Titel: | Von der Deutschen Allgemeinen Ausstellung für Unfallverhütung in Berlin 1889. |
Fundstelle: | Band 273, Jahrgang 1889, S. 433 |
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Von der Deutschen Allgemeinen Ausstellung für
Unfallverhütung in Berlin 1889.
(Fortsetzung des Berichtes S. 385 d.
Bd.)
Mit Abbildungen auf Tafel
22.
Deutsche Allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung in
Berlin.
Triebwerkskuppelungen und Einrichtungen zu deren
Auslösung.
Der Construction und Anwendung von Ausrückevorrichtungen ist erst in der jüngsten
Zeit erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Erst jetzt ist es zur Regel geworden,
möglichst jeden einzelnen Betriebsstrang für sich abstellbar und ohne Störung des
Hauptbetriebes ausrückbar zu dachen, so daſs man jeden beliebigen Zweig eines
Triebwerkes für sich beherrscht. Diese Einrichtung hat sich als nothwendig erwiesen,
um den gesammten Betrieb möglichst zweckmäſsig zu leiten. Die früher für hinlänglich
erachtete Anordnung einer Abstellung für jede einzelne Arbeitsmaschine, entweder
eine Klauenkuppelung oder nur die Anbringung einer losen Scheibe, hat sich doch
nicht als ausreichend erwiesen, so daſs die Neuzeit die Verbindung jeder Zweigwelle
mit der Hauptwelle durch eine leicht lösbare und ebenso leicht einstellbare
Kuppelung als Erforderniſs ansieht.
Zwei Gesichtspunkte sprechen entschieden für diese Trennung des Triebwerkes durch
Kuppelungen. Es sind dies die Sicherung des Betriebes selbst, sowie die Sicherung
der in dem Betriebe beschäftigten Arbeiter.
Hatte der Hinweis auf die Sicherung der Arbeiter den hauptsächlichsten Anstoſs zur
Einführung der Kuppelungen für die Zweigleitungen gegeben – die Gewerberäthe in
erster Linie und sodann die Beauftragten der Genossenschaften sind die
ursprünglichen Vertreter dieser Forderung – und wurde die Einschaltung der
Kuppelungen zunächst nur als eine rein arbeiterfreundliche Einrichtung angesehen, so
ergab sich doch durch die Praxis, daſs durch die Einführung der Kuppelungen eine
wesentliche Sicherung des Betriebes herbeigeführt werde. Es ergab sich, daſs die
Möglichkeit einer stoſsfreien Aus- und Einrückung der Zweigleitungen hervorragende
Vortheile bietet.
Dem Zwecke der Ausstellung entspricht es naturgemäſs, nur den wohlthätigen Einfluſs
des Vorhandenseins von Kuppelungen auf die Sicherung der Arbeiter darzuthun und zu
zeigen, daſs bei einer Gefährdung des Arbeiters durch das Triebwerk die Gröſse der
Gefahr wesentlich herabgemindert wird, wenn es möglich ist, das gesammte Triebwerk
möglichst schnell zum Stillstande zu bringen. Es können unter diesem Gesichtspunkte
die Ausrückekuppelungen an den Triebwerken als wesentliche Ergänzungen, ja
vielleicht sogar stellenweise als ein vollgültiger Ersatz der früher besprochenen
Abstellvorrichtungen für die Kraftmaschinen betrachtet werden.
Wenn letztere für kleinere und mittlere Betriebe nothwendig am Platze sein werden,
kann eine genügende Sicherung für groſse und stark verzweigte oder über mehrere
Stockwerke vertheilte Betriebe nur durch ausgiebige Verwendung von Zweigkuppelungen
erzielt werden. Demgemäſs ist auf entsprechende Ergänzung beider Ausrückearten für
die Praxis Bedacht zu nehmen und ihre gleichzeitige Anwendung oder die Wahl der
einen oder anderen Art von Fall zu Fall jedesmal sorgfältig zu entscheiden.
