Titel: | Die Jute, ein Rohstoff für Schiesswolle. |
Autor: | Otto Mühlhäuser |
Fundstelle: | Band 283, Jahrgang 1892, S. 88 |
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Die Jute, ein Rohstoff für
Schiesswolle.
Von Dr. Otto Mühlhäuser.
Die Jute, ein Rohstoff für Schiesswolle.
Obwohl bei dem massenhaften Vorkommen der Baumwolle der Gedanke, den wegen seiner
Reinheit für Nitrirzwecke so ausgezeichneten Faserstoff durch einen anderen zu
verdrängen, etwas ferne liegen mag, so muss doch auffallen, dass bis dahin keine
Versuche ausgeführt worden sind, welche darauf abzielen, die Jute an Stelle der
Baumwolle in Schiesswolle überzuführen. Und doch fordert gerade die Jute in erster
Linie zu solchen Versuchen auf, denn kein anderer Faserstoff ist so leicht und
billig beschaffbar, so leicht zu nitrirbarem Rohstoff verarbeitbar wie dieses in
Südasien in ungeheuren Mengen producirte Fasermaterial. Dass Versuche in der
angedeuteten Richtung nicht ausgeführt worden sind, mag mit auch daran gelegen
haben, dass im Augenblicke ein dringendes Bedürfniss des Ersatzes der Baumwolle
durch ein anderes Rohmaterial nicht vorliegt, trotzdem müssen solche Versuche das
Interesse der Fachkreise schon wegen der rein wissenschaftlichen Seite der Frage
erregen, selbst dann, wenn ökonomische Vortheile nicht auf den ersten Blick
ersichtlich wären.
Für den Verfasser dieser Arbeit steht die Lebensfähigkeit des neuen Verfahrens für
Nitrocellulose ausser Zweifel. Die aus Jute gewonnene Schiesswolle wird ihrer
leichten und billigen Herstellung halber mit der aus Baumwolle dargestellten für
gewisse Zwecke der SprengtechnikIch habe hier
namentlich die Verwendung für Sprenggelatine im Auge. sowohl
eigenschaftlich als auch namentlich in Bezug auf Preis erfolgreich concurriren
können und wird man in Zukunft mit dieser Thatsache rechnen. Ehe nun auf diese
Versuche bezieh. deren Resultate eingegangen wird, mag einleitend das über Jute
mitgetheilt werden, was rücksichtlich der zu besprechenden Versuche von
allgemeineremInteresse ist, wie AnbauVgl. das
klassische Werk von E. Pfuhl: Die Jute und ihre
Verarbeitung., Preis und Marktverhältnisse, Bau der Faser,
Gewinnung der Faser, physikalische und chemische Eigenschaften des Rohstoffes u.s.w.
Wenn der Verfasser andererseits mit der Mittheilung desjenigen Materials, was nur
dem Schiesswollfabrikanten von speciellem Werth und Interesse sein kann, zurückhält,
so wird der Fachmann das begreiflich finden, soll doch diese Abhandlung nur vom
allgemein technischen Standpunkte aus die Richtung angeben, in welcher Weise man
vorzugehen hat, um Jute in Schiesswolle überzuführen.
Die Jute ist die Bastfaser zweier der Familie der Tiliaceen angehörenden Pflanzen,
von Corchorus capsularis und von Corchorus olitorius. Die in Ostindien heimischen
Pflanzen, welche seit einiger Zeit versuchsweise auch in anderen warmen LändernSeit etwa 20
Jahren versucht man die Jute in Louisiana, Florida, Georgia, Texas,
California, Guyana, Aegypten, Algier, Mauritius, Caledonien
anzubauen. angebaut werden, fanden zuerst in Dundee im J. 1832 als
Spinnstoff Eingang und ist dieser Ort auch jetzt noch der Hauptsitz der europäischen
Juteindustrie. In Deutschland ist der neue Zweig 1861, in Oesterreich 1871
aufgenommen worden. Hoch entwickelt ist auch die Jutespinnerei im Mutterlande der
Pflanze, in Bengalen, und was Bombay für den indischen Baumwollmarkt, bedeutet
Kalkutta für den Markt in Jute. Der Export von Jute aus Ostindien in Menge und Werth
betrug:
Jahr
Cwt.
