Titel: | Flachsröstverfahren mittels heissen Wassers und gespannten Dampfes. |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 263 |
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Flachsröstverfahren mittels heiſsen Wassers und
gespannten Dampfes.
Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 13.
Flachsröstverfahren mittels heiſsen Wassers.
Bekanntlich hat man bereits vor mehr als 30 Jahren versucht, den Zweck des Rottens
des Flachses, d.h. eine Zerstörung der pflanzenleimartigen, im Wesentlichen aus Pectose
bestehenden Substanz des Bastes und damit Lockerung des Zusammenhanges der Fasern,
mittels heiſsen Wassers und Wasserdampfes zu erreichen (vgl. 1854 133 * 54). Doch haben alle diese Vorschläge, trotzdem man
es seinerzeit an ausgedehnten Versuchen und empfehlenden Berichten nicht hat fehlen
lassen, den gehegten Erwartungen nicht entsprochen und haben sich in der Praxis
nicht behauptet. Die Ursache des Miſslingens dieser Versuche dürfte in den beim
Rotten des Flachses sich abspielenden chemischen Prozessen zu suchen sein, welche
darin bestehen, daſs die die einzelnen Fasern mit einander verbindende, in Wasser
unlösliche Pectose in in Wasser lösliche und unlösliche Pectinstoffe übergeführt
wird. Diese Umwandlung aber vollzieht sich nach der schematischen nebenstehenden
Darstellung (Textfig.) in der Weise, daſs durch Einwirkung der Wärme die Pectose
nach und nach in Pectin, Parapectin, Metapectin, Pectosinsäure, Pectinsäure,
Parapectinsäure und Metapectinsäure übergeht. Wie aus der Figur, in welcher die
Abscissen die verschiedenen Grade der Umwandlung, die Ordinaten die Löslichkeit der
betreffenden Umwandelungsproducte in Wasser bezeichnen, ersichtlich ist, ist die im
ungerösteten Flachse enthaltene Pectose in Wasser unlöslich, ebenso die Pectinsäure,
die Zwischenproducte hingegen, insbesondere das Para- und Metapectin, sowie die
weiteren Umwandelungsproducte der Pectinsäure sind sehr leicht löslich.
Textabbildung Bd. 269, S. 263Die Untersuchungen Chevreul's haben nun
ergeben, daſs der Glanz, welcher den aus Flachs hergestellten Stoffen eigenthümlich
ist, von der den Fasern anhaftenden Pectinsäure herrührt. Während es daher
einestheils sehr wichtig ist, die Pectose in eine wasserlösliche Verbindung, das
Pectin, überzuführen, welche die Isolirung der Fasern ermöglicht, ist es
andererseits unumgänglich nothwendig, daſs das Pectin bis zu seiner Umwandelung an
der Faser haften bleibt.
Wird nun Flachs mit heiſsem Wasser behandelt, so findet wohl eine Umwandelung der
Pectose in Pectin u.s.w. statt und die Fasern Werden isolirt, indessen tritt
gleichzeitig eine Auslaugung der Fasern bis zu 35 Proc. des Gewichtes derselben ein;
die dem Verfahren nachgerühmte Gewinnung des Pectins geschieht daher auf Kosten der
Güte des Productes, indem die Pectinkörper aus dem Flachse entfernt werden. In der Praxis ist diese
Erscheinung sehr gut bekannt; das heiſse Wasser macht den Flachs mager, entzieht ihm
den nöthigen Bindestoff.
Noch weniger ist das Verfahren, den Flachs mittels gespannten Wasserdampfes zu
behandeln, geeignet, ein brauchbares Product zu liefern. Läſst man Dampf auf die
frische Flachsfaser einwirken, so tritt in Folge der Gegenwart organischer Säuren
eine Zerstörung der Faser ein, welche nach der Dämpfung wie verbrannt aussieht und
ihre Structur vollkommen verloren hat.
Diese Uebelstände beider Methoden will Woldemar Dogny in
Berlin (*D. R. P. Kl. 29 Nr. 42213 vom 22. Januar 1887) dadurch vermeiden, daſs der
Flachs zunächst mittels heiſsen Wassers in einem geschlossenen Behälter bei einer
Temperatur von 150° C. unter Benutzung von Luftleere etwa 20 Minuten (bezieh.
längere Zeit bis etwa 40 Minuten, wenn der Flachs unreif ist) behufs Einleitung der
Umwandelung der Pectose in Pectin, jedoch ohne Auslaugung des letzteren,
vorbehandelt und darauf ausschlieſslich etwa 30 Minuten lang bei einer Temperatur
von etwa 150° C. der Einwirkung von trockenem gespannten Dampfe ausgesetzt wird,
derart, daſs sämmtliche Pectose in lösliche Pectinsäure umgewandelt wird, während
schlieſslich der mit Dampf behandelte Flachs getrocknet wird.
