Titel: | Beitrag zur Kenntniss der Wirkung des Kochsalzes auf die Fäulnissbakterien der Haut. |
Autor: | F. H. Haenlein |
Fundstelle: | Band 288, Jahrgang 1893, S. 215 |
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Beitrag zur Kenntniss der Wirkung des Kochsalzes
auf die Fäulnissbakterien der Haut.
Von Dr. F. H.
Haenlein.
Beitrag zur Kenntniss der Wirkung des Kochsalzes auf die
Fäulnissbakterien der Haut.
In der Gerberei gebraucht man bekanntlich ganz allgemein das Kochsalz als
Conservirungsmittel für die Häute. Das Kochsalz muss für diesen Zweck als ein sehr
bequemes und zweckmässiges Mittel bezeichnet werden, da man die anzuwendende Menge
nicht ängstlich abzumessen braucht. Es bringt, auch im Uebermaasse angewandt, keinen
nennenswerthen Schaden hervor. Eine peinliche Entfernung des Salzes von der Haut vor
dem Einweichen ist daher gar nicht erforderlich; ja es ist sogar vortheilhaft, beim
Aufweichen trockener Häute absichtlich Kochsalz zuzusetzen. Der geringe Verlust an
eiweissartigen Stoffen, welchen die Haut durch die Einwirkung einer Kochsalzlösung
erleidet, ist ganz
belanglos gegenüber der fäulnisshemmenden und erweichenden Wirkung des Kochsalzes,
wie I. v. Schroeder kürzlich ausführlich dargelegt
hat.Deutsche Gerberzeitung, 1892 Nr. 63 bis
66. Bei Gelegenheit einiger Versuche nun, die ich über die Fäulniss
der Haut und die antiseptische Wirkung des Kochsalzes anstellte, beobachtete ich
eine, wohl auch weitere Kreise interessirende Erscheinung, die hier mitgetheilt
werden möge.
Vier Stücke gut gereinigte Rindsblösse, wie sie in der Gerberei für den beginnenden
Gerbeprocess vollständig vorbereitet ist, wurden bezieh. in Bechergläsern übergossen
mit 200 cc sterilisirtem Wasser, mit 2proc., 10proc. und gesättigter Kochsalzlösung.
Nachdem die Flüssigkeiten eine Woche lang mit den Hautstücken in Berührung gewesen
waren, wurden sie als Impfmaterial zur Anlegung von Bakterienculturen nach dem Koch'schen Plattenverfahren benutzt. Nach weiterem
Verlauf einer Woche ergab nun je 0,1 cc der gesättigten und der 10proc.
Kochsalzlösung nur eine einzige Bakteriencolonie. Die 2proc. Kochsalzlösung lieferte
in 0,1 cc 871 Colonien, welche meist der Gattung Mikrococcus angehörten und die
Gelatine nicht verflüssigten. Die gleiche Menge Wasser aber brachte ausserordentlich
zahlreiche Colonien zum Vorschein, theils nichtverflüssigende (Mikrococcus), theils
aber auch verflüssigende, die sich als Vertreter der Gattung Bacillus erwiesen.
Bei diesem Versuche hatten die Gefässe offen der Luft ausgesetzt gestanden. In einer
zweiten, übrigens ebenso durchgeführten Versuchsreihe wurden die Gefässe mit den
Hautstücken durch Glasglocken, die mit ihrem Rande auf mit Sublimatlösung getränktem
Fliesspapier standen, sorgfältig vor dem Zutritt von Bakterien aus der Luft
geschützt.
Nach 8wöchentlicher Berührung mit den Hautstücken wurde wie oben 0,1 cc jeder
Flüssigkeit als Impfmaterial zur Anlegung von Plattenculturen benutzt mit folgendem
Resultat: Die gesättigte und die 10proc. Kochsalzlösung lieferten gar keine
Bakterien mehr. Auf der von der 2proc. Kochsalzlösung stammenden Platte waren zwar
zahlreiche Colonien erschienen, aber keine
verflüssigenden Bakterien; die mit Wasser geimpfte Platte dagegen hatte
unzählige Colonien hervorgebracht und darunter viele
verflüssigende. Es mag dahingestellt bleiben, ob alle gefundenen
Bakterienarten auch als wirkliche Fäulnisserreger anzusprechen sind, oder ob einige
derselben nur als zufällige Begleiter auftraten. Dass es aber in der Hauptsache
wirkliche Fäulnissbakterien waren, dafür zeugt der Umstand, dass in beiden
parallelen Versuchsreihen die Menge der Bakterien und der Grad der Fäulniss einander
analog waren. Während der im Ganzen 10wöchentlichen Versuchsdauer wurde die
Beschaffenheit der Hautstückchen häufig beobachtet und es zeigte sich schon nach 6
Wochen, ganz evident aber beim Abschluss des Versuchs, und zwar in gleicherweise in
den offenen wie in den bedeckt gehaltenen Gefässen, dass die Hautstücke, welche in
Wasser und in 2proc. Kochsalzlösung lagen, stark angefault, stinkend, weich und
missfarbig geworden waren, während die in 10proc. und gesättigter Kochsalzlösung
liegenden noch ganz die Beschaffenheit der frischen reinen Blösse darboten,
höchstens mit dem Unterschiede, dass die Haut in der gesättigten Lösung sich ein
wenig härter anfühlte, als in der 10proc.
Die Thatsache aber, dass auch die bedeckt gehaltenen Hautstücke überhaupt noch
Bakterien lieferten und, soweit dies der Fall war, auch der Fäulniss anheimfielen,
zeigt, dass die Blösse auch bei sorgfältiger Reinigung noch eine hinreichende Menge
von Fäulnissbakterien in sich zurückhält, mit denen sie während der vorhergehenden
Arbeiten, besonders während des Schwitzens und Kälkens inficirt worden ist.
Das Hauptresultat beider Versuchsreihen aber besteht darin, dass das Kochsalz schon
in einer Concentration von 2 Proc. einen hemmenden Einfluss auf die Entwickelung der
in der Blösse vorhandenen Bakterien ausübte, und dass es namentlich die
verflüssigenden Stäbchenbakterien vollständig tödtete, dass aber eine Lösung von 2
Proc. nicht hinreicht, um alle Fäulnissbakterien zu vernichten und mithin auch die
Fäulniss der Haut nicht verhindern kann, sondern dass die volle antiseptische
Wirkung erst bei stärkeren Concentrationen eintritt.
Indessen scheint es, als ob sich der Einfluss des Kochsalzes schon in 2proc. Lösung
dadurch geltend machte, dass die Fäulniss in anderer Weise verläuft als in blossem
Wasser. Wenigstens spricht dafür die Beobachtung, dass die alkalische Reaction,
welche das Wasser, sowie die 2proc. Kochsalzlösung vom Beginne des Faulens der darin
befindlichen Blössestückchen an zeigten, in der Kochsalzlösung bis zum Abschluss der
Versuche auffallend stärker war als im Wasser. Ob nun freilich die Gegenwart der
geringen Kochsalzmenge an sich oder nicht vielmehr die Abwesenheit der
verflüssigenden Stäbchenbakterien den verschiedenen Verlauf der Fäulniss bedingte,
wie er in dem stärkeren Vorwalten alkalischer Fäulnissproducte in der Kochsalzlösung
zum Ausdruck kam – das mag vorläufig eine offene Frage bleiben.