Ueber die Sulfurirung von primären, secundären
und tertiären Rosanilinbasen; von Dr. Otto Mühlhäuser.Mühlhäuser, über die Sulfurirung von Rosanilinbasen.Rosanilinbasen bezieh. deren Salze geben bei der kalten oder warmen Behandlung mit
Schwefelsäure, mit Schwefelsäureanhydrid, mit Schwefelsäurechlorhydrin oder mit
Substanzen, welche diese sulfonirend wirkenden Agentien während des Mischens der
Ingredienzien entstehen lassen, Rosanilinsulfosäuren.Schwierig sulfonirbar sind im Allgemeinen Rosanilinbasen mit einer oder mehreren
NH2-Gruppen, dann auch alle N-fettalkylirten
Rosaniline. Leicht sulfonirbar sind Phenyl- und Benzylrosaniline von secundärem oder
tertiärem bezieh. gemischt secundärem und tertiärem Charakter. Man schlieſst daraus,
daſs die Phenyl- und Benzylgruppen die Träger der Sulfogruppen sind.Zur Sulfonirung von Rosanilinen sind in Vorschlag gebracht worden:1) SO4H2:a) Wasser haltig als 66° Schwefelsäure (Nicholson1)Französisches Patent vom 10. Juli 1862.).b) als Monohydrat in Form einer Mischung von (englischer)
Schwefelsäure mit glasiger Metaphosphorsäure im Verhältnisse 2 : 1) (Kalk und Comp.2)D. R. P. Nr. 19721 vom 20. November 1881.),c) mit Rosanilin versalzt als Bisulfat (Kalk und Comp.3)D. R. P. Nr. 19715 vom 8. September 1881.).2) SO3:a) als reines Schwefelsäureanhydrid (H.
Caro4)Amerikanisches Patent Nr. 250201, 244703 und Nr. 240797, vgl. auch Nr.
2096 vom 16. December 1877.),b) mit SO4H2 gemischt (Monnet und
Dury5)Französisches Patent vom 7. August 1862. und H. Caro6)Amerik. Patent Nr. 250201, vgl. auch D. R. P. Nr. 2096 vom 16. Dec.
1877.),c) in Form einer Mischung von Schwefelsäure und Na2S2O7 (Meister, Lucius und
Brüning7)D. R. P. Nr. 46397 vom 7. December 1880.),d) in Form von Aethionsäureanhydrid C2H4SO3
(F. Mann8)Amerikanisches Patent Nr. 262680.).3) SO3HCl:a) als reines Schwefelsäurechlorhydrin (Jacobsen9)D. R. P. Nr. 8764 vom 1. März 1879.),b) in Form von Aethionsäurechlorhydrin (Mann10)Amerikanisches Patent Nr. 262680.).Je nachdem man mit dem einen oder anderen dieser Sulfogruppen liefernden Mittel auf
ein Rosanilin, z.B. Triphenylpararosanilin, einwirkt, dürften im Sinne nachstehender
Gleichungen trisulfonirte Triphenylpararosaniline hervorgehen:
[Textabbildung Bd. 271, S. 360]
Geschichtliches.Das dem Indigo in den äuſseren Eigenschaften ähnelnde Anilinblau ist der erste
Rosanilinfarbstoflf, welcher sulfonirt wurde. E. C.
Nicholsen11)Französisches Patent vom 10. Juli 1862. hat diese Sulfurirung mit
englischer Schwefelsäure bei 40 bis 50° ausgeführt und dabei ein hochsulfonirtes
Blau in wasserlöslichem Zustande erhalten. Monnet und
Dury12)Französisches Patent vom 7. August 1862. versuchten bald darauf
die Umwandelung mit Nordhauser Vitriolöl. Aber erst Ende der 60 er Jahre gelang aus
Anilinblau und Schwefelsäure der Erhalt brauchbarer wasserlöslicher Präparate, die
je nach dem Grade der Sulfonirung als Alkali oder Wasserblau in den Handel gebracht wurden. Etwa zur
selben Zeit lernte man aus Diphenylaminblau und Methylblau13)Englisches Patent Nr. 2347 vom 4. Juli 1874. analoge Farbstoffe
darstellen. 1872 sulfurirte Bulk14)Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1872 Bd. 5 S. 421. nach der in der Technik üblichen Methode das
Triphenylrosanilin ein-, zwei-, drei- und vierfach, das Phenyläthylrosanilin und das
Diphenylrosanilin mehrfach. 1877 stellte R. Meldola
(Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1881 Bd. 14 8. 1385) aus Viridin und englischer Schwefelsäure das Alkaligrün dar.
