Titel: | Zur Explosion zu Friedenshütte. |
Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 323 |
Download: | XML |
Zur Explosion zu Friedenshütte.
(Fortsetzung des Berichtes S. 255 d.
Bd.)]
Zur Explosion zu Friedenshütte.
Die Unwahrscheinlichkeit eines solchen Vorganges findet übrigens
auch Beleg in der Statistik der Dampfkesselexplosionen des Deutschen Reiches. Nach
derselben ist bei einer groſsen Anzahl von Explosionen der explodirte Kessel allein aus einer Kesselanlage von mehreren Kesseln
herausgeflogen und gewaltig zertrümmert, ohne daſs die Nachbarkessel erheblich
beschädigt sind und ohne daſs die Explosionswirkung sich in verheerender Weise auf
die anderen erstreckt hätte.Das französische Kesselgesetz geht von anderen Anschauungen aus (vgl. 1887
264 * 358). Nach Maſsgabe der
amtlichen deutschen Explosionsstatistik von 1877 bis 1886, also während 10 Jahren,
sind 155 Explosionsfalle verzeichnet, von denen etwas mehr als die Hälfte
Kesselanlagen mit mehreren Kesseln betrafen. Es ergibt sich daraus folgendes:
A. Bei Kesseln gleicher Construction wie auf Friedenshütte:
Bei 57 Explosionen explodirten 18 aus der Mitte von anderen
heraus, nämlich:
a.
in
einem
Falle
1
von
10
Kesseln
b.
„
„
„
1
„
8
„
c.
„
vier
Fällen
1
„
6
„
d.
„
drei
„
1
„
3
„
e.
„
neun
„
1
„
2
„
nur in einem Falle, wo drei Kessel neben einander
lagen, zertrümmerte der eine Kessel den linken Nachbarkessel und lieſs den rechten
unbeschädigt.
B. Bei Flammrohrkesseln kamen 23 Fälle vor:
a.
in
einem
Falle
1
von
10
Kesseln
b.
„
„
„
1
„
8
„
c.
„
„
„
1
„
7
„
d.
„
drei
Fällen
1
„
6
„
e.
„
zwei
„
1
„
4
„
f.
„
drei
„
1
„
3
„
g.
„
zwölf
„
1
„
2
„
Ferner erwähnen wir:
C. Auf dem Hochofenwerke Salzgitter explodirte 1873 ein Kessel von
uni ohne weitere Folgen auf die anderen Kessel zu äuſsern, obgleich die Construction
ungewöhnlich (25m Länge der Siederohre), das Blech
sehr schlecht, der Zustand der Kessel mangelhaft war.
D. In Güstrow brach das Dampfrohr von 6 Kesseln, welche im
Betriebe waren, an zwei Stellen durch. Die Kessel blieben unverletzt.
E. In zahlreichen Fällen der oben angeführten Explosionen brachen
die gemeinschaftlichen Dampfrohre ohne weitere Folgen für die im Betriebe
befindlichen Kessel.
Aber auch abgesehen davon, so ist ein solcher Vorgang bei 22
Kesseln nicht denkbar ohne eine längere Zeit in Anspruch zu nehmen, ohne den
zertrümmerten Theilen verschiedene Richtungen in den Flugbahnen zu geben und ohne
das Geräusch einer gewaltigen Kanonade hervorzurufen. Eine specifische Erscheinung
der Friedenshütter Explosion bildet die fächerförmige Flugbahn der Kessel, welche
ausgehend von einem zwischen den Schornsteinen liegenden Mittelpunkte sich nach
Norden und Süden hin erstreckt. Die mittleren Kessel sind ausschlieſslich nach vorn
(westlich), die nördlich liegenden in nördlicher, die südlich liegenden in südlicher
Richtung geflogen, mit Ausnahme einiger weniger Kessel, welche die gröſsten
Zerstörungen erlitten haben und ihre Trümmer nach den verschiedensten Richtungen
entsandten. Aus der fächerförmigen Flugbahn läſst sich unzweifelhaft erkennen, daſs
der Anfang der Explosion in den mittleren Kesseln zu suchen ist. Diese Annahme wird
durch die Eigenartigkeit der Zerstörung des Fuchses zwischen den Schornsteinen und
hinter den mittleren Kesseln unterstützt, welche ein wesentlich anderes Bild als das
der zerstörten Seitenflügel des Fuchses zeigt.
