Titel: | Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation. |
Fundstelle: | Band 281, Jahrgang 1891, S. 260 |
Download: | XML |
Ueber Fortschritte in der
Spiritusfabrikation.
(Patentklasse 6. Fortsetzung des Berichtes S. 214
d. Bd.)
Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation.
Ueber die Verwendung der Flussäure und der schwefligen Säure
zur Erzielung reiner Gährungen erstattete Märcker in der Generalversammlung der
Spiritusfabrikanten Deutschlands einen eingehenden Bericht, dem wir nach
der Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 14
Ergänzungsheft S. 22, das Folgende entnehmen: Die Anwendung der Desinfectionsmittel
kann zweierlei Zwecke verfolgen. Erstens einmal kann sie die Thätigkeit der Diastase
unterstützen und stärken, und zweitens kann sie die Thätigkeit der Hefe theils
schützen, indem diese Desinfectionsmittel die störenden Nebenorganismen
unterdrücken, theils aber auch, indem die Desinfectionsmittel die Hefe selbst zu
einer erhöhten Thätigkeit, d.h. zu einer stärkeren Vermehrung und zu kräftigerer
Entwickelung der Gährthätigkeit anspornen. Der Verfasser unterzieht zunächst die
bisher mit Flussäure und schwefliger Säure ausgeführten zahlreichen Versuche einer
kritischen Besprechung, wobei er sehr eingehend die für das Verfahren grundlegenden,
interessanten Beobachtungen Effront's bespricht, und
kommt zu dem Schluss, dass die bei Anwendung der Flussäure mehrfach zu Anfang
beobachteten Misserfolge auf eine falsche Anwendung zurückzuführen sind. Die
Anwendung der Flusssäure ist, wie die Versuche von Effront zeigen, auch mit Gefahren verbunden und muss daher mit Vorsicht
und Sachkenntniss geschehen. Es genügt nicht, der Maische irgend ein beliebiges
Quantum zuzusetzen und dann zu probiren, ob die Alkoholmenge höher oder niedriger
wird. Die Anwendung muss in ein vollständiges System gebracht werden, um dabei
keinen Schaden anzustiften. Ferner muss eine vollständige Berücksichtigung
derjenigen Wirkungen stattfinden, die sich seitens der Desinfectionsmittel
schädigend auf die Diastase und die Hefe äussern können. Der Verfasser geht dann zu
seinen eigenen Versuchen über, die grösstentheils von Cluss im Laboratorium der Versuchsstation Halle ausgeführt wurden und
bisher noch nicht veröffentlicht sind. Die ersten Versuchsreihen beschäftigten sich
lediglich damit, wie man durch Einwirkung der Flussäure und der schwefligsauren
Salze die Säuerung der Maische eindämmen könnte, und gleich die ersten Versuche, die
absichtlich derart ausgeführt wurden, dass eine möglichst starke Säuerung eintreten
musste, lieferten den Beweis, dass die Flussäure fast ein souveränes Mittel ist, um
die Säuerung einzudämmen. Es zeigen dies folgende Zahlen: 20 ec Maischfiltrat
entsprachen Cubikcentimetern Normalnatron:
Ohne Flussäure
Mit Flussäure
Versuch
1
2,60 cc
0,65 cc
„
2
4,55 cc
0,60 cc
„
3
4,30 cc
0,80 cc
„
4
4,00 cc
0,90 cc
Auch unter den allerungünstigsten Verhältnissen säuerte die Maische niemals in einer
Weise, dass durch die Säure der diastatische Process geschädigt werden konnte.
