Titel: | Schädlicher Einfluss der Ueberhitzung auf die Festigkeit des Kupfers. |
Fundstelle: | Band 267, Jahrgang 1888, S. 164 |
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Schädlicher Einfluſs der Ueberhitzung auf die
Festigkeit des Kupfers.
Schädlicher Einfluſs der Ueberhitzung auf die
Kupferfestigkeit.
Am 19. September 1887 zerriſs auf dem Postdampfer Elbe
während seiner Probefahrt in der Stokes-Bai, unter einem Dampfdrucke von 10at,54 (150 Pfund) das vordere Stück des
Hauptdampfrohres; in Folge der hierdurch entstandenen Dampfausströmung wurden 9
Personen getödtet. Die über die Ursache dieses Ereignisses durch den
„Coroner“ angestellte Untersuchung führte zu keinem Ergebnisse, so daſs
der Wahrspruch, wie oft in dergleichen Fällen, auf „Tod durch unglücklichen
Zufall“ (accidental death) lautete. In der That scheint auch gegen niemand,
am allerwenigsten gegen die Herren Oswald, Mordaunt and
Co. zu Southampton, die Erbauer der Maschine, irgend ein Vorwurf
gerechtfertigt gewesen zu sein, vielmehr muſste ihnen das Zeugniſs gegeben werden,
daſs sie weder Mühe noch Kosten gescheut hatten, um vorzügliche Arbeit zu liefern.
Das Rohr war zweimal probirt worden, einmal auf 21at,08 (300 Pfund), ein zweites Mal auf 24at,59 (350 Pfund), ohne irgend ein Zeichen von Schwäche zu geben. Das
Kupferblech desselben war Nr. 2, oder 6mm,86
stark, und die einzelnen Theile waren in gewöhnlicher Weise mit abgeschrägten
Rändern in der Längsnaht verlöthet worden. Das Rohr maſs im äuſseren Durchmesser
254rnm, im Lichten 244mm (diese Maſse ergeben nur 5mm Wandstärke); das Kupfer war von einer
hervorragenden Firma zu Birmingham und erwies sich bei chemischer Untersuchung als
rein und gut. Auch die mechanische Untersuchung durch Kirkaldy, welche sich auf Festigkeitsprüfung von 62 aus dem zersprungenen
Rohre geschnittenen Streifen erstreckte, förderte nur negative Resultate zu Tage;
das Kupfer zeigte sich unmittelbar bei der Löthnaht ebenso fest, wie im übrigen
Theile des Rohres; nur einzelne Theile der Löthnaht zeigten sich schwächer, indem
das Loth die Ränder nicht vollständig vereinigt hatte, wodurch natürlich die
wirksame Metallstärke verringert wurde. Eine Ueberhitzung des Metalles hatte nicht
stattgefunden; der äuſsere Rand an der Fuge zeigte sich völlig scharf, konnte also
nicht verbrannt sein.
Wurde das Metall einer zum Verbrennen ausreichenden Hitze ausgesetzt, so zeigte sich
allerdings eine wesentliche Verminderung der Festigkeit, welche bis zur Hälfte der
Festigkeit des gesunden Materials herabging., und gleichzeitig eine Verminderung der
Dehnbarkeit von etwa 40 Proc. bis zu 15 Proc.
Das dem zersprungenen benachbarte Rohrstück wurde in den Werkstätten von Oswald durch einen der Fabrikinspectoren zu
Southampton, Herrn Steele untersucht und zerriſs bei
42at,16. Der noch unverletzte Theil des Rohres
wurde neuerdings geprüft und platzte bei 54at,8.
Der zersprungene Theil wurde mit einer neuen Flansche versehen und riſs nunmehr bei
80at,1. Die Bruchfläche zeigte durchaus das
Ansehen gewöhnlichen Rothkupfers. Die Bruchfläche jenes Stückes, welches bei 54at,8 zerrissen war, erschien aber auf ungefähr ⅛
Zoll von auſsen an (3mm) dunkelbraun, und nur der
übrige Theil (etwa 2mm) zeigte richtige
Kupferfarbe. Der bei 42at,16 zerrissene Theil aber
war von ähnlichem Aussehen wie das explodirte Rohr. Nach diesem Befunde erklärte Steele, daſs er hierfür keinen anderen Grund, als
hochgradige Ueberhitzung, annehmen könne – also genau das Gegentheil dessen, was Kirkaldy ausgesprochen hatte.
