Titel: | Ueber Fortschritte in der Stärke-, Dextrin- und Traubenzuckerfabrikation. |
Autor: | J. Bröſsler |
Fundstelle: | Band 271, Jahrgang 1889, S. 186 |
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Ueber Fortschritte in der Stärke-, Dextrin- und
Traubenzuckerfabrikation.
(Schluſs des Berichtes S. 133 d. Bd.)
Fortschritte auf dem Gebiete der Fabrikation von Stärke
u.s.w.
d) Stärkezucker.
Darstellung desselben aus Topinambur. Die
Zusammensetzung der Topinambur ist nach neueren Untersuchungen von Petermann-Gembloux (Revue
universelle de la distillerie, 1886):
Wasser
77,68
In Zucker überführbare Kohlehydrate
14,33
Andere Kohlehydrate
5,37
Fett
0,18
Rohproteïn
1,35
Asche
1,10
Gesammtstickstoff
0,22
Eigentliche Eiweiſskörper
0,79
Champy und fils (D. R. P. Kl. 6 Nr. 35825 vom 14.
November 1885) behandeln die zerkleinerte Topinamburknolle oder deren Saft in einer
Batterie von heizbaren, und unter einander communicirenden Gefäſsen bei Siedehitze
mit gasförmiger schwefliger Säure. Hierdurch wird das in dem Safte enthaltene
Lävulin und Inulin in Traubenzucker übergeführt und der Saft zugleich entfärbt. Nach
Beendigung der Reaction wird die überschüssige schweflige Säure durch Dampf
ausgetrieben. Falls die erhaltene Lösung auf festen Traubenzucker verarbeitet werden
soll, wird die geringe Menge von Schwefelsäure, welche sich aus der schwefligen
Säure gebildet hat, durch Bariumcarbonat neutralisirt (vgl. 1887 263 42).
e) Maltose und Maltosesyrup.
Obschon Dubrunfant (vgl. 1887 264 136 und 266 373) vor mehreren Decennien die
Fabrikation der Maltose empfahl, um auch die Einrichtungen der Zuckerfabriken
während des Stillstandes in einem groſsen Theile des Jahres auszunutzen, ist bis
heute diese Fabrikation kaum über die ersten Anfange hinausgekommen. Abgesehen davon
würde Maltose und Maltosesyrup vielfache Anwendung in der Bierbrauerei als Ersatz
des Traubenzuckers, in der Liqueurfabrikation und bei der Weinbehandlung finden.
Eine Dextrin freie, krystallisirte Maltose würde dem Rohrzucker starke Concurrenz
machen und mit Recht gebührte dieser reinen Maltose der Name „Zucker der
Zukunft,“ den ihr Dubrunfaut gegeben.
In der Landwirthschaftlichen Presse, 1886 S. 67, theilt
Stutzer in Bonn einiges über den Stand dieser
Industrie mit. Ein Haupthinderniſs, welches sich der Anwendung der Maltose in der
Bierbrauerei entgegen stellt, findet der Verfasser in dem Widerstände, welchen die
groſsen Brauereien dieser Anwendung entgegen bringen. Es handelt sich hier um die
Gefährdung der eigenen, groſsen Mälzereien der Bierbrauereien, welche bei Anwendung
der Maltosefabrikate, die dem kleineren Bierbrauer um beinahe 40 Proc. billiger als
Malz geliefert werden könnten, entwerthet würden. Es ist zu hoffen, daſs solche
Widerstände denn doch nicht von Dauer sein können.
Was die Verwendung der Maltosefabrikate als Nahrungsmittel anbelangt, so wird
hervorgehoben, daſs dieselben keinerlei gesundheitsschädliche Stoffe enthalten.
