Titel: | Zur Technologie des Glases. |
Fundstelle: | Band 273, Jahrgang 1889, S. 83 |
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Zur Technologie des Glases.
(Fortsetzung des Berichtes S. 37 d.
Bd.)
Zur Technologie des Glases.
Untersuchungen über die Löslichkeit von Glas in Wasser
wurden von F. Mylius und F. Foerster ausgeführt.
Zunächst wurde die Einwirkung von Wasser auf Natron- und Kaliwasserglas studirt.
18g,5 Natronwasserglas
wurden als grobes Pulver 9 Tage lang unter häufigem Umschütteln mit 70cc Wasser von 20° C. in Berührung gelassen. Die
entstandene Lösung enthielt in 60cc 0g,045 Natron (Na2O) und 0g,014 Kieselsäure (SiO2). Mithin hatten sich nur 0,37 Proc. des Glases
gelöst. Als bei derselben Glasmenge die Behandlung mit Wasser 3 Monate dauerte,
betrug das in Lösung gegangene 0,81 Proc. des Glases. Bei diesen Versuchen betrug
die wirkende Oberfläche des Glases mindestens 8qm.
Nach der Analyse kamen im Wasserglase auf je 1 Mol. Na2O 3,2 Mol. SiO2, die in Lösung gegangene
Substanz betrug aber im ersten Versuche auf 1 Mol. Na2O 0,32 Mol. SiO2, im zweiten 0,55 Mol.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daſs das Natronwasserglas als solches im Wasser unlöslich sei. Der in Lösung gegangene Theil des
Glases ist an Alkali viel reicher als der Rückstand. Der Rückstand der Extraction
von fein gepulvertem Glase mit viel Wasser war Kieselsäure und enthielt etwa 1 Proc.
Na2O, und an der Luft aufbewahrt 25 Proc. H2O, wovon die Hälfte durch Stehen über Schwefelsäure
entzogen werden konnte, der Rest beim Glühen entwich.
Aus diesen und ähnlichen Versuchen geht hervor, daſs der Gebrauch der atomistischen
Formel Na2Si4O9 für Natronwasserglas unstatthaft ist.
Nach Ebell's Versuchen (1878 228 47 und 160) bedarf 1 Mol. Na2O etwa
2,5 Mol. SiO2 zur Sättigung, und die überschüssige
Kieselsäure ist im Glase als solche vorhanden. Man kann aber leicht zeigen, daſs aus
einem Glase, welches weniger als 2,5 Mol. SiO2
enthält, sich solche durch Wasser abscheidet, was gegen Ebell's Annahme spricht.
Durch Auflösen von Kieselsäure in Natronlauge, Eindampfen und kurzes Glühen des
Rückstandes wurde eine ungeschmolzene, bimssteinartige Masse erhalten, die durch
passende Behandlung mit Wasser in 4 Fractionen von folgender Zusammensetzung zu
spalten war:
Angewendete Menge: 2g,5.
Es enthielten
Na2O
SiO2
das ursprüngliche Material
34,07 Proc.
65,93 Proc.
Fraction I
88,13
11,87
„ II
41,64
58,33
„ III
30,31
69,69
„ IV
3,1
96,7
Fraction I war durch 5 Minuten dauernde Behandlung der zerriebenen Substanz mit
kaltem Wasser, Fraction II durch Waschen mit heiſsem Wasser, Fraction III durch
viertelstündiges Kochen mit Wasser erhalten worden, während Fraction IV 0g,5 im Rückstande blieb. Die Natriumverbindungen
der Kieselsäure werden also nach der Formelgleichung
Na2O(SiO2)x + H2O = 2NaHO + xSiO2
zersetzt. (Hierbei bedeutet SiO2 die ungelöste Kieselsäure ohne Rücksicht auf den Wassergehalt.)