Die Kuppelungen müssen den Bedingungen einer stoſsfreien Aus- und Einrückung des
Betriebsstranges vollständig genügen, sollen sie ihre Aufgabe erfüllen. Namentlich
die allmähliche stoſsfreie Einrückung des Triebstranges muſs im Interesse der
Beanspruchung der Kraftmaschine wie auch des ruhigen, ungestörten Weiterlaufes des
übrigen Triebwerkes unbedingt gefordert werden. Aus diesem Grunde hat die sogen.
Reibungskuppelung sich wohl allgemeineren Eingang verschafft und hat als Grundlage
für eine Unzahl meist sehr zweckdienlicher und eigenartiger Ausführungsformen
gedient. Nur durch die Reibungskuppelung erscheint es möglich, den beim Einrücken
eines schweren Triebstranges unvermeidlichen Stoſs auf das vorhergehende Triebwerk
und die Kraftmaschine derart zu mildern, daſs zunächst nur ein Gleiten der mit
einander verbundenen Theile an einander erfolgt und erst allmählich nach und nach
ein sicheres Mitnehmen stattfindet.
Andererseits darf sich eine Kuppelung nicht schwer lösen lassen: es muſs vielmehr
möglich sein, ohne groſse Kraftanstrengung die Lösung herbeizuführen, damit es
angängig ist, die Kuppelung auch von entfernteren Punkten mittels Drahtzuges oder
elektrischer Leitung abzustellen.
So weit sich beurtheilen läſst, genügen die ausgestellten Ausführungen diesen
Grundbedingungen, so daſs für ihre praktische Anwendung der Preis, die Leichtigkeit
der Anbringung und die Instandhaltung in Frage kommen.
Eine gröſsere Triebwerksanlage mit ausrückbaren Reibungskuppelungen hat die Berlin-Anhaltische Maschinenfabrik in Dessau geliefert.
Die Kuppelungen nach dem Systeme Dohmen-Leblank finden
sich noch an verschiedenen Stellen in der Ausstellung; dieselben zeigen gegenüber
den älteren Anordnungen (D. R. P. Nr. 16952, vgl. D. p.
J. 1882 243 * 273) manche beachtenswerthe
Aenderungen. Eine solche Kuppelung ist in Fig. 1 dargestellt.
Auf der Welle A sitzt die Hülse C, welche sich mit der Welle A dreht und sich
auf derselben verschieben läſst. Auf der Welle B sitzt
fest die Scheibe S. Durch Verschiebung der Hülse C auf der Welle A werden
mittels hakenförmiger Druckstangen die vier Gleitklötze F in einem auf A festsitzenden Armkreuze G verschoben und entweder gegen die innere Ringfläche
der Scheibe S gedrückt oder von dieser entfernt.
Im ersteren Falle wird durch die entstehende Reibung die Welle B
mit A verkuppelt, im letzteren Falle dagegen wird die
Reibung aufgehoben, und es erfolgt Stillstand der Welle B, sobald die Kuppelung gelöst ist.
Die hakenförmigen Schubstangen E, welche aus Stahl
gefertigt werden, sind elastisch und können dementsprechend in der Druckrichtung
nachgeben. Sie werden beim Einrücken der Kuppelung über die Mittelebene
hinausgeschoben, wodurch Selbstauslösung verhindert ist.
Bei kleinen Geschwindigkeiten ist es ohne wesentlichen Einfluſs, ob die Welle A die stetig sich drehende Antriebwelle ist, oder die
Welle B. Man vermeide jedoch, die Welle A zur Antriebwelle zu nehmen, insbesondere bei
gröſseren Umlaufsgeschwindigkeiten. Man sorge vielmehr dafür, daſs die
Kuppelungshülse S stetig umläuft, weil dann im
ausgerückten Zustande die Bremsklötze in Ruhe sind und die Fliehkraft derselben,
welche sich durch andauernden Druck auf den Ausrückring schädlich äuſsert, nicht
erst durch eine besondere Vorrichtung aufgehoben zu werden braucht.
