Titel: | Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen 1890. |
Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 69 |
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Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung in Bremen 1890.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 277 S.
588.)
Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in
Bremen.
Die Fischerei-Ausstellung.
Die deutsche Seefischerei war bis zum Jahre 1866 in Folge der politischen und
wirthschaftlichen, zersplitterten Verhältnisse und des geringen Interesses der
Nation für die Seegewerbe in ihrer Entwickelung gegenüber anderen Küstenstaaten
erheblich zurückgeblieben. Auch die von Hamburg und den friesischen Inseln geübte
Fischerei und Seefahrt hatte keinen langen Bestand, so daſs namentlich der das
englische und holländische Gewerbe weit übersteigende Hamburger Wallfischfang in den
nordischen Meeren fast völlig zurückging. Ebenso wurde der Fang und die Zufuhr des
wichtigsten Seefisches, des Herings, mehr und mehr Sache der Holländer und später
der durch die Annäherung der groſsen sommerlichen Fischzüge an ihre Küsten
begünstigten Schotten. Auch die seitens der preuſsischen Regierung im vorigen
Jahrhundert geförderten Versuche, Emden zu einem groſsartigen Ausgangspunkte der
Heringsgroſsfischerei in der Nordsee zu machen, scheiterten an der überlegenen
Concurrenz der Holländer.
Der Fang der übrigen als Nahrungsmittel in Frage kommenden Seefische in der Nähe der
Küste war an der langgestreckten Ostseeküste im Wesentlichen ergiebiger als in der
Nordsee, wo hauptsächlich nur auf Schellfisch Küstenfischerei seitens der
Norderneyer und im Mündungsgebiete der deutschen Ströme getrieben wurde. Die
Hochseetischerei wurde in der Nordsee ausschlieſslich von Finkenwärder und
Blankeneser Ewern gehandhabt.
Der Verbrauch des Frischfischfanges blieb, so weit der Fisch sich nicht zum Räuchern
und Pökeln eignete, auf die Küstengebiete beschränkt, weil es keine Möglichkeit gab,
den frischen Fisch unverdorben auf den binnenländischen Markt zu schaffen. Der
Landversand frischer Fische auf Eis und in besonders eingerichteten Wagen der
Eisenbahnen wurde erst in letzter Zeit auch durch Einführung der Fischdampfer
möglich, so daſs erst in allerletzter Zeit der Frischfischfang als Groſsgewerbe zu
betreiben ermöglicht ist.
Die deutsche Nordseefischerei konnte anfänglich nur langsam von den gebotenen
Vortheilen Gebrauch machen, da Betriebskapital nicht sofort in erwünschtem Umfange
zur Verfügung stand, die ersten groſseren Fischereiunternehmungen in Bremen und
Hamburg durch allerlei widrige Umstände zu Grunde gegangen waren, und das Publikum
des deutschen Binnenlandes erst allmählich Geschmack an frischem Seefisch gewann.
Das Hauptabsatzfeld, die volkreichen Städte, liegt in Deutschland zum Theil weit ab
von der Küste, die Zufuhr wurde dadurch erschwert und vertheuert, die Bildung
groſser Fischmärkte zurückgehalten.
