Titel: | Zwillings-Rotationsdruckmaschine. |
Autor: | R. Knoke |
Fundstelle: | Band 281, Jahrgang 1891, S. 59 |
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Zwillings-Rotationsdruckmaschine.
Von König und Bauer,
Kloster Oberzell bei Würzburg.
Mit Abbildungen.
Zwillings-Rotationsdruckmaschine.
Der grossartige Aufschwung des heutigen Zeitungswesens hängt bekanntlich mit der
Einführung und Entwickelung der Rotationsdruckmaschine eng zusammen und hat
naturgemäss eine fortwährende Steigerung der Anforderungen an den Bau dieser
Maschinen zur Folge gehabt. Diese Bedürfnisse bewegten sich in der Hauptsache in
zwei Richtungen, einmal wünschte man sich von dem einmal angenommenen Papierformat
in einzelnen Fällen befreien zu können, ohne darum die sonstigen Vorzüge
aufgeben zu müssen, und andererseits verlangte man unter Beibehaltung des Formates
grössere Auflagen bei gleicher Sicherheit des Betriebes und grössere Freiheit in der
Seitenzahl, um den Umfang des Blattes den wechselnden Tagesbedürfnissen leicht und
schnell anpassen zu können. Die erstere Aufgabe ist nach einigen verunglückten
französischen Versuchen durch die Rotationsmaschine für wechselnde Formate der
Weltfirma König und Bauer in Kloster Oberzell bei
Würzburg gelöst, wie in diesem Journal 1889 273 * 341
berichtet worden ist. Dem zweiten, für continentale Verhältnisse bestehenden
Bedürfnisse in vollendeter Weise genügen zu können, ist neuerdings ebenfalls der
genannten Firma bezieh. dem Sohne Edgar König des
jetzigen Leiters der Firma Friedrich König gelungen,
indem die Firma den Bau von sogen. Zwillings-Rotationsdruckmaschinen begonnen hat, deren Leistungsfähigkeit
selbst auf den Fachmann Eindruck macht. Die ersten beiden dieser Maschinen sind im
vergangenen Jahre in der Druckerei der Neuen Freien
Presse in Wien zur Aufstellung gekommen und arbeiten seitdem zur
Zufriedenheit ihrer Besitzer.
Textabbildung Bd. 281, S. 59Fig. 2.Falzvorrichtung von König und Bauer (S. 61). Für den Bau dieser Maschinen sind, wie schon kurz angedeutet, zwei
Grundsätze maassgebend gewesen. Einmal musste dem wechselnden redactionellen
Bedürfnisse an Raum, welches noch oft in später Nachtstunde durch unerwartete
wichtige Nachrichten sich geltend macht, leicht gefolgt werden können. Dem wurde
durch sichere Einführung von Viertel- und event. von Achtelbogen in das Hauptblatt
entsprochen. Andererseits galt es, den Wünschen der Inserenten nachkommen zu können,
welche in der Besorgniss, dass ihre Ankündigungen in die Beilage verwiesen und
achtlos bei Seite gelegt werden, dieselben im Hauptblatte untergebracht sehen
wollten. Diesem Wunsche konnte durch Steigerung des Beilagenwesens nicht ohne
weiteres entsprochen werden, theils weil kleinere Beilagen, insbesondere vereinzelte
Blätter, auf dem Wege von der Expedition bis zum Leser leicht verloren gehen, theils
wegen des Zeitverlustes, den das Einlegen dieser Beilagen bei der Kürze der zur
Verfügung stehenden Zeit verursacht. Man entschloss sich daher, dem Beispiele
einzelner amerikanischer Blätter folgend, die Beilagen in der Maschine selbst durch
Einkleben in einen untrennbaren Zusammenhang mit
dem Hauptblatte zu bringen. Die nach diesen Gesichtspunkten gebauten
Zwillings-Rotationsmaschinen stellen daher unter gleichzeitiger Aufschneidung aller
Seiten ein zusammenhängendes Ganze, eine Broschüre, her, bei welcher eine
Unterscheidung zwischen Hauptblatt und Beilage nicht mehr besteht und jede Ankündigung dem Leser
zuverlässig in die Hand und vor Augen kommt.