Die Bremsringkuppelung von Max Friedrich und Comp. in
Plagwitz ist in Fig.
2 und 3 abgebildet. Sie besteht aus der Hülse M,
gegen welche der Bremsring C durch Auseinandersperren
der Hebel cc gepreſst wird. Werden die Hebel bb durch die übliche Handstange in die Hülse
hineingeschoben, so sperren die Hebel cc den Ring C aus einander. Mitnehmer BB sind beiderseits angeordnet. Der kegelförmige Bolzen o dient zur Verstellung der Hebel cc.
Das Anbringen von Glockensignalen zum Alarmiren bei Schnelligkeitsabweichungen ist zu
empfehlen, sobald es darauf ankommt, Abweichungen der Schnelligkeit bezieh.
Geschwindigkeit der Kuppelungsübertragung sofort zu erkennen. Diese Alarmglocken
bestehen aus einer Glocke und einem anschlagenden Klöppel bezieh. Stifte. In der
Skizze Fig. 3
ist die Glocke x an. der Kuppelung und der Klöppel y an dem Ausrücker angebracht, oder umgekehrt, und zwar
derart, daſs auch mit Zurückziehung des Ausrückers gleichzeitig ein Ausschalten der
Alarmglocke stattfindet, durch Trennen der Glocke x und
des anschlagenden Klöppels y, so daſs also ein
Anschlagen der Alarmglocke im ausgepickten Zustande der Kuppelung ausgeschlossen
ist.
Fig. 4 und
5
erläutern die Kuppelung von Lohmann und Stolterfoht in
Berlin (vgl. 1887 265 * 530).
Auf der treibenden Welle ist der mit Zähnen versehene Körper c, auf der getriebenen Welle der mit Reibungsflächen ausgestattete Körper
a festgekeilt, b ist
ein loser Reibungskegel, welcher bewegliche Klinken g
trägt und durch Druckring d mittels Schrauben gegen a so stark angepreſst wird, daſs die zu übertragende
Kraft bei guter Oelung der Reibungsflächen ohne Gleiten derselben übertragen werden
kann. Der Druck ist sehr elastisch durch unter die Schrauben gelegte Gummiringe. Der
Reibungswiderstand bleibt sowohl im aus- wie eingerückten Zustände bestehen, und geschieht das Ein-
und Ausrücken mittels der Klinken. Dieselben werden selbsthätig ausgehoben durch
excentrische Anlaufflächen der gegen die Kuppelung geschobenen Ausrückhülse k, welche letztere durch den Ausrückhebel an Drehung
verhindert und leicht auf der Welle verschiebbar ist. Eingerückt werden dieselben
durch Zurückziehen der Hülse, welche alsdann ganz auſser Verbindung mit der
Kuppelung ist. Um das Gleiten der Reibungsflächen wahrnehmbar zu machen, ist eine
Signalglocke t angebracht, welche bei jedesmaligem
Schleifen ertönt. Dieses Signal ertönt beim jedesmaligen Einrücken und überzeugt man
sich unwillkürlich durch die Dauer desselben von der zuverlässigen Einrückung wie
von dem guten Zustande der Anlage.
Sollen Riemenscheiben u.s.w. ausrückbar gemacht werden, so werden dieselben auf die
entsprechend verlängerte Nabe von a festgekeilt, und
läuft alsdann dieser Theil lose auf der Welle.
Bei Kuppelungen, welche nur den Antrieb von Reservemotoren vermitteln, ist a treibend zu nehmen. Ebenso kann in den Fällen, wo das
treibende Wellenende zu kurz ist oder die Kuppelung mit einer die Welle antreibenden
Riemenscheibe verbunden wird, die Anordnung umgekehrt sein.