Bis dahin war die Schwefelsäurebehandlung der nur in Alkohol löslichen Blau
lediglich wegen der Wasserlöslichmachung unternommen worden, eine Umwandelung behufs
vortheilhafter Veränderung der färbenden Eigenschaften war nicht beabsichtigt.
Obwohl man eine solche wahrnahm und die umfassendere Verwendung der Blau gerade
dieser Umänderung zuschrieb, so dachte man doch nicht daran, die Farbstoffe der
Fuchsin- und Violettfabrikation durch Ueberführung in Sulfosäuren ihrem beschränkten
Anwendungkreise zu entrücken. Erst 1877 hat H. Caro in
der Absicht, Farbsubstanzen mit ausgeprägtem Säurecharakter zu erhalten, das Fuchsin
und dessen Verwandte mit rauchender Schwefelsäure behandelt. Er erstrebte Farben,
die sich gegen die Faser in Gegenwart von Säuren oder sauren Metallsalzen ähnlich
wie die Holzfarbstoffe, die Phenolfarbstoffe, die Orseille, der Indigcarmin, die
Nitrosäuren u.s.w. verhielten. Diese sollten durch jene ersetzt werden bezieh. mit
diesen vergesellschaftet anwendbar sein. Da in der That die Rosanilinbasen den
Caro'schen Ueberlegungen gemäſs verändert und verwendbar wurden, so versuchte man
von jener Zeit ab die Umwandelung in Sulfosäuren mit jedem neu entdeckten
Farbstoffe. Dem Bestreben, basische Rosaniline durch Einführung von Sulfogruppen zu
veredeln bezieh. technisch werthvoll zu machen, verdanken die in nachstehender
Tabelle aufgezählten Versuche ihren Ursprung.
Jahrder Ent-deckungErfinderRosanilinbaseSulfurirungs-mittelLiteratur1878ActiengesellschaftfürAnilinfabrikationTetramethyldi-amidotriphenyl-carbinol u.
dessenVerwandteD. R. P. Nr. 6714 vom27. Oct. 1878.1879Meister, Luciusu. BrüningDimethyltriphe-nylpararosanilinD. R. P. Nr. 8251 vom24. Juni 1879.„Emil JacobsenRosanilinMethylirtes
Ros-anilinAethylirtes Ros-anilinPhenylirtes
Ros-anilinMethylbenzyl-PararosanilinSchwefelsäure-chlorhydrinD. R. P. Nr. 8764 vom1. März 1879.
