Titel: | Lüftungseinrichtungen für Werkräume der Textilindustrie. |
Autor: | F. H. Haase |
Fundstelle: | Band 287, Jahrgang 1893, S. 231 |
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Lüftungseinrichtungen für Werkräume der
Textilindustrie.
Von F. H. Haase, gepr. Ingenieur, Patentanwalt
in Berlin.
(Schluss des Berichtes S. 33 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Lüftungseinrichtungen für Werkräume der
Textilindustrie.
Zum Abschluss meiner Betrachtungen fühle ich mich veranlasst, noch die Lüftungs- und
Heizungseinrichtungen einer Baumwollspinnerei und Weberei näher zu beleuchten,
welche im J. 1892 in einer Zeitschrift für Textilindustrie wiederholt besprochen
wurde.
Die betreffende Zeitschrift findet die Einrichtungen sehr lobenswerth, ohne anzugeben
warum und was an denselben besonders nachahmungswürdig erscheint. Leider bin ich
nicht ganz der gleichen Meinung und ich würde aus diesem Grunde gerne mit
Stillschweigen darüber hinweggegangen sein, wenn ich nicht aus Erfahrung wüsste,
dass lobend besprochene Einrichtungen, welche so einfach sind, wie die vorliegenden,
sehr gerne nachgeahmt werden, weil sie eben – einfach
sind. Welcher praktisch erfahrene Fachmann wäre nicht Freund von einfachen
Einrichtungen?! Aber nicht alles, was einfach ist, ist gut, obwohl alles, was als
complicirt bezeichnet werden muss, zweifellos Mängel besitzt.
Von der fraglichen Baumwollspinnerei und Weberei veranschaulicht Fig. 23 einen Aufriss
und Fig. 24 den
Grundriss des Webereiraumes.
Die Transmission zum Antrieb der Webstühle liegt, wie bei den meisten neueren
Webereien, in einem niedrigen Räume unterhalb des Werkraumfussbodens. Durch die
Fussbodenöffnungen, durch welche die Antriebsriemen hindurchgehen, strömt die
Frischluft in den Werkraum ein, also an Stellen, von denen aus sie am meisten
befähigt ist, Staub und Fasertheilchen in dem ganzen Werkraume zu verbreiten,
während sie zugleich auch diesem so viel Oeldunst als irgend möglich zuführt und
jedenfalls den Verderb und die Temperaturbeeinflussung der Raumluft durch die
Werkstühle nicht vermindert, sondern thunlichst begünstigt. Deshalb ist zur
Erzielung einer gesunden Raumluft eine ganz besonders reichliche Menge frischer Luft
einzuführen, welche wiederum vermöge ihrer (entsprechend grossen) Geschwindigkeit
die Staubverbreitung ganz besonders begünstigt, wenn nicht zugleich auch ihr
Feuchtigkeitsgehalt weit grösser ist, als er unter anderen Umständen erforderlich
wäre.
In den Umfassungsmauern des Werkraumes sind Luftabführungschächte vorgesehen (in
dem hier wiedergegebenen Grundriss sind dieselben übrigens nicht angedeutet; es
lässt sich deshalb danach auch nicht über Zweckmässigkeit oder Unzweckmässigkeit
ihrer Anordnung urtheilen); dieselben haben in der Nähe der Decke und in der Nähe
des Fussbodens Mündungen, welche angeblich durch Schieber abschliessbar sind, um die
schlechte Luft nach Bedarf im Winter durch die unteren
und im Sommer durch die oberen Mündungen entweichen zu lassen. Dies mag wohl Manchem
ganz plausibel scheinen; aber warum soll denn gerade nur die schlechte Luft durch
die unteren Mündungen entweichen? Wenn man sich diese Frage vorlegt, wird man sich
wohl selbst sagen, dass doch wohl sehr wahrscheinlich auch frische Luft, die gerade
soeben erst in den Raum eingeströmt ist, sofort durch die Luftabführungschächte
abströmen wird; jedenfalls liegt im Falle der Zuströmung der Frischluft durch
zahlreiche Bodenöffnungen nicht ohne weiteres ein zwingender Grund dafür vor, dass
die Frischluft gerade nur verdorbene Raumluft durch die in der Nähe des Fussbodens
liegenden Abströmungsöffnungen hinausdränge. Die Frischluft bewegt sich sicher immer
in solchen Richtungen, in welchen ihr am wenigsten Widerstand entgegengesetzt wird,
geschieht dies seitens der am Fussboden gelegenen Abströmungsöffnungen am wenigsten,
so wird sie sicher vorwiegend diesen sofort zuströmen, gleichviel ob sie höher oder
weniger hoch als die Raumluft temperirt ist.