Die Kuppelung von St. Lentner und Comp. in Breslau (* D.
R. P. Nr. 44460 und 45190) ist 1889 272 * 437
erläutert.
Die Gawron-Kuppelung, ausgestellt von der Königl. Staatseisenbahnverwaltung und den Gebr. Gawron in Stettin, hat gegen die frühere
Ausführung (1888 269 * 53) eine constructive Aenderung
erfahren (* D. R. P. Nr. 41757 und 42529). Fig. 6 bis 9 stellen diese
Lamellenkuppelung dar, welche besonders durch ihre geringen Abmessungen den übrigen
Kuppelungen gegenüber auffällt. Die Kuppelung ist im eingerückten Zustande
dargestellt, wie sie die beiden Wellen a und b kuppelt. Das treibende oder getriebene Gehäuse c wird oft als Riemenscheibe benutzt. Die
Zwischenlamellen g sind durch Nabe f, mit der sie meist in einem Stücke hergestellt
werden, auf der hier als treibend angenommenen Welle a
befestigt. Das Gehäuse c ist dagegen mit den Lamellen
d und d1 auf der Welle b
befestigt. Die Lamellen d sind durch Schrauben h und die Lamellen d1 durch Schrauben h1 in dem Gehäuse c
drehbar gelagert und durch Zahnräder unmittelbar mit einander verbunden, so daſs
eine Rechtsdrehung der Schrauben i eine Linksdrehung
der Zahnräder zur Folge haben wird und umgekehrt. Bei einer Drehung der Schrauben
h nach der einen oder der anderen Richtung werden
die Lamellen dd1 in
Richtung der Wellenachse einander genähert oder von einander entfernt.
Bei einer Näherung der Lamellen d und d1 werden die
Zwischenlamellen g festgepreſst und die mit Nabe f befestigte Welle a durch
Reibung mitgenommen. Werden die Lamellen d und d1 von einander entfernt, so wird die
Pressung der Zwischenlamellen g aufgehoben und die Nabe
f mit den Lamellen auf der Welle a nimmt an der Drehung der Welle b nicht mehr Theil.
Die Einrückung und Ausrückung bezieh. das Nähern und Entfernen der Lamellen wird
durch folgende Einrichtung erreicht.
Ein Paar gegenüberliegende Schrauben h oder h1 sind nach auſsen
verlängert und mit je drei Ausrückarmen nn1
n2 verbunden. Der
Ausrücker l besteht aus den beiden Curvenstücken m, welche in den Cylinder p übergehen; er sitzt lose auf der Welle a
und ist durch einen Ausrückhebel k nur in der Richtung
der Wellenachse verschiebbar. Soll jedoch das Gehäuse getrieben werden, so ist der
Ausrücker mittels Feder auf Welle a verschiebbar und
muſs dann an der Drehung der letzteren theilnehmen.
Um auszurücken, muſs der Ausrücker l gegen die Kuppelung
bewegt werden, so daſs dabei die Ausrückarme nn1
n2 der Reihe nach von
den Curven m auf den Cylinder p gehoben werden. Die Abbildungen lassen die verschiedenen Stellungen der
Arme erkennen. Die Bewegung der Arme wird auf die Schrauben übertragen und die
Lamellen d und d1 werden von einander entfernt, so daſs die
Kuppelung ausgerückt ist.
Um einzurücken, wird der Ausrücker l entgegengesetzt
verschoben, so daſs die Federn g die Arme nn1
n2 in die
Anfangsstellung zurückbringen, die Lamellen dd1 also einander genähert werden und durch Pressung
der Zwischenlamellen g die Kuppelung stoſsfrei
erfolgt.
Ausgestellt sind ferner noch die Kuppelungen von Frederking in Leipzig und Oeser in Penig,
welche bereits früher in D. p. J. 1887 265 * 531 und * 533 beschrieben wurden.