Es gelang niemals, die Lösung ganz frei von Kieselsäure zu erhalten. Die Auflösung
der letzteren wird durch eine secundäre Wirkung des freien Alkalis bewirkt, die
vielleicht in einer Uebertragung von Wasser an die Kieselsäure besteht. Damit im
Widerspruche scheint der Umstand zu stehen, daſs aus Lösungen von Wasserglas
wohldefinirte Silicate des Natriums (Na2SiO3 + 10H2O und Na2Si4O9 + 12H2O) erhalten
werden können. Dieser Widerspruch löst sich bei der Betrachtung, daſs nach neueren
Ansichten die Hydrate von Natron und Kieselsäure in einer Lösung neben einander
vorhanden sein können, ohne zu einem Salze vereinigt zu sein. Auch ist es
wahrscheinlich, daſs die aus wässerigen Lösungen der Kieselsäure erhaltenen Salze
Additionsverbindungen jener Hydrate sind, worin also das sogen. Krystallwasser als
Hydratwasser auf das Natron und auf die Kieselsäure zu vertheilen wäre.
Kaliwasserglas. Gemäſs seiner stärkeren Affinität ist
die hydratisirende Wirkung des Kalis auf SiO2
gröſser als die des Natrons. Durch Schütteln von geglühter Kieselsäure mit
äquivalenten Mengen von Kali- und Natronlauge von verschiedener Concentration würde
dies gezeigt. So wurden von einer zweifach normalen Kalilösung 2g,5 SiO2 in Lösung
gebracht, von der äquivalenten Natronlösung nur 0g,66. Daraus ergibt sich auch, daſs das Kaliwässerglas viel leichter löslich
ist als das Natronwasserglas, andererseits, daſs man aus ersterem bei weitem
schwerer die Kieselsäure abscheiden kann, als aus letzterem.
Die groſse Verwandtschaft des Kaliwasserglases zum Wasser geht auch aus der
bedeutenden Wärmeentwickelung bei geeigneter Berührung hervor; so stieg die
Temperatur einer Mischung von 50g Wasserglas mit
wenig Wasser von 18 auf 32° C.
Die Eigenschaft des Kali Wasserglases, durch Aufnahme von Wasser zu einer viscosen
Lösung und bei Zusatz von wenig Wasser zu einer festen Gallerte aufzuquellen,
erklärt auch das mörtelartige Erhärten desselben unter Wasser. Die Theilchen des
pulverförmigen Glases werden durch das Quellungsproduct innig verkittet und man
erhält in 2 Tagen eine steinharte, glasige Masse, deren Wassergehalt (bis zu 50
Proc.) beim starken Erhitzen unter Aufschäumen entweicht. Diese Erscheinungen treten
bei Natronwasserglas in weitaus geringerem Maſse auf.
Die Erscheinung, daſs Kaligläser eine gröſsere Verwandtschaft zum Wasser haben als
Natrongläser, findet sich selbst bei kalkhaltigen Gläsern des Handels vor; O. Schott (Zeitschrift für Instrumentenkunde, Bd. 9 S.
86) hat darauf hingewiesen, daſs bei derartigen Gläsern nach einiger Zeit eine
wasserhaltige Oberflächenschicht entsteht, welche die Haltbarkeit derselben
wesentlich vermindert (vgl. diesen Bericht weiter oben). Dieselbe kann erst durch
Erwärmen entdeckt werden, indem sie sich durch die Erscheinung des Abblätterns
leicht verräth (vgl. auch Geuther, Wagner's Jahresbericht, 1869 S. 166. Splittgerber, 1861 159 158. Vogel und Reischauer, 1859 152 181. R. Weber, Wiedemann's Annalen, Bd. 6 S. 431).
Die Löslichkeit der Natrongläser verglichen mit derjenigen
der Kaligläser, Wie Schott gezeigt hat, sind
die Kaligläser weniger widerstandsfähig als die
Natrongläser. Um einen ziffernmäſsigen Nachweis der Unterschiede in der Löslichkeit
der Gläser zu bringen, wurden folgende Gläser verschmolzen:
I.
2K2O, 6SiO2
II.
2Na2O,
6SiO2
III.
1¾ K2O ¼ CaO
6SiO2
IV.
1¾ K2O ¼ CaO
6SiO2
V.
1½ K2O ½ CaO
6SiO2
VI.
1½ Na2O ½ CaO
6SiO2
VII.
1¼ K2O ¾ CaO
6SiO2
VIII.
1¼ Na2O ¾ CaO
6SiO2
IX.
1K2O1CaO
6SiO2
X.