Wir können nach dem Obengesagten nur annehmen, daſs die
Katastrophe durch eine Wirkung von auſsen her eingeleitet wurde. Die Veranlassung
zum Unglücksfalle wurde aus der gemeinschaftlichen Heizung mit Gasen gegeben, wobei
wir vorläufig dahingestellt sein lassen wollen, ob die Hochofengase es allein
gewesen sind, oder ob noch andere Gase aus der Steinkohlenfeuerung mitgewirkt haben.
Die Gasheizung ist das einzige, allen Kesseln gemeinschaftliche Element, aus welcher
von auſsen her eine Wirkung entstehen konnte, wie sie das beigegebene Bild der
Flugbahnen und der zerstörten Kessel ergibt. Wir würden der Wirkung der plötzlich
sich entzündenden Hochofengase nicht von vorn herein eine so hervorragende Bedeutung
beilegen, wenn wir nicht die Ueberzeugung hätten, daſs die Construction der
Dampfkessel und das Material, aus welchem sie gefertigt waren, mit Mängeln behaftet
gewesen sind, so daſs unter Zusammentreffen aller ungünstigen Faktoren die
Kesselwandungen den Erschütterungen nicht widerstehen konnten. Im gewöhnlichen
normalen Betriebe würden, dessen sind wir sicher, diese Mängel nur zu gröſseren oder
kleineren Undichtigkeiten, Rissen und Reparaturen Veranlassung gegeben haben,
derart, wie sie ja auch vorgekommen sind. Die aufgetretenen Mängel in den
Rundnähten, in der Querfaser des Eisens, sowie die Auswechselungen mangelhaft
gewordener Feuerplatten, bilden den Beleg dafür, daſs beim Betriebe
auſsergewöhnliche Spannungen und Ausdehnungen erfolgt sind.
Bei Gasfeuerungen kann man bekanntlich von „Feuerplatten“,
wie der technische Sprachgebrauch diejenigen Blechplatten bezeichnet, welche die
erste strahlende Hitze des Feuers auszuhalten haben, kaum sprechen. Namentlich dann
nicht, wenn das Gas, wie im vorliegenden Falle, immerhin schwer brennbar ist. Das
Gas brennt im Allgemeinen durch die ganze Länge der Züge, es brennt oftmals im
Fuchse und aus der Schornsteinöffnung heraus, je nachdem durch den Rost und durch
die Undichtigkeiten der Züge u.s.w. Luft eingesogen und ein zur Verbrennung
günstiges Mischungsverhältniſs entstanden ist. Dadurch wechseln die Lagen der
Hauptverbrennungszonen und in Folge dessen diejenigen Orte, wo die gröſsten
Temperaturdifferenzen unnatürliche Spannungen und Ausdehnungen hervorrufen.
Dies ist sehr zu beachten und bei allen mit Gas geheizten Kesseln
dieser Gröſse und Construction sind deshalb Mängel in den Rundnähten
(Querfaserrichtung) häufiger. Das Schlimmste aber ist, daſs diese Mängel in Folge
der vorhin genannten wechselnden Hauptverbrennungsorte, rasch und unbemerkt
entstehen, sich als Risse im Betriebe entwickeln und plötzlich zu Tage treten
können. Im kalten Zustande sind sie in der Regel sichtbar, sofern die Risse vom
Nietloche zur Blechkante gehen, aber, wenn sie sich von Nietloch zu Nietloch erstrecken, nur in den
seltensten Fällen. Ist das Blech an sich von geringer Güte, also spröde wie bei den
Kesseln der Friedenshütte, so wird die Möglichkeit der Bildung solcher Risse
leichter zur Thatsache.
Aus der deutschen Explosionsstatistik ist der Einfluſs des
geringwerthigen Materiales etwas bemerkbar. Von den 155 in den Jahren 1877 bis 1886
explodirten Kesseln sind 30 Fälle nachgewiesen, bei welchen das Blech aus den Jahren
1871 bis 1874 stammt. Nimmt man nach der Zusammenstellung der Dampfkessel und
Dampfmaschinen vom Geheimrath Dr. Engel die Zahl der in
den Jahren 1871 bis 1874 beschafften Kessel zu 9263 an, so kommt hier (– im
Gegensatz zu der Durchschnittszahl von 3900 Kesseln –) auf 3120 Kessel eine
Explosion. Dieser Unterschied ist jedoch nicht so bedeutend, daſs allgemeine
Vorsichtsmaſsregeln gegen Kessel aus solchem Materiale gerechtfertigt wären, weil
über die Strukturveränderungen des Eisens durch den Betrieb zuverlässige Beweise
noch nicht vorliegen und namentlich auch deshalb, weil die Betriebsweise der Kessel
hierbei die gröſste Rolle spielt.
