Titel: Prof. C. P. Jürgensen's rotirende Dampfmaschine; von H. J. Hannover, Docent der technischen Hochschule in Kopenhagen.
Autor: H. J. Hannover
Fundstelle: Band 271, Jahrgang 1889, S. 150
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Prof. C. P. Jürgensen's rotirende Dampfmaschine; von H. J. Hannover, Docent der technischen Hochschule in Kopenhagen. Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 9. Jürgensen's rotirende Dampfmaschine. Die Vortheile der rotirenden Maschinen vor den mit hin und her gehendem Kolben sind so erheblich, daſs es nicht zu wundern ist, wenn in dieser Richtung fortwährend gearbeitet wird. Im Nachstehenden sei über eine neue Lösung des Problems durch Prof. C. P. Jürgensen berichtet, welche nicht wenige Vorzüge hat und deren Erklärung im Nachstehenden gegeben werden soll. Der cylindrische Stempel D (Fig. 8 und 9 Taf. 9), auf welchen der Dampf wirkt, sitzt lose und concentrisch auf dem an der Krummachse F befindlichen Kurbelzapfen E und ist mit nachstellbaren Metallpfannen versehen. D kann sich in dem Cylinder H bewegen, der mit F concentrisch ist, sich immer dicht an die Wand des Cylinders schlieſsend. Oben trägt D ein Charnier P, welches D mit dem Schieber B verbindet. Die Verbindung zwischen D und B geschieht durch die Bolzen a (Fig. 9), die seitwärts in B eingelegt sind. Durch die Höhlung des Schiebers B vollzieht sich die Dampfeinströmung vom Rohre J durch den schwingenden Hahn C und den Kanal c zur Höhlung e und weiter durch die Kanäle f und g zum Raume V. Wenn V mit Dampf gefüllt wird, wird D in der Richtung des Pfeiles in Bewegung gesetzt. Der Raum Y ist durch die Oeffnung h und das Rohr B mit der Atmosphäre verbunden, so daſs der Dampf, der vor Anfang des Hubes im Raume Y war, fort strömte, sobald der Stempel h passirt hatte. Wir rechnen dabei den Anfang des Hubes von dem Zeitpunkte an, wo D in seiner obersten Stellung war. Diese oberste Stellung von D ist, wie man sieht, der einzige todte Punkt der Maschine. Der Raum L steht mit V durch den in B befindlichen Kanal k in Verbindung (Fig. 10 und 11). Während des Niederganges von B wird der Dampf in L den Schieber B herunter treiben, ganz und gar als wäre B der Stempel einer gewöhnlichen eincylindrigen Maschine und E der Kurbelzapfen. Während des Aufganges von B wird der Dampf, der sich über B befindet, nicht hindernd wirken, weil er dann frei in den Raum V strömen kann, der ja während des letzten halben Theiles des Hubes immer vergröſsert wird. Es ist diese Wirkung des Dampfes über B, welche die Eigenthümlichkeit des Patentes des Prof. Jürgensen ausmacht, während die Bewegung des Stempels D im Cylinder schon früher, obgleich in etwas anderer Weise, bekannt war. Das von John Pinschbeck in London1880 235 59. angewandte Excentric auf der Achse F statt des losen Stempels auf einer Krummachse erscheint nicht so vortheilhaft als die vorliegende Prof. Jürgensen'sche Construction. Wegen der schwingenden Bewegung des Stempels kann man die Verbindung zwischen f und g unterbrechen, doch kaum früher, als wenn der halbe Hub vollendet ist; man kann also mit halber Füllung arbeiten, ohne den Hahn C zu gebrauchen; aber durch diesen kann die Expansion so weit, als gewünscht, getrieben werden, indem C, wie aus Fig. 12 und 13 hervorgeht, von einem Excenter Q getrieben wird, welcher an der Achse F sitzt, und somit in der Weise einstellbar befestigt ist, daſs es c jeden Augenblick nach Wunsch schlieſsen kann. Wenn der Schieber B so tief herunter gegangen ist, daſs er weit in den Cylinder hinein reicht, so hat sein unterstes Ende nur Dampfdruck auf der einen Seite. Dieser Seitendruck wird indessen theilweise durch das Ziehen oder den Druck des Stempels