Lange schon waren in Deutschland die für das deutsche Volkswohl strebenden Kreise
sich bewuſst, daſs unsere Seefischerei, als ein für die Volksernährung wichtiges,
für die Küstenbevölkerung lohnendes und auch für die maritime Wehrhaftigkeit
bedeutsames Gewerbe, wieder gehoben werden müsse. Im J. 1870 begann unter dem
Protectorate des deutschen Kronprinzen der Deutsche Fischereiverein seine vielseitig
fruchtbringende Thätigkeit, die sich zwischen der Pflege der Süſswasser- und der
Seefischerei theilte. Im Frühjahre 1872 veranstaltete derselbe in der neuen
Markthalle am Schiffbauerdamm in Berlin die erste „Ausstellung von Geräthschaften
und Producten der See- und Binnenfischerei“. Ihr folgte im J. 1880 die
groſsartige internationale Fischerei-Ausstellung zu Berlin. Durch die Bildung der
„Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung der Deutschen Meere“ in
Kiel im J. 1870 wurde unserer Seefischerei ein wichtiges und, wie die reiche
Wirksamkeit der Commission beweist, fruchtbringendes Förderungsmittel geboten. In
der Erkenntniſs, daſs für die Pflege unserer Seefischerei ein eigenes Organ
geschaffen werden müsse, wurde im März 1885 unter dem Vorsitze des Regierungsrathes
Herwig die Section für Küsten- und Hochseefischerei
gegründet. In der kurzen Zeit ihres Bestehens hat dieselbe, dank der Unterstützung
der Reichsregierung, welche die Summe von 100000 M. zur Förderung der
Hochseefischerei in den Reichsetat, zuerst für 1886/87, aufnahm, nach den
verschiedensten Seiten unsere Seefischerei wesentlich gefördert, sie ist der
Mittelpunkt für alle Bestrebungen in dieser Richtung geworden. Groſse
Unternehmungen, wie die so dringende Anlage von Fischerhäfen an unserer
Nordseeküste, wurden von ihr angeregt oder gefördert. Die Bildung von Kassen zur
Versicherung von Fischerfahrzeugen und ferner zur Unterstützung der Hinterbliebenen
von Fischern, die Verbesserung von Fahrzeugen und Geräthen, das Studium der fremden
Fischereien zur Förderung der eigenen, die Gründung einer Fischerschule u. dgl.
waren das Werk der Section.
Besonders galt es, durch Untersuchungsreisen neue Fang- und Laichplätze des
Seeherings aufzufinden, da das Uebergewicht der schottischen Heringsfischerei
wesentlich sich darauf gründet, daſs die Heringszüge des Sommers in der Nähe der
Küsten erscheinen.
Jetzt führt Deutschland jährlich gesalzene Heringe fremden Fanges im Werthe von 30
Millionen Mark ein, welcher Summe gegenüber der Werth des eigenen Fanges im Betrage
von 300000 M. gar nicht recht in Betracht kommt.
Nach dieser Richtung hin ist also noch wesentlich Wandel zu schaffen und bedarf es in
erster Linie der erwähnten Auffindung neuer Fangplätze.
Der Reichthum der Nordsee an Fischen, namentlich an Kabeljau, Schellfisch, Dorsch,
Zunge, welche in der Ostsee überhaupt nicht vorkommen, ist vorzugsweise an den
groſsen Bänken in weiterer Entfernung von der Küste zu suchen; die zur Fischerei verwendeten
Fahrzeuge sind daher gedeckte Seeschiffe, bemannt mit einer gröſseren Zahl von
Leuten, ausgerüstet und verproviantirt für eine längere Dauer, die Dampf- und
Segelkutter für den Frischfischfang, die Logger für die Heringsfischerei in der
hohen Nordsee. Die Küstenfischerei ist auf die Fischzäune (Argen oder Garden), in
deren korbartiges Ende die von der Küste abströmende Fluth die Fische hineinführt,
auf den Schellfischfang mit Leine und Angel im Herbst, Winter und Frühling, auf den
mit verschiedenen Geräthen betriebenen Garneelenfang und auf die in den
Strommündungen stattfindende, zu Zeiten, besonders in der Elbe, in hohem Maſse
lohnende Fischerei mit mannigfaltigen Geräthen, namentlich den Hamen,
beschränkt.
Die Fischerbevölkerung findet sich vorzugsweise auf den friesischen Inseln, den
Fischerdörfern Finkenwärder und Blankenese und an der schleswig-holsteinischen
Westküste. Der verhältniſsmäſsig geringere Fischreichthum der Ostsee bietet sich
dagegen vorzugsweise in der Nähe der Küsten und deren Buchten und Haffen, die
zahlreiche Fischerbevölkerung findet sich dort längs der ganzen weitgestreckten
Küste; der Betrieb erfolgt meist in offenen Böten mit mannigfaltigen leichten
Geräthen so nahe dem Lande, daſs letzteres leicht wieder erreicht werden kann.