1Na2O1CaO
6SiO2
Um dem Glase eine möglichst groſse, aber doch annähernd meſsbare Oberfläche zu geben,
wurde das grobe Pulver durch 2 Siebe, von denen das eine 72, das andere 121 Maschen
auf den Quadratcentimeter hatte, auf ein bestimmtes Korn gebracht. Gleiche Volumina
der verschiedenen Gläser entsprechen dann annähernd gleichen Oberflächen. Die
Gesammtoberfläche der Glasfragmente wurde unter Annahme der Kugelgestalt zu 763qcm berechnet.
Als Maſs für die angewendete Menge der Glasfragmente diente das Volumen von 20g Jenaer Thermometerglas. Diese Mengen wurden in
einem Kolben aus Platinblech 5 Stunden lang mit 70cc Wasser von 100° C. erhitzt; der Platinkolben, welcher in ein siedendes
Wasserbad tauchte, war dabei mit einem kleinen Rückfluſskühler aus Platin und zum Schütze gegen die
Luft mit einem Liebig'schen Kaliapparat verbunden. Nach
dem Abkühlen wurde die Lösung filtrirt und in 60cc
des Filtrates die gelösten Bestandtheile bestimmt.
Die Bestimmung der Löslichkeit nach dieser Methode gibt nur annähernde Werthe; die
Hauptfehlerquelle sind die Schwankungen der Oberflächengröſse. Die Zahl der
Fragmente in einem bestimmten Volumen wurde festgestellt, und dafür Sorge getragen,
daſs ein bestimmtes Volumen Glas immer eine bestimmte Anzahl von Fragmenten enthält,
wodurch der genannte Fehler auf ein kleineres Maſs reducirt wird.
Die Wassergläser hatten sich nur theilweise gelöst, und an Stelle der Glasfragmente
befand sich nach dem Erkalten eine amorphe Masse. Von den anderen Gläsern verhielt
sich bloſs das Glas III den Wassergläsern ähnlich.
Nr.
Molekularformel
AngewandteMenge
Anzahl derKörner in 1 ccm
Summedes Gelöstenin 1 mg
SiO2 in mg
K2O in mg
Na2O in mg
Alkalisaurestoffin mg
Auf 1 Mol. SiO2kommen Mol.Alkali
I.
6SiO2, 2K2O
18,824
7300
6624
4246,8
2377,2
–
404,61
0,36
II.
6SiO2, 2Na2O
18,979
7492
2987
2144,7
–
842,4
217,3
0,38
III.
6SiO2, 1¾ K2O, ¼ CaO
18,948
7420
4674
2997,6
1675,8
–
285,2
0,36
IV.
6SiO2, 1¾ Na2O, ¼ CaO
18,979
7510
507,6
303,9
–
202,8
52,3
0,64
V.
6SiO2, 1½ K2O, ½ CaO
19,002
7595
223,5
65,1
158,4
–
26,9
1,56
VI.
6SiO2, 1½ Na2O, ½ CaO
19,118
7333
42,4
8,1
–
34,3
8,9
4,1
VII.
6SiO2, 1½ K2O, ¾ CaO
19,072
7624
32,1
5,4
26,69
–
4,5
3,15
VIII.
6SiO2, 1¼ Na2O, ¾CaO
19,257
7620
17,4
5,9
–
11,5
2,9
1,9
IX.
6SiO2, 1K2O, 1CaO
19,125
7424
9,5
3,5
5,99
–
1,0
1,1
X.
6SiO2, 1Na2O, 1CaO
19,381
7500
7,4
3,2
–
4,19
1,1
1,27
Aus nebenstehender Tabelle geht zunächst die bekannte Thatsache hervor, daſs die
Löslichkeit der Gläser in schneller Weise mit dem zunehmenden Kalkgehalte abnimmt.
Wichtiger ist das Ergebniſs, daſs die Natrongläser gegen den Einfluſs des Wassers
widerstandsfähiger sind als die Kaligläser. Die Beobachtung zeigt jedoch, daſs der
Unterschied um so mehr verschwindet, je kalkreicher die Gläser werden. Die
Beobachtungen der Verfasser stehen hier mit denen von F.
Schwarz in Uebereinstimmung, welcher fand, daſs es für die Angreifbarkeit
der Gläser von der Formel RI2O, RIIO, 6SiO2 ohne Belang sei, ob sie Kali oder Natron
enthalten.