Wir verweisen auf die englische und deutsche Statistik der
Explosionen, aus welchen sich deutlich ergibt, daſs Explosionen von Kesseln
ähnlicher Construction in der Regel auch groſse Zertrümmerung der Kesselkörper und
sehr weite Flugbahnen der einzelnen Theile hervorrufen. Die Schwäche der
Construction der Friedenshütter Kessel findet auch einen Beleg durch die deutsche
Explosionstatistik. Wir erwähnten schon vorhin, daſs von 155 Explosionen in den
Jahren 1877 bis 1886 57 an Kesseln ähnlicher und nahezu gleicher Construction
vorgekommen sind, während das Verhältniſs (nach der amtlichen Statistik von 1877)
der Gesammtzahl der Kessel zu derjenigen der vorliegenden Construction wie 49511 zu
15500 ist. Bemerkenswerth ist nach unseren Erfahrungen, daſs die Anwendung des
genannten Systemes thatsächlich in Abnahme begriffen ist.
Die fächerförmige Flugbahn der Kesseltheile, welche in ihrer ganz
eigenartigen Form den sichersten Anhalt für die Einleitung der ganzen Katastrophe
gibt, bezieht sich ausschlieſslich auf die Oberkessel, während der gröſste Theil der
Unterkessel in groſser Anzahl in den Rundnähten gebrochen und wiederum in
eigenthümlicher Art nur nach vorn geschoben ist. Fast alle sind sie aber doch im
Kesselhause liegen geblieben. Nur einzelne Ringe (6 Stück mit etwa 10 Trommeln) sind
in entgegengesetzter Richtung fortgeschleudert worden. Die Tragestühle dieser
Unterkessel – mit Ausnahme der Kessel 22 und 23, welche noch unversehrt und theils
noch aufrecht standen – waren unter dem Schutte begraben.
Das Mauerwerk der Kessel ist bis auf die Sohle der Unterzüge
zertrümmert und der Fuchs zwischen beiden Schornsteinen mit groſser Gewalt
eingedrückt, während links und rechts die Verlängerung mehr oder weniger unverletzt
geblieben ist. Die Decke des Fuchses war hier abgehoben und die Vorderwand an die
Hinterwand gedrückt. Alle diese eigenartigen Erscheinungen sind nur zu erklären,
wenn man annimmt, daſs eine von auſsen wirkende Kraft, deren Ausgangspunkt bei den
Kesseln zwischen den Schornsteinen liegt, am hinteren Ende der Kessel wirkend, die
Katastrophe eingeleitet hat. Wir wollen damit keinesfalls ausschlieſsen, daſs nicht
links und rechts auch noch ein oder mehrere Kessel in Mitleidenschaft gezogen sind,
so daſs die Katastrophe ihre Einleitung eventuell bei einer groſsen Anzahl von
Kesseln gefunden hat. Hierfür fehlt uns aber der Beweis und so nehmen wir es nur für
die Mittelpartie an, weil dies aus der Art der Zerstörung überzeugend hervorgeht.
Diese Kraft ist nur in den Stoſswirkungen der plötzlich sich entzündenden Gase zu
finden, welche sich dort in explosibelem Gemisch angesammelt hatten. Es kann sich
dabei nur um Gase der Steinkohlenfeuerung und um Gichtgase handeln. Bestand das
Gemisch, wie wohl anzunehmen ist, aus Gichtgasen und Steinkohlengasen, so ist die
Intensität der Wirkung, welche zum Bruch der Kessel führte, unzweifelhaft. Hierfür
bedarf es keiner weiteren Beweise. Wir wollen aber auch im Nachstehenden
nachzuweisen versuchen, daſs Hochofengichtgase unter Zusammenwirkung aller wichtigen
umstände schon allein eine groſse Wirkung ausüben können.