Durch die kurze Vorbehandlung der frischen Flachsstengel mit heiſsem Wasser wird die
Umwandelung der Pectose in Pectin so weit eingeleitet, daſs die später folgende
Behandlung mit heiſsem Dampfe von hoher Spannung keinen schädlichen Einfluſs auf die
Flachsfaser ausübt. Andererseits wird diese Behandlung mit heiſsem Wasser nur so
weit getrieben, daſs kein Auslaugen der Pectinkörper stattfindet. Die Behandlung mit
heiſsem Wasser hat daher hier ganz den entgegengesetzten Zweck als die früher
vorgeschlagene Auslaugung. Die Umwandelung der Pectose in Pectinsäure erfolgt unter
ausschlieſslicher Anwendung von trockenem Dampfe, wobei jede Wasserbildung möglichst
vermieden werden muſs, da dieselbe eine Auslaugung der löslichen Zwischenproducte
der Pectinsäure (der Pectinkörper) zur Folge haben würde. Durch dieses Verfahren
gelingt es, bei richtiger Anwendung von Temperatur und Zeitdauer der Einwirkung mit
Sicherheit eine vollkommene Röste durch Umwandelung der Pectose in Pectinsäure
mittels Wärme herbeizuführen und dem Flachse jene Festigkeit, sowie das glänzende,
seidenartige Aussehen zu geben, nach welchem der Spinner den Werth des Flachses
beurtheilt.
Denn der Flachs enthält jetzt sämmtliche Pectinsäure und läſst sich auſserdem in
kurzer Zeit mittels heiſser Luft trocknen, da er nach der Behandlung mit Wasserdampf
nur ungefähr das Anderthalbfache seines Gewichtes an Feuchtigkeit enthält. Die ganze
Vorbereitung des Flachses einschlieſslich der Trocknung desselben nimmt demgemäſs
nur wenige Stunden in Anspruch.
Die Ausübung des Verfahrens ist an eine besondere Construction des Apparates nicht
gebunden; beispielsweise kann der in den Fig. 17 und 18 Taf. 13
dargestellte Apparat Verwendung finden. Bei demselben sind 11 cylindrische Kessel
mit senkrechter Achse im Kreise so angeordnet, daſs sie von einem gemeinschaftlichen
Krahne mit Material leicht beschickt werden können. Der Kessel A dient zur Behandlung des Flachses mit heiſsem Wasser
von etwa 150° C. Hierbei ist sorgfältig darauf zu achten, daſs sämmtlicher im Kessel
befindliche Flachs eingetaucht wird und nicht einzelne Theile desselben aus dem
Wasser hervorragen. In dem Behälter wird dann eine Luftleere von etwa 0,55 bis 0,60
Quecksilbersäule erzeugt, wodurch ein energisches Eindringen des Wassers in das
Innere der Flachsstengel erzielt wird. Auf diese Weise wird vermieden, daſs bei der
folgenden Behandlung mit Dampf Theile des Flachses verbrannt werden, und der Flachs
einen karamelartigen Geruch und eine gelbliche Farbe erhält, die eben von dem
Verbrennen innerer Theile durch Dampf herrührt.
Gleichgültig ist es, ob das Wasser eine geringere Temperatur hatte und erst im
Röstkessel auf 150° gebracht wird, oder ob es schon beim Einlassen die erforderliche
Temperatur von 150° C. besitzt. Wesentlich ist es aber, daſs der vollkommen reife
Flachs etwa 20 Minuten lang der Einwirkung des Wassers von 150° ausgesetzt bleibt,
während unreifer Flachs längere Zeit, bis zu 40 Minuten, im Wasser von 150° C.
verbleiben muſs.
Durch diese Behandlung wird die Umwandelung der Pectose einleitet, ohne daſs indessen
irgend welche Auslaugung stattfindet. Der so behandelte Flachs wird dann mittels des
Krahnes (Fig.
17) in einen der beiden Dämpfkessel B oder
C gebracht, in welchem er 30 Minuten lang der
Einwirkung von trockenem Dampfe von etwa 150° C. ausgesetzt wird, worauf man den
Dampf ausströmen läſst. Sämmtliche Pectose ist nun in Pectinsäure umgewandelt, und
diese Umwandelung vollzieht sich so glatt, daſs das Ansehen des Flachses unter der
Einwirkung des Dampfes weder leidet, noch die Uebergangsproducte der Pectose vom
Dampfe gelöst würden.