Beachtenswerth ist das Verhältniſs des in Lösung gegangenen Alkalis. Während die
Lösung I und II auf 6 Mol. SiO2 etwa 2 Mol. Alkali
enthält, steigt das Alkali gegenüber der Kieselsäure, je mehr Kalk dem Glase
zugefügt und je mehr Alkali ihm entzogen wird, um in der Natronreihe bei dem Glase
von der Formel 1½Na2O, ½CaO, 6SiO2 und in der Kalireihe bei demjenigen der Formel
1¼K2O, ¾CaO, 6SiO2 ein Maximum zu erreichen. Bei diesen Gläsern gingen nämlich auf 6 Mol.
SiO2 24,6 bezieh. 18,9 Mol. Alkali in Lösung.
Die Verfasser schlieſsen daraus, daſs der Kalk anfangs einen erheblichen Antheil SiO2 gebunden enthält; bei
gröſserem Zusätze von Kalk wirkt dieser auch auf das Alkali bindend, mithin
sind in guten Gläsern Doppelverbindungen von Alkali-Kalksilicaten wirksam, wie auch
gewöhnlich angenommen wird.
Vergleichende Bestimmungen der Löslichkeit von Glassorten des Handels sind schon öfter angestellt
worden (vgl. z.B. 27. Schwarz, Verhandlungen des Vereins zur
Beförderung des Gewerbefleiſses, 1887 S. 204). Man verwendete dazu Kolben
oder Röhren. Verfasser haben nun die oben beschriebene Methode zur Bestimmung der
Löslichkeit von Glassorten des Handels benutzt, und ihre Versuchsresultate in 2
Tabellen zusammengestellt. Tabelle I gibt die Löslichkeit verschiedener Glassorten
an, II ihre Zusammensetzung (M bedeutet: Mylius, F: Foerster als Beobachter).
I.
Nr.
Glassorten
Spec. Gew.
An-gewundteMenge
Zahlder Körnerin 1 cm
Summe desGelöstenin mg
SiO2 in mg
K2O in mg
Na2O in mg
Alkalisauer-stoff in mg
1.
Gelbes, alkalireiches Glas
M.
2,514
19,451
–
249
80,0
160,0
195,0
43,6
2.
Schlechtes Thüringer Glas
F.
2,472
19,125
7497
91,4
14,3
18,1
59,0
18,4
3.
Glas von Tittel und Comp. in Geiersthal
M.
2,495
19,304
7601
30,4
8,7
7,8
13,9
4,92
4.
Flaschenglas von Schilling in Gehlberg
F.
2,466
19,079
7666
10,4
4,3
1,76
4,39
1,43
5.
Böhm. Glas von Kavalier
M.
2,387
18,468
7686
10,1
5,6
4,5
–
0,77
6.
Rheinisches Fensterglas
F.
2,451
18,963
7612
9,4
4,5
–
4,87
1,26
7.
Bleikryst. aus Ehrenfeld
M.
3,043
23,543
7525
8,5
2,1
6,4
–
1,09
8.
Grünes Flaschenglas aus Charlottenburg
M.
2,606
20,162
7200
6,5
3,7
–
2,76
0,71
9.
Thermometerglas 16III aus
Jena
F.
2,585
20,000
7330
5,4
2,0
–
3,39
0,87
10.
Bleiglas Nr. 483 aus Jena
M.
3,596
27,814
7156
3,3
1,9
1,4
–
0,24
11.
Bleisilicat
M.
6,336
49,021
–
0,6
0,6
–
–
–
II.
Nr.
SiO2
Al2O3Fe2O3
MnO
ZnO
PbO
CaO
MgO
K2O
Na2O
As2O3
B2O3
S
1.
60,94
1,77
3,90
–
–
5,42
0,05
13,3
15,4
–
–
0,22
2.
69,9
2,95
0,40
–
–
3,72
0,08
6,6
16,5
–
–
–
3.
71,5
0,4
0,2
–
–
6,7
0,2
7,1
14,3
–
–
–
4.
75,2
0,7
–
–
–
8,3
Spur
4,2
11,9
–
–
–
5.
78,3
0,5
–
–
–
6,8
–
13,3
1,4
–
–
–
6.
71,2
1,6
–
–
–
13,4
–
–
13,5
–
–
–
7.
56,0
–
–
–
31,2
–
0,06
12,1
0,6
–
–
–
8.
