Titel: | Elektrische Postbeförderung. |
Autor: | E. Z. |
Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, S. 161 |
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Elektrische Postbeförderung.
Mit Abbildungen.
Elektrische Postbeförderung.
Der Gedanke einer elektrischen Postbeförderung scheint zuerst 1862 aufgetaucht zu
sein. Nach dem Polytechnischen Centralblatt, 1863 S.
1092, hat Henry Cook in Manchester in seinem englischen
Patente Nr. 58 vom 8. Januar 1862 vorgeschlagen, auf einem eisernen und nach
Befinden mit Eisendrahtstücken gefüllten Wagen eine galvanische Batterie
aufzustellen und denselben auf einer Bahn innerhalb einer Röhre, die aus einer Reihe
von Drahtspulen gebildet ist, dadurch fortzubewegen, daſs der Strom der Batterie
stets nur durch eine Spule und zwar durch eine nach der anderen geschlossen wurde.
Beim Eintritt des Wagens in eine der Spulen sollten zwei von der Röhre
herabreichende Federn auf zwei isolirten Metallplatten oben am Wagen schleifen und
den Strom schlieſsen, so daſs die Spule den Wagen in sich kräftig hineinzog und der
Wagen, selbst nach der Unterbrechung des Stromes, die Spule vollständig
durchlief.
Darauf wollte 1865 Gaetano Bonelli in einem mit
elektrischen Multiplicatoren versehenen und in entsprechend viele Abtheilungen
getheiltem Rohre eine Spule in ähnlicher Weise fortbewegen; bei Ankunft der
beständig vom Strome durchlaufenen Spule an einer der Abtheilung wurde der Strom
durch die Multiplicatorrolle dieser Abtheilung geschlossen und zufolge der
elektrodynamischen Anziehung durchlief nun die Spule die Abtheilung.
Einen anderen Weg hat Dr. H. Militzer bei dem Modell
eingeschlagen, das er am 14. December 1865 in der Wiener Akademie vorgeführt hat
(vgl. Zeitschrift für Mathematik und Physik, XI.
Jahrgang S. 262; Polytechnisches Centralblatt, 1866 S.
859). Es waren 12 kleine Hufeisenmagnete auf den Armen eines 12 strahligen Sternes
so angebracht, daſs die Linien der Pole in die Richtung der Halbmesser fielen, die
Richtungen der Polflächen aber waren abwechselnd nach beiden Seiten der
gemeinschaftlichen Basis gewendet. Das Ganze wurde durch eine frei durch seine Mitte
gehende wagerechte Achse und ein kleines als Führung dienendes Rad getragen. Diese
Achse trug an ihren beiden Enden zwei Triebräder; die Speichen der letzteren
bildeten die Anker der Elektromagnete. Ein Commutator führte den Strom einer
galvanischen Batterie, deren Pole mit den Laufschienen, worauf die Triebräder
liefen, verbunden waren, abwechselnd durch je 6 der Elektromagnete, so daſs diese 6
die Anker von der Seite her anzogen und durch Drehung der Triebräder das Ganze
fortbewegten. Bei Unterbrechung des Stromes in den bisher durchströmten 6
Elektromagneten und elektrische Erregung der anderen 6 erfolgte eine abermalige
Fortbewegung.
Bei Beschreibung der im Sommer 1881 gebauten, vom Industrie-Palaste in Paris
ausgehenden elektrischen Eisenbahn in La Lumière
Electrique, 1882 Bd. 6 * S. 109, wird auch erwähnt, daſs die elektrische
Post in der Ausstellung durch die kleine elektrische Locomotive von M. Deprez und die Locomotive von Siemens vertreten sei, und vorausgeschickt, daſs der
Telegraphenlinieningenieur Ch. Bontemps schon im August
1879 den Gedanken angeregt habe, die pneumatischen Röhren durch einen kleinen
elektrisch bewegten Wagen zu ersetzen. Nach La Lumière
vom 15. November 1880, Bd. 2 S. 453, ist Bontemps auf
diesen Vorschlag dadurch gekommen, daſs er durch mehrjährige Versuche und
Untersuchungen sich überzeugt hatte, daſs der pneumatische Betrieb in Paris
rücksichtlich des Kraftverbrauches sich sehr ungünstig erweise, weil fast die ganze
Betriebskraft zur Ueberwindung des Widerstandes der die Röhre ausfüllenden Luftsäule
verbraucht werde, während die Widerstände an dem die Telegramme enthaltenden Läufer
unbedeutend seien. Günstiger müsse sich der Betrieb mittels einer elektrischen
Locomotive erweisen, welcher der Strom von einer Dynamomaschine geliefert werde,
wenn man sie nur nicht in einer Röhre laufen lasse, deren Querschnitt den der
Locomotive bloſs wenig übertreffe. Die den vorliegenden Verhältnissen und
Besprechungen angepaſste kleine elektrische Locomotive hat Marcel Deprez geliefert; mit ihr sind gegen die Mitte des September 1879
die ersten Versuche angestellt worden (vgl. Lumière
Electrique, Bd. 2 S. 454), beschrieben ist sie im December 1880 in der Lumière Electrique, Bd. 2 S. 473. Versuche mit
günstigem Erfolg sind von Deprez auf einer im Hofe der
Telegraphen-Verwaltung gebauten kleinen Kreisbahn angestellt worden, man scheint
sich damals in Paris mit dem Gedanken getragen zu haben, solche Bahnen in den
Kanälen der Straſsen auszuführen (vgl. Lumière
Electrique, 1881 Bd. 3 S. 28 und 1882 Bd. 6 S. 109).
