Titel: | Die Westinghouse-Schnellbremse. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 291, Jahrgang 1894, S. 251 |
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Die Westinghouse-Schnellbremse.
Mit Abbildungen.
Die Westinghouse-Schnellbremse.
Die Westinghouse-Schnellbremse hat seit ihrer Einführung in Europa eine im Bereiche
des Eisenbahnwesens so beispiellos schnelle und stetig wachsende Verbreitung
gefunden, dass es angezeigt erscheint, die Wirkungsart und Construction der
einzelnen Bestandtheile dieser im Laufe der letzten Jahre immer mehr
vervollkommneten Bremse, deren allgemeine Einführung für Durchgangswagen auf den zum
Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen gehörigen Strecken unlängst beschlossen
wurde, eingehender zu besprechen. (Vgl. 1888 268 * 433;
1890 276 * 158.)
Es waren nach The Engineer vom 31. October 1890 S. 347
zuerst die badischen Staatsbahnen, welche im J. 1889 grössere Versuche mit der
Westinghouse-Bremse anstellten, zum Zwecke, die Wirkung derselben bei langen Zügen
bis zu 50 Wagen praktisch zu erproben; namentlich sollte ermittelt werden, ob die
mittels Pressluft in Thätigkeit gesetzte Bremse im Stande sei, einen Zug von 50
Wagen seiner ganzen Länge nach so zu bremsen, dass die hinteren Wagen nicht Zeit
haben, die vorderen, die jedenfalls zuerst gebremst werden, zu überfahren.
Dahingehende Versuche waren in Amerika nach Vervollkommnung der älteren Construction
dieser Bremse bereits mehrere Jahre vordem mit Erfolg durchgeführt (vgl. 1888 268 * 433).
Auch die auf den badischen Staatsbahnen ausgeführten Versuche fielen zur
Zufriedenheit der an denselben betheiligten Fachleute aus und gaben den Anlass, dass
französische Bahnverwaltungen noch in demselben Jahre, die belgischen Staatsbahnen
im Frühjahr 1890 ähnliche Versuche auf ihren Strecken anstellten. Seitdem hat die
Westinghouse-Bremse, da sie sich allen anderen, gleichen Zwecken dienenden Apparaten
(mittels Luftdruck, Vacuum oder Reibung) gegenüber als die betriebssicherste
Vorrichtung zum schnellen Anhalten von Personen- und Güterzügen auf Haltestellen
und, was von der grössten Bedeutung, bei eintretenden Gefahren herausstellte, ein
immer ausgedehnteres Feld ihrer Thätigkeit gefunden.
Westinghouse's selbst wirkende Luftdruckbremse ist eine
durchgehende Bremse, deren zum Betreiben nöthige Druckluft sich in einem
Hauptbehälter auf der Locomotive und in Hilfsbehältern, von welchen je einer an der
Locomotive, dem Tender und jedem Bremswagen befindlich, aufgespeichert ist. Die
sämmtlichen Behälter stehen durch ein in dem ganzen Zuge durchgeführtes
Hauptleitungsrohr mit einander in Verbindung. An jedem Bremswagen befindet sich
ferner ein sogen. Functionsventil und ein Bremscylinder mit Kolben, welcher mit dem
Bremsgestänge in Verbindung steht.
Der Luftdruck im Hauptleitungsrohre hält die Bremsen gelöst; sobald aber Luft aus der
Hauptleitung absichtlich ausgelassen wird oder zufällig entweicht, wirken alle
Bremsen im Zuge augenblicklich, indem Pressluft aus den Hilfsluftbehaltern in die
zugehörigen Bremscylinder tritt und die Bremskolben vorwärts treibt.
Die Wirkungsart der Bremsen ist folgende: Durch die in Fig. 1
dargestellte Luftpumpe der Locomotive werden vor Abfahrt des Zuges die
Hauptluftbehälter, das Hauptleitungsrohr und die Hilfsluftbehälter von Locomotive
und Tender mit Luft bis zu einem Drucke von etwa 5 at angefüllt. Sind die
Kuppelungsschläuche zwischen den Wagen zusammengefügt, die Locomotive mit dem Zuge
gekuppelt und die in der Hauptleitung liegenden Absperrhähne geöffnet, so lässt der
Führer mittels eines Bremsventils Pressluft aus dem Hauptbehälter in das
Leitungsrohr eintreten, wodurch dann ein gleichmässiger Druck in dem letzteren, den
Functionsventilen und den Hilfsluftbehaltern des ganzen Zuges hergestellt wird. Um
zu bremsen, öffnet der Locomotivführer das Bremsventil oder der Zugführer bezieh.