63,5
4,9
2,9
–
–
14,0
3,9
1,3
9,5
–
–
–
9.
67,5
2,5
–
7,0
–
7,0
–
–
14,0
–
2,0
–
10.
44,7
0,5
0,05
–
47,0
–
–
7,3
0,2
0,2
–
–
11.
21,7
–
–
–
78
–
–
–
–
–
–
–
Die Glassorten sind in der vorstehenden Tabelle nach dem Gewichtsverluste geordnet,
den sie durch heiſses Wasser erleiden; diese schwanken auſserordentlich stark,
zwischen 0,6 und 250mg. Das Glas von Tittel und Comp. ist für Glasbläserversuche noch
brauchbar, dagegen die
voranstehenden nicht mehr und es würde ein groſser Gewinn sein, wenn solche Gläser
aus dem Handel verschwinden würden. Glas Nr. 2 ist nach kurzer Zeit mit einer
Schicht von Na2CO3
bedeckt. Die Gläser 1 und 2 waren, abgesehen von Carbonaten und Sulfaten, mit einer
verwitterten Oberflächenschicht von 1/50mm bedeckt, die
sich bei schwachem Erwärmen oder beim Liegen über Schwefelsäure abblätterte.
Die Flintgläser sind gegen reines Wasser sehr widerstandsfähig, was bemerkenswerth,
da sie von Alkalien wie von Säuren leicht zersetzt werden. – Obenstehende
Zahlenreihe bezieht sich auf fünfstündiges Behandeln der Glassorten mit heiſsem Wasser; gegen kaltes Wasser verhalten sich die
Glassorten ähnlich, wenn auch mit kleinen Abweichungen, wie durch Prüfung mit Eosin
(siehe diesen Bericht weiter oben) gezeigt wurde. Durch vorliegende Abhandlung ist
auch eine frühere Ansicht, daſs die Bestandtheile des Glases bei der Behandlung mit
Wasser in demselben Verhältnisse in Lösung gehen, in welchem sie im Glase selbst
enthalten sind, widerlegt. Die Ergebnisse der Versuche lassen sich in folgende Sätze
zusammenfassen:
1) Wasserglas zersetzt sich mit Wasser in freies Alkali und Kieselsäure, von welcher
ein Theil, je nach Zeit, Concentration und Temperatur, durch Alkali hydratisirt und
dadurch gelöst wird.
2) Die Kaligläser sind bei Weitem löslicher als die Natrongläser, die Unterschiede
verschwinden aber in dem Maſse, als die Gläser reicher an Kalk werden.
3) Natron und Kali werden im Glase sowohl durch Kieselsäure als durch Kalk gebunden.
Die Widerstandsfähigkeit von Glas gegen Wasser wird durch das Vorhandensein von
Doppelsilicaten von Kalk und Natron oder Kali bedingt.
4) In heiſsem Wasser sind von allen bekannten Glassorten die bleihaltigen Flintgläser
am wenigsten löslich.
5) Die relative Angreifbarkeit der Gläser durch heiſses Wasser ist von derjenigen
durch kaltes Wasser verschieden (Berichte der deutschen
chemischen Gesellschaft, Bd. 22 S. 1092).
E. Hussak und Schumacher untersuchten das Kalksilicat des Glases und der Glasuren (Sprechsaal,
1888 S. 881). Als Lösungsmittel diente ein Glas von der Zusammensetzung 3Na2O.SiO2 und 2CaOB2O3, in welches
Calciumsilicat CaSiO3 eingeführt wurde. – Das Glas
\left\{
{3\,\mbox{Na}_2\mbox{O\,.\,SiO}_2}\atop{2\,\mbox{CaO\,.\,B}_2\mbox{O}_3}
\right. schmolz vollkommen klar und zeigte sich nach dem Erkalten frei
von Ausscheidungen. Das Glas \mbox{CaSiO}_2\left\{
{3\,\mbox{Na}_2\mbox{O\,.\,SiO}_2}\atop{2\,\mbox{CaO\,.\,B}_2\mbox{O}_3}
\right. schmolz zu reinem Glase, ist jedoch stellenweise reich an
Bläschen und erfüllt von zahlreichen Sprüngen. An Stellen, wo eine ganz dünne
Glashaut über der Tiegelwandung sich hinzieht, bemerkt man jedoch schon einzelne
säulenförmige, farblose Kryställchen. Die dritte Probe
2\,\mbox{CaO\,.\,SiO}_2\left\{
{3\,\mbox{Na}_2\mbox{O\,.\,SiO}_2}\atop{2\,\mbox{CaO\,.\,B}_2\mbox{O}_3}
\right.