£ à 10 Rup.
1880
6680670
4370032
1885
8368686
4661368
1890
10255904
8639861
In Europa consumirt England am meisten, Deutschland am nächst meisten Robjute. Der
Verbrauch an Rohjute betrug in Tonnen:
1885
1886
1887
Grossbritannien
181440
166930
186880
Deutschland
42 640
45360
49900
Frankreich
25 400
25400
27220
Oesterreich
14 510
15420
16330
Italien
10890
12700
14520
Belgien
7260
7260
9070
Spanien
4540
5440
5440
Russland
900
1820
2720
Norwegen u. Schweden
1810
1810
1810
Man sieht daraus, welche Bedeutung die Juteverarbeitung in Europa hat, vor allem auch
den hohen Stand der englischen Industrie. Auch in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika ist die Juteindustrie mächtig entwickelt. Neben dem selbst erzeugten
Material importirten die Vereinigten Staaten im vorletzten Jahre etwa 2000000
Cwt.
Die JutepflanzenErtrag eines
Acre an zubereiteter Faser 13 bis 14 Cwt. sind einjährige aus
Samen gezogene Stengelpflanzen, welche eine Höhe von 3 bis 4 m und eine Dicke von 13
mm erreichen. Die Abscheidung des Bastes geschieht wie beim Hanf, indem man die mit
der Sichel abgeschnittenen etwa 100 Tage alten, entzweigten und entblätterten
Pflanzen einer WasserrotteDie
Wasserrotte hat den Zweck, durch einen Fäulnissprocess den Pflanzenleim,
welcher den Bast mit dem umliegenden Gewebe und den einzelnen Fasern unter
einander verbindet, zu lockern, derartig zu zersetzen, dass deren
mechanische Trennung nach der etwa 10 Tage dauernden Röste möglich
ist. unterwirft, darauf die ganze Bastschicht von dem Holze
herunterstreift, gehörig mit Wasser abwäscht und trocknet. In diesem Zustande,
in welchem der Bast die ganze Stengellänge besitzt, kommt er auf den Markt, wo man
in absteigender Güte nachstehende Sorten unterscheidet:
1) Seragunge, 2) Neragunge, 3) Dacca, 4) Daisen (Crown), 5) Dowra, 6) Rejections und
7) Cuttings (Wurzelenden).
Die Ausfuhr aus Indien, welche englische und deutsche in Kalkutta domicilirte Häuser
vermitteln, geschieht fast nur aus diesem Orte. Die Preisnotirungen erfolgen stets
für 1 t engl. Die deutschen Spinner beziehen die in Ballenform gebrachte Jute von
den Kalkuttahäusern c. i. f. London oder c. i. f. Bremen bezieh. Hamburg. Je nach
der Qualität werden die verschiedenen Sorten zu mehr oder weniger feinen Fabrikaten:
zu Säcken, Leinwand, Stricken, Garnen, Bindfaden verarbeitet. Gewisse Abfälle dienen
als Putzwolle für Maschinentheile, wieder andere zur Papierfabrikation.
Die beste Jute hat eine helle, weisslich-gelbe, mitunter graulich-weisse Farbe, einen
ziemlich hohen Glanz, einen gewissen Grad von Weichheit und eine grosse
Gleichmässigkeit. Die Wurzel- und Kopfenden stehen diesen guten Eigenschaften stets
nach, weshalb diese vor der weiteren Verarbeitung meist abgetrennt werden. Die
Mittelsorten sind bräunlich, die ordinären gelb und rothbraun. Auch ist denselben
geringerer Grad von Glanz und Weichheit eigen.