Schaffner einen Absperrhahn in der Hauptleitung, so dass Luft aus der letzteren
entweichen kann. Die hierdurch entstehende Druckverminderung veranlasst eine
Bewegung der Kolben der Functionsventile, so dass ein Theil der in den
Hilfsbehältern aufgespeicherten Pressluft in vor diesen liegende Bremscylinder
strömt, deren Kolben in Bewegung kommen und in Folge ihrer Verbindung mit den
Bremsklötzen diese gegen die Räder pressen.
Textabbildung Bd. 291, S. 251Fig. 1.Luftpumpe zur Westinghouse-Bremse.C. Dampfhahn; D.
Ballschmiergefäss; E. Zum Hauptluftbehälter. Die Stärke der ausgeübten Bremswirkung richtet sich nach der Grösse der
Druckverminderung in der Hauptleitung. Der Führer kann die Bremsen mit grösserer
oder geringerer Kraft anziehen, je nachdem er mehr oder weniger Luft aus der Leitung
ausströmen lässt.
Die Bremsen werden wieder gelöst, sobald die Verbindung zwischen Hauptluftbehälter
und Hauptleitung von Neuem hergestellt ist. Hierdurch wird der Luftdruck in dem
Hauptrohre wieder erhöht, indem die Pressluft aus dem Hauptbehälter in dasselbe
eintritt. Die Kolben der Functionsventile werden in Folge dessen in ihre
ursprüngliche Stellung zurück bewegt und die Hilfsluftbehälter wieder gefüllt,
während gleichzeitig die Luft aus den Bremscylindern entweicht und der Druck auf die
Bremsklötze somit aufhört.
Die Bremswirkung pflanzt sich nach den angestellten Versuchen von einem Fahrzeug zum
anderen in dem 25ten Theile einer Secunde fort und durchläuft die Länge eines
600 m langen Zuges innerhalb zweier Secunden.
Dies konnte auch auf den Weltausstellungen zu Brüssel 1888, Paris 1889 und der
Unfallverhütungsausstellung zu Berlin 1888 beobachtet werden, wo je eine
Westinghouse-Bremse mit den nöthigen Rohrleitungen; Bremscylindern u.s.w.
ausgestellt war.
Die zum Erzeugen der Pressluft dienende Luftpumpe ist senkrecht angeordnet und
besteht aus einem Dampfcylinder A (Fig. 1) mit zugehörigen Steuerventilen und einem
darunter befindlichen Luftcylinder B mit je zwei Saug-
und Druckventilen. Die Kolben beider Cylinder sind an einer gemeinschaftlichen
Stange befestigt.
Wird der zugehörige Dampfhahn am Locomotivkessel geöffnet, so strömt Dampf aus dem
letzteren nach dem oberen Cylinder und tritt in den Raum c zwischen den beiden Kolben 1 und 10 des Hauptsteuerventils; dieser Raum steht durch den
Kanal i mit der Kammer d
im oberen Cylinderdeckel in steter Verbindung, so dass hier der gleiche Dampfdruck
herrscht wie zwischen den genannten beiden Kolben, von denen der obere grösser ist
als der untere. Der Dampfdruck zeigt demnach stets das Bestreben, das Ventil zu
heben. Dasselbe wird jedoch durch den Kolben 2 so lange
niedergehalten, als auf demselben ebenfalls der Druck des aus der Kammer d durch den oberen Kanal e
tretenden Dampfes ruht.
In der Fig. 1 ersichtlichen Stellung des Steuerventils
tritt der Dampf bei dem unteren Kolben 10 in den
Cylinder A ein und treibt den Dampfkolben 3 aufwärts. Die an dem letzteren befestigte Platte 4 greift kurz vor Beendigung des Aufwärtshubes unter
die obere Verstärkung der Stange 5 und hebt diese sammt
dem Schieber 6 so weit empor, dass der Kanal e geschlossen wird. Die Bohrung f kommt dann mit dem Ausströmkanale g in
Verbindung und der über dem Kolben 2 befindliche Dampf
kann entweichen. Das Steuerventil bewegt sich nun aufwärts und der Kesseldampf
gelangt in den oberen Theil des Cylinders, während der auf der unteren Kolbenseite
wirksam gewesene Dampf durch den vom Kolben 10
geöffneten Ausströmkanal entweicht.