Die Mehrzahl der ausgestellten Kuppelungen gestattet ihre Lösung von entfernteren
Punkten der Werkstatt durch Drahtzüge oder auf elektrischem Wege. Zur Leistung der
Ausrückarbeit, welche trotz der Leichtbeweglichkeit der Kuppelungen nicht gering
ist, wird meistens ein Gewicht benutzt, dessen Fallkraft nach Auslösung eines
Stützhebels die Kuppelung öffnet. Im Allgemeinen gelten für diese Fernausrückungen
die Grundsätze, welche bei Besprechung der Abstellvorrichtungen für die
Kraftmaschinen entwickelt worden sind.
Die Verwendung von Drahtzügen ist bei zwei Modellen in der Abtheilung der Königl. preuſsischen Staatseisenbahnverwaltung zu
erkennen. Bei dem einen Modelle führen Drahtzüge zu einer gemeinsamen
Auslösevorrichtung an dem Belastungshebel einer Bremse, welche gleichzeitig mit der
Lösung der Kuppelung in Thätigkeit tritt.
Bei dem zweiten Modelle einer Holzbearbeitungswerkstatt, für welche das gesammte
Triebwerk unter dem Fuſsboden angeordnet ist, wird die Kuppelung durch Drahtzüge,
welche durch Einschaltung von Winkelhebeln abgewinkelt sind, ausgerückt.
Bei der von Richard Wens in Berlin ausgestellten
Vorrichtung wird durch Anziehen eines durch den ganzen Arbeitsraum klingelzugartig
gezogenen Drahtes eine durch ihr eigenes Gewicht wirkende Bandbremse ausgelöst und
also zur Wirkung gebracht. Diese Bremse löst ihrerseits, bevor dieselbe zur vollen
Wirkung gebracht ist, die Verkuppelung zwischen der treibenden und der getriebenen
Welle, so daſs diese zum sofortigen Stillstande gelangt, während jene sich weiter
bewegt.
Eine sehr interessante Ausrückevorrichtung hat Frederking in Leipzig für seine Kuppelungen ausgestellt (* D. R. P. Nr.
46409). Neben der Kuppelung A (Fig. 10) ist ein Rahmen
mit zwei Coulissen a und b
angeordnet, von welcher die Coulisse a nur eine
senkrecht auf und nieder gehende Bewegung machen kann, während der in der Coulisse
b angeordnete Stein c
mit der lösbaren Kuppelungshälfte verbunden ist. Wird nun die Stange d durch ein Gewicht niedergezogen, welches durch
Fortziehung eines Stützhebels auf elektrischem Wege frei wird, so wird die Coulisse
a niederfallen und dabei der Stein c durch die schräg ansteigende Coulisse b nach links geschoben werden, so daſs in Folge der
Verbindung von c mit der beweglichen Kuppelungshälfte
die Kuppelung ausgerückt wird.
Vom Civilingenieur Fr. Seiffert in Berlin ist das Modell
einer „Momentausrückung“ ausgestellt. Angenommen ist ein Wellenstrang von
45mm Durchmesser mit Klauenkuppelung bei 300
Umläufen in der Minute (Fig. 11).
Die Wellenhälfte rechts ist der treibende, die Wellenhälfte links der getriebene
Strang. Auf dem mittels Kuppelung getriebenen Strange sitzt die verschiebbare
Kuppelungshälfte, an welcher flaches Gewinde von 30mm Steigung eingeschnitten ist, ferner eine Lagerstelle mit zwei Bunden.
Ueber der letzteren und der mit Gewinde versehenen halben Kuppelung ist ein Bock an
der Decke angebracht, in welchem eine Gabel mittels Index festgehalten wird. An dem
Index befindet sich ein Anker, welcher bei Berührung eines Knopfes mit einem
Elektromagneten in Verbindung gesetzt, von letzterem angezogen und ausgelöst
wird.