Zur Gewinnung der nitrirbaren Jutefasern wird man im Wesentlichen denselben Weg
verfolgen, wie er in der Textilindustrie zur Darstellung der verspinnbaren Fasern
bereits eingeschlagen ist. Man wird ein Jutefaserband darstellen, das gründlich
gelockert und entwirrt ist. Die Entwirrung und gründliche Lockerung der Fasern und
die parallele Anordnung derselben als Watte ist von grösster Wichtigkeit für den
nachfolgenden Nitrirprocess, weil dadurch das Material in ein erhöhtes
Capillaritätsverhältniss versetzt wird und die Durchsetzung desselben mit dem
Säuregemisch, somit der Verlauf der chemischen Umwandelung in Schiesswolle
begünstigt, der Verlauf schädlicher Nebenprocesse hingegen erheblich hintangehalten
werden dürfte. In der TextilindustrieE. Pfuhl l. c. und Karmarsch und Heerens techn.
Handwörterbuch 3. Aufl., ferner E. Hoyer,
Lehrbuch der mechanischen Technologie Bd. II 1888. erzeugt man
das Jutefaserband in nachstehender Weise:
Man beginnt die Verarbeitung mit dem Oeffnen der ausserordentlich stark
zusammengepressten Juteballen und lässt den Inhalt in grösseren abgelösten Portionen
eine Maschine, den sogen. Juteöffner, passiren, welcher dieselben stark knickt und
zu dem Zwecke gewöhnlich aus drei Paar eisernen Walzen besteht, die wie Brechwalzen
geformt sind, einen äusseren Durchmesser von 200 mm haben und sieben etwa 125 mm
tiefe fast rechtwinkelige, abgerundete Rollen besitzen, in welche die Jutestengel
durch die Vorsprünge der correspondirenden Walzen eingepresst werden. Nachdem die
Jute den Oeffner verlassen hat, unterliegt sie einem Zerlegen mit der Hand in kleine
Risten. Zur Gewinnung der verspinnbaren Jutefasern ist ein Spalten des Bastes in der
Längsrichtung nöthig. Da aber die Jutefasern im Baste sehr steif und hart sind und
sich daher in diesem Zustande nicht gut weiter verarbeiten lassen, so geht dem
Kardiren eine Vorbearbeitung voraus, welche die Herstellung einer möglichst grossen
Weichheit
und Geschmeidigkeit bezweckt. Diese Vorarbeit besteht in zwei getrennten
Operationen. Zuerst werden die Risten schichten weise über einander gelegt und mit
Wasser und Thran bezieh. Mineralöl besprengt, etwa 24 bis 28 Stunden liegen
gelassen, so lange bis das Wasser aufgesogen ist und das Fett sich auf der
Bastoberfläche abgelagert hat. So durch den Einweichprocess vorbereitet wird das
Material einem Quetschprocess unterworfen, der durch ein gewaltsames, wiederholtes
Drücken und gelindes Hin- und Herbiegen desselben die Geschmeidigkeit und
Biegsamkeit hervorruft, welche zur weiteren Verarbeitung nöthig ist. Man verwendet
zum Quetschen entweder das System mit Walzenpaaren in einer Ebene oder das System
mit bogenförmig angeordneten Walzenpaaren und Pilgerschrittbewegung.
Die Walzen des ersten Systems haben 750 mm Länge, 105 mm äusseren Durchmesser und auf
der Oberfläche 14 Riffeln, welche schlank schraubenförmig um den halben Umfang
herumlaufen, und zwar abwechselnd bei einem Walzenpaare links, bei dem zweiten
rechts, dem dritten links u.s.f. Die Zahl der Walzenpaare beträgt 20 bis 40. Die
Walzengeschwindigkeit beträgt fast 23 m in der Minute, was etwa 70 Umdrehungen
entspricht. Eine Maschine mit 20 Walzen verarbeitet stündlich etwa 975 k Jute. Das
zweite System besteht aus sechs Walzenpaaren, welche in einem Bogen von 100° um
einen Mittelpunkt angeordnet sind. Die unteren Walzen haben einen Durchmesser von
114 mm und liegen in einem Kreise von 30 cm Radius, die oberen Druckwalzen sind 152
mm dick. Die Leistung der Maschine beträgt 535 k in der Stunde.
