Titel: | Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen. |
Fundstelle: | Band 281, Jahrgang 1891, S. 126 |
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Bemerkungen über die heutigen
Kriegswaffen.
(Fortsetzung des Berichtes S. 97 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen.
Die oben S. 98 und 99 gegebene Tabelle führt zur Beurtheilung der Gewehrmunition
zuerst Angaben über das Material der eigentlichen Geschosse und dessen Umhüllung
an. Wie schon oben angegeben, verlangte das kleine Kaliber eine sehr steile
Windung der Züge, andererseits sollten auch womöglich die Anfangsgeschwindigkeiten
der Geschosse noch gesteigert werden. Ein Geschoss aus Weichblei oder Hartblei mit
Papierumhüllung schien in Folge dessen die Anstrengungen im Laufe- nicht aushalten
zu können, ohne sich zu deformiren. Es wurden deshalb besondere Geschossumhüllungen,
„Geschossmäntel“, eingeführt, welche aus einem härteren Material, wie
Kupfer, Nickel oder Stahl, bestanden. Die grössere Haltbarkeit gegen atmosphärische
Einflüsse und die unschädlichste Einwirkung bei Verwundungen hat Nickel, deshalb
kommt eine Vernickelung der Mäntel vielfach vor. Eigenthümlicher Weise zeigt das
neue Schweizer Geschoss (vgl. Fig. 1 Nr. 12) (Rubin'sches Panzergeschoss), dass ein besonderer
härterer Mantel auf der ganzen Geschossoberfläche nicht nöthig ist, sondern nur eine
Stahlummantelung der Spitze. Da der Durchmesser des mittleren Geschosstheiles 8,2 mm
beträgt, während die Laufbohrung zwischen den Feldern nur 7,5 mm weit ist, so
scheint auf eine grosse Zusammenstauchung des Geschosses gerechnet zu werden, worauf
die Form des hinteren Geschosstheiles auch wohl hindeutet. Eine besonders
angefertigte und gefettete Papierumhüllung beginnt hinter der Stahlkappe um die
Spitze.
Die Längen und die Querschnittsbelastungen der Geschosse sind bei der Kalibergrösse
schon besprochen worden. Die Geschossgewichte selbst zeigen eine beträchtliche
Verminderung gegen früher.
Es mag angedeutet sein, dass Wolfram als Geschossmaterial statt des specifisch
leichteren Bleies empfohlen wurde. Ob seine Verwendung eine Verminderung des
Kalibers, eine Verkürzung der Geschosse oder beides gleichzeitig herbeiführen
könnte, muss der Entscheidung der Zukunft anheimgestellt werden.
Die Ladungen der Patronen mit altem, rauchstarkem „Schwarzpulver“ sind gar
nicht angeführt, weil das neue Collodiumpulver, sogen. „rauchschwache“
Pulver, in Zukunft wahrscheinlich allein Verwendung finden wird. Es ist nicht bloss
seine Eigenschaft, „rauchschwach“ zu sein, welche die Staaten zu seiner
Einführung zwingt, es ist besonders die, bei einer Verminderung des
Pulverladungsgewichtes die Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse beträchtlich zu
erhöhen, ohne eine grössere Gasspannung im Laufe, also ohne eine grössere
Anstrengung desselben herbeizuführen; es verbrennt nämlich, nachdem es entzündet
ist, nicht plötzlich unter Aeusserung einer stossweisen Wirkung, sondern mehr nach
und nach, und es erlaubt somit, einen steileren Drall anzuwenden, als er beim alten
„Schwarzpulver“ möglich war. Ausserdem hat es wenig Rückstand und scheint
die Treffähigkeit zu verbessern.
Ein Schiessversuch mit dem neuen Schweizer Gewehr auf 600 m mit rauchschwachem
Nobelpulver in drei Körnergrössen gibt über Anfangsgeschwindigkeiten, Trefffähigkeit
und Gasspannungen einige Auskunft.
