Titel: | Das Heliometer der Sternwarte am Kap der guten Hoffnung. |
Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, S. 510 |
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Das Heliometer der Sternwarte am Kap der guten
Hoffnung.
Mit Abbildungen.
Das Heliometer der Sternwarte am Kap der guten
Hoffnung.
Das vor einigen Jahren in der Sternwarte am Kap aufgestellte Heliometer aus der optisch-mechanischen Werkstätte von Repsold und Söhne in Hamburg darf wohl den
vollkommensten Leistungen auf dem Gebiete der mathematischen Technik und
Präcisionsmechanik im Dienste der Astronomie beigezählt werden. Dieselbe Firma hat
zwar bereits im J. 1882 für die Sternwarte in New Haven, Connecticut, ein ähnliches
Instrument geliefert, doch besitzt das in Rede stehende eine gröſsere optische
Kraft, indem die von J. Mertz in München für dasselbe
angefertigte Objectivlinse einen Durchmesser von 7,5 Zoll (19cm) und eine Brennweite von 102 Zoll (2m,59) besitzt. Das neueste Heliometer, ein ebenso
sinnreicher als complicirter Apparat, dessen ausführliche Beschreibung Engineering, 1890 S. 3, mittheilt, umfaſst auſserdem
gewisse vom Vorstande der Sternwarte, dem Astronomen Gill, gewünschte Veränderungen und Beigaben, darunter eine Vorrichtung zur
elektrischen Beleuchtung sämmtlicher während der Beobachtungen abzulesenden
Theilungen, verschiedene zu den Positionsbewegungen dienliche Graduirungen, die
Ausstattung des Suchers mit einem Positionsmicrometer und den an das Instrument
dauernd befestigten Apparat, um die Theilungen der Objectivschieber, unbeschadet der
Beobachtungen, prüfen zu können.
Die Bezeichnung „Heliometer“ ist von der ursprünglichen Bestimmung derartiger
Instrumente, Messung des Sonnendurchmessers, abgeleitet; in der neueren
astronomischen Praxis ist deren Bestimmung jedoch erweitert worden auf die Messung
von Sternabständen, welche zu groſs sind, um mittels gewöhnlicher Micrometer bequem
bestimmt werden zu können. Das dieser Messung zu Grunde liegende Prinzip ist
folgendes. Bei einem gewöhnlichen Telescop ist das in der Brennweite der
Objectivlinse entstandene Bild als das Ergebniſs der vereinten Wirkung aller Stellen
des Objectivs zu betrachten, indem jeder einzelne Theil für sich ein vollständiges
Bild liefert. Die Gesammtheit dieser einander überlagernder Einzelbilder aber ist
es, woraus das ganze Bild besteht, das wir im Fernrohre erblicken. Je vollkommener
nun das Objectivglas ist, um so vollkommener decken sich die von allen seinen
Stellen ausstrahlenden Einzelbilder, um so klarer und schärfer abgegrenzt stellt
sich das Gesammtbild dar. Entfernt man also einen Theil eines guten Objectivs, so
wird die einzige Folge eine entsprechende Abschwächung in der Helligkeit des Bildes
sein, während der beseitigte Theil für sich ein seiner Gröſse entsprechendes Bild
liefern wird. Ein solcher Vorgang findet bei dem Heliometer statt. Das Objectivglas
besteht nämlich nicht aus einem Stück, sondern ist, wie
Fig. 1 zeigt, diametral in zwei Hälften A, B getheilt. In dieser Lage wirken beide Hälften wie
eine gewöhnliche ungetheilte Objectivlinse.
Textabbildung Bd. 275, S. 511
Angenommen nun, es befinden sich zwei Objecte, z.B. ein Planet
und ein Fixstern, im Gesichtsfelde, und ihre Bilder in P und S, so werden, wenn man die untere
Objectivhälfte B, wie in Fig.
2, ein wenig nach rechts verschiebt, im
Gesichtsfelde vier Bilder erscheinen, wovon P und S von der oberen,
P1 und S1 von der unteren
Objectivhälfte herrühren. Jedes dieser Bilder ist an und für sich vollständig,
jedoch nur halb so hell, als das Bild in Fig. 1. Wird
nun zugleich die obere Hälfte A nach links verschoben, so rücken die von A erzeugten Bilder gleichfalls nach links, und man wird
es leicht dahin bringen können, daſs das rechtsseitige zur Objectivhälfte A gehörige Bild von dem linksseitigen zu B gehörigen Bilde in der durch Fig. 3 veranschaulichten Weise gedeckt wird. Nimmt man mit beiden
Objectivhälften die Bewegung in umgekehrter Richtung vor, wie Fig. 4 zeigt, so wird das rechtsseitige der Halblinse
B zugehörige Bild von dem linksseitigen der
Halblinse A zugehörigen Bilde überlagert. Wenn nun die
Bilder beider Objecte in der Mitte des Gesichtsfeldes einander decken, wie P1
S in Fig. 3, so vertritt
offenbar das ganze System die Stelle zweier Telescope, wovon das Objectiv A des einen nach dem Fixstern S und das Objectiv B des anderen nach dem
Planeten P gerichtet ist, und demgemäſs bezeichnet der
von beiden Achsen dieser Halbtelescope eingeschlossene Winkel den Bogenabstand der
Objecte P und S am Himmel.
Es ist also der auf einer geeigneten Theilung abzulesende Betrag, um welchen beide
Objectivhälften von einander getrennt werden, ein Maſs jenes Bogens.
Die Montirung eines Heliometers ist im Wesentlichen dieselbe, wie die eines
Aequatorial-Telescops, nur daſs noch für die Drehung des Rohrs um seine Achse
gesorgt ist, damit die diametrale Theilungslinie der Objectivlinse mit der
Verbindungslinie beider Sterne, deren Bogenabstand gemessen werden soll, genau
zusammenfalle.