Titel: | Die elektrische Beleuchtung der Strasse „Unter den Linden“ und der Kaiser Wilhelmstrasse in Berlin. |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 419 |
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Die elektrische Beleuchtung der Straſse „Unter
den Linden“ und der Kaiser Wilhelmstraſse in Berlin.
Elektrische Beleuchtung der Straſse Unter den Linden.
Die gegenwärtig in der Ausführung begriffene und bis zum 1. September zu vollendende
Beleuchtung der Straſse „Unter den Linden“ und deren Fortsetzung bis zur
Spandauerstraſse mittels elektrischen Bogenlichtes wird nach der Berliner Börsenzeitung vom 13. Juli 1888 S. 9 (bezieh.
S. 4) durch 108 Bogenlampen erfolgen. Dieselben erhalten ihren Strom von drei
Dynamomaschinen, welche in der Centrale der Berliner Elektricitätswerke,
Mauerstraſse Nr. 80, Aufstellung gefunden haben. Der elektrische Strom wird an einem
Schaltapparate, der mit den verschiedensten Meſs- und Regulireinrichtungen versehen
ist, gesammelt und durch 24 drahtarmirte Bleikabel, die behufs bequemerer Verlegung
zu einem einzigen Kabel von einer wohl bisher noch nie dagewesenen Dicke vereinigt
sind, nach der Straſse „Unter den Linden“ geleitet. Die beiden unterirdischen
Kabel endigen bei der Kleinen Mauerstraſse in groſsen Vertheilungskästen, welche
Sicherheitsschalter enthalten und von welchen aus 18 einzelne Bleikabel nach den
Lampen geführt sind. Die Lampen sind in die verschiedenen Stromkreise derart
vertheilt, daſs nach Mitternacht die Hälfte der Lampen von der Centrale in der
Mauerstraſse aus gelöscht werden können, während die noch brennenden Lampen in
gleichen Abständen von einander symmetrisch vertheilt sind.
Groſse Schwierigkeiten boten einerseits die Erdarbeiten und andererseits auch die
Verlegung des nach der Kaiser Wilhelmstraſse führenden Kabelstranges unter das Bett
der Spree bei der Kaiser Wilhelmsbrücke. Die Erdarbeiten waren besonders deshalb oft
nicht leicht, weil sich in dem Straſsenzuge eine Reihe von Kanälen aus alter Zeit,
von deren Existenz Niemand mehr Kenntniſs hatte, sowie zahlreiche Rohrleitungen für
Gas und Wasser von verschiedenen Gesellschaften befinden. Den östlich der
Schloſsbrücke gelegenen Lampen wird der Strom, mittels vier Kabeln zugeführt,
welche, da die Schloſsbrücke zum Aufziehen eingerichtet ist, unterhalb des
Spreebettes durch die Ufermauern hindurchgeführt werden muſsten. Ein 12drähtiges,
mehrfach isolirtes und durch Bandeisen und starke Drahtlagen armirtes Kabel ist etwa
1m tief unter dem künftigen, bekanntlich
wesentlich tiefer als jetzt gelegenen Spreebette verlegt.
Von der Gesammtanzahl der 108 Lampen kommen 8 auf die Kaiser Wilhelmsbrücke, welche
auf den dort aufzustellenden Obelisken mit Laternenträgern geeignete Plätze finden,
84 auf die beiderseitigen Bürgersteige des Straſsenzuges und 16 dienen zur
Beleuchtung der Mittelpromenade „Unter den Linden“. Von den acht auf die Kaiser
Wilhelmsbrücke vertheilten Lampen brennen gewöhnlich nur vier, die übrigen vier bei
festlichen Gelegenheiten. Die Leuchtstärke der Lampen beträgt etwa 2000 Normalkerzen
und der Abstand je zweier Lampen auf demselben Bürgersteige etwa 40m, in der Mittelpromenade etwa 60m. Die Aufhängehöhe der Lampen ist nach der im
November 1887 vor einer Commission aus Mitgliedern des Magistrates und der
Stadtverordneten-Versammlung, sowie Sachverständigen stattgehabten Probebeleuchtung
auf 8m normirt worden, so daſs sich der Lichtpunkt
ungefähr in 7m,5 Höhe über dem Erdboden befindet.
Diese Höhe ermöglicht eine fast vollkommen gleichmäſsige Vertheilung des Lichtes auf
der Straſsenfläche und vermindert die blendende Wirkung auf das Auge, welche bei
niedrig hängenden Lampen das Licht selbst zwar sehr hell, die Umgebung jedoch, auf
deren Beleuchtung es doch hauptsächlich ankommt, um so dunkler erscheinen läſst.