Maltosezucker soll sogar schneller im Magen resorbirt werden als Rübenzucker, ferner
sollen die in den Maltosesyrupen enthaltenen Dextrine leichter verdaulich sein als
Dextrine, welche durch Anwendung von Säuren auf Stärke gebildet werden. Auſserdem
enthält Maltosesyrup noch Eiweiſs, Peptone, Amide und von mineralischen
Bestandtheilen besonders phosphorsaures Kalium. Das Maltosebier zeigt weder in Bezug
auf Geschmack, noch in der chemischen Zusammensetzung einen Unterschied gegen
Gerstenbier. Da die Maltosefabrikanten zur Erzeugung ihrer Fabrikate einer
proteinreichen Gerste bedürfen und gerade in Deutschland solche Gerste zu haben ist,
so würde ein groſser Theil der ausländischen, nach Deutschland importirten Gerste
durch deutsche ersetzt werden, wenn die Maltosefabrikation an Verbreitung
gewänne.
A. Brunn in Wiesbaden lieſs sich ein Verfahren zur
Gewinnung von Maltosekörpern patentiren bei der
gleichzeitigen Herstellung von Peptonpräparaten mit Hilfe des bei der Teiggährung
sich bildenden Fermentes (D. R. P. Kl. 53 Nr. 42744 vom 9. Juli 1887). Dieses Patent
ist ein Zusatzpatent zum Patente desselben Erfinders Nr. 40305 vom 7. December
1886.
Bei diesem Verfahren werden neben Pepton auch Maltose bezieh. Maltosekörper erhalten, welche
durch Einwirkung des Sauerteigfermentes auf die Stärkemehlsubstanzen des im Teige
enthaltenen Mehles entstehen. Die Maltose geht mit dem Peptone in den wässerigen
Auszug des gegohrenen Teiges über. Eine Trennung der Maltose vom Peptone ist nicht
angegeben, da das erzeugte Gemisch am vortheilhaftesten zur Herstellung Pepton
haltiger Maltosepräparate direkt verwendet wird.
M. Bondonneau in Paris und G.
Fora in Chalons sur Saône construirten einen Apparat zur Gewinnung von
Zucker aus Stärkemehl haltigen Pflanzen Stoffen (D. R. P. Kl. 89 Nr. 42519 vom 4.
März 1887). Der Apparat ist einer Diffusionsbatterie für Rübenschnitzel ähnlich und
besteht aus einer Reihe von Auslaugekufen mit Doppel-Siebboden und
Uebersteig-Calorisatoren zwischen denselben. Letztere bilden Cylinder mit einem
cylindrisch conischen Einsatze oder Glocke und einer Dampfschlange in der Glocke,
welche die Flüssigkeit erhitzt und dadurch in dem angeschlossenen Rohre emportreibt.
Durch die Masse der Stärkemehl haltigen Pflanzentheile, z.B. geschälten Mais, Reis,
Roggen, Gerste, Hafer u.s.w., welche sich in den Auslaugekufen befinden, circulirt
sehr verdünnte Schwefelsäure, Oxal- oder Salzsäure, welche die Stärke innerhalb der
Pflanzenzellen in Glucose überführt und zugleich diese auslaugt ohne die
ursprüngliche Gestalt der Körner zu verändern. Man kann mit Hilfe dieses Apparates,
ähnlich wie in der Zuckerfabrikation, eine vollständige, systematische Extraction
erzielen. Das ausgelaugte Rohmaterial soll beinahe noch sämmtliche Stickstoff
haltigen Stoffe enthalten. Der erhaltene saure Zuckersaft wird nach den bekannten
Methoden neutralisirt und auf Stärkezucker verarbeitet (vgl. 1888 268 185).
f) Dextrin.
A. Schumann in Düttlenheim bei Straſsburg lieſs sich ein
Verfahren patentiren zur Darstellung eines dem arabischen Gummi ähnlichen und wie
dieses zu verwendenden Zucker freien Dextrins (D. R. P.
Kl. 22 Nr. 43146 vom 3. Mai 1887 als Zusatz zu Nr. 41931 vom 25. August 1886).
Die Stärke wird mit kaltem Wasser zu einer dickflüssigen Milch angerührt und mit
einer Mineralsäure, Schwefelsäure, Salzsäure oder Salpetersäure versetzt. Die
Quantität der Säure beträgt 1 Proc. des Gewichtes der
angewandten Stärke. Dieses Gemisch bleibt nun während 24 Stunden ruhig stehen;
sodann wird mit frischem Wasser so lange gewaschen bis alle Säure verschwunden ist.