Durch die Lösung des Index fällt die Gabel nun einerseits in die Lagerstelle,
andererseits in den Gewindegang. Die Gabel wird an einer Seite in der Lagerstelle
festgehalten, folglich auch der an der anderen Seite der Gabel befindliche
Gewindezahn, an welchem das Gewinde sich abwickeln muſs. Da nun der Schraubengang
fest an der verschiebbaren halben Kuppelung sitzt, wird die Kuppelung aus der
anderen Kuppelungshälfte, welche auf der treibenden Welle festsitzt, herausgezogen;
da die Auslösung bei einer Umdrehung der Welle erfolgt,
wird bei 300 Umläufen in der Minute die Auslösung in ⅕ Secunde erfolgen.
Soll die Auslösung mechanisch wirken, wird an dem am Index befindlichen Anker ein
Drahtzug nach verschiedenen Richtungen in die Fabrikräume gelegt; ein Zug genügt, um die Gabel fallen zu
lassen und in oben beschriebener Weise die Auslösung zu veranlassen.
Die Kraft der Ausrückung geht immer von der zu lösenden Welle aus, mithin wirkt das
Beharrungsvermögen der auszulösenden Welle gleichzeitig als Bremse.
Bei der ebenfalls durch Elektricität bethätigten Ausrückevorrichtung von C. Blanke in Barmen wird die Auslösung durch den Anker
eines Elektromagneten gebildet; dieser Anker stützt einen Hebel, der die Sperrung
derjenigen Achse vermittelt, auf deren Drehung der Druck des den auszurückenden
Maschinentheil beeinflussenden Hebels gerichtet ist. Der letztere wird nun von einem
Arme gehalten, welcher mit der vorbezeichneten gesperrten Achse der Vorrichtung
durch ein Knie derart in Verbindung steht, daſs nur ein Theil des Gewichtes des
Ausrückhebels auf Drehung der mehrerwähnten Achse wirkt, so daſs also der
Widerstand, den der Anker des Elektromagneten bei der Auslösung der Vorrichtung zu
überwinden hat, ein ganz geringer wird. Durch die so erzielte fast völlige
Entlastung des Ankers gibt derselbe dem Anzüge des Magneten in jedem Falle nach,
sobald die Vorrichtung durch Schluſs des Stromes in Thätigkeit gesetzt werden muſs.
Durch eine geeignete Verbindung des von dem Anker gehaltenen Hebels mit einem auf
der gesperrten Achse angebrachten Mechanismus kommt die Vorrichtung ohne Weiteres
wieder zur Einstellung, sobald der Ausrückehebel mit seinem Gewichte gehoben, d.h.
die Kuppelung oder der ausgerückt gewesene Maschinentheil wieder eingerückt
wird.
An dieser Stelle sei noch einer Ausrückevorrichtung von L.
Heller in Liebenstein in Thüringen gedacht, welche besonders das Ein- und
Ausrücken schwerer Massen, in diesem Falle eines Schleifsteines bewirken soll. In
Fig. 12
bis 14 ist
die Einrichtung veranschaulicht.
In der Ausstellung ist die Vorrichtung mit einem Schleifsteine von 1m,5 Durchmesser verbunden.
Die Einrichtung gestattet, den schwersten Schleifstein bei voller
Transmissionsgeschwindigkeit, ohne Rutschen des Treibriemens im Betriebe einzurücken
und die für das Schleifen nothwendige Umgangsgeschwindigkeit mit dem Kleinerwerden
des Steines gleichmäſsig zu erhalten. Bei plötzlichem Anhalten der Kraftmaschine
bezieh. Stillsetzen der Triebwerkswellenleitung tritt die treibende Riemenscheibe
selbsthätig auſser Verbindung mit dem laufenden Schleifsteine und gleichzeitig mit
der Wellenleitung in Stillstand; dagegen läuft der Stein, entsprechend der
aufgespeicherten Kraft, weiter und kommt allmählich zur Ruhe. Der Antriebriemen kann
senkrecht, wagerecht, offen oder gekreuzt laufen und das sonst so oft vorkommende
Abspringen des Riemens ist ausgeschlossen.