Versuche mit concentrirten Stärkemaischen gaben ein ungünstiges Resultat, weil es an
Hefenährstoffen mangelte. Unter diesen Verhältnissen war die schweflige Säure der
Flussäure überlegen. Es wurden z.B., übereinstimmend mit den Versuchen von Heinzelmann, durch schweflige Säure 11,6, durch
Flussäure nur 10,5 Proc. Alkohol erzielt. Als nun Hefenährstoffe in genügender Menge
zugesetzt wurden, verlief die Sache ganz anders, da aber in den dünnflüssigen
Maischen die Gährung nicht normal war, ging der Verfasser zu Versuchen mit Maismaischen über. Die ersten dieser Versuche mit 5 g
Hefe auf 1 l Maische gaben schwankende Zahlen; es zeigten sich keine erheblichen
Unterschiede zwischen Flussäure, schwefliger Säure und der Maische, welche gar
keinen Zusatz erhalten hatte. Der Grund dieser Erscheinung lag offenbar in der zu
grossen Hefemenge, denn wie schon Effront gefunden
hatte, beherrscht die Hefe, wenn sie im Ueberschuss vorhanden ist, sämmtliche
Verhältnisse in einer Weise, dass dabei auch nicht ein einziges Mittel irgend eine
nennenswerthe Wirkung ausübte. Wenn ein grosser Hefeüberschuss vorhanden ist, dann
unterdrückt die Alkoholhefe alle gährungsstörenden Organismen und geht in Folge
ihrer grossen Ueberzahl siegreich aus dem Kampfe ums Dasein hervor. Versuche mit
Desinfectionsmitteln neben so grossen Hefemengen, wie sie in der Praxis nicht
vorkommen, sind daher nicht maassgebend. – Die weiteren Versuche wurden nun mit 3 g
Hefe und auch mit weniger Malz angestellt und damit die Verhältnisse der Praxis
eingehalten. Die Verhältnisse waren nun normale, denn die Vergährung zeigte sich
übereinstimmend mit der Alkoholausbeute, wie aus folgenden Zahlen ersichtlich
ist:
Vergährungsgrad
Alkoholausbeute
Mit Flussäure
1,00°
Sacch.
11,0
Proc.
„ schwefliger Säure
1,65°
„
10,5
„
Ohne Zusatz
2,63°
„
9,45
„
Dasselbe Resultat gaben vier andere Versuche und bei allen diesen Versuchen trat auch
hervor, dass die Flussäure dem schwefligsauren Natrium etwa um 0,5 Proc. in der
Alkoholausbeute überlegen war. Der Grund für diese Ueberlegenheit der Flussäure
liegt, wie die Säurebestimmungen zeigten, darin, dass die Flussäure die Säuerung
erheblich besser zurückzuhalten vermag als die schweflige Säure, denn es wurden z.B.
gefunden mit schwefliger Säure 1,05, mit Flussäure dagegen nur 0,55 cc Normalnatron.
Dieser Befund wird bestätigt durch das mikroskopische Bild, welches die Hefe bei
Hefezüchtungsversuchen mit und ohne Desinfectionsmittel zeigte. Zu dem Zweck wurden
250 cc Maismaischefiltrat mit 0,5 g Hefe 24 Stunden bei 30° aufgestellt und dann die
mikroskopische Untersuchung ausgeführt. In der Hefe, welche Flussäure bekommen
hatte, sind die Hefekügelchen in lebhafter Vermehrung begriffen, fremde Organismen,
Kokken, sogen. Kugelbakterien, ferner auch Stäbchenbakterien sind zwar vorhanden,
aber in verhältnissmässig geringer Zahl. Namentlich sind in geringer Zahl die sogen.
Langstäbchen vorhanden, welche gegenüber dem Vorkommen in der nicht mit
Flussäure versetzten Maische ganz zurücktreten. Vollständig anders ist das Bild der
nicht mit Flussäure versetzten Hefe. Erstens sind nicht so viel Hefekügelchen
vorhanden, zweitens sind die fremden Organismen, namentlich die Stäbchen und
darunter auch die Langstäbchen in sehr viel grösserer Menge in der Maische
vertreten. Die Kurzstäbchen sind das Milchsäureferment, die Langstäbchen dagegen
gelten als gährungsstörende Organismen. Also auch organisch zeigt die Hefe ein ganz
anderes Bild, wenn Desinfectionsmittel zugesetzt werden. Durch Zusatz von
schwefliger Säure werden die Bakterien auch zurückgedrängt, wenn auch nicht ganz so
stark wie durch Flusssäure; auch Langstäbchen treten verhältnissmässig weniger auf,
wenngleich sie nicht wie bei der Flussäure vollständig verschwunden sind.