Es betrugen
beim Pulver von
300 bis 350
800
1150 Körnern für 1 g
die Anfangsge- schwindigkeit
622
607
595 m
der Gasdruck
2404
2424
2388 at
die 50procentige Streuung
war: nach der Höhe
14,5
14,5
17 cm
„ „ Seite
11
9,5
8 cm
der Radius des Trefferkreises war
23,5
22
23 cm
Bei einem alten Gewehr M. 69/81 war die entsprechende Hüben-
und Seitenstreuung 20,1 und 19,8 cm (früher galten Gasspannungen bei starken
Ladungen erst dann für gross, wenn sie 2800 at überschritten).
In Italien wurden auf derselben Entfernung (600 m) gegen eine bestimmte Scheibe
erzielt
mit dem alten Schwarzpulver:
bei Einzelfeuer 38 Proc., bei Repetirfeuer 26 Proc.
Treffer,
mit dem Nobelpulver (Ballistit):
bei Einzelfeuer 54 Proc., bei Repetirfeuer 47 Proc.
Treffer.
Die Anfangsgeschwindigkeiten beim neuen österreichischen Gewehr betrugen mit dem
alten Schwarzpulver 510 m, mit dem neuen rauchschwachen Pulver aber 600 m.
Wie die letzte Spalte der Tabelle ergibt, sind die Anfangsgeschwindigkeiten bei allen
neu eingeführten Gewehren, mit Ausnahme des Schweizer Gewehres, jetzt schon auf 600
in und mehr gestiegen, während sie bei den Gewehren vor zehn Jahren nur 400 bis 450
m betrugen; die Zunahme beträgt also ⅓ bis ½. In Folge dessen hat die Krümmung der
Flugbahn stark ab- und die Gestrecktheit zugenommen. Beim neuen Schweizer Gewehr
erhebt sich das Geschoss bis zu Manneshöhe (1,8 m) erst bei 459 m Schussweite,
während dies früher schon bei 344 m stattfand. Für Deutschland würden diese Zahlen
beim neuen und alten Gewehr lauten: 520 und 360 m.
Aus dem eben angeführten Versuch mit Pulversorten in drei Körnergrössen ergibt sich,
dass diese Grösse von Einfluss auf die Geschwindigkeit und Treffähigkeit ist. Es
soll sich bei diesem Versuch gezeigt haben, dass die Ladung mit den grössten Körnern
nicht vollständig verbrannte. Möglicher Weise wäre das bei einem längeren Laufe
unter Erhöhung der Geschwindigkeit geschehen.
Es ist wohl kaum denkbar, dass das neue rauchschwache Pulver schon jetzt in einer
Form dargestellt werde, welche nicht mehr verbesserungsfähig ist. Da dieses Pulver
höchstens seit vier, in Frankreich vielleicht seit sechs Jahren in Gebrauch ist, so
kann man nicht annehmen, dass jetzt schon alle Feinheiten der Darstellungsweise, die
geeignetste Form, Grösse, Oberflächenbeschaffenheit und Dichtigkeit der Körner
endgültig ermittelt worden seien. Es ist mithin nicht sicher, ob die gegebenen
Zahlen für die Endgeschwindigkeiten einen bleibenden Werth haben, im Gegentheil
dürfte eine Steigerung derselben nicht unwahrscheinlich sein.
Mit der Verminderung des Gewichtes der Pulverladung ist natürlich auch eine kleine
Verminderung des Patronengewichtes eingetreten. Die Gesammtverminderung desselben
ist selbstverständlich meist eine beträchtliche. Die Längen der Patronen sind bei
einigen Staaten grösser, bei anderen kleiner als bei den bezüglichen früher
gebrauchten grösseren Kalibers.