zeigte in reinem Glase
schon zahlreiche Ausscheidungen, vereinzelte, sich öfter durchkreuzende farblose
Stäbchen, die auch oft zu radial-strahligen Kügelchen aggregirt, besonders häufig
auf der Oberfläche des Glases sich vorfinden. – Die Mischung
3\,\mbox{CaO\,.\,SiO}_2\left\{
{3\,\mbox{Na}_2\mbox{O\,.\,SiO}_2}\atop{2\,\mbox{CaO\,.\,B}_2\mbox{O}_3}
\right. erstarrte jedoch, wenigstens an der Oberfläche, fast
vollkommen krystallinisch, die mikroskopische Untersuchung zeigte aber die
Anwesenheit von Lösungsmittel. Die Oberfläche der Schmelzmasse ist blasig und in die
einzelnen Hohlräume ragen die Kryställchen spieſsig hinein. Die auf diese Weise
ausgeschiedenen Krystalle wurden als Wollastonit erkannt. Neben dem monoklinen
Kalksilicat CaSiO3 wurde auch hexagonales
Kalksilicat bemerkt, und es ist wahrscheinlich, daſs letzteres bei zunehmender
Concentration ausschlieſslich aufgetreten wäre. Das Silicat CaSiO3 für sich allein geschmolzen erstarrt immer in
hexagonaler Form; es läſst sich, wie die Versuche zeigen, in Wollastonitform auf
schmelzflüssigem Wege ohne Anwendung von Wasserdämpfen oder irgend welchen
Aenderungen der Abkühlungsweise aus Gläsern zur Ausscheidung bringen, worauf auch
das Vorkommen des Wollastonits in den Hochofenschlacken hinweist.
Eine interessante Untersuchung über sphärolithische
Entglasungsproducte hat Dr. E. Hussak in Bonn
ausgeführt (Sprechsaal, Bd. 21 S. 221). Die
besprochenen Sphärolithe stammten aus der Siemens'schen
Glashütte in Elbogen, und hatten sich am Boden der Glaswannen, sowohl aus braunem,
wie aus grünem Glase ausgeschieden. Es sind solche Ausscheidungen bis zu 10cm Durchmesser beobachtet worden, und finden sich
theils einzeln, theils in Gruppen zu gröſseren Klumpen vereinigt. Die kleineren, 1
bis 3cm im Durchmesser groſs, sind aus höchst
feinen, radial gestellten, farblosen, grünlich oder röthlichen (vom Mn-Gehalte)
Fasern aufgebaut, die oft einen Schiller, ganz ähnlich dem der sogen. Katzenaugen,
zeigen. Der Kern zeigt sich mehr krystallinisch als die Rinde. Die chemische
Analyse, von A. Haslam ausgeführt, ergab die in
nebenstehender Tabelle zusammengestellten Werthe. Unter I ist das aus zwei Analysen
gezogene Mittel von der Glaszusammensetzung II das Mittel der zwei
Sphärolithanalysen.
I
II
SiO2
63,24
61,00
Al2O3
9,84
16,79
Fe2O3
4,17
6,70
MnO
10,48
3,61
CaO
4,47
3,88
MgO
0,31
–
K2O
0,97
0,74
Na2O
5,16
7,62
Glühverlust
0,15
0,06
––––
––––
Summe
98,795
100,41
spec. Gewicht
2,637
KernRinde
2,6872,701
Stellt man die Molekularverhältnisse der Gläser und der Sphärolithe gegenüber:
Glas
Sphärolith
SiO2
1,06827
1,01387
Al2O3 + Fe2O3
0,12420
0,20584
K2O
0,01039
0,00789
N2O
0,08431
0,12250
so ist das Verhältniſs von K2O
: Na2O = 1 : 8 im Glase, dagegen im Sphärolithen
annähernd wie 1 : 16. Das Kali hat sich im Glase concentrirt, während das Natron und
die Thonerde sich als oligoklasähnliches Silicat ausgeschieden haben. Diese
Thatsachen stehen im Einklänge mit den Beobachtungen von A.