Es wurden nun weitere Versuche ausgeführt, um festzustellen, inwieweit das durch
verschiedene Mittel desinficirte Hefegut in Folge seiner grösseren Pilzfreiheit eine
bessere Gährkraft besass gegenüber dem nicht desinficirten. Zu dem Zweck wurde 1 k
Maismaische von etwa 19° Sacch. mit 50 cc der Hefecultur versetzt, und zwar unter
Anwendung von etwas mehr oder weniger Flussäure gegenüber der unterlassenen
Anwendung. Wie anregend auf die Hefebildung Desinfectionsmittel wirkten, geht nun
aus folgenden Zahlen hervor. In 60 Einheiten der Hefezählkammer wurden ohne Zusatz
159, mit Zusatz 254 Hefekügelchen beobachtet, also eine Zunahme von ungefähr 100
Hefekügelchen mehr in Folge der anregenden Wirkung der Flussäure. Wenn man der
ursprünglichen Hefemaische mehr Flussäure zusetzte, so wurde die Hefevermehrung
wieder eingeschränkt, und man sah auch, dass die Hefe eine andere Form bekam, sie
wird kleiner.
Das Ergebniss der Gährung nach 3 Tagen war folgendes:
Sacch.Grad
Säurecc
AlkoholProc.
Ohne Zusatz
7,29
2,9
4,2
Flussäure in nicht genügender Menge
2,63
–
7,0
Mehr Flussäure
1,05
–
8,0
Noch mehr Flussäure, in den Verhältnissen der Praxis
un- gefährentsprechender Menge
0,58
–
8,5
Mit schwefligsaurem Natrium fand eine Hefevermehrung von 162 auf 236 gegenüber 246
mit Flussäure statt, also kein irgendwie in Betracht kommender Unterschied. Dagegen
fiel die Gährung mit diesem Hefegut viel ungünstiger aus gegenüber der Flussäure,
wie folgende Zahlen zeigen:
Sacch.Grad
AlkoholProc.
Ohne Zusatz
9,85
5,0
Mit schwefliger Säure
7,68
5,9
„ Flussäure in geringer Menge
2,35
7,7
Bei diesen Versuchen ist also das schwefligsaure Natrium gegenüber den
Fluorverbindungen sehr erheblich zurückgeblieben und das Fluorammonium erwies sich
als das kräftigere Desinfectionsmittel.
Der Verfasser berichtet nun über Beobachtungen aus der Praxis
mit Flussäure, welche er durch eine Enquete in den bayerischen Brennereien
und in den grossen Mais-Spiritusfabriken in Frankreich, Spanien und Italien
gesammelt hat. Das Resultat dieser Enquete war kurz folgendes: 1) Von 14 bayerischen
Brennereien haben 13 die Frage, ob mit Flussäure ein Mehrertrag erzielt wurde, mit
ja beantwortet. Die Ertragserhöhung betrug 0,2 bis
1,6 Proc. und zwar fand eine Ertragserhöhung auch in gut arbeitenden
Brennereien, welche schon ohne Flussäure über 11 Proc. gezogen hatten, statt. 2) Der
Säuregehalt wurde im Mittel von 1,44 auf 0,88 vermindert. 3) Ueberall wird über
einen ausserordentlich gleich massigen Gang der Arbeit und darüber berichtet, dass
Gährungsstörungen so gut wie völlig ausgeschlossen gewesen seien, auch bei den sehr
schlechten Kartoffeln und dem mangelhaften Malz des verflossenen Jahres. 4) Die
Gährung erhält einen ganz anderen Charakter. Die stürmische Hauptgährung wird durch
die Flussäure wesentlich eingeschränkt. An die Stelle der steigenden und fallenden
Gährung, welche die Maische sonst zeigt, tritt eine glatte, walzende Gährung,
welche, nach den Aussagen der Berichterstatter, wesentlich weniger Steigraum
erfordert, wie z.B. angeführt wird, 7 bis 8 cm Steigraum gegen 12 bis 13 cm früher.
5) Die Schlampe wurde von den Thieren gut aufgenommen und gut vertragen. 6) Es wurde
in einzelnen Berichten hervorgehoben, dass die Flussäureschlämpe in diesem Jahre
nicht in einem einzigen Falle Schlämpemauke erzeugt habe, während früher regelmässig
Mauke aufgetreten war. 7) Die Schlampe besitzt eine fast unbegrenzte
Haltbarkeit.
Der Verfasser berichtet weiter über seine eigenen Beobachtungen in den Brennereien zu
Trotha, Benkendorf, Grasdorf und Siegersleben. In Trotha wurden mit Flussäure 0,4
Proc. Alkohol mehr vom Maischraum gezogen. Auffallend ist, dass in der Trothaer
Brennerei von fremden Organismen überhaupt nichts mehr zu existiren scheint.