Die aus einer Gelbblechcomposition gestanzte Hülse in Flaschenform hat zum Theil
hinten einen vorspringenden Rand (Krempe, Wulst), um ein Umfassen des am Verschlüsse
befindlichen Ausziehers zu gestatten, zum Theil ist der hintere Theil glatt und hat
zum Eingreifen dieses „Extractors“ eine Eindrehung (Kerbe, Hohlkehle). Die
letztere Form begünstigt das Aufeinanderliegen der Patronen im Rahmen. Das Gewicht
der Patronenhülsen ist bei einigen Staaten (Frankreich, Schweiz) grösser, bei
anderen kleiner als bei der Munition vor zehn Jahren. Die anfangs vielleicht
kleinlich erscheinende Erwähnung dieser Thatsache ist für eine Beurtheilung des
kleinen Kalibers sehr wichtig. Es zeigt dies deutlich die Spalte der Tabelle, welche
angibt, den wievielten Theil des ganzen Patronengewichts das Hülsengewicht ausmacht.
(Da, wo Patronenrahmen eingefühlt sind, ist deren Gewicht zum Patronengewicht
zugerechnet worden.) Die Zahlen schwanken zwischen 30
und 44,8 Proc.; die entsprechenden für die
Rahmengewichte betragen 4,2 (Belgien) bis 13,4 Proc. (Oesterreich).
Aus diesen Zahlen würde sich ergeben, dass jeder kriegsmässig ausgerüstete
Infanterist in
Belgien
41,9
Proc.
Frankreich
43,4
„
Deutschland
43,83
„
Oesterreich
44,8
„
des Munitionsgewichtes an Hülsen- und Rahmenblech zu tragen
hat. Vor zehn Jahren betrugen die entsprechenden Zahlen für „todtes
Munitionsmaterial“ 31,7, 27,4, 28,5, 30,3, in der Schweiz sogar nur 22
Proc., vor 20 Jahren beim Zündnadel- und Chassepotgewehr höchstens 10 Proc. Diese
Steigerung des Munitionsgewichtes durch die Verpackung hebt einen Theil der
Gewichtserleichterung, welche das kleine Kaliber hätte verursachen können, wieder
auf. Schon früher wurde hervorgehoben, welchen Nutzen in dieser Beziehung die
„Buchrückenform“ des belgischen Patronenrahmens gewähren muss. Würde das
österreichische Gewehr statt seines Rahmens von 22 g diesen von 6 g einführen
können, so würde der Mann mit 110 Patronen weniger belastet sein, als jetzt mit 100.
Dass dieser schon leichteste Rahmen durch Anfertigung aus einer Aluminiumcomposition
oder durch Anbringung von Löchern noch etwas erleichtert werden kann, ist immerhin
denkbar.
Angesichts der ganz riesigen Zahlen für „todtes Munitionsmaterial“ ist es
vielleicht erklärlich, wenn die Möglichkeit einer Erleichterung der Patronenhülsen
noch kurz besprochen wird. Sie würde ausgeschlossen sein, wenn sie deren Haltbarkeit
im Geringsten beeinträchtigte, denn das Steckenbleiben eines Hülsenrestes im Laufe
bis zum nächsten Schusse hat entweder eine Ladehemmung zur Folge, welche bei dem
kleinen Bohrungsdurchmesser schwer zu beseitigen ist, oder wenn es das Laden nicht
hindert, veranlasst es das nächste durch den Lauf mit grösser Geschwindigkeit
gehende Geschoss zu einer vielleicht verhängnissvollen Beschädigung des Rohres.
