Titel: | Dichtung von Rohrleitungen; von Oberingenieur Paulus. |
Autor: | Paulus |
Fundstelle: | Band 271, Jahrgang 1889, S. 346 |
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Dichtung von Rohrleitungen; von Oberingenieur
Paulus.Vgl. 1888 268 341.
Mit Abbildung.
Dichtung von Rohrleitungen.
Bekanntlich entstehen sowohl bei Wasserleitungen als bei
Gasleitungen häufig Verluste durch das ungenügende
Dichthalten der zahlreichen Rohrverbindungen. Auch hat bei Gasleitungen das
Entweichen von Gas durch das Eindringen desselben in die Wohnungen schon
Menschenleben gekostet.
Es wird deshalb nicht überflüssig sein, auf eine Rohrdichtung aufmerksam zu machen,
welche sich seit nahezu 30 Jahren bei zahlreichen Wasserleitungen erprobt hat, und
sich vorzugsweise auch für Gasleitungen eignen
würde.
Bei den Rohrdichtungen sind hauptsächlich folgende Bedingungen zu erfüllen:
1) Die Dichtung muſs einfach, leicht ausführbar und möglichst wenig von der
Pünktlichkeit der Arbeiter abhängig sein.
2) Die Dilatation der Rohrleitungen muſs eine ungehinderte sein und darf die
Dichtigkeit der Verbindungen nicht beeinträchtigen.
3) Ebenso wenig dürfen zufällige Veränderungen in der wagerechten und lothrechten
Lage der Rohrleitungen durch Senkungen und sonstige Einflüsse die Dichtigkeit der
Verbindungen beeinträchtigen.
4) Die Dichtungen sollen billig herzustellen sein und also keine kostspieligen Formen
der Röhren oder kostspieligen Zuthaten erfordern.
Die Erfüllung dieser Bedingungen stellte sich der Verfasser im J. 1859, als es sich
um die Ausführung ausgedehnter Rohrleitungen auf neuen Aufschüttungen der Stationen
und für gröſsere Zuleitungen und Wasserdruckwerke der österreichischen
Südbahn-Gesellschaft handelte. Es wurden zu diesem Zwecke zahlreiche und eingehende
Untersuchungen mit verschiedenen Constructionen angestellt, deren Ergebnis die
Anwendung des nachstehenden Systemes war, welches sich auch unter den
verschiedensten Verhältnissen ausgezeichnet bewährt hat.
Dieses System besteht in der Anwendung loser Muffen, welche sich auf einfachen Röhren
ohne jeden Ansatz drehen lassen und bei dieser Drehung Dichtungsseile in die im
Inneren der Muffen eingegossenen ringförmigen Vertiefungen pressen.
Die Figur zeigt, zur Hälfte im Durchschnitt und zur Hälfte in der Ansicht, eine Muffe
auf den Enden zweier Röhren. Zu den ringförmigen Vertiefungen o der Muffen, deren Form durch Versuche richtig
gestellt wurde, führt ein Loch b für das Dichtungsseil.
Auch die richtige Lage dieses Loches wurde durch Versuche festgestellt. Der innere
Durchmesser der Muffe ist um 4mm gröſser als der
äuſsere Durchmesser der Röhren, um eine Bewegung der letzteren bei zufälligen
Veränderungen in der
Lage der Rohrleitung durch Senkungen u.s.w. zuzulassen. Die beiden Wülste der
Muffen, welche die ringförmigen Vertiefungen einschlieſsen, sind durch 10 Rippen c verbunden, welche zugleich als Angriffe für den zum
Drehen der Muffen bestimmten Schlüssel dienen.
Textabbildung Bd. 271, S. 347Die Enden der Röhren, mit je einem Loche d für
die Befestigung der Dichtungsseile, sind 2mm von
einander entfernt, um die Dilatation jeder einzelnen Röhre für sich und auſserdem
etwaige Veränderungen der Lage derselben bei Senkungen u.s.w. zuzulassen. Der
Spielraum von 2mm vergröſsert sich mit der
gröſseren Länge und dem gröſseren Durchmesser der Röhren. So wurde beispielsweise
dieser Spielraum bei Röhren von 2m,400 Länge und
158mm innerem Durchmesser auf 3mm erhöht, während unserer Zeichnung eine Länge
der Röhren von 2m bei einem inneren Durchmesser
von 80mm zu Grunde liegt.
Die zwanglose Längen- und Seitenbewegung der Röhren zwischen dem elastischen
Dichtungsmateriale verhütet auſserdem auch manche Röhrenbrüche, welche bei einer
starren Rohrverbindung eintreten können. Das Gewicht einer Röhre von 2m Länge und 80mm
innerem Durchmesser beträgt 41k und das der Muffe
2k,5, während das Gewicht einer Röhre von 2m,400 Länge und 158mm innerem Durchmesser 117k,5 und deren
Muffe 8k,75 beträgt.
Diese beiden Röhrengattungen wurden am häufigsten angewendet. Der Verfasser hat aber
auch für die Zuleitung von Wasser in die Eisenwerke von Ars an der Mosel eine lange
Röhrenleitung mit 450mm innerem Durchmesser mit
bestem Erfolge nach diesem Systeme ausführen lassen.
Röhren und Muffen werden ohne jede Appretur verwendet und nur die Guſsnähte wie bei
jedem Guſsstücke beseitigt. Die Löcher der Röhren und Muffen sind nicht gebohrt,
sondern eingegossen. Durch die einfache Form der Guſsstücke und durch das Wegfallen
jeder Appretur wird ein niederer Anschaffungspreis erzielt,
Ueber das Legen der Rohrleitungen ist zu bemerken: Die Röhren erfordern keine
besondere Unterstützung, sondern können auf jeden Boden gelegt werden, wobei nur
unterhalb der Muffen kleine Vertiefungen auszusparen sind, um beim Drehen der Muffen
die auf kurze Holzstäbe
aufgewickelten Dichtungsseile unter den Muffen durchschieben zu können.