Dieselben sind, obgleich die Flussäure nur im Gährraum angewendet wird, aus allen
Räumen ausgestorben oder eingeschränkt. Dass also eine Einwirkung der Flussäure im
günstigen Sinne auf die Thätigkeit der Organismen existirt, darüber kann nicht der
geringste Zweifel sein, und es kommt nur darauf an, durch ein zweckmässiges System
dieselbe auszunutzen.
In der Brennerei zu Grasdorf ergab sich in 10 Versuchstagen Folgendes: Es wurden von
19600 l Maischraum ohne Flussäure, genau unter gleichen Verhältnissen, mit
Kartoffeln gleicher Beschaffenheit, 1826 l absoluter Alkohol, entsprechend 9,32
Proc. vom Maischraum gewonnen, dagegen mit Flussäure 2112 l, d.h. 10,78 Proc. vom
Maischraum, also 286 l mehr. Die Säure war von 2,0 im Durchschnitt bis auf 0,8
heruntergegangen. Die Vergährung betrug ohne Flussäure 2 bis 2,5°, mit Flusssäure
0,8 bis 1,50° in maximo. – Ferner die Brennerei in Benkendorf. Hier wurden bei
Versuchen neben einander mit Flussäure erzielt 9,7 bis 10,1 Proc., ohne dieselbe
8,7, also erheblich mehr mit Flussäure. Zu bemerken ist dabei, dass solche Versuche
niemals vollkommen vergleichende sind, auch wenn man gleichzeitig zwei Bottiche mit
oder ohne Flussäure ansetzt. Die Einwirkung der Flussäure auf die Nachbarschaft; auf
die Organismen in anderen Räumen, ist eine ganz augenfällige. – Von besonderem
Interesse ist das Resultat in Siegersleben. Hier bei sehr concentrirten Maischen
wurde mit Flussäure weniger Alkohol gezogen. Die Erklärung geht aus der Beobachtung
Effront's hervor, dass, je concentrirter die
Maischen sind, um so gefährlicher ein Flussäureüberschuss sowohl der Hefe wie der
Diastase ist. In verdünnten Maischen kann man weit mehr anwenden, kann dreist 10 bis
12 g für 1 hl nehmen, während man in concentrirten sehr vorsichtig sein, mit 2 g für
1 hl anfangen muss und erst allmählich zu steigen hat, wenn man nicht Schaden
hervorbringen will. Es ist kein Zweifel, dass in den sehr concentrirten Maischen zu
Siegersleben die 10 bis 12 g, welche wir ohne Kenntniss der obigen Verhältnisse
gaben, zu viel gewesen sind und Schaden anrichteten. – Die Flussäure darf durchaus
nicht nach einem Recept angewendet werden, es ist ein vollkommenes System der
Anwendung, welches ausgeübt werden muss, und manche Berichte über Schaden oder
mangelnden Erfolg sind gewiss auf eine falsche Anwendung zurückzuführen.
Es folgen nun die Berichte Büchler's über 80 bayerische
Brennereien. Den Ausführungen Märcker's hierüber
entnehmen wir das Folgende: 1) Die Säuerung wurde regelmässig eingeschränkt. 2) In
den meisten Fällen ist die Vergährung besser geworden, auch in concentrirten
Maischen, und wo die Vergährung nicht besser geworden war, wurde doch mindestens
ebenso viel Alkohol mit Flussäure als ohne Flussäure gezogen, in manchen Fällen
trotz einer etwas schlechteren Vergährung sogar etwas mehr. 3) Die Ausbeute von 1 k
Stärke kam auf eine seltene Höhe, nämlich auf 60 bis 63, während man sonst 58 bis 60
schon eine gute Ausbeute nennt. 4) Die Schlampe conservirt sich sehr lange. 5) Die
Gährung wird ruhiger und damit tritt eine bessere Ausnutzung des Maischraumes ein.