Für die Hochseefischerei der Nordsee sind die auf dem Grunde des Meeres von einem
Fahrzeuge geschleppten Geräthe: Kurre und Baumschleppnetz, zum Frischfischfang, das
Treibnetz für den Heringsfang, die Leinen mit Angeln für den Schellfisch- und
Kabeljaufang, die wichtigsten. In dem Küstenbetriebe der Ostsee spielen die Waaden –
Geräthe, welche die Fische umspannen und die nach einer festen Stelle, Strand oder
Boot, herangezogen werden –, sowie die Reusen eine Hauptrolle. –
Die Fischerei-Ausstellung – wie sie uns hier in Bremen gegenübertritt – kann nicht
mit den früheren Veranstaltungen dieser Art, namentlich nicht mit der groſsartigen
Berliner Fischerei-Ausstellung in Vergleich gezogen werden. Jedoch gewährt diese
Abtheilung trotz ihrer Kleinheit den erfreulichen Beweis eines unzweideutigen
Fortschrittes der deutschen Groſsfischerei.
Die Heringsfischerei wird mit dem sogen. Netzfleeth betrieben. 70 Netze
zusammengefügt bilden die Netzfleeth (im Werthe von 10000 M.). Jedes der Netze hat
eine Länge von 720 Maschen und eine Höhe von 260 bis 290 Maschen, welche auf 16
Faden Länge und 8 Faden Höhe eingefaſst sind. Jedes Netz ist mit der oberen Seite an
einem 15 Faden langen zolldicken sogen. Sperrreep mittels 120 Bändsel so befestigt,
daſs die Netze noch etwa 6 Zoll vom Sperrreep entfernt sind. Die 70 Sperrreepe, an
denen die Netze hängen, sind mit sogen. Flotten oder Schwimmern versehen und unter
einander verbunden. Die Sperrreepe hängen wieder durch die Zeisinge von je 4½ Faden Länge an dem
Fleethreep, einem armdicken Tau von 1200 Faden Länge und 4800 Pfund Schwere. Dieses
Fleethreep, das Rückgrat des ganzen mächtigen Netzapparates, hängt an 70 an der
Oberfläche des Meeres treibenden Tonnen oder Bojen, den sogen. Braus, von denen
einzelne durch eingesetzte kleine Flaggen leicht kenntlich sind. Die Gesammtzahl der
Maschen, in denen sich der in Schwärmen schwimmende Hering mit seinen Kiemen fängt
beziffert sich auf 15 Millionen in dieser Netzfläche.
Ein solches Netzfleeth wird von sogen. Loggern aus bedient, von denen die Emdener Heringsfischerei-Actiengesellschaft ein Modell
in 1/10 der
Naturgröſse vorführt.
Der Logger (lougre, eine französische Verbesserung) ist
das moderne Fahrzeug für den Heringsfang in der hohen Nordsee, es hat die früheren
schwerfälligeren Schiffsformen der alten holländischen Nordseefischer, die Buisen
und Hoeker, derart verdrängt, daſs z.B. in der holländischen Heringsfischerflotte im
J. 1888 neben 186 Loggern nur noch 8 Fahrzeuge der älteren Form auf den Fang
ausgingen. Die Emdener Gesellschaft hat gegenwärtig 17 Logger in Betrieb. Es sind
zweimastige Fahrzeuge von etwa 100 britischen R.-T. Tragfähigkeit. Vorn befindet
sich das sogen. Kabelgatt zur Aufbewahrung für die Ankerreepe, weiter das Volkslogis
und darauf verschiedene Abtheilungen zur Bergung der Heringstonnen. Hinter diesen
folgt ein Fischraum zur ersten Aufnahme des aus dem Treibnetze herausgeschüttelten
Herings, ferner eine Abtheilung für die Netze, sowie eine andere zur Bergung von
Segeln, Tauwerk und anderem Inventar. Vor dem Achtersteven liegt eine kleine Kajüte
für Schiffer und Steuermann. Alle Abtheilungen haben Luken. Zu jeder Seite des
Fischraumes befindet sich eine mit der Verschanzung verbundene groſse offene Backe,
„Krippe“ genannt. Auf der Rehling – in der Mitte dieser Krippen – ist an
beiden Seiten des Schiffes je ein-mit Rollen versehenes Fallreep. Die Besatzung
eines Loggers besteht aus dem Schiffer, dem Steuermann, 8 Matrosen, 3 Leichtmatrosen
und 2 Jungen, zusammen 15 Mann. Ihre Functionen beim Fange, der ganz in
holländischer Weise mit den gleichen Netzen betrieben wird, sind' gewissermaſsen
auch durch historische Ueberlieferung, wie es scheint, für alle Zeiten festgesetzt.