Textabbildung Bd. 291, S. 251Fig. 2.Regulator mit Dampfabschluss.D. Dampfeintritt; E. Nach der
Hauptleitung; F. Nach der Pumpe. Der Kolben wird jetzt abwärts getrieben, wobei sich vor Beendigung des
Hubes die Platte 4 gegen den Knopf am unteren Ende der
Stange 5 legt und diese mit dem Schieber 6 in die gezeichnete Stellung zurückzieht. Es strömt
dann wieder Kesseldampf über den Kolben 2, das
Steuerventil geht nach unten und das Spiel beginnt von Neuem. Mit a sind die Einlass-, mit b
die Auslassventile des Luftcylinders bezeichnet; m ist
ein kleiner Hahn, der zum Schmieren des genannten Cylinders mit gereinigtem Erdöl oder Vaseline
dient.
Um zu verhindern, dass der Locomotivführer den Luftdruck in der Hauptleitung über ein
gewisses Maass hinaus erhöht und der zum Betriebe der Bremse erforderliche Luftdruck
stets constant bleibt, ist ein Regulator mit Dampfabschlussvorrichtung angeordnet;
derselbe ist in Fig. 2 mit geschlossenem Ventil
ersichtlich, wobei sich die Pumpe ausser Thätigkeit befindet. Sobald man die Spindel
16 mit Hilfe des Handrades C dreht, tritt bei D Kesseldampf ein, welcher
das Ventil 5 öffnet und durch F nach der Luftpumpe strömt. Der obere Theil des Ventils 5 besteht aus einem hohlen Kolben B, welcher mit einer punktirt angegebenen kleinen Nuth
versehen ist, durch welche der Dampf auch nach der oberen Seite des Kolbens
übertritt. Der auf das Ventil nach aufwärts wirkende Druck wird somit durch den
Gegendruck des über dem Kolben befindlichen Dampfes im Gleichgewicht gehalten.
Die Luftpumpe arbeitet und erhöht dadurch den Druck im Hauptbehälter so lange, bis
der Luftdruck in der Hauptleitung E die Spannung der
Feder 10 überwindet. Dieser Luftdruck wirkt alsdann auf
die obere Seite des Diaphragmas 9, welches mit Hilfe
der Platte A das Ventil 6
öffnet, so dass der Dampf über dem Kolben B durch das
Ausströmungsrohr G entweichen kann. Der auf B aufwärts wirkende Druck schliesst in Folge dessen das
Ventil 5 und schneidet dadurch den Dampfzutritt zur
Pumpe ab.
Sobald der Druck in der Hauptleitung durch das Anziehen der Bremsen vermindert wird,
schliesst sich das Ventil 6 wieder und gestattet dem
Dampfe, sich aufs Neue über dem Kolben B zu sammeln,
worauf das Ventil 5 geöffnet und somit die Luftpumpe
wieder in Thätigkeit gesetzt wird.
Die Feder 10 kann mit Hilfe der Muttern 15 beliebig eingestellt werden, so dass jeder
gewünschte Luftdruck in der Leitung erzielt werden kann. Der Regulator kann auch
ohne Handrad C nebst Spindel 16 ausgeführt werden, wenn man vorziehen sollte, einen besonderen
Dampfhahn an irgend einem Orte anzubringen. In solchen Fällen wird das untere
Verschlusstück 4a
durch eine geschlossene Kappe ersetzt, in der sich der untere Theil des Ventils 5 führt.
Fig. 3 zeigt die jetzige Construction der zur
Verwendung kommenden Functionsventile, welche, wie dies bereits 1888 268 Taf. 24 Fig. 1
ersichtlich, je mit einem Hilfsluftbehälter und Bremscylinder zu einem Stück
vereinigt sind, so dass nur eine Rohrverbindung von der Hauptleitung nach jedem
Functionsventil anzubringen ist.
Textabbildung Bd. 291, S. 252Fig. 3.Functionsventile.B. Nach dem Bremscylinder; C.