Manche Jutesorten, welche keine harten Wurzelenden zeigen, können nach dem Quetschen
direct auf den Karden weiter verarbeitet werden. Solche mit harten Wurzelenden
werden davon durch Abschnippen entweder auf Maschinen oder mit der Hand befreit.
Das Arbeitsorgan der Schnippmaschine bildet stets eine nach Art des Reisswolfes
eingerichtete, d.h. mit kräftigen Nadeln besetzte Trommel, die entweder einzeln oder
auch paarweise über einander liegend dadurch zur Wirkung kommt, dass man die
Juteristen in der Achsenrichtung in der Weise daran entlang führt, dass die Enden
von den Trommelzähnen gefasst und abgerissen werden. Diese Zuführung wird entweder
in einer rechtwinklig zu der Trommel ach se stehenden Mulde mit einer sich in dieser
Mulde langsam drehenden Stachelwalze bewirkt, welche zugleich das abgeschnippte
Material wieder aus der Mulde und aus dem Bereiche der Schnipptrommel auf ein
Abführblech schiebt, oder mittels zweier oder dreier endloser Ketten bewerkstelligt,
welche das Material in die Rillen einer zwei- oder dreistufigen, um eine senkrechte
Achse sich drehenden Rillenscheibe einpressen und festhalten, die unmittelbar neben
den Trommeln aufgestellt ist.
Die weitere Zerlegung der bandartig zusammenhängenden Fasern setzt ein unausgesetztes
Spalten und die Verwandlung in kurze Fasern ein ebenso ununterbrochenes Abreissen
voraus. Um diese beiden Arbeiten gleichzeitig und in Verbindung mit einer
Abscheidung von noch vorhandenen Epidermistheilen, von Staub u.s.w. zu vollziehen
und dem Material ausserdem in einfachster Weise die Bandform zu geben, stehen zur
Ausführung derselben ausschliesslich Maschinen in Verwendung, welche der Klasse der
Walzenkarden angehören und wovon mindestens zwei auf einander folgend als
Vorkarde und Feinkarde benutzt werden.
Die Vorkarde besteht aus einer Nadeltrommel von 1,22 m Durchmesser und 1,8 m Länge,
zwei Arbeitern und zwei Wendern. Die Zufuhr erfolgt auf dem Speisetuche, von dem die
Vorwalze mit einer festen gusseisernen Mulde die Jute empfängt, um sie der
Nadeltrommel zum Zerreissen darzubieten, das mit den Arbeitern fortgesetzt wird, bis
eine Abnahmetrommel die Fasern von der Trommel als Fliess abnimmt und einem
geriffelten Walzenpaare übergibt, welches das Fliess durch eine allmählich schmäler
werdende Rinne schiebt und auf diese Weise in ein Band umwandelt, das in eine Kanne
fällt. Die Bänder der Vorkarde werden sodann entweder mit den Kannen oder besser auf
einer besonderen Wickelmaschine an einander gelegt, als Wickel nach einander auf
zwei Feinkarden gebracht, um hier durch weiteres Zerreissen und sorgfältiges
Anordnen der Faser ein möglichst gleichförmiges Band zu erzeugen, in welchem die
Fasern durchschnittlich auf eine Länge von 300 mm gebracht sind.
Ein auf diese Weise erzeugtes Jutewergband diente bei meinen Versuchen zur Umwandlung
in Schiesswolle. Die einzelne Jutefaser, wie man sie aus dem rohen Spinnstoff
absondert, ist keine einfache Zelle, wie etwa das Baumwollhaar, sondern ein ganzes
Zellbündel, dessen Einzelzellen dicht an einander gereiht erscheinen. Die
Querschnitte dieser Einzelzellen erscheinen poligonal. Um Einzelzellen zu erhalten,
ist es erforderlich, die Zellen der einzelnen Bündel von einander zu isoliren, d.h.