Eine mikroskopische Untersuchung der Stärke zeigt eine theilweise Umänderung der
Zellwand der Stärkekörnchen, welche dieselben für die spätere Transformation in den
löslichen Zustand geeignet macht. – Der so präparirte Stärkeniederschlag wird dann
entweder getrocknet oder wieder mit frischem Wasser zu einer dickflüssigen Milch
angerührt und ohne weiteren Säurezusatz mit oder ohne Druck im Oelbade oder mit
überhitztem Wasserdampfe auf etwa 160 bis 170° gebracht und so lange dieser
Temperatur ausgesetzt, bis alles Stärkemehl in lösliche Form übergeführt ist. Die
nun erhaltene Lösung
wird dann geklärt, raffinirt und auf die gewünschte Consistenz oder zur Trockne
eingedampft.
Ein neuer gummiartiger Stoff wurde von L. Liebermann (Archiv für die
gesammte Physiologie, Bd. 40 S. 454) in den Excrementen einer Blattlaus
gefunden. In den auf Ulmen erzeugten Gallen durch Schizoneura languinosa finden sich
die von Liebermann untersuchten Excrete in der Form
erstarrter Tropfen. Dieselben sind in Wasser löslich: die Lösung wurde mit Alkohol
versetzt und der erhaltene Niederschlag untersucht; er enthielt: 45,2 Proc. C, 7,15
Proc. H und 47,65 Proc. O; er zeigte die Reaction der Gummiarten. Beim Kochen mit
verdünnter Schwefelsäure bildet sich ein reducirbarer Körper.
Stärkebestimmung in Getreidekörnern. In der Zeitschrift für angewandte Chemie, 1888 Bd. 3 S. 65,
theilt Monheim eine Reihe von Analysen mit, aus welchen
hervorgeht, daſs keines der bis jetzt vorgeschlagenen Verfahren das Lintner'sche oder auch das auf denselben Grundsätzen
beruhende Zipperer'sche mit dem Soxhlet'schen Dampftopfe an Sicherheit der Ausführung und Gleichmäſsigkeit
der Resultate erreicht.
Stärke- und Zucker-Bestimmung in Futterstoffen von E. F. Ladd (Americ. chem.
Journal, Bd. 10 S. 49). Man wäscht 5g der
zu untersuchenden Substanz auf einem Filter mit destillirtem Wasser so lange
vorsichtig aus bis die Waschwässer das Volumen von 200cc erreichen. Der Rückstand wird zum Behufe der Stärkebestimmung
getrocknet. Das Filtrat wird nun in mehreren Portionen zu den anderen Bestimmungen
benutzt. In 10cc desselben wird der Zucker mittels
Fehling'scher Lösung bestimmt. Eine andere Portion
des Filtrates wird auf dem Wasserbade etwa eine halbe Stunde mit Salzsäure erhitzt,
dann mit kohlensaurem Natrium neutralisirt und der gebildete Zucker mit Fehling'scher Lösung bestimmt. Die Differenz beider
Bestimmungen wurde als im Wasser lösliche, durch die
Salzsäure invertirte Substanz genannt.
Der Rückstand, der, wie oben angegeben, getrocknet wurde, von der Zuckerbestimmung
wurde in einer Erlenmeyer'schen Flasche von etwa 250cc Inhalt mit 150cc Wasser und 5cc concentrirter
Salzsäure versetzt und die Flasche verkorkt. Durch den Kork reichte eine etwa 1m lange Glasröhre, welche als Condensator zu
wirken hat. Die so adjustirte Flasche wurde 12 Stunden lang auf dem Wasserbade bei
100° erhitzt, dann 12 Stunden stehen gelassen. Die in der Flasche befindliche
Flüssigkeit wurde nun filtrirt, dann mit kohlensaurem Natrium schwach alkalisch
gemacht, auf 200cc aufgefüllt und in einem Theile
derselben der Zucker bestimmt. Der gefundene Zuckergehalt wurde sodann auf Stärke
umgerechnet.