Es handelt sich im vorliegenden Falle um
„Hochofen-Koks-Gase“ (Gichtgase). Die Zusammensetzung solcher Gase ist bekanntlich sehr
schwankend, sie hängt vom Orte der Entnahme aus den Hochöfen und vom Gange des Ofens
selbst ab. Wir kennen die zufällige Beschaffenheit der Gase vor der Explosionszeit
nicht, nehmen also an, daſs sie dem Gewichte nach bestehen aus:
64,8
Proc.
Stickstoff
= 63,7
Vol.-Proc.
33,8
„
Kohlenoxyd
= 34,3
„
1,3
„
Kohlensäure
= 0,6
„
0,1
„
Wasserstoff
= 1,4
„
wie sie in Knapp's chemischer Technologie als durchschnittliche Ergebnisse
der Untersuchungen von Hochofengasen durch Bimsen, Ebelmen,
Scheerer u.s.w. angegeben sind. Wir fügen hinzu, daſs Knapp besonders dabei betont, daſs der
Hauptbestandtheil der Brenngase Kohlenoxyd ist, daſs Kohlenwasserstoffe spärlich
sind, aber wohl allen gemein wären und daſs es mehr an der Analyse als an der
Wirklichkeit läge, wenn sie nicht gefunden wären. Bei obigen Analysen sind die Gase
in ⅔ der Höhe des Hochofens entnommen. Je höher die Entnahme erfolgt, desto unreiner
und von geringerer Heizkraft sind sie.
In der Zeitschrift des Vereines deutscher
Ingenieure, 1884 S. 970, sagt Jung von
„Burbacher-Hütte“ die Hochofengase seien folgendermaſsen
zusammengesetzt:
im Mittel 50 bis 60
Proc.
Stickstoff und wechselnde Mengen Wasserdampf,
24
„
Kohlenoxyd,
12
„
Kohlensäure,
4
„
Kohlenwasserstoff.
„Je mehr Kohlenoxyd die Gase enthalten, um so gröſser ihr
Brennwerth. Je kälter die Gase entweichen, um so mehr wird ihr
Feuchtigkeitsgehalt durch Condensation abnehmen, um so vorzüglicher müssen sie
werden. „Die Gase entweichen mit einer Temperatur von 40 bis 400°.“
Herr W. Lürmann in Osnabrück nennt in
der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1886
S. 526, die Hochofengase „schwer brennbare Gase“ und sagt S. 527, daſs es
niemals räthlich sei, Kohle und Gase unter einem Kessel
zu verbrennen. Beide, Jung und Lürmann, geben zu, daſs bei unregelmäſsigem Gange der Hochöfen, die
Zusammensetzung der Gase wesentlich andere werden könne. Nach Aeuſserung vieler
Hochofentechniker wechselt dieselbe fortwährend in kurzen Zeitabschnitten. Nach Bremme in der Zeitschrift des
Vereines deutscher Ingenieure (Vortrag in der Versammlung des
Ingenieur-Vereins am 19. Oktober 1887 zu Kattowitz) bestehen die Koksgase der
oberschlesischen Hochöfen im Mittel aus:
60
Proc.
Stickstoff
9
„
Kohlensäure
8
„
Wasserdampf
23
„
Kohlenoxyd
dem Gewichte nach.
Die Hochöfen der Friedenshütte blasen graues Bessemer-Roheisen,
die Gase sind nach uns gewordenen Mittheilungen besonders reich an Kohlenoxyd und
arm an Kohlensäure.
In dem Journal „Gewerbehygienie“ spricht Dr. Eulenburg S. 352 und 354 unbedenklich die Explosibilität der Hochofengase
aus. Die Explosibilität der Gase leugnet Niemand und stützen wir uns auf die
Thatsache, daſs an allen Orten, wo Hochöfen betrieben und Gase zum Heizen der
Dampfkessel benutzt werden, in den eisernen Gasleitungen stets eine groſse Zahl von
Sicherheitsklappen angebracht sind. Diese sind deshalb eingesetzt, weil die
Erfahrung gelehrt hat, daſs die Gasexplosionen in den Leitungen nichts Seltenes
sind. Die Klappen fliegen auf und machen die Wirkung unschädlich. Nur in seltenen
Fällen bei schlechten Anlagen führen solche Explosionen in den Gasleitungen zu
Zerstörungen derselben. Auch in den Gasleitungen auf der Friedenshütte waren eine
groſse Zahl solcher Sicherheitsklappen angebracht, aber nur bis zu den Dampfkesseln
hin, wie es überall Gebrauch ist.