6) Die Hefe zeigt keine solche Form Verschiedenheiten mehr, sondern eine
gleichmässige Entwickelung. 7) Die Qualität des Alkohols wurde eine bessere, zwar
nicht weil der Gehalt an Fuselöl geringer wird, aber in Folge geringeren Auftretens
von übelriechenden und übelschmeckenden Nebenproducten. – Ein gewisses Interesse
bieten endlich die dem Verfasser bekannt gewordenen Beobachtungen ausländischer
Fabriken. In diesen, wo früher meistens die schweflige Säure angewendet wurde, hat
man nach den dem Verfasser zugegangenen Angaben aus 100 k Mais im Durchschnitt 2,87
Literprocent Alkohol durch die Flusssäure mehr erzeugt; auch hier war die Gährung
ruhiger geworden und die Nachgährung nachhaltiger. In einem Falle wird berichtet,
dass der Trockengehalt der Schlampe sich verminderte – natürlich eine Folge der
besseren Vergährung. – Im Ganzen sind also in den ausländischen Maisbrennereien sehr
günstige Erfolge mit der Flussäure erzielt worden, auch ziehen diese Brennereien
sämmtlich die Flussäure der früher angewendeten schwefligen Säure vor. Allerdings
haben dieselben nicht neutrales schwefligsaures Natrium wie Heinzelmann angewandt, sondern schweflige Säure, welche in Natronlauge
aufgefangen wurde, also wahrscheinlich das saure Salz. Dieses haben sie ganz
aufgegeben, da es einen schweflige Säure enthaltenden Spiritus lieferte und die
Destillirapparate sehr schnell zerstörte. Der Gehalt des Spiritus an schwefliger
Säure spricht gegen die Anwendung der freien schwefligen Säure und des sauren
Salzes, aber auch bei Anwendung des neutralen Salzes ist vom Verfasser. bei allen
seinen Versuchen schweflige Säure im Spiritus nachgewiesen worden; dieselbe gab sich
meistens schon durch den Geruch zu erkennen.
Zum Schluss präcisirt Märcker die Punkte, auf welche es
bei der Anwendung der Desinfectionsmittel und speciell der Flussäure ankommt, wie
folgt:
Die Flussäure ist keine einfach oder receptmässig anzuwendende Substanz, sondern sie
muss vollständig in ein bewusstes System gezwungen werden, ohne dieses kann sie
sogar schaden. Zunächst also muss man wissen, dass dieselbe den Zuckerbildungsprocess schädigt,
dass also freie Flussäure niemals während der Zuckerbildungstemperatur in die
Maische gebracht werden darf, wenigstens nicht in grösseren Mengen, nur bei ganz
schlechtem Malz ist ihre Anwendung dort möglich und zulässig, aber mit äusserster
Vorsicht, und weit lieber sollte man alsdann Fluorverbindungen nehmen. Ferner muss
man beachten, dass die Flussäure Dünnmaischen in grösseren Mengen zugesetzt werden
kann, und, um zu wirken, in grösseren Mengen zugesetzt werden muss als in
Dickmaischen, dass man aber auch dabei sehr vorsichtig zu verfahren hat. Ferner aber
– und das ist die wichtigste Beobachtung – man sollte denken, je saurer die Maische
ist, je mehr fremde Organismen sie enthält, um so mehr Flussäure müsse man zusetzen,
und so ist auch operirt worden. Es hat sich aber gezeigt, dass, je saurer die
Maische ist, um so weniger Flussäure und Fluor Verbindungen von derselben vertragen
werden, und dass, je schlechter die Maische ist, um so weniger Flussäure angewendet
werden muss. Es genügt alsdann auch schon eine viel kleinere Flusssäuremenge als in
normalen Maischen. In Benkendorf z.B. genügten schon 2 g Fluornatrium für den
Bottich von 4000 l, um die Säure, die am ersten Tage 1,7 war, am zweiten auf 0,9 und
am dritten Tage auf 0,6 herunterzubringen; so intensiv war die Wirkung einer
minimalen Menge dieses Mittels. Endlich, der Preis der Flussäure gegenüber
demjenigen des schwefligsauren Natriums: Wenn man 5 bis 6 g Flussäure anwendet, so
kostet das für den Bottich von 3000 l 12 bis 13 Pf. Schwefligsaures Natrium muss man
in grösseren Mengen anwenden. Heinzelmann gibt 160 g
für 1 hl an. Bei einem Preise von 50 M. für 100 k würden sich etwa 2,4 M. gegenüber
12 bis 13 Pf. ergeben, welche die Flussäure kostet. Billiger ist dieselbe also ganz
zweifellos, das ist gar keine Frage.
An derselben Stelle, S. 28, macht Heinzelmann
Mittheilungen über die Anwendung des schwefligsauren
Kalkes. Wir kommen auf diese Arbeit weiter unten zu sprechen.