Die Dichtungsseile sind aus gut gereinigtem, langem Hanfe zu verfertigen und dürfen
nur wenig gedreht sein. Sie werden mit Theer getränkt. Damit nicht zu viel Theer an
den Seilen hängen bleibt, streift man dieselben vor dem Gebrauche ab, indem man zwei
Seile zusammen nimmt und durch ein Loch von der Gröſse der Muffenlöcher zieht. Die
Enden der Dichtungsseile werden durch die Löcher der Muffen und sodann durch die
Löcher der Röhren gezogen und durch einen Knoten oder einen Holzzapfen
befestigt.
Um den Zwischenraum der Röhren festzustellen, wenn die Muffe an ihren Platz gebracht
wird, benutzt man eine Schablone, nach welcher die Röhren soweit zusammengeschoben
werden, bis sie an den vorher auf jeder Röhre nach einem bestimmten Maſse
angebrachten Strichen anliegen.
Zum Drehen der Muffen benutzt man einen Gabelschlüssel von 1 bis 1m,5 Länge, welcher in die Rippen der Muffen
eingreift. Es genügt für jeden Druck, welchen die Röhrenleitung aushalten soll, wenn
ein Mann diesen Schlüssel mäſsig festzieht. Wie
leicht die Dichtung herzustellen ist, mag der Versuch beweisen, bei welchem die
Muffe nur mit der Hand direkt festgedreht wurde und die Dichtung einem Drucke von
10at widerstand. Bei Gasleitungen würde demnach ein geringes Festdrehen der Muffen genügen.
Es ist zu beachten, daſs die Dichtungsseile nicht naſs werden, weil die Reibung
derselben sonst so klein und dadurch die Pressung so groſs werden kann, daſs ein
Bersten der Muffen eintreten kann. Die Reibung der nur mit Theer getränkten
Dichtungsseile ist dagegen groſs genug, um die Grenzen der Pressung von jedem
Arbeiter leicht beurtheilen lassen zu können. Sollte das Bersten einer Muffe
vorkommen, oder soll eine gedichtete Röhre ausgewechselt werden, so wird die Muffe
mittels eines Holzkohlenfeuers erwärmt, bis das Dichtungsmaterial verbrennt und die
Muffe frei wird.
Zur Festhaltung der Röhren während der Drehung der Muffen werden Gabelschlüssel
verwendet, welche durch einen Keil auf die Röhren gepreſst werden und sich gegen die
Wände der Grube der Rohrleitungen stützen.
Nach vollzogener Dichtung werden die Dichtungsseile hart an den Löchern der Muffen
abgeschnitten, und es können diese Löcher noch mit einem Holzzapfen abgeschlossen
werden. Sodann wird die Grube ohne Weiteres zugeworfen.
Als Beweis für die unbedingte Zuverlässigkeit der beschriebenen Dichtung mag
Folgendes dienen:
In Szegedin (Ungarn) wurde eine lange Druckleitung eines Dampfpumpwerkes von der
Theiſs weg nach dem Bahnhofe der Alföldbahn und zwar eine lange Strecke in einer Straſse längs einer
Häuserreihe geführt. Die Straſse lag zwischen dieser Häuserreihe und dem Ufer des
Flusses. Als bei einer Ueberschwemmung der Theiſs die Straſse bis an die Häuser
weggerissen wurde, bildete die Leitung in wagerechter und lothrechter Richtung eine
Schlangenlinie, ohne daſs sich eine Undichtheit zeigte und ohne daſs die Benutzung
der Druckleitung unterbrochen wurde.
In Esseg (Ungarn) muſste an der Grenze des Ueberschwemmungsgebietes der Drau ein
Dampfdruckwerk angelegt werden, dessen Saugröhre des wechselnden Wasserstandes wegen
sehr lang gegen den Fluſs geführt werden muſste. Diese Saugleitung wurde ebenfalls
mit der beschriebenen Dichtung ausgeführt und hat nie zu einer Störung Veranlassung
gegeben. Jedermann weiſs, daſs die Saugleitungen besonders dicht hergestellt werden
müssen und daſs bei der kleinsten Undichtheit derselben die Pumpe den Dienst
versagt.
Die Hunderttausende von Meter Wasserleitungsröhren, welche ohne jede besondere
Unterstützung in neue Auffüllungen von Stationen u.s.w. gelegt wurden, und die
theilweise einem groſsen Drucke ausgesetzten und oft unter schwierigen Verhältnissen
ausgeführten Druckleitungen gröſserer Dampfdruck werke für die Bahnhöfe Wien, Ofen,
Marburg, Szegedin, Esseg u.s.w. haben nie zu einer Störung wegen mangelhafter
Dichtung Veranlassung gegeben.
Bezüglich der Dauerhaftigkeit der mit Theer getränkten
Dichtungsseile ist zu bemerken, daſs eine schon 10 Jahre lang im Gebrauche
gestandene Rohrleitung umgelegt werden muſste, wobei eine Untersuchung des
Dichtungsmateriales vorgenommen wurde. Es zeigte sich, daſs die Hanffasern ihren
Widerstand gegen das Zerreiſsen und ihre Elasticität noch in vollem Maſse
besaſsen.
Stuttgart, Januar 1889.