Wenn unzweifelhaft in den Gasleitungen die Mischung von Gichtgasen
mit Luft und in Folge dessen deren Explosion wiederholt seit Jahren nachgewiesen
ist, so ist die Möglichkeit vorhanden, daſs eine gleiche explosible Mischung sich
auch bilden kann, wenn Gichtgase unverbrannt in die Kesselzüge treten, in welche Luft mit
eingesogen ist und daſs sie dort explodiren können. Es sind auch in der Praxis
heftige Explosionen in den Kesselzügen (ähnlich wie bei Stubenöfen) vorgekommen,
aber nur mit verhältniſsmäſsig geringem Effect. In der Nähe von Siegen ist bei einer
gröſseren Kesselanlage vor einigen Jahren durch Explosion der Gase das ganze vordere
Mauerwerk zertrümmert. Die Gase sind eben vorn am Kessel explodirt und ihre
Quantität war gering.
Wenn durch irgend einen Umstand, z.B. bei Stillständen, beim
gleichzeitigen Abstellen der Gebläsemaschinen, beim Abstiche der Hochöfen, durch
Verstopfungen, durch gleichzeitiges Ziehen der Gichtglocken, durch Gasexplosionen im
Zuleitungsrohre u.s.w. der Strom der Gichtgase abgerissen oder die Flamme in Folge
des ausgebrannten oder durch zu dicke, unsinnige Beschickung fast erstickten
Rostfeuers ausgegangen ist, so tritt beim Wiederkehren des Gasstromes unverbranntes
Gas in die Kesselzüge. Durch den Rost, durch alle Fugen und Ritzen des Mauerwerkes,
wird Luft eingesogen, sie mischt sich an zahllosen Stellen mit der äuſseren Schicht
der Gase, an den Ecken und Biegungen erfolgt ihre innige Mischung. Die Art der
Einmauerung gibt hierzu reichliche Veranlassung. Wir bemerken, daſs bei dem
Mauerwerk für die Oberkessel allemal zwischen zwei Kesseln ein erheblicher Spielraum
tag, so daſs groſse Oberflächen des Auſsenmauerwerkes Gelegenheit zum Einsaugen von
Luft gaben.
Wenn alle Bedingungen günstig zusammentreffen, so kann aus der
Entzündung des Gemisches eine Explosion entstehen. Die Entzündung kann ebenso wohl
aus dem Aufgeben frischer glühender Kohle, als auch durch die glühenden Mauersteine
erfolgen. Die Entzündungstemperatur der Gase kann man im gewöhnlichen Zustande zu
etwa 600 bis 700° C. annehmen. Diese Temperatur ist sicherlich im Mauerwerke
vorhanden gewesen, denn die umhergeschleuderten Ziegelsteine haben die benachbarten
Gebäude sogar in Brand gesteckt.
Da dies erwiesen ist, so müssen sie eine hohe Temperatur gehabt
haben, welche sicherlich zur Entzündung eines explosiblen Gemisches ausreichte, wenn
es auch nur etwa 25 Proc. Kohlenoxyd enthielt. Da das Gas oft an verschiedenen
Stellen brennt, und bei seiner Verbrennung, zuzüglich der Temperatur aus der
Steinkohlen-Rostfeuerung, im normalen Betriebe sicher 800 bis 1000° erzeugt, und
zwar bei etwa 1½facher Luftzufuhr, so kann und wird zu Zeiten das Mauerwerk selbst
in den Zügen der Unterkessel sicher etwa 700° Temperatur annehmen.
Der Wassergehalt der Gichtgase kann bei der groſsen Länge der
Leitungen nur sehr gering gewesen, ebenso wird die Temperatur der Gase beim
Eintritte unter die Kessel nicht mehr hoch gewesen sein. Die Luftzufuhr zu den Gasen
nehmen wir als die gewöhnliche an und dann ergibt die Rechnung, daſs eine Ausdehnung
der Gase leicht entstehen konnte, welche 1at Druck
gleich kam. Dies würde einer mittleren Temperaturerhöhung von etwa 400° entsprechen.