gegen diesen bewegenden Theil aufgehoben und kann dadurch völlig ausgeglichen werden, daſs man dem Spalte d eine solche Gröſse gibt, daſs der Dampfdruck in der Höhlung von B mit passender Kraft das obere Ende von B stärker nach rechts als nach links drückt. Diese Maschine hat nun vor den meisten rotirenden den Vortheil, daſs der Stempel D nicht immer im Cylinder H gleitet, vielmehr ist seine Bewegung gröſstentheils eine rollende, welche viel weniger Abnutzung gibt als eine gleitende, und dadurch ist die Dichtigkeit zwischen dem Stempel und dem Cylinder leichter zu bewahren. Je gröſser man den Stempel im Verhältnisse zum Cylinder macht, desto geringer wird die Gleitung und dadurch die Abnutzung; doch setzt die Praxis selbstverständlich eine Grenze, weil ein zu groſser Stempel einen kleinen Radius des Kurbelzapfens fordert, womit groſse Reibung und Abnutzung der Pfannen des Stempels und der Lager der Achse verbunden ist. Während ferner der Dampf in V im ersten halben Hube D zunächst von der Wand des Cylinders wegdrückt, wirkt gleichzeitig der Dampf in L dazu., ihn dagegen gedrückt zu halten, so daſs der Dampf in L dazu gut beiträgt, die Dichtigkeit zwischen D und der Cylinderwand zu bewahren; während des letzten halben Hubes wirkt der Dampfdruck in V selbst darauf hin. Die ebenen Flächen des Stempels schlieſsen dicht an den Cylinderböden mittels guſseiserner Ringe, welche durch eingelegte Federn gegen die Böden gedrückt werden. In ähnlicher Weise werden die zwei Seitenflächen von B gedichtet. Gewöhnlich werden zwei derartige Maschinen zusammengekuppelt, wie Fig. 14 zeigt. Die beiden Kurbelzapfen sind dann um 180° versetzt und kann die Maschine ohne Schwungrad gebraucht werden. Es ist die Absicht des Erfinders, eine solche Doppelmaschine als Verbundmaschine zu bauen, während in den bis jetzt gebauten Doppelmaschinen beide Cylinder mit Kraftdampf versehen wurden. Selbstverständlich wäre es auch möglich, Drillingsmaschinen mit drei Cylindern neben einander zu bauen, welche mit Hoch-, Zwischen- und Niederdrucksdampf versehen würden. Die drei Kurbelzapfen dürften dann 120° vor einander versetzt werden. Man wird sehr leicht die Einströmungsöffnung mit der Ausströmungsöffnung h symmetrisch anbringen können, wodurch man eine Maschine erhält, deren Achse ebenso gut in der einen wie in der anderen Richtung umgeht. Der Erfinder schreibt seiner Maschine folgende Vorzüge zu: 1) Sie braucht einen sehr geringen Raum im Verhältnisse zur Pferdekraft der Maschine. 2) Sie ist verhältniſsmäſsig billig und leicht zu montiren. 3) Nach den gemachten Versuchen scheint sie ziemlich ökonomisch zu arbeiten. Die Versuche wurden mit einer Hochdruckmaschine von 23 W angestellt und zeigten einen Kohlenverbrauch von etwa 2k,75 für die geleistete Pferdekraft und Stunde; die Anzahl der Umdrehungen war 500 in der Minute. 4) Um die Maschine nachzusehen, ist es nur nöthig, ein bezieh. zwei Cylinderdeckel (letzteres bei doppelcylindrigen Maschinen) zu entfernen, dann ist der ganze Mechanismus sichtbar. 5) Als Zwillingsmaschine wird sie ohne Schwungrad gebraucht und ist wegen der Regelmäſsigkeit, womit sie arbeitet, besonders für elektrische Beleuchtung geeignet, wozu sie mit 500 Umdrehungen in der Minute gebraucht wird; die Achse der Dampfmaschine wird mit der Achse der Lichtmaschine direkt gekuppelt. Uebrigens kann die Maschine mit jeder gewünschten Umdrehungszahl arbeiten. 6) Die Dichtigkeit zwischen Stempel und Cylinder scheint sich gut zu halten. Die Achse ist gehärtet, um die Abnutzung zu vermindern. 