Der so gedämpfte Flachs wird nun sofort in einem der übrigen Kessel mittels heiſser
Luft getrocknet.
Das Röstwasser kann zwei- bis dreimal verwendet werden, wenn es zum Theil mit
frischem Wasser vermischt wird.
Zu jedem Dämpfkessel B bezieh. C gehören vier Trockenkessel DEFG bezieh. HIJK, welche von einer gemeinschaftlichen Leitung mit
Luft Speist werden.
Jeder Trockenkessel ist mit einem erweiterten Rohre LMNO
bezieh. PQRS verbunden, in welchem eine Dampfschlange
zur Erwärmung der Luft angeordnet ist. Die oberen Verbindungsstücke dieser Rohre
können durch Ventile D1
E1
F1
G1 bezieh. H1
I1
J1
K1 abgesperrt werden
und sind mit der
gemeinsamen Luftleitung durch kurze Verbindungsrohre mit Absperrventilen D2
E2
F2
G2 bezieh. H2 I2
J2
K2 verbunden. Die
unteren Enden jener Heizrohre sind mit den unteren Enden der Trockenkessel so
verbunden, daſs die Luft die Trockenkessel nach einander in solcher Richtung
durchströmt, daſs sie zuerst mit dem am weitesten getrockneten Flachse in Berührung
kommt und schlieſslich aus dem gerade beschickten und noch offenen Behälter
ausströmt. Sind beispielsweise die Kessel DEG gefüllt
und geschlossen, F dagegen leer, so ist das Ventil F1 geschlossen, F2 dagegen offen, die
Ventile E1
D1
G1 sind ferner offen,
E2 D2 G2 geschlossen,
die gespannte Luft tritt dann durch Rohr N nach Kessel
E, nachdem sie vorher in N erwärmt war, trocknet den in E
befindlichen, schon vorgetrockneten Flachs fertig, strömt aus E nach M, erwärmt sich
hier, gelangt dann nach D und L, erwärmt sich hier nochmals, tritt nach G,
um schlieſslich durch O nach F und hier ins Freie zu strömen.
Die Luft wird somit stets, bevor sie in einen Trockenkessel gelangt, von Neuem
erhitzt. Ist der Kessel F beschickt und der Flachs in
E hinreichend getrocknet, so wird F geschlossen, E hingegen
geöffnet, worauf man E1
und J2 schlieſst, F1 und E2 hingegen öffnet. Die
Luft durchströmt dann die Kessel DGF nach einander, um
durch Kessel E ins Freie zu entweichen.
Es wird demgemäſs mittels des beschriebenen Apparates in jeder Gruppe von
Trockenkesseln ein fortlaufender Wechsel erzielt, indem die Luft zuerst mit
niedriger Temperatur den trockensten Flachs, darauf nach nochmaliger Erwärmung
weniger getrockneten und schlieſslich nach weiterer Erwärmung den feuchtesten Flachs
trifft und sich so nach und nach mit mehr Wasserdampf beladet.
Die einzelnen Kessel, welche sämmtlich luftdicht verschlossen werden können, sind mit
der aus der Zeichnung ersichtlichen Armatur versehen, so daſs man Temperatur und
Spannung des Wassers bezieh. Dampfes in den Kesseln A
bezieh. B und C leicht
erkennen und somit den Gang der Operationen überwachen kann. Die Anzahl der
Trockenkessel kann selbstverständlich auch geändert werden.
Ferner könnte man auch in demselben Kessel, der zur Behandlung, des Flachses mit
heiſsem Wasser dient, die Dämpfung vornehmen, nachdem man das heiſse Wasser aus dem
Kessel abgelassen hat. Die geschilderte Einrichtung ermöglicht jedoch eine
vortheilhaftere und schnellere Arbeit. Der Flachs selbst wird zweckmäſsig senkrecht
in Körben oder cylindrischen Gefäſsen aus gelochtem Bleche aufgehängt, Fig. 17
zeigt.
Gegenüber der gewöhnlichen Rasen- oder Wasserröste bietet geschilderte Verfahren den
Vorzug, daſs das Rösten weder von Jahreszeit noch von Witterungs- oder
atmosphärischen Temperaturverhältnissen abhängt. Der Röstverlust ist 3 bis 4 Proc.
geringer, die Faser bleibt erheblich stärker und fester und alle gesundheitsschädlichen Einflüsse, als
verpestete Luft und Abfluſswasser, sind vermieden.