Durch die Art des Feuerns aus dem Kastenmagazin wird der Schütze im Gefecht viel
weniger das Beschädigen einer Patrone bemerken als früher. Um eine grosse Sicherheit
in dieser Beziehung zu gewähren, ist vielleicht die Metallstärke bei der belgischen
Patronenhülse beträchtlich grösser gewählt worden, als bei der deutschen (in
Folge des leichten Patronenrahmens konnte dies ohne Vermehrung des Gesammtgewichtes
stattfinden). Eine Erleichterung könnte nur durch die Anwendung eines Materials
herbeigeführt werden, welches widerstandsfähiger als eine der bisher angewandten
Metalllegirungen ist. Eine specifisch leichtere Aluminiumcomposition würde sich hier
nur dann eignen, wenn sie nicht spröde wäre. Sollte die Herstellung einer
erleichterten haltbaren Patronenhülse aus Stahl, Nickelstahl oder einem verwandten
Material ganz unmöglich sein? Eine sehr grosse Elasticität, eine gewisse Zähigkeit
ist bei dünnen (sogar bei gestanzten) Stahlblechröhren constatirt; die
Hülsenconstruction würde sich vielleicht diesem Material anpassen lassen; Sicherheit
gegen Zerreissen bei der Explosion der Pulverladung würde die Untersuchung jeder
Hülse durch einen stossweise auf die Innenwand ausgeübten hydrostatischen Druck
gewähren. Zunächst würde der Preis allerdings ein hoher werden. Berücksichtigt man
aber, dass durch 3 g Gewichtsersparniss bei einer Patrone die Schussausrüstung eines
ganzen Heeres um mindestens 1/10 gesteigert werden kann, so darf man die
Mehrkosten nicht für nutzlos halten, wenigstens nicht für einen Theil der
Feldausrüstung. Eine weitere Verminderung des Kalibers bei einem der Grossstaaten
Europas würde vielleicht auch eine Vermehrung der Schusszahl seiner Armee
herbeiführen, andere Staaten würden gezwungen sein, um diese Ueberlegenheit
auszugleichen, ihre Munition mit allen Mitteln zu erleichtern oder eine
Neubewaffnung vorzunehmen. Für alle Staaten, welche von den kleinen Kalibern ein
grosses besitzen, liegt ein gewisser Zwang vor, sich sofort in den Besitz einer
verbesserten, leichteren Patronenhülse zu setzen, wenn sie fabricirt werden kann. Da
ein Staat wie Deutschland jährlich allein 50 bis 70 Millionen Hülsen verbraucht, so
würden Versuche in dieser Richtung nicht ganz zwecklos sein.
Eine Eigenthümlichkeit der Schweizer Patrone (welche vielleicht auch anderswo
vorkommt) verdient hier noch eingeschaltet zu werden, da sie für das Gewicht der
Patronenhülse von Belang ist. Nach der Zeichnung in der Allgemeinen Waffenkunde von R. Schmidt, 1891,
ist die Hülse nur zu etwa ⅔ mit Pulver gefüllt. Diese Thatsache ist möglicher Weise
dadurch begründet, dass der übrige mit Luft gefüllte Raum die Spannung der
Pulvergase erheblich vermindert; es ist das unter Umständen eine durchaus
nothwendige rationelle Maassregel für ein bereits eingeführtes Gewehrmodell. Für ein
neu zu entwerfendes dürfte es sich aber fragen, ob nicht durch die
Pulverbeschaffenheit eine derartige Einrichtung unnöthig gemacht werden könne, durch
welche der Soldat gezwungen wird, pro Schuss 2 bis 3 g Hülsenblechrohr zu tragen, um
1 bis 2 cc gewöhnlicher Luft zu transportiren. Eine Verkürzung der Patrone um
mindestens ⅓ ihrer bisherigen Länge dürfte noch anderweitige Vortheile für ihren
Transport bieten.