Die Zwillings-Rotationsdruckmaschine besteht, wie schon ihr Name andeutet, aus zwei getrennten Druckwerken, die entweder mit der
Stirnseite gegen einander, oder im rechten Winkel oder parallel zu einander
angeordnet werden, und ein gemeinsames Falzwerk
besitzen. Die Gesammtansicht dieser Maschine (Fig. 1)
stellt die rechtwinklige Anordnung dar, wie sie für die Maschinen der Neuen Freien Presse zur Ausführung gelangt ist, während
die stirnseitige Bauart beispielsweise für eine für das Leipziger Tageblatt bestimmte Maschine gewählt ist, die in nächster Zeit
in Betrieb kommen wird. Die parallele Anordnung wird u.a. bei den Maschinen für
32seitige Zeitungen in Anwendung gebracht werden.
Entsprechend den beiden Druckwerken besitzt die Zwillings-Rotationsmaschine zwei
getrennte Schneidapparate und ableitet mit zwei Papierrollen. Jeder der beiden
Papierstränge wird nach erfolgtem Drucke durch den zugehörigen Schneidapparat in
einzelne Bogen – von ganzem oder halbem Cylinderumfange – zertheilt und erst nach oder gleichzeitig mit
erfolgtem Schnitte werden die von den beiden Druckwerken kommenden Bogen vereinigt
und dem gemeinsamen Druckwerke zugeführt.
Die Idee und erste Ausführung von Zwillings-Rotationsmaschinen mit zwei Papierrollen
rührt unseres Wissens von R. Hoë und Co. in New York
her und dürften solche Pressen jetzt von mehreren Firmen in Amerika gebaut werden.
Von den bisherigen derartigen Constructionen unterscheidet sich aber die König und Bauer'sche Bauart wesentlich und zwar
dadurch, dass bei Verwendung eines gemeinsamen Antriebes für beide Maschinen die
Geschwindigkeit des einen Druckwerkes, d. i. die Zahl der Umdrehungen der
Druckcylinder desselben, auf die Hälfte, ein Drittel, ein Viertel
u.s.w. derjenigen des anderen Druckwerkes reducirt werden kann. Während also die
Druckcylinder des einen Druckwerkes beispielsweise 1 Umdrehung machen, also 1 Bogen
liefern, machen diejenigen des anderen Druckwerkes nur ½ Umdrehung und liefern also
nur ½ Bogen. Dieses Product von 1½ Bogen stellt demnach 6 Columnen dar, wenn der
ganze Bogen deren 4 enthält, oder 12 Columnen, wenn der ganze Bogen 8 Columnen
enthält u.s.w.
Durch diese König und Bauer eigenthümliche Bauart
erfährt das Zwillingssystem erst seine volle Ausnutzung, denn erst dadurch wird der
Druck der wichtigen Producte von 6, 10, 12, 14 u.s.w. Columnen möglich.
Charakteristisch für die König und Bauer'schen
Zwillingsmaschinen ist demnach, dass dieselben je nach Wunsch folgende Gangarten
annehmen können:
a) beide Druckwerke gehen gleichschnell;
b) ein Druckwerk läuft ½, ⅓, ¼ u.s.w. so schnell als das
andere;
c) ein Druckwerk ist ganz abgestellt.