Weiter berichtet daselbst, S. 28, Büchler eingehender
über die Erfahrungen, welche er in 80 bayerischen
Brennereien mit dem Flussäureverfahren gemacht hat. Auf Grund eines
Vertrages, welchen der Verein bayerischer
Spiritusfabrikanten mit der Société générale de
Maltose abgeschlossen hat, steht sämmtlichen bayerischen Brennereien das
Recht zu, das Effront'sche Verfahren (D. R. P. Nr.
49141) in Anwendung zu bringen. Die Schlussfolgerungen aus den Beobachtungen Büchler's haben wir schon aus den Mittheilungen Märcker's darüber angeführt. Büchler theilt nun zur Bestätigung Zahlen aus den Betrieben mehrerer
Brennereien mit und hebt hervor, dass der günstige Erfolg sowohl in grossen, wie
auch in den ganz kleinen, noch nach dem sogen. alten Verfahren arbeitenden
Brennereien hervorgetreten ist. Büchler tritt der
vielfach ausgesprochenen Ansicht entgegen, dass nur schlecht arbeitende Brennereien
Ursache hätten, das Flussäureverfahren anzuwenden. Nach seiner Ansicht bringt das
Verfahren auch den besten Brennereien Vortheile und als solche hebt er die folgenden
hervor: 1) Es ist vor allem die Möglichkeit gegeben, minderwerthige oder ganz faule
Materialien noch gut zu verwerthen. Bei Verarbeitung ganz trockenfauler Kartoffeln
verlor sich der üble Geruch der Maischen schon im Verlauf der Gährung und die
Schlampe fand im Stall ebenso gern Absatz wie sonst. 2) Bei der Schlampe macht
sich zumal beim Herbst- und Frühjahrsbetrieb der grosse Vortheil geltend, dass
dieselbe tagelang aufbewahrt werden kann, ohne auch nur nennenswerth zu säuern. Dass
eine solche Schlampe gesünder ist, scheint über allen Zweifel erhaben. 3) Ein
weiterer, nicht zu unterschätzender Vortheil ist der Gewinn an Maischraum durch den
ruhigen Verlauf der Gährung, welche gegenüber dem gewöhnlichen Verfahren einen
geringen Steigraum erheischt. Unter dem Einfluss der Flussäure ist das typische Bild
des Gährungsprocesses darin zu erblicken, dass die Hauptgährung nicht mehr mit der
Vehemenz auftritt, die steigende und fallende Gährung mehr einer ruhig wälzenden
Platz macht, dafür hält aber die Nachgährung kräftig und energisch bis zum letzten
Augenblick an. – In Bezug auf die Hefe bemerkt der Verfasser, dass nach seinen
Erfahrungen nicht alle Heferassen geeignet sind, unter der Einwirkung der Flusssäure
sich wohl zu fühlen und zu arbeiten. Aus der Formveränderung, welche die Hefe bei
Anwendung der Flussäure erleidet, schliesst der Verfasser, dass eine Art von
Reincultur einer Heferasse stattfindet, welche der Flussäure gegenüber eine
hinlängliche Widerstandsfähigkeit besitzt. Bei Anwendung von Flussäure oder
Fluorammonium nicht zur Maische, sondern zur Hefe hat Verfasser, wie auch schon Märcker hervorhebt, gefunden, dass die Säuerung der
Hefe schwierig wird. Andererseits hat Verfasser aber gesehen, dass in der That
Fluorammonium die Eigenschaft besitzt, die Milchsäure in der Hefe bis zu einem
gewissen Grade zu ersetzen, jedenfalls dadurch, dass sich aus demselben Flussäure
freimacht.
In Beantwortung einer Anfrage Orth's über den Einfluss der
flussäurehaltigen Schlämpe auf die Haltbarkeit der Milch führt Märcker an derselben Stelle, S. 30, aus, dass zwar
hierüber Versuche nicht vorlägen, dass aber milch-verderbende Agentien weniger durch
die Milch, sondern mehr durch Unreinlichkeiten von aussen, durch schmutzige Hände
der Melkenden u.s.w., ferner aus den im Stalle lagernden Futtermitteln, z.B. den
Diffusionsrückständen, hineingelangen. Dagegen sind von Tappeiner Versuche ausgeführt über die Flussäuremengen, welche in die
Milch übergehen bei Verfütterung von flussäurehaltiger Schlampe. Dieselben ergaben,
dass die Milch nur sehr geringe Spuren davon enthielt, Schaden verursacht die
Flussäure in der Schlampe daher jedenfalls nicht.