Aus den Spalten der Tabelle, welche Zahlen über die Ausrüstung eines Infanteristen
mit Patronen bringen, ergibt sich zunächst die Thatsache, dass Deutschland am
schärfsten die Folgerungen gezogen hat, welche sich aus der Einführung eines
schnellfeuernden Gewehres von kleinem Kaliber ergeben. Es lässt den Infanteristen
150 Patronen tragen, welche in Rahmen verpackt sind. Durch letzteren Umstand
ist der Munitionsersatz einfach geblieben und die Anwendung des Repetirfeuers in
jedem Augenblicke sicher gestellt. Die Zahl ist doppelt so gross, als sie es früher
durchschnittlich bei europäischen Infanteristen war. Diejenigen Staaten, welche ihre
Patronen zum Theil in Rahmen, zum Theil einzeln verpackt tragen lassen, wollen nicht
nur einem zu grossen Munitionsverbrauche, den das Repetirfeuer verursachen könnte,
vorbeugen, sondern auch einer Vermehrung des Munitionsgewichtes, welches die
ausschliessliche Rahmenverpackung herbeiführen würde. Nur England macht eine
Ausnahme. Da dort jeder Mann ein besonderes Reservemagazin mit sich führen soll,
welches schwerer ist, als die zur Verpackung aller Patronen erforderlichen Rahmen
sein würden, so scheint die Ausrüstung lediglich Rücksicht auf möglichste
Beschränkung des Repetirfeuers genommen zu haben. Vielleicht ist dieselbe durch den
Mannschaftsersatz begründet, vielleicht auch dadurch, dass die Infanterie meist
gegen nicht ebenbürtig bewaffnete, uncultivirte Völker in wegelosen Gegenden zu
kämpfen hat.
Die ballistischen Leistungen der neuen Gewehre lassen sich zur Zeit nur theilweise in
Zahlen wiedergeben. Die Spalte der Tabelle über Visirschussweiten kann nur einen
Anhalt darüber gewähren, auf welchen Entfernungen die verschiedenen
Heeresverwaltungen das Schiessen begrenzt haben wollen. Wenn also das englische
Gewehr noch ein Visir auf 3500 Yards (etwa 3200 m) hat, so dürfte damit nicht im
Geringsten anzunehmen sein, dass es um mindestens 1200 m weiter trifft als irgend
ein anderes. – Nach einigen Angaben soll das
französische Gewehr eine grösste
Schussweite von 3200 m
(wahrscheinlich ist dieselbe grösser)
deutsche
Gewehr
eine
grösste
Schussweite
von
3800 m
österreichische
„
„
„
„
„
4000 m
haben.
Leider schien es nicht angängig, die sich vorfindenden Zahlen über Gasspannungen in
der Tabelle wiederzugeben. Dieselben sind so, dass sie zu falschen Schlüssen über
einige Waffen und Pulversorten Veranlassung geben würden.
Für die Treffähigkeit finden sich überhaupt nur höchst vereinzelte Zahlen vor. Es ist
indess bei der grossen Gleichförmigkeit des Dralles (zwischen 30 und 36 Kalibern)
und bei den geringen sonstigen Veränderungen im Profil der Züge nicht anzunehmen,
dass die Laufbeschaffenheit grosse Unterschiede in der Treffähigkeit hervorgebracht
habe – die Gewehrprüfungscommissionen werden das schon verhindert haben. Es ist zu
vermuthen, dass jede derselben Zahlen für die Verbesserung der Treffähigkeit ihres
neuen Gewehrmodells liefern könnte, wie sie für das alte italienische Gewehr durch
Einführung des Collodiumpulvers bekannt geworden sind. Sollte eine neue
Geschossconstruction eine grosse Verbesserung der Präcision geben, dann wird ihre
Annahme und Einführung nirgends auf sich warten lassen.
Wie die Leistungsfähigkeit der neuen Gewehre durch die riesige Steigerung der
Anfangsgeschwindigkeiten (und der Rasanz) verbessert wurde, ist ebenfalls bei der
Pulverladung unter Hinweis auf die Zahlen der letzten Spalte der Tabelle besprochen
worden.
Bisher gehörte zur Beurtheilung der Leistungsfähigkeit eines Gewehres die Angabe, wie
viel Schüsse dasselbe in der Minute zu verfeuern im Stande sei. Die beigefügte Tabelle bringt
solche jetzt wenig Werth besitzende Zahlen nicht. Der eigentliche Griff zum Laden
besteht fast bei allen neuen Gewehren in der Bewegung der rechten Hand vom Abzüge
zum Verschlussgriff dem oben beschriebenen Bewegen desselben und im Anlegen des
Zeigefingers an den Abzug. Wenn man aus den Worten Moltke's: „Ein gewisser Grad
von Unübertrefflichkeit führt zur Uniformität“ schliessen darf, so
bezeichnet diese Gleichmässigkeit, dass ein „gewisser Grad der
Unübertrefflichkeit“ hier erreicht ist. Ein schlechtes Zeugniss für die
Büchsenmachertechnik ist es nicht, dass man jetzt, nachdem dieselbe vor 25 Jahren in
dem Zündnadelschloss ein Hauptmittel zur Entscheidung eines grossen Völkerkrieges
lieferte, von der Anführung von Zahlen zum Vergleich der Ladegeschwindigkeit neuer
Gewehrmodelle absehen kann, ohne sich einer Unterlassungssünde schuldig zu machen.