Da sind die „Spillläufer“, die „Wantsteher“, die
„Wanteinnehmer“, die „Reepschieſser“ u.a.m. Jeder Logger – ohne
Ausrüstung einen Werth von gegen 25 bis 30000 M. darstellend – kann 3 bis 4 Reisen
machen. Der Verdienst der Fischer richtet sich, wenigstens zum Theil, als sogen.
Part oder Antheil nach dem Ertrage der Fischerei, deren Werth natürlich wiederum von
den Marktpreisen des Herings abhängig ist. Der groſse Massenfang der Heringe
geschieht bekanntlich an den schottischen Küsten, namentlich der schottischen
Ostküste, wo der Hering im Sommer erscheint und bei Hunderten von Millionen gefangen
wird. Der Betrieb ist dort ein einfacherer und billigerer. Die Emdener Heringsfischereigesellschaft ist
gewissermaſsen das Schmerzenskind unserer Fischerei; obwohl durch zinsfreie Darlehen
der Regierung wie durch Bau- und Ausrüstungsprämien unterstützt, ist es ihr, zum
Theil unter den Einwirkungen einer früheren Miſsverwaltung, noch nicht gelungen, auf
einen grünen Zweig zu kommen. Der Fang mit 17 Loggern im letzten Betriebsjahre
betrug 11127⅜t zu einem Werthe von 313178 M. Die
holländische Loggerflotte besteht aus nicht weniger als 200 Stück. Die Häfen
Schottlands schicken sogar in den Sommermonaten 15000 kleinere Fahrzeuge zum
Heringsfange aus.
Der Frischfischfang wird in der Nähe der Küste mit Angeln und auf der See mit dem
sogen. Schleppnetz ausgeführt. Letzteres besteht aus einem durch eiserne Klammern,
sogen. Klauen, vorn aus einander gehaltenes Sacknetz, das von dem Fahrzeuge aus auf
dem Meeresgrunde geschleppt wird und in seine Oeffnung schöpft. Dieses Fischgeräth
nennt der Fischer die Kurre. Dasselbe ist ein 19m
langer, sich nach hinten verjüngender Sack aus Garnmaschen, der vorn an der Oeffnung
bei den ihn aus einander haltenden Klauen an dem 10m langen und 16cm starken Kurrbaum
hängt. Die etwa 40k schweren Kurren werden bei der
Arbeit noch mit Gewichten beschwert.
Zur Bedienung dieser Kurren werden sogen. Ewer benutzt. Die Kutterewer haben eine
Kiellänge von etwa 17m, eine Breite über Deck von
fast 6m und eine Tiefe von 2m,08. In der Mitte des Ewers befindet sich die
Bunge oder Büne, eine Abtheilung, welche durch schräg in den Boden eingebohrte
Löcher dem Seewasser zugänglich ist und worin die lebendig zu erhaltenden Fische
aufbewahrt werden; daneben hat jetzt jeder Ewer Eisbehälter, die 1500 bis 3000 Pfund
Eis fassen. Diese Ewer, bedient von 3 bis 4 Mann, fangen mit solcher Kurre
verhältniſsmäſsig ebenso viel Fische, als die in neuerer Zeit von Geestemünde und
Hamburg aus in Betrieb gesetzten Dampfer (gegenwärtig 22); sie bewahren ihren Fang
auch sorgfältig in Eis, oder in der Bünn, einem abgeschlossenen Raume unter Deck,
der, an der Auſsenseite durchlöchert, vom Seewasser durchströmt wird, lebend auf,
allein die kostspieligen von 15 Mann bedienten groſsen Fischdampfer bringen doch
allwöchentlich weit gröſsere Massen frischer Seefische, namentlich die verschiedenen
Plattfischarten, Schellfische, Kabeljau u.a. zu Markt.