Der Druck würde wesentlich höher sein, wenn die Entzündung des Gas- und
Luftgemisches an mehreren Stellen zugleich erfolgt sein würde. Wir nehmen auf Grund
des früher Gesagten letzteres an, wollen aber nur die Entstehung eines Druckes von
1at zugeben, welche reichlich genügt, um durch
die Stoſswirkung die Kessel gewaltsam zu erschüttern und hierdurch Brüche
hervorzurufen. Wir wollen nur durch eine oberflächliche Betrachtung erläutern, wie
groſs die Kraftäuſserung sein müſste.
Das Eigengewicht jedes Kessels berechnet
sich zu
etwa
13537k
Die Wasserfüllung des Oberkessels
„
22600
Dieselbe der 2 Unterkessel
„
12500
Das auf dem Kessel ruhende
Mauerwerk
„
9000
Sonstige Widerstände
„
8363
––––––––––––
Sa.
66000k.
Der Oberkessel erhielt den Druck von unten auf eine Fläche von
etwa 19qm = 190000 qcm. – Um der angegebenen Last von 66000k das Gleichgewicht zu halten, genügte also ein Druck von
\frac{66000}{190000}=1/3^{at}. Selbst wenn wir den Widerstand zu ½at annehmen, so genügt also ein Gegendruck bis zu
1at vollständig, um das ganze System zu
verschieben und zum Bruche zu bringen.
Es handelt sich bei diesen und später erörterten Gasexplosionen
natürlich nicht um statischen Druck, sondern um die Stoſswirkung, welche diejenige
plötzliche Ausdehnung hervorrief, welche dem berechneten Drucke gleichkommt.
Wir kommen nun zur Erörterung der Explosion eines Gemisches von
Hochofen-Gichtgasen und Gasen der Steinkohlenfeuerungen, durch welche der Vorfall am
leichtesten erklärt wird.
Unter den mehrfach erwähnten Kesseln der Mittelpartie ist durch
irgend eine Ungehörigkeit, oder Nachlässigkeit in der Bedienung der Feuer, die
Gasexplosion verursacht worden, so daſs es nicht einmal der Annahme bedarf, daſs bei
allen Kesseln gleichzeitig die Explosion der Gase eingetreten ist, weil die Wirkung
der Explosion eines solchen Gasgemisches unzweifelhaft bedeutend gröſser ist, wie
bei Vorhandensein reiner Hochofengichtgase. Hierbei wollen wir wiederholen, was wir
vorhin gesagt haben, daſs wir auſserdem nicht ausschlieſsen wollen und können, daſs
unter einzelnen anderen Kesseln links und rechts ebenfalls Gasexplosionen erfolgt
sein mögen. In der Stunde von 12 bis 1 Uhr ist es bei Nachtschicht ebenso wie bei
Tagschicht allgemein üblich, daſs die Arbeiter ihr Essen einnehmen. Die Erzielung
einer längeren Ruhepause gab die Veranlassung zu einer sehr starken Beschickung der
Feuer und damit war der Grund zu einem Erlöschen der Hochofengase bei einem oder
mehreren Feuern gegeben. Die zur Verwendung gekommene Kohle war nur Staubkohle,
welche wahrscheinlich auch naſs verfeuert werden muſste, wobei ein vollständiges
Abdecken sehr leicht eintritt, wie dies die Erfahrung schon oft ergeben hat. Die
Luftzufuhr wird alsdann verhindert oder so gering, daſs die Feuer ersticken und die
Kohlen schweelen. Nach und nach gehen nun dabei in Folge mangelnden Sauerstoffes die
Flammen aus. Strömten nun während der Zeit dieses Todtliegens bei den derartig
abgedeckten Feuern die Hochofengichtgase weiter in den Herdraum ein, was als
selbstverständlich angenommen werden muſs, so konnten sich dieselben vorn nicht mehr
entzünden, zumal dieselben thatsächlich durch die lange Leitung stark abgekühlt
waren, sie mischten sich mit den Destillationsproducten der auf dem Rost
schweelenden Kohle und bildeten so in den Zügen ein leicht explodirbares Gasgemisch.
Wie die Entzündung dieses Gemisches nun stattgefunden, ob vom Rost, vom Mauerwerk,
oder vom Fuchse aus, wollen wir nicht entscheiden, da mehrere Fälle möglich
sind.