Ueber Versuche mit neutralem schwefligsaurem Natrium und
doppeltschwefligsaurem Kalk zur Vergährung von Maischen berichtet G. Heinzelmann in der Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 14 S. 95. Der Verfasser kann die
von Brauer (vgl. 1891 281
94) bei der Anwendung des schwefligsauren Natriums gemachten Beobachtungen –
Auftreten von schwefliger Säure, unerträglicher Geruch im Gähr- und Heferaum,
Angreifen der Gährbottichkühlschlangen – nach seinen Laboratoriumsversuchen nicht
bestätigen. Dagegen hat er bei seinen in Brennereien ausgeführten Versuchen das
Auftreten von Schwefelwasserstoff beobachtet. Der Verfasser glaubte dies auf die
Wirkung unreiner Hefe zurückführen zu müssen, Versuche mit reiner Hefe zeigten
jedoch, dass diese Annahme nicht zutreffend war, denn es trat auch hier
Schwefelwasserstoff auf. Der Verfasser theilt nun Versuche mit, welche er in vier
Brennereien mit neutralem schwefligsaurem Natrium angestellt hat. Diese Versuche
ergaben bei Zusatz des Antisepticums eine Herabsetzung der Säure und in fast allen Fällen eine
etwas bessere Vergährung und dementsprechend etwas mehr Ausbeute. Der immerhin hohe
Preis dieses Salzes veranlasste nun den Verfasser zu Versuchen mit
doppeltschwefligsaurem Kalk, von dessen Anwendung er anfangs wegen der ungleich
massigen Beschaffenheit der in den Handel gebrachten Ware abgesehen hatte. Aus
diesem Grunde muss auch die erforderliche Menge des Kalksalzes jedesmal erst durch
den Versuch ermittelt werden. Von einer Lösung von 22° B. soll man ⅓ l auf 1000 l
Maische verwenden. Bei diesen Versuchen mit dem Kalksalz trat der Geruch nach
Schwefelwasserstoff nicht auf, sondern die Maischen verbreiten, wie Verfasser sagt,
einen recht angenehmen, fruchtätherartigen Duft. Auch der Alkohol besass einen
angenehmeren Geruch, als dem Rohspiritus eigen ist, und enthielt nach den
Untersuchungen des Verfassers keine schweflige Säure. Der Zusatz des
doppeltschwefligsauren Kalkes zur Maische erfolgt nach Abnahme der Maische zur Hefe
und nach beendeter Verzuckerung der Maische während des Kühlens. Die Versuche wurden
in drei Brennereien ausgeführt und ergaben im Allgemeinen dieselben Resultate, wie
die Versuche mit dem Natriumsalz, nur fand in den Brennereien zu Dammerow und
Knüppeldamm eine Verminderung der Säurezunahme während der Gährung durch den
schwefligsauren Kalk nicht statt. Der Verfasser sucht den Grund hierfür in dem
hohen, aus den Kartoffeln stammenden Säuregehalt der süssen Maische; in solchen
Maischen kann ein Antisepticum, selbst Flussäure, nach des Verfassers Ansicht nur
ganz geringen Nutzen gewähren, da schon die vorhandene Säure selbst vor weiterer
Säurezunahme und Bakterienentwickelung schützt. Der Erfolg mit dem Kalksalz war in
Dammerow gleich Null, in Knüppeldamm gleich 400 Literprocent und in Wierzonka gleich
10 l für den Bottich. Bei der Billigkeit des Kalksalzes – etwa 10 Pf. für den
Bottich – empfiehlt Heinzelmann dessen Anwendung in
jeder Brennerei, aber namentlich bei der Verarbeitung von schlechtem, fauligem
Malz.
An derselben Stelle, S. 96, theilt Heinzelmann mit, dass
in der Brennerei zu Wierzonka nach dreimonatlichem Gebrauch des Kalksalzes
Pilzvegetationen überall verschwunden seien und dass mit Hefe, die mit
schwefligsauren Kalk enthaltender Maische bereitet war und welche einen bedeutend
geringeren Säuregrad zeigte, sehr gute Vergährungen erzielt seien. Weiter berichtet
daselbst G. T. in Ch. über gute Erfolge mit
schwefligsaurem Kalk, bemerkt jedoch, dass bei Anwendung grosser Mengen desselben
bei der Hauptgährung ein pestilenzartiger Geruch aufgetreten sei.
(Fortsetzung folgt.)