das intercellulare Klebemittel zu zerstören bezieh. zu lösen. Es gelingt dies mit
Chromsäure. Die auf diese Weise isolirten Zellen zeigen vielfach, dass der Verlauf
der Hohlräume nicht derselbe ist, wie der der äusseren Zellwandung, sondern dass
sich dieselben bald erweitern, bald verengern, die Wandungen also bald dünner, bald
dicker werden, dass die Jute also nur aus unregelmässig verdickten Bastzellen
besteht. Wiessner gibt an, dass sich Corchorus
capsularis und Corchorus olitorius, von denen wohl alle Jute des europäischen
Continents abstammt, sich dadurch von einander unterscheiden lassen, dass die
natürlichen Enden einer Elementarzelle bei ersterer schwach, bei letzterer stark
verdickt sei, so dass sich die Höhlung im ersteren Falle fast bis zur Spitze
erstreckt, im letzteren aber die Wandungen schon eine Strecke vorher zur Berührung
gelangen. Die Länge der Bastzellen beider Corchorus-Arten wurde von Wiessner zu 0,8 bis 4,1 mm bestimmt.
Hugo MüllerAmtl. Bericht über die Wiener Weltausstellung im J.
1873, Bd. 3. 1877. Pflanzenfasern von H.
Müller. hat die Zusammensetzung einiger Jutesorten wie
folgt gefunden:
Fast farblos
rehfarben
braune Cuttings
Asche
0,68
–
–
Wasser
9,93
9,64
12,58
Wasserextract
1,03
1,63
3,94
Fett und Wachs
0,39
0,32
0,45
Cellulose
64,24
68,05
61,74
Incrustirende Substanz
24,41
25,36
21,29
Man muss annehmen, dass die untersuchten Sorten lufttrocken waren.
Die Aschenmenge völlig getrockneter Jute beträgt 0,9 bis 1,74 Proc. Das specifische
Gewicht der Jutefaser mit 7 Proc. Wassergehalt ist nach Pfuhl 1,436. Wie faserige Stoffe überhaupt, regelt die Jute ihren
Wassergehalthauptsächlich nach dem relativen Wassergehalte der Luft. Nach Pfuhl nehmen alle Jutesorten mit der Zeit gleich viel
Wasser auf, dabei nehmen die Kopfenden etwas mehr, die Wurzelenden am wenigsten auf.
Die Wasseraufnahme aus der Luft soll im Mittel 14 Proc. vom Trockengewichte
betragen.
Ueber das Verhalten der Jutefaser unter den verschiedensten Umständen, insbesondere
auch über die chemischen Eigenschaften derselben liegen mehrere Arbeiten vor. Alle
diese Untersuchungen sind aber nur mit Rücksicht auf die Jute als Spinnstoff
unternommen und war namentlich die Einwirkung der Bleichmittel Gegenstand
eingehendster Untersuchung. Vollkommen trocken verändert sich die Jute an der Luft
nicht, ebenso wenig in luftfreiem Wasser, weder bei gewöhnlicher Temperatur noch bei
100° C. Erst bei 250 bis 300° tritt nach SchoopVgl. E. Pfuhl l. c. Zersetzung unter
Bildung empyreumatischer Producte ein.
Den Hauptbestandtheil der Faser bildet die Cellulose. Nach der Reinigungsmethode von
Schulze hinterlässt die Jute – wie Schoop berichtet – etwa 70 Proc. Cellulose, wenn man
das Material mit 8/10 seines Gewichtes an KClO3 und dem 12
fachen Gewichte Salpetersäure von 1,1 spec. Gew. 14 Tage lang bei 13 bis 15° C.
digerirt, dann mit verdünntem Ammoniak, endlich mit Wasser wäscht.