In anderen Städten, wie in Mailand und in Orten Amerika's, wo die Lampen weiter aus
einander stehen und eine geringere Beleuchtung der Bodenfläche vorgesehen ist,
werden die Lampen, um das Licht gleichmäſsig zu vertheilen, noch bedeutend höher
aufgehängt. Ein Vergleich der Lichtmenge, welche für die Linden vorgesehen ist, mit
anderen Straſsenbeleuchtungen dürfte hier vielleicht von Interesse sein. Die Lampen
der Leipzigerstraſse sind in Entfernungen von 75m
auf demselben Bürgersteige gemessen und von 40m in
der Diagonale quer über den Damm gemessen, aufgestellt. Der Abstand der einzelnen
Lampen „Unter den Linden“, auf demselben Bürgersteige gemessen, beträgt etwa
40m; erstere brennen hierbei mit etwa 1500
Normalkerzen, während letztere um etwa 500 Kerzen heller leuchten werden. Es ist
jedoch bei Beurtheilung der Beleuchtungswirkung zu berücksichtigen, daſs die grünen
Bäume der Straſse „Unter den Linden“ sehr viel Licht verschlingen werden, was
wohl die magische Wirkung, nicht aber den Eindruck der Helligkeit für den Beschauer
erhöht. In Mailand haben die einzelnen Bogenlampen einen Abstand von 60 bis 80m bei einer Leuchtkraft von 1000 Normalkerzen; die
dort als genügend und von vielen Seiten als sehr prächtig betrachtete Beleuchtung
ist also noch nicht ⅓ so hell, als die Beleuchtung „Unter den Linden“. Es
wird auch in vielen Fällen eine derartige Beleuchtung vollkommen ausreichen, da es
sich bei Straſsenbeleuchtungen nicht um eine Illumination, sondern um eine genügende
Erhellung der Bodenfläche, welche Wagen und Personen auf gröſsere Entfernung zu
sehen gestattet, handelt.
Eine besondere Sorgfalt wurde der Auswahl der Lichtträger gewidmet, die gegenwärtig
aufgestellt werden und den Beifall des Publikums ungetheilt gefunden haben. Die
Berliner Elektricitätswerke scheuten sich nicht, ganz bedeutend mehr Kosten für die
Ausführung der Candelaber aufzuwenden, als sie von der Stadt als Entschädigung
erhalten. Zur Erlangung von Entwürfen für die Beleuchtungsträger wurde seitens der
Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft im November 1887 eine beschränkte
Wettbewerbung ausgeschrieben, in Folge deren die Direktion der Allgemeinen
Elektricitäts-Gesellschaft in Uebereinstimmung mit dem aus hervorragenden
Architekten bestehenden Preisgerichte die Entwürfe des Herrn Bauinspektors Schupmann zur Ausführung wählte und demselben deren
entgültige Bearbeitung übertrug. Die Sockel der Lichtträger sind aus Guſseisen
hergestellt, während die Schäfte der Sicherheit halber aus schmiedeeisernen Rohren
zusammengesetzt sind.
Für den mittleren Baumgang sind auf Grund angestellter Versuche wegen der Schatten
Wirkung der Baumreihen die Bogenlampen in der Achse des Weges angebracht. Sie werden
an einer reich verzierten Kette aufgehängt, welche zwei zu beiden Seiten des
Baumganges sich gegenüberstehende Masten von 10m
Höhe mit einander verbindet. Bei der oftmaligen Wiederholung der Beleuchtungsträger
war die Ausführung eines nicht zu unruhig wirkenden Modelles geboten, wie sich dies
jetzt auch sehr angenehm bemerkbar macht. Die Rücksicht auf den Verkehr bot dem
Architekten insofern nicht geringe Schwierigkeit, als die Breitenentwickelung der
Sockel sich in bestimmten knappen Grenzen halten muſste. Der verzierende Schmuck
enthält an einzelnen Stellen Hinweise auf die Bestimmung der Ständer. So
versinnbildlicht beispielsweise die sternengeschmückte Gurtung die drei das Wesen
des elektrischen Lichtes
und seiner Erzeugung ausmachenden Begriffe: „Kraft, Strom, Licht“. An den
Masten des Baumganges weisen die Motive der Krone und des Wappens auf die Bedeutung
hin, die dieser Weg als geschichtliche Triumphstraſse besitzt.
Statt der achteckigen Laternen, welche in der Leipzigerstraſse Verwendung fanden,
sollten runde Kugeln genommen werden, da letztere eine weitaus gleichmäſsigere
Lichtvertheilung gestatten. Die runden Kugeln erforderten jedoch, daſs die Lampe
gehängt und nicht auf den Candelaber gestellt wird, und es waren deshalb ganz neue
Formen für die Lichtträger zu schaffen, und ist die erste Wahl, die des
Bischofstabes, als eine entschieden glückliche zu bezeichnen. Die Bedienung der
Lampen, das Einsetzen der Kohle und die Reinigung erfordert, daſs der Arbeiter
entweder mit Leitern zur Lampe emporsteigt, oder daſs die Lampe herabgelassen wird.
Ersteres Mittel, welches z.B. in Mailand benutzt wird, wo groſse Leiterwagen zur
Bedienung der Lampen hin und her fahren, wurde mit Rücksicht auf den groſsen Verkehr
„Unter den Linden“ als ausgeschlossen erachtet, es muſste deshalb die
Lampe zum Herablassen eingerichtet werden. Dies geschieht mittels Rollen und eines
Gegengewichtes, welche um die architektonischen Formen nicht zu stören, im Inneren
des Candelabers untergebracht werden.
Die den Strom zuführenden Kabel sind noch in der Erde durch den Sockel in den Schaft
eingeführt, wo sie an einem Umschalter endigen, um von diesem in dünneren
beweglichen Leitungsschnüren in halber Höhe den Schaft zu verlassen und an der Lampe
zu endigen. Sämmtliche Candelaber sind mit ihren kräftig construirten eisernen
Füſsen auf ein entsprechend starkes gemauertes Fundament gestellt und mit diesem
durch Cement vergossen. Die Aufstellung erfolgte in geschicktester Weise durch eine
für diesen Zweck besonders construirte fahrbare Krahnvorrichtung.