Die Zahl der Ewer und Kutterewer, von denen auf der Ausstellung eine ganze Reihe von
ausgezeichneten Modellen u.a. von Junge in Wewelsfleth
zu sehen sind, hat sich in den letzten Jahren nicht vermehrt, während die
Fischdampferflotte in ganz kurzer Zeit sich erheblich gemehrt hat und noch in diesem
Jahre neue Dampfer hinzugekommen sind.
Die innere Einrichtung dieser Dampfer, welche auf den Werften von Tecklenborg in Geestemünde und Wenke in Bremerhaven erbaut, zum Theil auch in England gekauft wurden,
zeigt das Modell des bei Wenkein Bremerhaven erbauten Präsident Herwig. Den gesammten Fischereibetrieb an
unseren Küsten und in der hohen Nordsee zeigen die sehr hübsch gearbeiteten Modelle,
welche der Fischereiverein für den Kreis Norden ausgestellt hat: Wir sehen hier die
Treibnetzfischerei auf Hering, die Schleppnetzfischerei und den Fang des Schellfisch
und Kabeljau mit Leine und Angeln durch die bekannten von Norderney, Norddeich,
Spiekeroog, Neu-Harlinger-Siel, Carolinen-Siel und benachbarten kleinen
Küstenplätzen ausgehenden, von drei Mann bedienten Slupen.
Die weitere Küstenfischerei an der Nordsee geschieht mit kleinen Kurren, ausgelegten
Körben und sogen. Schiebenetzen auf Granat oder Garneelen, jene beliebten Seekrebse,
welche, leicht dem Verderben ausgesetzt, in frischem Zustande nicht weithin verführt
werden können, neuerdings jedoch durch eine Fabrik in der oldenburgischen Stadt
Varel in Conservenbüchsen präparirt, weithin versandt werden. Die
Garneelenfischerei, wie der mit den sogen. Argen oder Aggen betriebene Fischfang ist
ein Kleinbetrieb, der verhältniſsmäſsig nur geringe Auslagen erfordert, daher recht
eigentlich eine Beschäftigung der Unbemittelten.
Die Agge oder Arge ist ein im Zickzacke längs und nahe der Küste aufgestellter
Fischzaun aus Weidengeflecht, dessen äuſserste nach See zu gelegene Spitze in einem
mit der Oeffnung dem Lande zugewendeten Korbe endigt. Die ablaufende Fluth führt die
Fische längs dem Zaune hin und zuletzt in den Korb. Bei Ebbezeit naht der Fischer
mit seinem Schlickschlitten und birgt den Fang durch Ausschütten des Inhaltes in
mitgebrachte Behälter. Da auch die Aggenfischerei nur im Herbst, Winter und Frühjahr
stattfindet, so wird dieses Geräth in jedem Sommer beseitigt und im Herbste
erneuert.
Zu den Geräthen der Küstenfischerei gehören auch die Hamen oder Küls (Modell von Romann in Leerort), wie wir sie im Dollart und der von
den Tiden berührten Unterems, aber auch in unserer Weser, bei Elsfleth und Brake,
sehen. Es sind das an eingerammten Pfählen befestigte groſse Sacknetze, in welche
der Fluth- bezieh. Ebbestrom die Fische hineinführt und welche rechtzeitig von einem
Boot aus entleert werden.
Bei der eben erwähnten Küstenfischerei ist es unvermeidlich, daſs eine Menge kleiner
untermaſsiger Fische aufgefangen werden und verloren gehen. Das Gleiche ist auch der
Fall bei der Dampferfischerei mit dem Baumschleppnetz. Es ist das Verdienst der
Section für Küsten-und Hochseefischerei, auf die Verwerthung dieses sogen. bisher
achtlos fortgeworfenen Nebenfanges für Düngerzwecke der Landwirthschaft aufmerksam
gemacht und die Verwirklichung solchen Fortschrittes eingeleitet zu haben.