7) Die Maschine wird mit liegender oder stehender Achse construirt. Mit senkrechter Achse wird sie möglicher Weise für die Molkereien besonders geeignet sein, wo nur Kämen und Centrifugen getrieben werden sollen., weil diese Apparate gewöhnlich eine senkrechte Achse haben, so daſs Zwischenachsen unnöthig werden. Wir werden noch in Kürze bemerken, wie die Arbeitsentwickelung berechnet werden kann, besonders die Gröſse des Moments, womit der Dampf in V für eine gewisse Stempelstellung zur Umdrehung der Achse F wirkt, indem wir vorläufig voraussetzen, daſs die Maschine ohne Expansion arbeitet. Fig. 1., Bd. 271, S. 153 Fig. 2., Bd. 271, S. 153 Nehmen wir an, daſs sich in einem Cylinder H (Textfig. 1) ein auf der Achse F excentrisch befestigter Stempel befindet. Der Dampf wirkt auf dem Bogen ab mit demselben Momente auf Umdrehung von F, als der Dampfdruck auf bc. – In der hier besprochenen Maschine wirkt also der Dampfdruck in V auf die Peripherie des Stempels mit demselben Momente zur Umdrehung der Achse F, als der Dampfdruck auf dem hervorragenden Theile des Schiebers B bezüglich F hat. Denken wir uns jetzt, daſs dieser hervorragende Theil in einem gewissen Augenblicke die Länge x hat, und daſs der Radius des Cylinders die Gröſse R hat, daſs seine Länge l ist und die Arme der Kurbelzapfen r, alles in Millimeter gemessen, und daſs der Dampfdruck in V pk gröſser für 1qmm ist als in Y, dann ist das Moment, mit welchem F im betrachteten Augenblicke (wenn man von der Wirkung des Dampfes in L absieht): p\,.\,l\,.\,x\,.\,\left(R-\frac{x}{2}\right)=\frac{p\,.\,l\,.\,x\,.\,(2\,R-x)}{2}=\frac{p\,.\,l\,.\,y^2}{2}, wo: y=\sqrt{x\,.\,(2\,R-x)}. (Siehe Textfigur.) Denken wir uns ferner, daſs das Moment auf einen Arm wirkt von der Länge des Cylinderradius, so wird die Kraft auf diesem Radius reducirt: K=\frac{p\,.\,l}{2\,R}\,.\,y^2=C\,.\,y^2 wo C eine Constante ist, die für jede Maschine ein- für allemal berechnet werden kann. Wird jetzt der Zirkel mit Radius R in einer geraden Anzahl Theile, z.B. 16 getheilt, jeder von einer Länge m=\frac{2\,\pi\,R}{16}, und construirt man die verschiedenen Werthe von y, die zu 1/16, 2/16, 3/16 u.s.w. Umdrehung von F (vom todten Punkte gerechnet) gehören, wie in Textfig. 2 gezeigt, nämlich die Werthe y1, y2.... u.s.w. (wo y0 = 0, y1 = y13, y2 = y14 u.s.w.), und quadrirt man die Zahlen, die diese Länge in Millimeter angeben, so ist die Arbeit, die während einer Umdrehung entwickelt ist, nach Simpson's Formel berechnet: A_1=\frac{1}{m}\,m\,.\,C\,.\,({y_0}^2+4\,{y_1}^2+2\,{y_2}^2+\ .\ .\ .\ +{y_{16}}^2). Wenn Expansion gebraucht wird, dürfen alle Gröſsen in der Klammer nicht mit C multiplicirt werden, sondern allmählich, wenn die Expansion zunimmt, mit immer kleineren Gröſsen, – Gröſsen, die sich nach einem Aufrisse der verschiedenen Stempelstellungen und Berechnung der dazu gehörigen Dampfvolumina berechnen lassen. Zur Arbeit A1 muſs demnächst addirt werden die Arbeit A2, die vom Dampfe über dem Schieber ausgeführt wird, welche Arbeit berechnet werden kann ganz wie die Arbeit, die bei einer eincylindrigen Maschine entwickelt wird, die nur bei jedem zweiten Hube Arbeit entwickelt. Die ganze indicirte Arbeit wird dann: A=A_1+A_2; mit den Constructionsverhältnissen in Fig. 1 bis 6 wird A2 ungefähr 15 Proc. von A werden. Die Maschine wurde zuerst in Liverpool 1886 ausgestellt und ist jetzt an einigen Stellen in Dänemark zur Anwendung gekommen. Eine Maschine hat z.B. einen Theil der Triebkraft für die elektrische Beleuchtung in der gröſsen nordischen Ausstellung in Kopenhagen geliefert. Obgleich die Maschine noch zu neu ist, um etwas Sicheres über ihre Vorzüge und Zukunft aussprechen zu können, ist ihr Grundgedanke so interessant, daſs sie in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdient.

Tafeln

Tafel Tafel 9
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