Lässt man schliesslich noch Veränderungen in der Breite der Papierrollen auf ¾, ½ und
¼ eintreten, so hat man eine sehr grosse Seitenzahl zur Verfügung. Durch
entsprechende Wahl und Zusammenstellung dieser Mittel können beispielsweise auf den
24-Columnenmaschinen der Neuen Freien Presse Exemplare
in 11 Grossen von 24, 20, 18, 16, 14, 12, 10, 8, 6, 4 und 2 Seiten hergestellt
werden, während für die 32 Columnenmaschinen 14 Grössen vorgesehen sind. Die
Einstellung der verschiedenen Gangarten der Druckwerke erfolgt durch Ein- bezieh.
Ausrücken der Antriebsräder jeder Maschine, bezieh. durch Einschalten von
Wechselrädern, und erfordert nur geringen Zeitaufwand.
Textabbildung Bd. 281, S. 60Fig. 1.Zwillings-Rotationsdruckmaschine von König und Bauer. Die in der Abbildung gezeigte Maschine der Neuen
Freien Presse ist, wie erwähnt, eine 24-Columnenmaschine, deren
Nebendruckwerk 8 Columnen besitzt, also halb so breit ist als das Hauptdruckwerk mit
16 Columnen. Beide Druckwerke stehen im rechten Winkel zu einander, und ist das
Hauptdruckwerk wagerecht, das Nebendruckwerk senkrecht angeordnet; sie besitzen im
Uebrigen die an den Maschinen der Firma bekannte Einrichtung. Der Antrieb ist im
Winkel der Druckwerke gelagert, während der Bogenausgang sich auf der Stirnseite des
Hauptdruckwerkes befindet.
Die Herstellung der Exemplare geschieht wie folgt: Der Papierstrang der Hauptmaschine
wird nach dem Verlassen des Druckwerkes wie bei den Trichter-Rotationsmaschinen der
Firma über den Falztrichter geführt, an dessen Ende das Kreismesser angestellt ist.
Die dadurch erzeugten beiden halbbreiten Stränge werden dabei unter einander durch
einen Klebapparat auf dem Trichter und zwei weitere in demselben am Bundsteg
verklebt. Diese so zusammenhängenden Stränge werden nun den Schneidcylindern
zugeführt, deren Durchmesser halb so gross ist wie derjenige der Druckcylinder und
welche mit nur einem Messer versehen sind, und somit für jede Druckcylinderumdrehung
zwei Schnitte machen. In bekannter Weise durchlochen diese Cylinder den Papierstrang
nur, während die Trennung der
so abgetheilten Bogen durch eine zugleich als Sammelwalze dienende Walze mit
grösserer Umfangsgeschwindigkeit erfolgt. Ueber diese Falz- und Schneid Vorrichtung
ist in D. p. J. 1887 263 *
561 und 266 * 385 berichtet worden.
Die Papierstränge werden nun der genannten Sammelwalze zugeführt, von welcher sie
mittels einer Reihe von Punkturen aufgespiesst (vgl. 1888 269 * 299) und dann in Bogengrösse getrennt werden. Nachdem dies erfolgt,
wird bei der weiteren Drehung der Walze der Papierstrang des Nebendruckwerkes an der
Vorderkante mit den anderen Strängen durch Aufspiessen vereinigt und entsprechend in
Bogengrösse getrennt, so dass nun drei Bogen über einander liegen. Nach Vollendung
einer Umdrehung werden von dieser Walze abermals drei Bogen über einander gesammelt,
so dass jetzt sechs Bogen zu je vier Seiten über einander liegen, die nun durch aus
dem Inneren der Trommel heraus wirkende Finger abgehoben und in das zum weiteren
Falzapparate führende Bändersystem geleitet werden.
Diese letzte Falzvorrichtung hat bekannte Form und besteht aus dem Trichter und der
Mehrmesserfalztrommel, welch letztere in Fig. 2 (S.
59) in einem Schaubilde gezeigt ist. Dieselbe besteht bekanntlich aus zwei auf einer
Achse sitzenden Scheiben, welche den vier sich überschlagenden Falzmessern zur
Lagerung dienen. Entsprechend den vier Messern dreht sich die Messertrommel mit ein
Viertel der Geschwindigkeit der seitlich an der Trommel vorbei geführten Papierbahn,
bei welcher Bewegung sich die Messer gleichzeitig noch zufolge ihres.