Lagorio über die natürlichen Sphärolithe (Tschermak's Mineralogische und Petrographische
Mittheilungen, Bd. 8 N. F. S. 440).
Prof. Fr. Knapp gibt einen sehr interessanten Beitrag
zur Kenntniſs getrübter Gläser in der Chemiker-Zeitung,
Bd. 8 S. 388 (vgl. Weinreb, 1885 256 361, Zsigmondy, 1889 271 36 und Tedesco, 1889 271 425). Die mitgetheilten Beobachtungen wurden schon
vor Jahren gemacht. Norweger Feldspath, im Porzellanofen geschmolzen, gab eine
unansehnliche, undurchsichtige, aber auch keineswegs dem Milch- oder Alabasterglase
ähnliche Schmelze. Schon bei schwacher Vergröſserung unter dem Mikroskope gibt sie
sich als ein feinblasiger Schaum aus völlig klarem Glase zu erkennen. Offenbar
absorbirt das schmelzende Mineral im feurigen Flusse Gase, die beim Erkalten erst
spät, erst bei schon vorgeschrittener Dickflüssigkeit, und darum unvollkommen
entweichen.
Anders erschien das Schmelzproduct, als man den Feldspath mit Zusatz von Kalk, und
zwar in steigendem Gewichtsverhältnisse, schmolz. Bei dem kleinsten Kalkzusatze zu
dem Feldspath entstand ein vollkommen farbloses, blasenfreies Glas mit lebhaftem
Glänze und schönstem Spiegel der glatt geflossenen Oberfläche. – Mit einem stärkeren
Zusätze von Kalk erhielt man Schmelzen von gleichem Spiegel und Glänze, aber mit
einer zarten, lichten, in Blau spielenden Trübung, ein Opalglas, dessen schönes,
höchst ansprechendes, schon dem natürlichen Opal nahe kommendes Ansehen hohen
Beifall fand. – Mit nochmals gesteigertem Kalkzusatze gab die Schmelze ein
vollkommenes Milchglas, undurchsichtig, ohne Opalisiren, aber mit gutem Glänze und
Spiegel. – Diese Versuche stellen auſser Zweifel, daſs eine milchige Trübung auch
ohne Zusatz von Phosphaten und Fluorverbindungen im Glase auftreten kann.
Im Sprechsaal, Bd. 21 S. 394 und 414, finden sich einige
Vorschriften zur Entfärbung von durch Eisen grünlich gefärbtem Glase; Braunstein
allein, der von Agricola schon 1530 in seiner Wirkung
auf Glas besprochen wurde, ist nicht genug zuverlässig, da die röthliche Farbe
seines Silicates durch reducirende Einflüsse zu leicht zerstört wird. Mit Mangan
allein entfärbte Gläser nehmen an der Sonne leicht einen gelben Stich an. Sehr geringe Mengen
von Kobaltoxyd schwächen die Farbe ab und sind als Zusatz anzurathen. Die besten
Resultate ergibt der Zusatz von Nickeloxydul. Ein Gemenge von 68 Th. Pyrolusit, 23
Th. grünem Nickeloxydul und 2,8 Th. Kobaltoxyd gibt einem stark grünen halbweiſsen
Glase, in geeigneter Menge (diese muſs durch Versuch festgestellt werden) zugesetzt,
ein sehr brauchbares weiſses Glas. Der Nickelfärbung ist ein schwacher Stich ins
Graue eigenthümlich. Antimon wirkt nicht farbenverändernd.
Das Thüringer Glas hat bekanntlich die vorzügliche
Eigenschaft, sich wiederholt bis zum Erweichen erwärmen zu lassen, ohne zu
entglasen. Dr. Schott fand durch Untersuchung des für
die Herstellung von Thüringer Glas verwendeten Sandes, daſs der hohe Aluminiumgehalt
die Ursache dieser Beständigkeit sei. Ein in der Hütte aus solchem Sande
geschmolzenes Thüringer Glas zeigte folgende Zusammensetzung:
SiO2
67,7
Proc.