Die Riemenscheibe für verschiedene Geschwindigkeiten besteht aus der massiven Scheibe
1 (Fig. 12 und 13) und den
aufgesetzten wechselbaren, aus je zwei Hälften bestehenden Rändern 2 und 3, welche sich nach
Bedürfniſs vermehren lassen. Die Riemenscheibe 1 sitzt
lose auf der Schleifsteinwelle 4. Vor der Riemenscheibe
sitzt auf der Welle der Bremsmuff 5 mit dem Klauenmuffe
6 (Fig. 14), welche beide
mittels Hebel 7 und 8 auf
Keilen wagerecht verschiebbar sind.
Zur Inbetriebsetzung des Schleifsteines wird mittels Hebel 7 der Bremsmuff 5, welcher an der Bremsfläche
mit Leder 10 gefüttert ist, gegen die umlaufende
Riemenscheibe 1 gedrückt. Durch die Reibung wird
alsbald der Stein aus seiner Ruhe gebracht und nimmt allmählich die Geschwindigkeit
der Riemenscheibe an. Ist diese Geschwindigkeit erreicht, dann wird der Klauenmuff
6 mittels Hebels 8 mit
seinen zwei Klauen 9 in die entsprechenden Aussparungen
der Riemenscheibe i eingerückt und der Bremsmuff wird
frei. – Die willkürliche Ausrückung während des Betriebes geschieht einfach durch
entgegengesetzte Bewegung des Hebels 8, wodurch die
Riemenscheibe von dem Klauenmuffe 6 frei wird.
Bei unerwartetem plötzlichen Stillstande der Triebwerkswellenleitung wird der
Klauenmuff durch die Beharrung des Schleifsteines mit Leichtigkeit durch die
schrägen Gleitflächen 9 der Klauen (Fig. 14) selbsthätig von
der Riemenscheibe gelöst und der Schleifstein läuft sich aus, während die
Riemenscheibe gleichzeitig mit der Wellenleitung zum Stillstande kommt.
Es ist für den ruhigen Antrieb des Schleifsteines unbedingt nothwendig, daſs der
Bremsmuff so lange gegen die umlaufende Riemenscheibe gepreſst wird, bis der Stein
die gleiche Geschwindigkeit der Riemenscheibe erlangt hat und dann erst darf der
Klauenmuff eingerückt werden. Zuweilen dauert es einige Secunden, bis die Klauen den
Aussparungen in der Riemenscheibe gegenüberstehen. Es ist besser, den Bremsmuff
etwas zu lange anzupressen und dann den Klauenmuff einzurücken, als den Klauenmuff
einzurücken, bevor der Stein die gleiche Geschwindigkeit der Riemenscheibe hat.
Es ist bekannt, daſs die Praxis den Ausrückevorrichtungen, soweit dieselben als
Sicherheitsmaſsregeln für die im Betriebe thätigen Arbeiter dienen sollen,
theilweise noch sehr ablehnend gegenübersteht. Zur Erläuterung dieses Standpunktes
sei eines Briefwechsels zwischen Dr. Bock und Herrn Füllner, dem Aussteller der groſsen Papiermaschine,
gedacht, welcher in der Papierzeitung, 1889 S. 1002 und
1047, abgedruckt ist.