Der Zeit nach folgt nun der Vorschlag von Dr. Werner
Siemens, über den er am 27. Januar 1880 in einem Vortrage ausführliche
Mittheilungen gemacht hat (vgl. 1880 236 * 388 und Lumière Electrique. 1880 Bd. 2 * S. 233. 1882 Bd. 6 *
S. 110). Die Bahn sollte auf dem Eisenbahndamme fortgeführt und von niedrigen
eisernen Säulen getragen werden; eine stehende Dynamomaschine sollte in der einen
Laufschiene den Strom einer kleinen v. Hefner'schen
Dynamo auf dem Wagen zuführen, als Rückleitung aber die Säulen und die Erde benutzt
werden.
Am 26. März 1881 hat sodann (vgl. Lumière Electrique vom
6. Juli 1881, Bd. 3 S. 28) Hofrath Brunner von
Wattenwyl in dem Ingenieur -und Architekten-Verein in Wien unter Vorzeigung
von Plänen und Modellen und Anstellung von Versuchen damit sich über die Möglichkeit
verbreitet, elektrische Eisenbahnen vortheilhaft für den Postdienst zu verwenden.
Das Modell war der Siemens'schen elektrischen Eisenbahn
nachgebildet. Die kleine Bahn sollte entlang der vorhandenen Wagen in einer Metallröhre oder
in einem gemauerten Kanäle geführt werden.
Fig. 1., Bd. 275, S. 163
Fig. 2., Bd. 275, S. 163
Vor einigen Monaten endlich ist in Boston ein Modell einer elektrischen Post
ausgestellt worden und Prof. Dolbear hat es in einem
Vortrage erläutert. Der Erfinder strebt, die Fortbewegung wieder in gleicher Weise
zu erzielen, wie Cook 1862. Er ersetzt den Eisenstab
ebenfalls durch einen stählernen Kasten, den Fig. 1
zeigt; derselbe ist groſs genug, um Briefe und kleine Packete aufzunehmen. Fig. 2 bietet nach Electrical
World durch Techniker, 1889 * S. 126, die
perspectivische Ansicht der Bahnstrecke, worauf der Kasten oder Wagen in einer Reihe
von Drahtspulen sich fortbewegt, welche durch Verkleidung gegen die Einflüsse der
Witterung geschützt sind. Der Wagen lauft auf nur einer Schiene und wird an einer
oberen Schiene mittels zwei kleinen Flanschrädern geführt. Die Schlieſsung und
Unterbrechung des Stromes wird in jeder einzelnen Spule selbsthätig bewirkt mittels
eines um einen wagerechten Zapfen schwingenden Magnetes, auf welchen der in die
Spule einfahrende Wagen wirkt. Ein solcher Magnet ist auf jeder Spule angebracht und
muſs offenbar für gewöhnlich die entlang der Bahn laufende Leitung für den
elektrischen Strom geschlossen halten. Der Wagen selbst ist ebenfalls magnetisirt,
und wenn sein vorausgehender Pol von der einen Seite her in eine Spule eintritt, so
soll derselbe abstoſsend auf den ihm zugewendeten Pol des Magnetes der Spule wirken,
denselben mit dem anderen Ende nach unten bewegen und auf einen Contact auflegen,
dadurch aber den Strom
durch die Spule schlieſsen.Es dürfte wohl vorzuziehen sein, daſs der Magnet jeder Spule für gewöhnlich
eine kurze Nebenschlieſsung zu dieser Spule herstellt, welche beim Eintritt
des Wagens in die Spule durch die von demselben ausgeübte Abstoſsung
beseitigt, später aber wieder hergestellt wird. Die Spule wirkt
nun saugend auf den Wagen, bis dessen Mitte sich beinahe mitten in der Spule
befindet; da wirken beide Pole des Wagens entgegengesetzt gleich stark auf den
Magnet, dieser hebt den Contact wieder auf und macht die Spule wirkungslos. Würde
die Wirkung der Spule auf den Wagen länger dauern, so würde sie auf den Wagen
verzögernd wirken und ihn in der Mittelstellung festzuhalten trachten. Davon macht
man an der Endstation Gebrauch, um dort den Wagen zum Stillstande zu bringen; es ist
nämlich an der letzten Spule der Ausschalter so eingerichtet, daſs der Strom in der
Spule wirksam bleibt, nachdem die Mitte des Wagens die Spule passirt hat, und somit
den Wagen aufhält. Die Bremsung erfolgt sanft, ohne Stoſs und in erstaunlich kurzer
Zeit.
Der Grund, weshalb man den Strom in der Spule nicht genau in der Mittelstellung,
sondern etwas vorher unterbricht, ist der, daſs der bei der Stromunterbrechung
entstehende Extrastrom, der bekanntlich in derselben Richtung wie der Hauptstrom
verläuft, eine verzögernde Wirkung ausüben würde.
Es ist immer nur eine einzige Spule in Thätigkeit. Der Stromverbrauch ist gering;
nachdem die richtige Geschwindigkeit des Wagens erreicht ist, kann der Strom sehr
bedeutend geschwächt werden. Dies geschieht übrigens in gewissem Grade selbsthätig,
indem der sich bewegende magnetische Wagen beim Durchgange durch die Spulen in
diesen eine elektromotorische Gegenkraft erregt, welche die Stromstärke des
Leitungsstromes schwächt, und zwar um so mehr, je schneller sich der Wagen
bewegt.
E. Z.