Nach dem Hilfsluftbehälter; E. Von der Hauptleitung. In dem Gehäuse 1 befindet sich ein Kolben 5 mit Schieberventil 6,
welches den nach dem Bremscylinder führenden Kanal a
überdeckt. Pressluft aus der Hauptleitung tritt bei E
ein, gelangt durch den Kanal K und die Oeffnungen l nach dem Kolben 5 und
treibt denselben mit Ventil 6 in die gezeichnete
Stellung. Demnächst strömt die Luft wie früher auch durch die Nuthen d und f nach der anderen
Seite des Kolbens in den bei C anschliessenden
Luftbehälter. Die Höhlung b des Schiebers 6 verbindet in dieser Stellung den Kanal a mit dem ins Freie mündenden Kanal c, so dass die Bremsen ausser Thätigkeit bleiben.
Sollen die Bremsen nur massig angezogen werden, so bewegt sich in Folge geringer
Verminderung des Luftdruckes in der Hauptleitung der Kolben 5 nach rechts, verschliesst die Füllnuthe d
und bringt das in dem Schieber 6 liegende kleine Ventil
7 von seinem Sitz, so dass die Luft durch eine
seitliche Oeffnung in den Kanal e des Schiebers
gelangen kann; der letztere wird dann ebenfalls vom Kolben mitgenommen und so weit
nach rechts verschoben, bis der Kanal e dem Ausgange
a gegenübersteht. Da jetzt Luft in den
Bremscylinder überströmt, erfolgt das Anziehen der Bremsklötze. Sobald der Druck im
Luftbehälter in Folge dieses Ueberströmens von Luft unter denjenigen in der
Hauptleitung gesunken ist, bewegt sich Kolben 5 wieder
etwas zurück und schliesst das kleine Ventil 7, wobei
der Schieber in seiner Stellung verharrt. Ein weiterer Uebertritt von Luft in den
Bremscylinder wird dadurch verhindert. Um die Bremswirkung zu verstärken, kann man
durch abermalige Herstellung einer geringen Druckverminderung in der Hauptleitung
das Spiel wiederholen und damit jeden beliebigen Druck im Bremscylinder
erzeugen.
Um die Bremsen schnell und mit voller Kraft in Thätigkeit zu setzen, ist eine
plötzliche und erhebliche Druckverminderung in der Leitung auszuführen. Kolben 5und Schieber 6 werden
dadurch bis an das Ende ihres Hubes getrieben, und letzterer legt sich auf die
Lederscheibe 10, wobei der Ausschnitt desselben der zu
dem Nebenkolben 13 führenden Oeffnung h gegenüber steht und gepresste Luft aus dem Behälter
auf diesen Kolben wirken kann. Derselbe wird hierdurch abwärts bewegt, legt sich
gegen die Stange des Ventils 18 und hebt dieses von
seinem Sitz.
Textabbildung Bd. 291, S. 253Bremsventil.Fig. 4. B. Zum Manometer. C.
Vom Hauptluftbehälter. D. Zum Nothbremssignalventil. E. Hauptleitung. F. Vom
Luftbehälter; Fig. 5. A. Hauptventil; Fig. 6. G. Ausblasrohr. Der in der Hauptleitung noch vorhandene Druck öffnet auch das
Rückschlagventil 19, und die Luft strömt nunmehr mit
grosser Geschwindigkeit durch die geöffneten Ventile 19
und 18, sowie durch den Durchgang B in den Bremscylinder, so dass nicht nur eine schnelle
Bremswirkung an dem betreffenden Wagen erzielt, sondern auch eine weitere Druck
Verminderung in der Leitung geschaffen wird, welche sich ausserordentlich schnell
von Wagen zu Wagen fortpflanzt. Während des zuletzt beschriebenen Vorganges steht
auch der Kanal g des Schiebers 6 mit dem Kanale a in Verbindung, so dass
auch gleichzeitig gepresste Luft aus dem Luftbehälter in den Bremscylinder
überströmt. Die Durchgänge von der Hauptleitung in den Bremscylinder sind jedoch
erheblich grösser als diejenigen vom Luftbehälter in den Bremscylinder, und der
letztere wird daher zum grössten Theil bereits mit Pressluft aus der Hauptleitung
gefüllt, ehe die Luft aus dem Luftbehälter Zeit gefunden hat, ebenfalls dorthin zu
gelangen.
Sobald der Druck im Bremscylinder demjenigen in der Hauptleitung gleich ist, wird das
Rückschlagventil 19 mit Hilfe der Feder 20 geschlossen und dadurch ein Zurückströmen der
Luft verhindert, auch wenn der Druck im Bremscylinder grösser wird als der Druck in
der Leitung.