In beiden angenommenen Fällen der Gasexplosion war die Wirkung auf
die Kessel die gleiche. Der Stoſs, welchem die Oberkessel in der unteren Hälfte bei
der Explosion ausgesetzt waren, riſs die Oberkessel an den hinteren
Verbindungsstutzen, welche noch von altem geringwertigem Blech waren, von ihren
Unterkesseln, der hierdurch gebildete freie Ausströmungsquerschnitt bedingte einen
schnellen Druckausgleich, in Folge dessen die Oberkessel und auch die Unterkessel in
der Richtung nach vorn geschleudert wurden. Selbstverständlich muſsten die
Oberkessel als die mehr freiliegenden und weil in ihnen das Quantum der
aufgespeicherten, also auch frei werdenden Wärme, wesentlich gröſser war als in den
Unterkesseln, auf weit gröſsere Entfernungen geworfen werden als diese, die zudem
noch in den Unterzügen lagen und einem Wegschleudern somit gröſseren Widerstand
entgegensetzten. Bei den Unterkesseln trat auſserdem die Stoſswirkung nicht in dem
Maſse auf, weil bei ihnen dieselbe von allen Seiten erfolgte.
Aus den von uns geschilderten Vorgängen könnte gefolgert werden,
daſs Gasexplosionen leichter eintreten könnten, als dies thatsächlich der Fall ist.
Zu einer Gasexplosion mit dem Maximum der Kraft, bezieh. mit einer namhaft gröſseren
Wirkung, gehört das Zusammenwirken aller für dieselbe günstigsten Umstände. Wäre dem
nicht so, so müſste die Statistik schon wiederholt derartige Unglücksfälle zu
verzeichnen haben, was thatsächlich nicht der Fall ist. Wir können uns auf die
Erläuterungen der günstigen Umstände nicht einlassen, weil das bei der
Verschiedenartigkeit der Gase zu weit führen würde. So viel steht aber fest, daſs
selbst an sich harmlose Gase, wie Hochofengichtgase, unter Umständen weit heftigere
Wirkungen bei der Explosion zeigen, als dies bei den so oft im Betriebe vorkommenden
Verpuffungen der Fall ist.
Es liegt indessen kein Grund vor, in Folge der Friedenshütter
Explosion die Verwendung der Hochofengichtgase irgend wie zu erschweren, um so mehr
als es bewährte Einrichtungen gibt, welche die stete Entzündung der Gase
gewährleisten.
Wir fassen unsere Betrachtungen zum Schlusse wie folgt
zusammen.
„Durch ein unglückliches Zusammentreffen ist eine
explosible Mischung von Gasen und Luft in den Kesselzügen entstanden und
plötzlich entzündet. Die Wirkung der Explosion der Gase hat eine örtliche
Trennung der Kesseltheile veranlaſst, welches bei der groſsen Länge der Kessel,
bei ihrer Construction und bei der geringen Qualität des Materiales
verhältniſsmäſsig leicht erfolgen konnte. Die Explosion der Gase bildete den
Anlaſs zur Erschütterung und zum Reiſsen der Kessel, in Folge dessen dieselben
explodirten.“
Berlin, den 28. Februar 1888.
Der Central-Verband der
preußischen Dampfkessel-Ueberwachung-Vereine.
Im Auftrage: Die Commission.
Böcking. Eckermann. Emundt.
Münter. Vogt Weinlig.
Zuletzt beschloſs die Versammlung einstimmig, bei der Wichtigkeit
der bei dieser Gelegenheit aufgetauchten Fragen über Explosionsfähigkeit und
Explosionswirkung von Hochofengasen und anderen brennbaren Gasen, eine Reihe von
Experimenten anzustellen, zu welcher hervorragende Eisenhüttenleute,
Hochofentechniker, Ingenieure und Gelehrte eingeladen werden sollen. Ein genauer
Plan über die Ausführung der Versuche, die Wahl der Experimentatoren, sowie ein
Ueberschlag der muthmaſslich erwachsenden Unkosten wird sofort aufgestellt und dem
Herrn Minister für Handel und Gewerbe überreicht werden, mit der Bitte, zu den
Kosten dieser Untersuchung einen Beitrag zu bewilligen und Commissarien zur
Theilnahme an derselben abzuordnen. Auſserdem ist zu hoffen, daſs die
Hauptinteressenten der Hochofenindustrie sowohl mit Geldmitteln als auch durch
persönliche Unterstützung sich betheiligen werden.
(Fortsetzung folgt.)