Textabbildung Bd. 287, S. 230
Lüftung eines Weberaumes.
Bei der grossen Ausdehnung, welche der Werkraum besitzt, wird
ja zweifellos für einen grossen Theil der hochtemperirt einströmenden Frischluft der
Widerstand in der Richtung zu den unteren Abströmungsöffnungen hin hinreichend gross
sein, um diesen Theil der Frischluft zu nöthigen, zuerst mehr oder weniger hoch
gegen die Raumdecke hinzuströmen, so dass in der That dafür ein Theil der
verdorbeneren kühleren Raumluft durch die am Fussboden gelegenen
Abströmungsöffnungen abströmen muss; aber ebenso zweifellos ist es, dass die
abströmende Raumluft mit Frischluft gemischt abströmen wird und dass die Menge der
unmittelbar abströmenden Frischluft um so grösser sein wird, je weniger ihre
Temperatur diejenige der Raumluft übersteigt.
Wenn im Sommer die durch den Fussboden einströmende Frischluft kühler ist als die
Raumluft und man öffnet die oberen Abzugsmündungen der Kanäle, dann wird durch diese
zweifellos nur verdorbene Raumluft abströmen, solange sich der einströmenden
Frischluft kein bequemerer (weniger Widerstand entgegensetzender) Weg zur Abströmung
darbietet als der Weg durch die ganze Raumhöhe. Darin liegt nun aber noch nicht
gerade ein besonderer Vortheil, weil eben, wie schon erwähnt wurde, die von unten
her aufsteigende Frischluft ja selbst zum Verbreiter von Luftverunreinigung im Räume
wird und deshalb auch im Hochsommer nur in ganz bedeutender Menge, mit hohem
Feuchtigkeitsgehalt behaftet, im Stande ist, hinreichend gute Raumluft zu sichern.
–
Damit ist zunächst nur ein Theil der Lüftungseinrichtungen erörtert und es erübrigt
noch, die Zuleitung der Frischluft zu den Fussbodenöffnungen des Werkraumes näher zu
betrachten.
Die Frischluft strömt unterirdisch durch einen Kanal a
einem Ventilator zu, welcher sie durch eine Kammer v
hindurch in den noch über der Erde liegenden Transmissionsraum und beziehentlich,
wie oben erwähnt, durch die für die Treibriemen vorgesehenen Oeffnungen in den
Werkraum hineindrückt. In der erwähnten Kammer v sind
zwei Gruppen von gerippten Dampfheizkörpern aufgestellt, an welchen die Frischluft
im Winter vorgewärmt wird. Die Wirkung dieser Heizkörper wird unterstützt durch
frischen Dampf, welcher aus fein gelochten, nahe am Boden der Kammer zwischen dem
Ventilator und den Heizkörpern angeordneten Dampfröhren direct in die Kammer
einströmt, so dass die Frischluft mit Dampf gemischt wird, bevor sie die Heizkörper
bestreicht.