Damit war nun freilich die Sache noch keineswegs erklärt. Zunächst konnte niemand von
dem betreffenden, als ordentlicher Mann bekannten Kupferschmiede, annehmen, daſs er
sich bei der Arbeit einer sträflichen Nachlässigkeit schuldig gemacht habe; auf
Befragen vor dem Coroner versicherte derselbe, die Arbeit von Beginn des Löthens an
nicht verlassen zu haben: auch sei ihm während derselben keinerlei Anzeichen von
Ueberhitzung aufgefallen. Auch beim Putzen der Löthnaht sah er keine Anzeichen von
Ueberhitzung; hätte er irgend einen Fehler an dem Rohre bemerkt, so würde er den
Werkmeister darauf aufmerksam gemacht haben. Eine weitere Schwierigkeit besteht
darin, daſs nach Kirkaldy's Versuchen eine Erhitzung
bis zum Blasenwerfen und beginnender Schmelzung noch nicht genügt, die Zugfestigkeit
und Ausdehnungsfähigkeit des Metalles wesentlich zu vermindern; hierzu war ein
wirkliches „Verbrennen“ erforderlich. Daſs ein solcher Hitzegrad aus Versehen
dem Arbeitsstück gegeben worden sei, ist nicht glaublich. Dazu kommt noch, daſs die
Auſsenseite der Röhre gesund war, während die Innenseite sich verbrannt zeigte. Nun
liegt aber beim Löthen ein Rohr in der Regel auf einem Ofen, welcher einem
Schmiedeherde gleicht; die Auſsenseite ist dem Feuer ausgesetzt, während in das
Innere des Rohres das Schlagloth und Fluſsmittel, in der Regel Borax, eingebracht
wird. Man sollte also wohl im Gegentheil erwarten, daſs die Innenseite des Rohres
gesund, die Auſsenseite verbrannt gewesen wäre. Ueber die Art, in welcher die
Löthung ausgeführt wurde, fand vor dem Coroner keine nähere Mittheilung statt. Nur
wenn Brennmaterial auch in das Innere des Rohres eingebracht und durch ein Gebläse
angefacht worden wäre, lieſse sich der thatsächliche Vorgang erklären.
Die chemische Untersuchung hat ergeben, daſs das Kupfer rein und gut war, und daſs sich
namentlich keine Umstände gezeigt haben, welche auf den Gebrauch von
schwefelhaltigem Brennmaterial beim Löthen hindeuteten. Daſs hierdurch das Metall
spröde wird, ist eine von den Feuerbüchsen der Locomotiven her wohl bekannte
Thatsache. Das Ergebniſs der chemischen Untersuchung macht also die ganze
Angelegenheit noch etwas verwickelter.
Uebrigens sind Brüche von Kupferröhren durchaus kein neues Vorkommniſs, sondern allen
Schiffsingenieuren recht wohl bekannt. So lange man aber auf den Schiffen sich
niedriger Dampfdrücke bediente, bewirkte ein Riſs in einem Rohre keine sehr
schlimmen Folgen, da er sich nicht weit ausdehnte. Er diente als Warnung, und das
Rohr wurde mit Bleiblech oder Segeltuch, mit Bindfaden umwickelt, zeitweilig
reparirt, um nachher entweder erneuert oder geflickt zu werden. Mit Dampfdrücken von
mehr als 10at ist das aber anders geworden; ein
kleiner Riſs dehnt sich mit Blitzesschnelle aus, und das Rohr wird weit aus einander
gerissen. Vielleicht wäre es zweckmäſsig, die Kessel für solche Fälle mit
selbstthätigen Absperrventilen zu versehen, zum mindesten aber eine Vorkehrung
anzubringen, um im Falle eines Rohrbruches die Dampfventile auch vom Deck oder einem
anderen geeigneten Platze aus schlieſsen zu können.
(Der vorerwähnte Unfall scheint doch wohl in erster Linie darauf hinzudeuten, daſs
die höchste Sorgfalt bei Anfertigung solcher Rohre erforderlich ist. Die gröſste
Achtsamkeit beim Löthen selbst, eine genaue Untersuchung nach demselben,
entsprechende Druckprobe dürften wohl einige Sicherheit gegen Rohrbrüche geben.
Endlich kann wohl auch auf Verwendung von ungelötheten, aus dem Ganzen gezogenen
Röhren, bezieh. auf das neue elektrische Löthverfahren für solche wichtige
Maschinentheile hingewiesen werden. Vgl. Berg 1887 266 335. v. Benardos
264 * 335. 265 361.)