Sobald mittels des Führerbremsventils Pressluft aus dem Hauptluftbehälter der
Locomotive in die Hauptleitung eingelassen wird, erfolgt das Lösen der Bremsen in
der 1888 268 * 436 angegebenen Weise.
Das Sieb 24 aus Drahtgeflecht dient dazu, feste Körper
von dem Eintritte in das Functionsventil abzuhalten.
Mittels des Hahnes in dem unteren Theile des Functionsventils kann die
Bremsvorrichtung eines Fahrzeuges ganz ausser Thätigkeit gesetzt, oder es kann auch
nur die schnelle Wirkung derselben ausgeschaltet werden. In der senkrechten Stellung
M des Hahngriffes ist die schnelle Wirkung
vorhanden; durch eine Drehung in die Stellung N wird
die Bremse völlig ausser Thätigkeit gesetzt und durch eine noch weitere Drehung des
Griffes bis nach O nur die schnelle Wirkung
ausgeschaltet, so dass das Ventil genau in derselben Weise wie bei der älteren
Construction desselben wirkt.
Fig. 4 bis 6 veranschaulichen das
auf dem Führerstande der Locomotive angebrachte Bremsventil mit
Ausgleichvorrichtung, welches dazu dient, das Füllen der Hauptleitung und
Hilfsluftbehälter mit gepresster Luft, sowie das Anziehen und Lösen der Bremsen an
allen Fahrzeugen des Zuges zu vermitteln.
In Folge der angeordneten Ausgleichvorrichtung kann die Luft aus dem
Hauptleitungsrohre so lange ununterbrochen ausströmen, bis der Druck im ganzen Zuge
ein gleichmässiger ist; hierdurch wird, gegenüber den Uebelständen, welche sich bei
ungeschickter Handhabung des bisherigen Bremsventils herausstellten, eine
gleichmässige Bremswirkung an sämmtlichen Wagen geschaffen und damit dem Entstehen
von Stössen und Eintreten von Kuppelungsbrüchen vorgebeugt.
Fig. 4 und 5 stellen den Handgriff
und das Hauptventil in der in Fig. 5 mit A bezeichneten Stellung zum Lösen
der Bremsen dar; der Durchgang der Luft aus dem Hauptbehälter durch den Drehschieber
4 zum Hauptleitungsrohr E ist durch Pfeile angedeutet. Durch die Höhlung i und den Kanal K gelangt die Luft auch in
die Kammer T.
Während der Fahrt dreht man den Handgriff des Ventils in die Stellung B (Fig. 5), in welcher die
Luft nicht mehr durch den Durchgang a (Fig. 4) in das
Leitungsrohr E gelangen kann, doch trifft ein im
Hauptventil liegender Kanal auf den Kanal c (Fig. 5 und 6) im Körper, welcher zu
dem unter der Kappe 26 gelegenen Füllventil 24 (Fig. 6) führt und von da
aus Verbindung mit dem Hauptleitungsrohre hat, wie durch den punktirten Pfeil in
Fig. 5 angedeutet
wird. Das Füllventil 24 wird mittels Feder 25auf seinen Sitz niedergehalten; hierdurch wird es
ermöglicht, im Hauptluftbehälter einen um 1⅓ bis 1⅔ at höheren Druck als im
Hauptleitungsrohr zu erhalten, welcher Ueberdruck das rasche Lösen der Bremsen
sichert. In der Stellung B des Handgriffes ist auch die
Höhlung S im Hauptventil (Fig. 4) mit der Kammer
T (Fig. 4 und 6) verbunden, an welche
ein kleiner Luftbehälter angeschlossen ist, dessen Luftdruck ein mit dem
Gewindestück 17 verbundener Luftdruckmesser anzeigt.
Der in diesem Behälter aufgespeicherte Luftdruck wirkt auf den Kolben 11, dessen Stange in einem kleinen Auslassventil U endet, welches seinen Sitz auf einem inneren
Vorsprung an dem unteren Verschlusstücke 22 hat.