(Eine Steigerung der Ladegeschwindigkeit ist nicht ganz ausgeschlossen; es könnte
z.B. die Kraft, mit welcher die Pulvergase das Gewehr beim Anschlage gegen die
Schulter stossen, benutzt werden, eine Feder zu spannen; diese Spannung könnte dann
durch die vorgehende Bewegung des Abzuges nach dem Schusse gelöst und verwandt
werden, um die Ladebewegungen des Verschlusses zu vollziehen; dann könnte die
abfeuernde Hand ruhig am Abzüge bleiben. Es fragt sich indess, ob eine derartige
Verbesserung so gross wäre, dass sie einen Staat zur Einführung eines neuen
Gewehrmodells so zwänge, wie es die Annahme des Repetirmechanismus und die des
kleinen Kalibers gethan haben).
Nachdem Beschaffenheit und Eigenschaften der neuen Gewehre besprochen, sei die Frage
berührt: „Welches ist das beste Gewehr?“ Nach den gegebenen Ausführungen
erscheint es erklärlich, wenn ein Beurtheiler das für
das beste hält, welches eine Spur mehr Treffähigkeit als ein anderes hat, ein zweiter das mit der grössten Anfangsgeschwindigkeit
(Rasanz), ein dritter das, welches die grösste
Schusszahl mitzuführen gestattet, ein vierter das,
welches jahrelang von einem unbeholfenen Menschen gebraucht werden kann, ohne dass
es einer Reparatur bedarf; so können noch eine Menge von Specialgesichtspunkten für
Beurtheilung eines Gewehres in den Vordergrund gestellt werden. Wenn man aber
versucht, sich auf einen allgemeinen Standpunkt zu stellen, der die Leistung eines
Gewehres in jeder nur denkbaren Richtung ermittelt (vielleicht in „Punkten“
ausdrückt) und der dann diese Einzelleistungen zusammenfasst, so darf man
augenblicklich (Juni 1891) vielleicht sagen, dass das in Belgien, der Türkei,
Argentinien eingeführte Mauser-Gewehr M. 89 das
kriegsbrauchbarste sei. (Näheres über die neuesten italienischen und russischen
Modelle liegt noch nicht vor.)
Die nächsten 10 Jahre werden sicher noch manche Veränderung in der Gewehrfrage
bringen, besonders deshalb, weil die Verminderung des Kalibers und die Vergrösserung
der Anfangsgeschwindigkeit noch keine festen Grenzen haben. Die Zahlen einer
Uebersichtstabelle über die Gewehre werden vielleicht im neuen Jahrhundert noch mehr
von den heutigen abweichen, als diese von den vor 10 Jahren gültigen.
Die Einführung der grossen Anfangsgeschwindigkeiten von 600 m und mehr bei den
Gewehren, welche das rauchschwache Pulver veranlasst hat, sind von grossem Einfluss
auf den Gebrauch zweier Instrumente geworden:
der Entfernungsmesser und der Ferngläser.
Ein grosser Theil der früher bei der Infanterie gebräuchlichen Entfernungsmesser
beruhte auf der „vermeintlichen“ Ermittelung der Entfernung durch die
Bestimmung der Fortpflanzungszeit des von der Waffe ausgehenden Knalles.
Durch die Art des letzteren beim rauchschwachen Pulver wird das wesentlich geändert.