Man kann annehmen, dass die Jute aus Cellulose besteht, wovon die äusserste Schicht
in eine gerbstoffähnliche Substanz umgewandelt worden ist. In der That wird die Jute
durch Alkalien in unlösliche Cellulose und in lösliche Stoffe, die dem Gerbstoffe
verwandt sind, gespalten. Wenn man ausserdem grössere Mengen von Jute in feuchtem
Zustande längere Zeit sich selbst überlässt, so wird die Fasersubstanz in zwei
Gruppen von Körpern, nämlich in Säuren, die der Pectinsäure analog sind, und in
gerbstoffähnliche Substanzen gespalten.
Nach C. F. Cross und E. J.
BevanChem. Soc. 1889 Bd. 1 S. 199 bis
213. kommt der Jutesubstanz die empirische Formel C12H18O9 zu, sie ist eine Verbindung von 70 bis 80 Th.
Cellulose und 20 bis 22 Th. Nichtcellulose, so dass man ihre Formel in 3 C6H10H5 + 1 C6H6O3 auflösen kann.
In diese Bestandtheile wird sie dann bei der Behandlung mit Säuren und Alkalien
zerlegt. Unter dem Einflüsse des Chlors erhält man eine gechlorte Verbindung, die
sich mit schwefligsaurem Natron schön fuchsinroth anfärbt. Dieselbe Farbenreaction
zeigt auch mit Tannin präparirte Baumwolle, ein Product, mit dem die Jute grosse
Aehnlichkeit besitzt. Es zeigt sich dieselbe Aehnlichkeit in der Färberei, indem man
die Jute mit den basischen Theerfarbstoffen, wie Fuchsin, Safranin u.s.w., direct
färben kann. Nach der Behandlung der Faser mit feuchtem Chlor lässt sich mit Alkohol
ein Chlorderivat der Nichtcellulose extrahiren, während im Wesentlichen Cellulose
zurückbleibt. Nach ihrer Zersetzbarkeit durch Chlor zu schliessen, ist die
Nichtcellulose ein complexeres Molekul, bestehend aus 2 Mol. eines chinonartigen
Körpers, C18H18O10, welcher beim Chloriren Mairogallol liefert, 6
Mol. Furfuran C5H4O
und 5 Mol. Acetaldehyd.
Gegenüber der angegebenen Zusammensetzung, welche die Cellulosesubstanz in den
früheren Stadien des Wachsthums der Pflanze besitzt, besteht die eigentliche oder
reife Holzsubstanz bei einem höheren C-Gehalte zu 50 bis 60 Proc. aus
Nichtcellulose.
Der gerbstoffartige Körper, dessen Individualität bis jetzt nicht festgestellt
ist, bedingt im Wesentlichen auch die mehr oder weniger dunkle Farbe der Jute, deren
Aufhebung durch alkalische Mittel in der Textilindustrie öfters angestrebt wird. Man
geht dabei aber nur soweit, dass die Festigkeit der Faser darunter nicht leidet, ein
grosser Theil von Nichtcellulose also noch zurückbleibt, der Zusammenhang der Zellen
nicht alterirt wird. P. Schoop fand die Wirkungsweise
solcher alkalischer Abzugsmittel wie nachsteht:
Alk. Mittel
Temperatur
Zeit
Gewichts-verlust
5
Proc.
Natronolivenseife
70° C.
2 Std.
10,9
Proc.
8
„
Kaliseife
Zimmert.
3 „
6,4
„
0,5
„
Natronwasserglas
70° C.
1 „
2,3
„
1,5
„
Natronhydrat
90° C.
2 „
13,3
„
5
„
Soda
gew. Temp.