Herr Dr. Bock schreibt:
„... Eine Ausrückevorrichtung ist bei langsam laufenden Maschinen überall am
Platze und bereits lange in Thätigkeit. Bei den Theilen der Papiermaschine aber,
die etwa mit 70m in der Minute laufen, sind
nur Vorrichtungen am Platze, die ein Hineingerathen absolut verhindern. Und
solche Vorrichtungen haben allein Werth. Ich selbst bin in den Papiermaschinen-Kalander
hineingekommen, bei einer Geschwindigkeit, die derart war, daſs mein ganzer etwa
90mm langer Zeigefinger bereits
zerquetscht war, ehe mir die Empfindung, von der Maschine erfaſst zu sein, zum
Bewuſstwerden kam. Man nimmt an, daſs eine Siebentel Secunde verstreicht, ehe
von der Fingerspitze feinfühliger Menschen die Empfindung des Schmerzes gedacht
wird. Wenn auch der Umgang mit schnellgehenden Maschinen die daran beschäftigten
Leute zu schnelleren Nervenübertragungen erzieht, wird das angegebene Maſs immer
die geringste Gröſse bleiben. Nun verstreicht wiederum ein Bruchtheil einer
Secunde bis zur unbewuſsten Reflexbewegung, so daſs, ehe der Finger
zurückgezogen werden kann, er bereits mit einem ganzen Stücke des Armes verloren
ist. Ganz unmöglich ist aber, darauf zu rechnen, daſs man schreie, denn gerade
diese Aeuſserungen erscheinen erst nach so langer Zeit, daſs durch eine zweite
Person, bei der auch erst ein geistiges Erfassen des Vorganges und Erkenntniſs,
was zu thun, eintreten muſs, keine wirkliche Hilfe mehr zu erwarten ist. Leider
habe ich in meiner langen Erfahrung gesehen, daſs die schweren Verunglückungen
immer ohne jeden Laut erlitten werden.
„Es sollte einmal aufhören, daſs bei den Behörden der Eindruck hervorgerufen
wird, als ob wir Fabrikanten nur durch Geistesträgheit oder Böswilligkeit daran
verhindert würden, so einfache Vorrichtungen anzubringen. Ich hatte noch keine
Gelegenheit, die Ausstellung zu sehen, aber bei allen Erörterungen über
Unfallverhütung, die mir zu Gesicht gekommen sind, ist der oben geschilderte
Vorgang im menschlichen Körper auſser Beachtung geblieben.
„Auch die Vorschrift, daſs keine Maschine schneller gehen dürfe, als die
Nerventransmission im Körper leitet, würde nichts helfen, weil eben diese bei
fast allen Menschen verschieden ist, und sogar bei ein und demselben Individuum
zu verschiedenen Zeiten um bedeutende Maſse schwankt.“
Hierauf antwortet nun Herr Füllner:
„... Ich bin sehr zufrieden, wenn ich mit meinen Schutzmaſsregeln erreicht habe,
daſs manche Unfälle unmöglich werden und augenblickliches Stillstehen der
Maschine von jedem Punkte aus möglich ist, wenn trotz aller sonstigen
Unfallverhütungsmaſsregeln ein Unglück eintritt und der Schmerz zum Bewuſstsein
kommt. Nach Herrn Dr. Bock's Meinung muſs man sich
nach eingetretenem Unglücke in das Unvermeidliche fügen und es dem Zufalle
überlassen, wie groſs das Unglück wird.
„So wie mich im Eisenbahnwagen das Gefühl beruhigt, den Hebel der Carpenterbremse
zur Hand zu haben, ohne daſs ich dadurch jedes Unglück ganz abwenden kann, so
wird manchen Papierfabrikanten – allen kann man es nicht recht machen – das
Gefühl beruhigen, im Augenblicke und an jeder Stelle der Papiermaschine deren
Herr zu sein.
„Geistesträgheit oder Böswilligkeit der Fabrikanten sind sicher nicht schuld,
wenn manche Unfallverhütungsvorrichtungen nicht angebracht werden. Vor allem
muſs man die Unfallverhütungsvorrichtungen, auch wenn solche nachher noch so
einfach erscheinen, kennen lernen, und dazu ist die Deutsche Allgemeine
Ausstellung für Unfallverhütung ins Leben gerufen worden.“
(Fortsetzung folgt.)