Stirnrädergetriebes um ihre eigene Achse drehen und dabei den Falzwalzen gegenüber
das Papier zwischen die letzteren einschieben (D. R. P. Nr. 37684).
Diese Falztrommel und der vorhergehende Falztrichter geben den auf der Sammeltrommel
vereinigten Bogen ihre letzten Falze, worauf sie dann nach der Packetsammeltrommel
geführt werden, welch letztere je nach der Seitenzahl zwei, fünf oder zehn
vollständig aufgeschnittene, zweimal gefalzte Zeitungen sammelt und packetweise
ablegt.
Bei der Herstellung 24seitiger Exemplare, wie eben beschrieben, sind beide Druckwerke
mit gleicher Geschwindigkeit in Thätigkeit, wobei der Hauptpapierstrang volle Breite
und der Nebenstrang halbe Breite hat. Lässt man bei diesen Papierbreiten das
Nebendruckwerk mit halber Geschwindigkeit arbeiten, so werden auf dem Hauptdruckwerk
wie vorhin 16 Columnen für jede Umdrehung der Maschine drucken, auf dem
Nebendruckwerk in der gleichen Zeit aber nur vier, so dass sich also 20seitige
Exemplare ergeben. Verringert man unter diesen Verhältnissen noch die Breite des
Nebenpapierstrangs auf die Hälfte, so werden Exemplare von 16 + 2 gleich 18 Seiten
gedruckt werden, während man bei gänzlicher Abstellung des Nebendruckwerkes
natürlich nur 16seitige Exemplare erhält.
Zur Erzeugung 14seitiger Exemplare lässt man das Nebendruckwerk wieder mit halber
Geschwindigkeit des Hauptdruckwerkes arbeiten, während die Papierrollen für
letzteres ¾ und für ersteres ¼ der vollen Breite besitzen. In ähnlicher Weise lassen
sich dann auch die geringseitigeren Exemplare zusammenstellen.
Diese Zwillings-Rotationsmaschinen, deren Anwendung sich immer empfiehlt bei
Zeitungen von mehr als 16 Seiten Umfang und bei 8- und 16seitigen Zeitungen dann,
wenn häufig 6, 10 und 12 Seiten vorkommen, werden von König
und Bauer vorläufig in vier Systemen für 8, 16, 24 und 32 Columnen gebaut
mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 12000 Cylinderumdrehungen, also
12000 Exemplaren in der Stunde. Der Raumbedarf für die 24-Columnenmaschine beträgt
etwa 7 m in der Länge, 4,50 m in der Breite und 3 m in der Höhe, während er für die
übrigen Systeme entsprechend darüber und darunter liegt. An Betriebskraft kommen für
die 24-Columnenmaschine etwa 15 bis 18 in Frage, welche Angabe für den Fall
gilt, dass beide Druckwerke gleich schnell laufen. Die Kosten einer derartigen
Maschine, die natürlich in jedem einzelnen Falle verschieden sind, dürften sich auf
etwa Mk. 55 000.– belaufen.
Zum Schluss sei noch auf eine äusserliche Eigenschaft der König und Bauer'schen Maschinen hingewiesen, die sie ebenfalls von mancher
concurrirenden Construction sich vortheilhaft abheben lässt. Es ist bekanntlich
immer ein gutes Zeugniss für den Constructeur, wenn nach Ueberwindung der sachlichen
Schwierigkeiten zu einer Befriedigung des Schönheitssinnes geschritten werden kann,
und in dieser Hinsicht zeigt auch die Zwillings-Rotationsmaschine einen Grad der
Formvollendung, der den Anblick derselben zu einem sehr erfreulichen macht.
R.
Knoke.