Zweifellos kann auf diese Weise ein hoher Sättigungsgrad der Frischluft erzeugt
werden und die Gleichmässigkeit der Luftbefeuchtung wird nichts zu wünschen übrig
lassen; aber die Kammer dürfte dabei immer in erheblichem Grade mit Dunst angefüllt
sein, welcher die Corrosion der Heizkörper begünstigt, was jedenfalls für die
Reinerhaltung der Frischluft nicht gerade vortheilhaft ist, und ausserdem besitzt
auch der aus feinen Oeffnungen ausströmende Dampf etwas elektrische Ladung, die für
Räume der Textilindustrie durchaus nicht erwünscht ist, weil ja gerade die
Feuchtigkeit der Luft in Werkräumen der Textilindustrie wesentlich mit dazu
beitragen soll, die durch Reibung entstehende Elektricität der Gespinnstfasern (in
den Garnen) zu vermindern (bezieh. rasch abzuleiten), weil diese Elektricität die
Qualität der Waare in der Weise beeinträchtigt, dass sie eine gegenseitige
Abstossung der Fasern und demgemäss Rauheit und Lockerung des Garnes bewirkt.
Wenn nun auch über den Einfluss von elektrische Ladung enthaltender Luft auf die
Gespinnste Bestimmtes nicht bekannt ist und wohl auch anzunehmen ist, dass wenig
geladene Luft beim Bestreichen der metallischen Transmission ihre geringe Ladung
verlieren wird, so will es mir doch scheinen, dass man die Vermischung der Luft mit
frischem Dampfe, welcher aus sehr feinen Rohrlöchern ausströmt, jedenfalls
nicht allgemein für Werkräume der Textilindustrie empfehlen dürfe.
Endlich macht die in der oben erwähnten Zeitschrift für Textilindustrie gegebene
Beschreibung der Anlage den Eindruck, als sei die Heizkammer derart eingerichtet,
dass eine häufigere Reinigung derselben etwas beschwerlich sein und deshalb wohl
vollständig unterbleiben dürfte, in welchem Falle sorgfältige Reinhaltung des
Transmissionsraumes, durch welchen die Frischluft nachher hindurchstreicht, nur als
Erfüllung eines Bruchtheiles der nothwendigen
Vorbedingungen zur Einführung möglichst reiner Frischluft (in den Werkraum) zu
erachten ist.
Während der warmen Jahreszeit bleiben die Heizkörper und Dampfröhren ausser
Wirksamkeit und es fällt dann aus anderen, an der Kammerdecke liegenden fein
gelochten Röhren ein kalter Wasserregen herunter, welcher sich zwecks Kühlung und
Befeuchtung der Frischluft theilweise mit dieser vermischt, während das von der Luft
nicht aufgenommene Wasser durch eine Rinne abfliesst. Es erscheint diese Einrichtung
etwas primitiv und dürfte dieselbe wohl auch in ihrer Wirkung sehr viel zu wünschen
übrig lassen. Sollte wirklich ein guter Effect damit erzielt werden, so ist es
zweifellos, dass derselbe entweder auf eine Wasser Verschwendung oder
Betriebskraftvergeudung für das Wiederhochheben des unbenutzt ablaufenden Wassers
oder auf den Umstand zurückzuführen ist, dass die betreffende Baumwollspinnerei und
-Weberei zufällig weder eines grossen Feuchtigkeitsgehaltes der Frischluft, noch
einer bedeutenden Abkühlung der Raumluft durch die Frischluft benöthigt. In der That
ist ja nach meinen Anfangsbetrachtungen für Baumwollspinnereien und -Webereien im
Allgemeinen ein Raumluftfeuchtigkeitsgehalt von 60 bis 65 Proc. vollständiger
Sättigung ausreichend, und wenn die Maschinen sehr wenig Wärme entwickeln, so mag
die Einrichtung unter bestimmten Verhältnissen trotz ihrer Mängel vielleicht
genügend befunden werden; allgemein aber kann diese Einrichtung ebenso wenig als die
vorher besprochenen Einrichtungen für Spinnereien und Webereien als besonders
empfehlenswerth bezeichnet werden.
Für die Heizung im Winter ist ausser den in der besprochenen Heizkammer vorgesehenen
Heizkörpern und durchlöcherten Dampfröhren noch im Transmissionsraume sowohl, als
auch im Arbeitsraume selbst, eine Dampfrohrheizungsanlage vorgesehen, welche im
Grundrisse (Fig. 24)
durch punktirte Linien angedeutet ist.