Jahrder Ent-deckungErfinderRosanilinbaseSulfurirungs-mittelLiteratur1880J. F. EspenschiedTrimethyltriphe-nylpararosanilinD. R. P. Nr. 14621 vom 28. Dec. 1880.„ActiengesellschaftFarbwerke v.Meister, Luciusu. BrüningRosanilinSchwefelsäure-monohydrat
undNatriumpyro-sulfatD. R. P. Nr. 46397 vom 7. Dec. 1880.1881Otto FischerPararosanilinvom Typus desDimethyl-
undTetramethyl-pararosanilinssowie die Alkyl-und
Phenylsub-stitutionspro-ducte dieserFarbstoffeD. R. P. Nr. 16707 vom 1. Februar 1881, vgl. auch Ewer und
Pick (D. R. P. Nr. 31321 vom 21. Aug. 1884).„Karl OehlerRosanilinAethionsäure-anhydridAethionsäure-chorhydrinD. R. P. Nr. 19847 vom 16. August 1871 und Amerikanisches
Pa- tent Nr. 262680.„ActiengesellschaftfürAnilinfabrikationVerwandte desMalachitgrünsD. R. P. Nr. 18959 vom 21. Juli 1881.„Kalle und Comp.Rosanilin alsPararosanilin alsBisulfatBisulfatD. R. P. Nr. 19715 vom 8. Sept. 1881.„Kalle und Comp.RosanilinSchwefelsäure-monohydrat
undMetaphosphor-säureD. R. P. Nr. 19721 vom 30. Nov. 1881.1882E. NöltingNitrophenylirteRosanilinePyroschwefel-säure,
Schwefel-säurechlorhydrinMonit. scientif. Bd. 12 S. 469 und Jahresber.1882 S. 558.„R. MeldolaDiphenyldi-amidotriphenyl-carbinolSchwefelsäureChem. Soc. Journ. Bd. 41 S. 187.1883R. MeldolaTribetanaphtyl-rosanilinChemical News Bd. 47 S. 133 u. 146 u.
Ber. d.
deutsch. chem. Ges. 1883 Bd. 16 S. 964.„C. L. MüllerMethylphenyl-tetraäthylpara-rosanilinAmerikanisches Patent Nr. 353264.„C. L. MüllerBenzylphenyl-tetraäthylpara-rosanilinAmerikanisches Patent Nr. 353265.„H. Bull undC. H. MüllerBenzylphenyl-tetramethylpara-rosanilinAmerikanisches Patent Nr. 346022.1884Ewer und PickFarbstoffe vomTypus R.N(R1)2C R.N(R1)2 R.OHOHPyroschwefel-säure, Aethion-säure,
Anhydrid,SO3HClD. R. P. Nr. 31321 vom 21. Aug. 1884.1886Dahl und Comp.Mono-, Di- u. Tri-benzylrosanilinRauchendeSäureD. R. P. Nr. 37931 vom 18. Febr. 1884.
Technisches.Im Allgemeinen ist zu bemerken, daſs die Zeitdauer der Einwirkung, die einzuhaltenden
Temperaturgrenzen und die Mengenverhältnisse von dem Sulfurirungsmittel abhängen. Je
nachdem die Rosanilinbase mehr oder weniger leicht substituirbar ist nimmt man dann
gewöhnliche Schwefelsäure, rauchende Schwefelsäure oder Schwefelsäureanhydrid zur
Sulfosäurebildung. Während die Einwirkung der wasserfreien Schwefelsäure in kurzer
Zeit und ohne äuſsere Erwärmung sich vollzieht, erfordert die Verwendung der
rauchenden Säure und namentlich der gewöhnlichen Schwefelsäure längere Zeit die
Unterstützung durch Temperatursteigerung.Englische Schwefelsäure eignet sich zum Sulfoniren von secundären oder tertiären
Rosanilinbasen mit Benzyl- oder Phenylgruppen, nicht aber zur Sulfurirung von
primären Rosanilinbasen und deren fettalkylirten Abkömmlingen. Da diese wenig
concentrirte Säure in diesem Falle erst bei höherer Temperatur und unter
gleichzeitiger Zerstörung der Farbstoffe einwirkt, so sulfonirt man diese schwer
angreifbaren Basen mit rauchender Schwefelsäure oder mit Schwefelsäureanhydrid.Die Abtrennung der Sulfosäuren von unverbrauchter Schwefelsäure kann in zweierlei Art
geschehen. Man gieſst das Gemisch in Wasser, wenn wasserunlösliche oder
wasserschwerlösliche Sulfosäuren vorliegen, und trennt durch Filtration. Man
neutralisirt aber die in Wasser geschüttete Sulfuration mit Kalkmilch, wenn die
Sulfosäuren und auch deren Kalksalze wasserlöslich sind. Dann trennt man vom Gypse
und stellt aus dem Kalksalze die freie Säure oder deren Salze dar.