Um die Bremsen mit massiger Kraft anzuziehen, wird der Handgriff in die Fig. 5 ersichtliche
Stellung D gedreht. Alsdann entweicht ein Theil der in
der Kammer T und ihrem Luftbehälter enthaltenen Luft
durch den Ausgang e (Fig. 5 und 6), eine Höhlung im
Hauptventil und die mit der Ausströmungsöffnung W (Fig. 5) in Verbindung
stehende Vertiefung g der Gleitfläche. Hierdurch wird
oberhalb des Kolbens 11 eine Druckverminderung erzeugt
und der nun in der Hauptleitung vorhandene Ueberdruck, welcher auf die untere Seite
des Kolbens wirkt, treibt denselben aufwärts, hebt dadurch das Stangenventil U von seinem Sitz und gestattet der Luft, so lange
durch das Ausblasrohr zu entweichen, bis im ganzen Zuge der Luftdruck in der
Hauptleitung dem Drucke in der Kammer T gleich ist,
worauf das Ventil U wieder auf seinen Sitz niedersinkt
und das Ausblasrohr abschliesst.
Zu Nothbremsungen dreht man den Handgriff ganz nach rechts in die Stellung M; hierdurch wird eine unmittelbare Verbindung zwischen
dem Kanäle V (Fig. 4 und 5) und der grossen
Ausströmungsöffnung W (Fig. 5 und 6) hergestellt, durch
welche die Pressluft aus der Hauptleitung entweicht, so dass sich der Druck in
derselben sehr rasch vermindert.
In der Stellung C (Fig. 5) ist das Ventil
völlig geschlossen und es kann weder Luft ausströmen, noch von einem Räume in einen
anderen übertreten.
Damit auch die Reisenden eines Zuges bei irgend welchen gefahrdrohenden Vorkommnissen
den Zug zum schnellen Stillstande bringen können, ist am Ende jeder Wagendecke ein
Nothbremshahn mit Signalpfeife und Signalscheibe angebracht, welcher mit der
Hauptleitung durch ein Zweigrohr verbunden ist. In jeder Wagenabtheilung befindet
sich ferner ein Handgriff, durch dessen Herunterziehen ein mit dem Nothbremshahn
verbundenes Drahtseil niedergezogen wird, so dass sich der erstere öffnet und
Pressluft aus der Hauptleitung strömt, welche die Signalpfeife zum Ertönen bringt.
Zu gleicher Zeit ertönt aber auch eine an der Locomotive angebrachte
Nothsignalpfeife und die Bremse wird durch Verminderung des Luftdruckes angezogen.
Der Führer kann dann sofort die Bremswirkung durch Oeffnen des Führerbremsventils
unterstützen.
Textabbildung Bd. 291, S. 254Fig. 7.Signalpfeife.A. Vom Führer Bremsventil; B.
Vom Hilfsluftbehälter der Locomotive; C. Vom Hauptluftbehälter. Die auf der Locomotive angebrachte, mit einem Ventilkasten verbundene
Nothsignalpfeife veranschaulicht Fig. 4; die Wirkung
derselben ist von dem jeweiligen Druck ober- und unterhalb des Diaphragmas 13 abhängig. So lange der Druck in der unteren Kammer
E dem in der oberen Kammer D gleich oder höher als letzterer ist, ertönt die Pfeife nicht, gibt aber
ein Reisender oder Schaffner ein Signal, so vermindert sich der Luftdruck in der
Hauptleitung und wird in E geringer als in D, und demzufolge wird das Diaphragma niedergedrückt.
Hierdurch wird das kleine, am Diaphragma befestigte Ventil 6 geöffnet und die Luft vom Hilfsluftbehälter hebt den cylindrischen
Kolben 9, so dass dieser das obere Ventil 10 von seinem Sitz abstösst und der Luft im
Hauptluftbehälter den Durchgang nach der Pfeife 4
öffnet. Die Wagenpfeife wird hiernach durch die von der Hauptleitung, die
Locomotivpfeife dagegen durch die vom Hauptluftbehälter entweichende Luft zur
Wirkung gebracht. Wird der ursprüngliche Druck in der Hauptleitung und somit auch in
der Kammer E wieder hergestellt, so geht das Diaphragma
13 in die Fig. 7
ersichtliche Lage zurück und das Ventil 6 schliesst
sich. Die Pressluft, welche den Kolben 9 gehoben hatte,
entweicht alsdann durch eine kleine Nuthe in der Oberfläche dieses Kolbens und durch
den Kanal H ins Freie, und das Ventil 10 schliesst sofort den Durchgang der Luft aus dem
Hauptluftbehälter nach der Pfeife 4 wieder ab.
Fr. Freytag.