Al2O3
3,0
„
Fe2O3
0,4
„
CaO
7,4
„
MgO
0,3
„
Mn2O3
0,5
„
K2O
3,4
„
Na2O
16,0
„
As2O5
0,24
„
Durch Zusatz von Thonerde zu Glassorten, die sich vor der Lampe nicht verarbeiten
lassen, wurden diesem Zwecke entsprechende Gläser erschmolzen. Die Thonerde scheint
die Neigung der Gläser, zu krystallisiren, abzuschwächen (Sprechsaal, Bd. 21 S. 125).
Um die Stellung zu charakterisiren, welche die Thonerde in
der Zusammensetzung des Glases einnimmt, hat A.
Frank viele Gläser analysirt und die Analysen jener Gläser, deren
Widerstandsfähigkeit durch langen Gebrauch erwiesen war, besonders hervorgehoben.
Die Analysen einiger widerstandsfähiger Flaschengläser ist in Folgendem
zusammengestellt:
I
II
III
IV
V
SiO2
60,4
56,7
57,3
57,4
56,7
Al2O3
8,1
9,7
10,5
10,6
10,3
Fe2O3
1,2
1,4
1,3
2,3
1,3
MnO
–
–
–
–
7,5
CaO
23,4
24,3
24,4
23,9
13,9
MgO
1,1
0,5
1,5
0,4
–
Na2O
5,7
7,3
4,9
5,4
10,4
Verhältniſs von CaO, Na2O und MnO zu SiO2 wie
1 : 1,85
1 : 1,67
1 : 1,72
1 : 1,82
1 : 18
Nr. I ist das grüne Glas einer Champagnerflasche, Clicquot Veuve, also einem Glase
entnommen, an das in chemischer, wie in mechanischer Hinsicht groſse Anforderungen
gestellt werden, da es wechselndem Drucke, sowie der Einwirkung von Kohlensäure und
organischen Säuren
dauernd Widerstand leisten muſs. – Nr. II und III, grün gefärbt – eine Burgunder-
und Pouilloc-Flasche, war nachweislich lange auf dem Lager gewesen. Nr. IV hatte
lange Zeit der Einwirkung von Alkalicarbonaten widerstanden. Nr. V war eine sehr
gute Rheinweinflasche von braunem Siemens'schen Glase.
Während für gutes Alkalikalkglas das Verhältniſs von Kieselsäure zu Basen = 3 : 1
gefordert wird, ist hier das Verhältniſs =1 : 1,8. Verfasser schlieſst daraus, daſs
die Thonerde in den Gläsern die Rolle einer Säure spielt, was ja auch mit anderen
Beobachtungen übereinstimmt. Die Erfahrung lehrt, daſs Thonerde haltige Gläser viel
Kalk erfordern, um blank zu schmelzen. Als Beweis gibt Verfasser die Analyse zweier
Glasschichten, die sich bei Benutzung von Porphyr gebildet hatten; die obere A war
undurchsichtig, lavaartig, die untere B ein gutes Glas
A
B
SiO2
61,4
63,3
Al2O3
5,1
1,2
Fe2O3
3,0
2,5
MnO
4,4
5,2
CaO
14,5
14,8
MgO
0,7
1,2
Alkalien
10,8
11,8
Durch Zusatz von Kalk verschwanden die beiden Schichten, und man erhielt blanke,
gleichmäſsige Schmelzen (Diamant, Bd. 11 Nr. 6).
C. Barus und V. Strouhal
haben Glasthränen mit verdünnter Fluſssäure behandelt
und gefunden, daſs die Theilchen der Glasthräne schon einen gewissen Zusammenhalt
zeigen, wenn man auf diese Weise eine Schichte von 0qm,03 ablöst, dagegen die Neigung zum Explodiren ganz verschwindet, wenn
die abgelöste Schicht 0mm,5 ausmacht (Sprechsaal, Bd. 21 S. 307).
Herrn Direktor O. Rauter ist es gelungen, massives Goldrubinglas herzustellen, eine Kunst, die
trotz zahlreicher Versuche seit Kunkel's Zeit verloren
gegangen ist. Derartige rothe Gläser sind von der Rheinischen Glashütten-Actiengesellschaft in mehreren Ausstellungen
exponirt worden. Die Erfindung hat Herrn Rauter mehrere
gehässige Angriffe zugezogen, auch wurde die Priorität der Erfindung bestritten (Sprechsaal, 1887, auch Centralblatt der Keramik und Glasindustrie).