Unter die Küstenfischerei gehört auch der Störfang. Derselbe wird in dem unteren
Laufe der zur Nordsee flieſsenden Ströme, also namentlich in der Unterems, der
Unterweser und der Unterelbe, ferner in und vor den Mündungen der kleineren Gewässer der
schleswig-holsteinischen Westküste (Eider und Stör) betrieben. Am lebhaftesten ist
der Fang in der fischreichen Unterelbe. Sowohl von der Ems als von der Elbe sind die
sämmtlichen Geräthe, als: Theil eines Störnetzes, Holzboje, Leuchtboje, Störhauer,
Störtaue und Modelle des Betriebes in mehreren Gruppen von Romann zu Leerort, von Mohr zu Glückstadt und
von Albers zu Neuendeich vertreten. Je nach der
Oertlichkeit, wo das Netz Anwendung finden soll, haben die Störnetze eine gröſsere
oder geringere Länge. In der Regel sind sie etwa 100 Faden lang. Das wie bei den
Heringsnetzen mit Katechu getränkte Netz ist aus starkem Garn mit Maschen von 16 bis
18cm Weite und wird durch sogen. Pümpel
(Bojen), welche mittels Leinen an dem oberen Rande des Netzes befestigt sind, im
Wasser getragen, derart, daſs auf 200 Faden Netzlänge 100 Pümpel kommen. Diese
ebenfalls ausgestellten Pümpel sind flaschenförmig aus leichtem Holze gefertigt und
etwa 0m,5 lang. Sie sind schwarz oder schwarz und
roth angestrichen. Das Netz wird von einem offenen Boote, das von 2 Mann besetzt
wird, ausgebracht. Durch die eigene Schwere niederhängend, treibt es mit der
Strömung; seine Lage ist für die Fischer durch eine am Ende des oberen Theiles des
Netzes, dem sogen. Obersimm, befestigte Boje, auf welcher bei der Nachtfischerei
eine Laterne angebracht wird, kenntlich. An der Bewegung der Pümpel gewahrt der
Fischer, daſs sich ein den Strom heraufkommender Stör in das lose treibende Netz
eingewickelt hat. Mit Hilfe des sogen. Störhauers wird dann vorsichtig das Netz und
mit ihm der Stör aufgenommen. Später wird der Fisch mit Tauen am Boote befestigt.
Das eine Tau zieht man durch Maul und Kiemen, das andere legt man um den
Schwanz.
Auch die Geräthe zur Bereitung des Caviars, Reiben und Siebe, sind von Mohr in Glückstadt ausgestellt. Wenn diese Fischerei
oberhalb der Fluſsmündungen als gefahrlos bezeichnet werden kann, so ist sie es
durchaus nicht immer drauſsen vor den Fluſsmündungen, z.B. auf dem Norderwatt vor
der Elbmündung. Es ist dann erforderlich, daſs ein gedecktes Fahrzeug, ein Ewer, in
der Nähe der vom Boote aus mit dem Netze fischenden Leute liegt. Bei plötzlich
eintretendem schlechten Wetter vermag das Boot das Fahrzeug oft nicht mehr zu
erreichen und geht verloren.
Nach der preuſsischen Ministerialstatistik aus den Jahren 1883 und 1884 wird die
Fischerei an der Unterems, hauptsächlich von Oldersum, von Leerort, Terborg,
Critzum, Ditzum und Jemgum, an der Unterweser auf der Strecke von Lienen bis
Groſsen-Siel und am preuſsischen Ufer von Rechtenfleth aus betrieben, doch werden
hier die Störe auch in Hamen gefangen. Prof. Metzger
gibt für 1884 die Zahl der Störnetze für die Elbe auf 256, für die Weser auf nur 18
an. In guten Jahren betrug der Störfang der Unterelbe und Elbmündungen wohl an 8000
Störe.
Unter den zahlreich vertretenen Geräthen der Fischerei der Unterelbe, deren Fahrzeuge
besonders die Altenwärder Ewer sind, ist noch das groſse Buttnetz hervorzuheben.
