bestehenden Ortsbatterie B1 gleichwie in jeder anderen Station. Die in der
Station mündenden Telegraphen-Zweiglinien sind zu ähnlichen Contactfedern p und q – in der Figur
sind bloss zwei solche Anschlüsse (p1q1 und p4q4) dargestellt, weil sich ja ohnehin alle gleichen –
geführt, welche bei der Ruhelage des Umschalters K
stets durch Vermittlung eines Metallplättchens s (s1 bezieh. s4) in leitende
Verbindung gebracht werden; gleichzeitig geht von jedem Federpaar p, q eine Leitungsschleife zu dem Ankercontacte eines
der Relais R1R2R3...
Vor dem Eintreffen des Zeitzeichens wird die Handhabe N
des Umschalters nach aufwärts gestellt und demzufolge rückt in w ein weiter nach rechts liegendes Metallplättchen l an die Stelle von k, so
dass der Stromweg von g zu h aufhört, dafür aber jener von h nach i entsteht, auf welche Weise nunmehr die Spulen
sämmtlicher Uebertragungsrelais und eine aus sechs Leclanché-Elementen bestehende
Verstärkungsbatterie B2
hinter einander in den Schliessungskreis der Ortslinie gebracht wurden; zugleich ist
unter allen Federpaaren p, q an Stelle des verschobenen
Metallplättchens s Hartgummi gelangt und sonach in jede
der sämmtlichen Zweiglinien die zugehörige Relaisschleife eingeschaltet worden.
Jedes der Relais R1R2R3... empfängt vermöge
dieser Anordnung das Berliner Zeitzeichen genau so, wie der Morse-Schreiber M, unmittelbar vom Relais R der Hauptleitung und besorgt, da es jetzt für die an seinem
Ankercontacte angeschlossene Zweiglinie L (L1.. L4..) als Geber wirkt, die Uebertragung mit grösstmöglicher
Genauigkeit, denn die durch gewöhnliche Uhren unmessbare Verzögerung, welche
theoretisch für den Weg zu berechnen wäre, welchen der Ankerhebel des
Uebertragungsrelais zurücklegen muss, um aus der Unterbrechungslage in die
Contactlage zurückzugelangen, kann für die Dienstuhrenregulirung durchaus in
keinerlei Betracht gezogen werden.
Der den Uebertragungsapparaten im Kasten SS zugesellte
Morse-Taster T1 hat
lediglich den Zweck, die genaue Einstellung der Relais R1R2R3... vornehmen zu können, ohne hierdurch den Dienst
auf der Hauptleitung irgendwie zu behindern oder zu stören. Bei der seit October
1891 tadellos dienstleistenden Erfurter Zeitzeichen-Uebertragungseinrichtung haben
die Spulen der Uebertragungsrelais, sowie die des Morse-Schreibers je 12 Ohm
Widerstand und die Stärke ihres Betriebsstromes ist mit annähernd 90 Milliampère
bemessen.