14 Tage
2,6
„
1,7
„
Ammonhydrat
„ „
6 „
10,1
„
Für den vorliegenden Zweck, wo es sich um die möglichste Entziehung von
Nichtcellulose handelt, ist Natron das allein zweckdienliche Mittel. Ein zweimaliges
Abkochen der Jute genügt den Anforderungen, welche an die gereinigte Faser behufs
Nitrirung gestellt werden, vollkommen. Man arbeitete wie nachsteht:
250 g Jutewerg, durch Zerschneiden des Jutefaserbandes in fusslange Theile zerlegt,
werden zunächst mit warmem Wasser mehrere Stunden ausgelaugt und dann zweimal mit
einer 1 procentigen Natronlauge in der Wärme behandelt. Man löst 40 g kaustische
Soda in 4 l Wasser, übergiesst damit die völlig durchfeuchtete Jute, digerirt 2
Stunden auf dem Wasserbade und lässt über Nacht stehen. Dann wringt man die der
braunen Lauge entnommene Jute aus, wäscht vollständig mit Wasser aus und gibt wieder
ein 1 procentiges Alkalibad (40 g Natron auf 4 l Wasser) bezieh. wiederholt den
alkalischen Digestions- und Waschprocess nochmals.
Schon beim Eingehen mit der Jute ins kalte Alkalibad färbt sich die Faser gelbbraun –
vermuthlich unter Aufnahme von Luftsauerstoff. Beim Erwärmen wird die Faser immer
dunkler und die Lauge nimmt gelbbraune Farbe an. Die sorgfältig gewaschene und am
warmen luftigen Orte getrocknete Jutefaser wird durch die Alkalibehandlung
brüchiger, behält aber im Wesentlichen die ursprüngliche Farbe. In dieser Weise vom
leicht abziehbaren Theil aller Nichtcellulose, von Wachs, Fett und einem Theil der
gerbstoffähnlichen Substanz befreit, wird die Faser zur Nitrirung verwendet.
Säuren, besonders aber Mineralsäuren zerstören selbst bei niedriger Temperatur die
Jutefaser leicht, indem sie dieselbe in lösliche Substanzen verwandelt. So wirken
Salz- und Schwefelsäure. Concentrirte Schwefelsäure löst die Jute sofort vollständig
auf, indem sich die Lösung schmutzig dunkelviolett färbt. Mit Wasser verdünnte Säure
löst unter ähnlichen Farbenerscheinungen zunächst die Nichtcellulose auf und
hinterlässt – wie es scheint – die Cellulose von mehr oder weniger incrustirender
Substanz befreit.
Salpetersäure vom s. G. 1,5 wandelt Jute in eine gummiartige, zähe, gequollene,
rothbraune Masse um, welche durch Waschen mit Wasser gelb wird und getrocknet beim
Entzünden abbrennt. Diese Masse dürfte der Hauptsache nach aus Nitrocellulose
bestehen. Sie wurde indessen nicht weiter untersucht, da die Nitrirung der Jute mit
Salpetersäure allein augenscheinlich ein praktisches Interesse
nicht haben konnte. Setzt man dagegen die Jutefaser der Einwirkung der
Salpeterschwefelsäure aus, so erhält man nitrirte Cellulose ohne Schwierigkeit.
Schon Cross und Bevan
haben Tetranitrocellulose aus Jute auf diese Weise erhalten, sie legten aber dem
erhaltenen Körper keine technische Bedeutung bei, stellten denselben vielmehr nur
aus rein wissenschaftlichem Interesse, behufs Charakterisirung der Jutecellulose
dar. Taucht man Jute in ein Gemisch von 1 Th. Salpetersäure von 1,5 s. G. und 1 bis
3 Th. conc. Schwefelsäure, so geht die Flachsfarbe der Faser in Braunroth über, die
Faser selbst quillt etwas auf und zerfällt beim Eintauchen in Wasser in viele kleine
Härchen, welche offenbar die nitrirten Einzelzellen der Faser darstellen. Die
gesammelten Härchen lassen sich leicht filtriren, auswaschen, trocknen und stellen
dann eine hellgelbe Wolle dar, welche der Schiessbaumwolle in den Eigenschaften
gleicht. Bereits oben wurde die Wirkungsweise der einzelnen Säuren auf Jute
besprochen und ist es klar, dass Schwefelsäure vorzugsweise die Nichtcellulose
ablöst, während Salpetersäure diese lösende Eigenschaft nicht besitzt, die Cellulose
einfach nitrirt bezieh. auch die in Schwefelsäure löslichen Producte weiter
zersetzt.
(Schluss folgt.)