Dasselbe ist unter anderen von C. Marquart, Fischer in
Finkenwärder, mit Zubehör (Draggen oder Anker und Knüppel mit Tauen) ausgestellt. Es
dient als Zug- wie als Treibnetz zum Fange von Butt, Schnäpel, Maifisch und anderen
Fischen. Fahrzeuge der Elbfischerei sind in Altenwärder nach einem bei Kröger in Blankenese kürzlich erschienenen Verzeichniſs
55, in Finkenwärder 26, in Neuhof 10, in Krusenbusch 1, in Cranz 2, in Estebrügge
1.
Daſs die Hochseefischerflotte der Untereiborte sich trotz des steigenden Verbrauchs
von frischen Seefischen nicht gemehrt hat, liegt an der steigenden Concurrenz der
Fischdampfer. Diese 1883 auf der groſsen Londoner Fischereiausstellung in Modellen
vorgeführten Fahrzeuge wurden zuerst in Nordamerika bei der sogen. Menhadentischerei
mit groſsem Erfolg verwendet. Von da aus fand deren Einführung in England und
Frankreich statt, wo man bisher nur Fischtransportdampfer behufs Uebernahme des
Fanges der Fischerflotte in See und schnelle Heranführung desselben zum Markte
(London, Hüll, Grimsby) kannte. Im Frühjahr 1885 wurde für Rechnung der
Fischhandelsfirma F. Busse in Geestemünde der erste
deutsche Fischdampfer Sagitta auf der Werft von F. W. Wenke in Bremerhafen erbaut. Die Ausstellung
zeigt uns Modelle dieses und dreier anderer auf dieser Werft erbauten Dampfer (Präsident Herwig, Sophie und Makrele). Gegenwärtig sind von Geestemünde, Bremerhaven, Hamburg, Altona
und Cranz bereits 22 Fischdampfer in Betrieb. Die bei weitem gröſste Zahl fällt auf
Geestemünde und Bremerhafen. Auch die Werft von Joh. C.
Tecklenborg in Geestemünde hat eine Reihe dieser Fischdampfer erbaut.
Dieselben haben eine Länge von etwa 30m, eine
Breite von 7m und eine Tiefe von 4m. Der Schiffskörper ist aus Eisen hergestellt bis
auf das Deck, welches aus Yellowpine besteht, über dem Maschinen- und Kesselraum
jedoch auſserdem mit Eisen unterzogen ist. Vier wasserdichte eiserne Querschotte
theilen den Schiffsraum in fünf Abtheilungen, deren jede durch eine Rohrleitung mit
den Maschinenpumpen verbunden ist. Die hintere Abtheilung dient als Raum für
Ballast, Kabelgat u.s.w., die zweite enthält die Kabinen für den Kapitän, den
Steuermann und die Maschinisten. In der dritten Abtheilung sind Maschinen, Kessel
und Kohlen untergebracht, ferner ein Behälter für Kesselspeisewasser; in der vierten
Abtheilung befindet sich der Laderaum, sowie ein Verschlag für Netze, Segel, Leinen
u.s.w. und in der vorderen endlich das Mannschaftslogis. Die Kosten der Herstellung
eines Fischdampfers betragen 100000 bis 120000 M. Auf in der Regel achttägigen
Reisen werden 8000 bis 12000 Pfund Fische angebracht. (Es liegt hier das Ergebniſs
von zwei solcher Fischdampferreisen aus dem Monat Januar 1889 vor. Die eine Reise vom 16. bis 27.
Januar lieferte 11834 Pfund, und die andere vom 22. bis 28. Januar 12298 Pfund.) Die
Besatzung der Fischdampfer beträgt 13 bis 14 Mann, ihre Löhnung besteht theils in
festen Gagen, theils im Antheil am Fange. Das Geräth dieser Dampferfischerei ist das
englische Baumschleppnetz, eine groſse Kurre von bis 150 Fuſs Länge. Diese Netze
werden von England bezogen.