Nach französischen Beobachtungen auf den Schiesständen hört man jetzt nur noch den
einzelnen Gewehrschuss bis auf 800 m, die Salve einer Section bis 1200, die eines
Zuges bis 1400 m.
Textabbildung Bd. 281, S. 129Fig. 2.Apparat zur photographischen Aufnahme des Geschosses. Ein besonders schwer wiegender Umstand macht die genannten
Entfernungsmesser ganz unmöglich. Es ist dies die Steigerung der
Geschossgeschwindigkeit und die Entdeckung, dass die Wahrnehmung des Knalles der
Pulverladung in der Waffe durch eine besondere Schallerzeugung des Geschosses selbst
beeinträchtigt wird.
Im J. 1885 fanden durch Mach und Salcher in Wien Versuche statt, um ein Geschoss dicht vor der Mündung zu
photographiren mit Hilfe der Lichtwirkung eines elektrischen Funkens, welchen die
Entladung einer Leidner Flasche erzeugt. Zu dem Zwecke war, wie die nebenstehende
Figur verdeutlichen soll, eine Drahtleitung von der Aussenbekleidung der Flaschen
zum Innern hergestellt, welche zwei Unterbrechungen, I
und II, hatte. Die eine war so eingerichtet, dass ein
durchfliegendes (Metall-) Geschoss eine momentane Verbindung herstellen musste,
diese rief eine Entladung durch einen in der zweiten Unterbrechung überspringenden
Funken hervor, welcher die Aufnahme des Geschosses durch einen vorher entsprechend
eingestellten photographischen Apparat ermöglichte. Wenn das Geschoss eine
Geschwindigkeit hatte, welche grösser als die des Schalles war, so erzeugte es
photographirbare Luftwellen, eine vor dem Kopfe, andere an den Seiten. Es wurde nun
behauptet, dass in der Bildung dieser Wellen die Erzeugung eines das Ohr treffenden
knallartigen Schalles zu suchen sei (Sitzungsberichte der
Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, Bd. XCV, XCVII und XCVIII,
II Abthlg.). Weiter fortgesetzte Versuche haben dann in neuester Zeit zu dem
endgültigen Ergebniss geführt, dass beide, sowohl die Luftwelle des Geschosses, als
auch die Pulverexplosion in der Waffe eine acustische Wirkung haben; je nach der
Stellung des Beobachters zur Waffe und zur Schussrichtung erscheinen beide Wirkungen
als in einander übergehende, einzeln nicht unterscheidbare, zuweilen auch als zwei
getrennte; wenn nur ein Knall vernommen wird, dann geht er (immer grosse
Anfangsgeschwindigkeiten vorausgesetzt) vom Geschosse aus (Capit. Moch: Sur la poudre sans fumée et la tactique, Paris 1891). Aus
dieser Erkenntniss ergibt sich, dass ein auf der Fortpflanzungszeit des Knalles der
Waffe basirtes „Telemeter“
ein Unding geworden
ist, welches in die Rumpelkammer gehört. Für das Schätzen der Entfernung steht daher
dem Infanteristen nur das Auge und das Fernglas zu Gebote. Letzteres hat damit und
mit den wachsenden Schussweiten die Bedeutung eines absolut nothwendigen
Ausrüstungsstückes für die Truppe bekommen.
Nach französischer Ansicht (Revue du cercle milit. vom
24. Mai d. J.) soll nun ein Doppelfernglas nicht dazu dienen, leuchtende oder sich
vom Hintergrunde stark abhebende Gegenstände zu beobachten, sondern solche, welche
wenig von ihrer Umgebung zu unterscheiden sind. Es darf deshalb das wenige Licht,
welches diese Gegenstände haben, nicht wegnehmen; in Folge dessen muss der Officier
ein Doppelfernglas besitzen, welches nur schwach, höchstens 4 Mal vergrössert, aber ein grosses Gesichtsfeld hat und so klar wie
irgend möglich ist.
Vielleicht ist diese Notiz für Optiker nicht ganz unwesentlich.
(Fortsetzung folgt.)