Ueber die Zusammensetzung der Jodstärke veröffentlichte
F. Seyfert in der Zeitschrift für angewandte Chemie, 1888 S. 15, folgendes: Er nimmt an,
daſs dem Stärkemolekül die von Pfeiffer und Tollens
nach ihren Analysen der Natriumverbindung aufgestellte Formel: C24H40O20 zukomme. Unter dieser Voraussetzung führen den Verfasser dessen
Untersuchungen der Jodstärke auf die empirische Formel: (C24H40C20)6J7
oder deren ganzes Vielfaches.
Gleichzeitig ergaben seine angestellten Versuche folgendes Verfahren an die Hand, in
einem Stärkemehle den Gehalt an Stärke in einer kurzen Zeit zu bestimmen. 1g Stärkemehl wird mit 100 bis 150cc heiſsem Wasser übergössen, auf dem Wasserbade
bei 100° erhitzt und völlig verkleistert. Man spült sodann in einem 500cc Kolben, gibt 50cc einer Jodlösung zu, die wenig Jodkalium und im Liter 12 bis 132 Jod
enthält, ferner 20cc concentrirte Salzsäure, füllt
bis zur Marke auf und schüttelt gut durch. Nachdem sich der Niederschlag so weit
gesetzt hat, daſs sich zweimal 100cc oder zweimal
50cc von der überstehenden klaren Jodlösung
entnehmen lassen, titrirt man mit einer Lösung von unterschwefligsaurem Natrium die
abgezogenen Volumina zurück. Aus der obigen Formel geht nun hervor, daſs sich die
Stärkesubstanz mit 22,865 Proc. Jod verbindet. Multiplicirt man also die in den
Niederschlag übergegangene Menge Jod mit 4,37, so ergibt sich die vorhandene Menge
Stärkesubstanz in dem zur Untersuchung gelangten Stärkemehle.
Anknüpfend an die vorangegangene im Auszuge mitgetheilte Arbeit Seyfert's erinnern wir daran, daſs F. Mylius in der Zeitschrift
für physiologische Chemie, 1887 Bd. 11 S. 306, sowie auch: D. p. J., 1888 268 129, auf
Grund seiner Analysen die empirische Formel (C24H40O20J)4JH für die Jodstärke aufstellte, in welcher auf 4
Jodatome 1 Molekül Jodwasserstoffsäure kommt. Dieser Formel würde für Jod ein
Procentgehalt von 24,489 entsprechen.
Im Landwirthschaftlichen Jahrbuch, Bd. 15 S. 259, führt
Dafert aus, daſs der Stärke gar keine Formel
zukomme und man solle daher an Stelle der Chemie der Stärke jene der Stärkekörper setzen. Nach dem Verfahren besteht die
Stärke aus:
a) Stärkekörpern, zu welchen er rechnet:
1) Stärkecellulose, ein nicht näher untersuchtes Gemenge
mindestens zweier chemischen Verbindungen. Die Stärkecellulose färbt sich mit Jod
braun, ist in kaltem und kochendem Wasser unlöslich, geht aber durch letzteres zum
Theile in Granulöse über. Diastase hat auf dieselbe keinerlei Wirkung.
2) Granulose, unter verschiedenen Namen beschrieben, wie
Amidulin, lösliche Stärke, Amylodextrin u.s.w., färbt sich mit Jod blau, ist in
kaltem Wasser fast unlöslich, in kochendem aber leicht löslich. Diastase verwandelt
die Granulöse in Zucker.
3) Dextrin, in kaltem und heiſsem Wasser löslich, geht
durch Diastase in Zucker über und scheint schwaches Reductionsvermögen zu
besitzen.
b) Zucker, c) Proteïnkörper, Amide u.s.w., d) Fett und e) Asche.
Ueber die Dafert'schen Arbeiten ist übrigens in D. p. J., 1887 265 326,
schon ausführlich berichtet.
J.
Bröſsler.