Noch seien bezüglich der Nordsee die vorzüglichen Modelle der Bauten für den neuen
Schutz- und Liegehafen auf Norderney und in Norddeich, dem der Insel
gegenüberliegenden Theile des Festlandes, erwähnt. Diese Bauten bilden ein
zusammenhängendes Ganze, die Anlagen in Norderney sind fast vollendet, während das
Werk in Norddeich im Sommer 1891 fertig gestellt werden soll. In Bezug auf
Fischereihäfen waren wir bisher im Vergleich zu Dänemark, England und Holland
ungünstig gestellt, es fehlte an solchen Anlagen, deren Ausführung allerdings bei
der eigenthümlichen Beschaffenheit unserer Küsten groſse Schwierigkeiten bietet und
erhebliche Kosten verursacht. Der Norderneyer Hafen soll bequeme Lösch- und
Ladeplätze bieten und als ein sicherer Zufluchts- und Liegehafen bei stürmischem
Wetter und im Winter dienen. Dazu ist die breite Hafenrinne geschaffen, welche für
kleine Schifffahrt auch bei Niedrigwasser genügende Tiefe hat. Um diese Wassertiefe
dauernd zu erhalten, schlieſst sich an die Hafenrinne ein etwa 1200m langes und 800m breites Spülbecken. Im Modell ist dasselbe wasserfrei dargestellt. Es
füllt sich bei jeder Fluth bis zu einer bestimmten im Modell bezeichneten Linie mit
Wasser, das durch die Hafenrinne zu und ab strömt und letztere mittels solcher
Spülung-tief erhält.
Auch die an sich nicht sehr bedeutende deutsche Austernzucht und die Austernfischerei
ist auf der Ausstellung vertreten. Neben dem Austernschraper, einem schweren
eisernen Scharrnetz, welches zum Austernfang dient, findet sich ein Modell eines
Sylter Austernfischer-Fahrzeuges, wie solche im nordfriesischen Wattenmeer zur
Befischung der dortigen fiskalischen Bänke benutzt werden. Diese Bänke, die durch
Ueberfischung stark entvölkert waren, werden seit einigen Jahren völlig geschont und
sollen erst im kommenden Jahre dem Fange wieder zugänglich gemacht werden.
Aus den Austernbassins in Husum, woselbst seit einiger Zeit Austern gezüchtet werden,
sind lebende zwei-, drei- und vierjährige Austern geschickt worden, welche in mit
vieler Mühe hergerichteten Aquarien vorgeführt werden. Die Tysnaes Oesters Co. zu Bergen in Norwegen hat für die Ausstellung eine
Anzahl von bildlichen Darstellungen, von getrockneten Austern verschiedenen Alters,
von Brutsammlern u.s.w. zur Verfügung gestellt, welche insgesammt ein vollkommenes
Bild der seit den Jahren 1880 und 1884 in den Zuchtteichen bei Espevig und Seloe
unweit Bergen betriebenen Cultur geben. In diesen Teichen wird die Austernbrut auf
ausgehängten Birkenreisern und leeren Muschelschalen gesammelt, auf denen man sie
meist ein Jahr lang beläſst, um sie dann auf den Bänken des freien Wassers
auszusetzen.
Neben den Austern verdient die Muschelzucht Erwähnung, welche besonders an der
schleswig-holsteinischen Ostküste fortgesetzt an Bedeutung gewinnt und speciell in
Apenrade und Eilerbeck sich auf der Höhe befindet. Während man an den Nordseeküsten
die Muscheln einfach vom Boden sammelt, ohne noch besonders auf die Lagerung der
Thiere zu achten, oder bestimmte Zeiten, in denen die Thiere am besten genährt sind,
für das Sammeln zu bevorzugen, weiſs man an der Ostsee diese Dinge zu beachten. Man
setzt Bäume als Brutsammler ins Wasser, welche nach 3 bis 4 Jahren zur
Frühjahrszeit, wo die Muscheln der Geschlechtsreife entgegengehen und im besten
Ernährungszustande sind, gezogen werden. Die Muscheln sind nicht bloſs frisch
gekocht oder gebacken, sondern auch als Marinade eine sehr beliebte, wohlschmeckende
und auch nahrhafte Speise.
(Fortsetzung folgt.)