Titel: | Feldgeschütz der Nordenfelt Guns and Ammunition Company Lim. in London. |
Autor: | Stn. |
Fundstelle: | Band 267, Jahrgang 1888, S. 98 |
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Feldgeschütz der Nordenfelt Guns and Ammunition
Company Lim. in London.
Mit Abbildung auf Tafel
7.
Feldgeschütz von Nordenfelt.
Das neuere Streben der Geschütztechnik zielt ganz besonders auf eine Erhöhung der
Feuerschnelligkeit der Geschütze hin. Man ist in dieser Hinsicht bereits zu ganz
erstaunlichen Resultaten gelangt. Krupp z.B. kann mit
seinem neuesten 8cm,4-Schiffs-Schnellfeuergeschütz
bis zu 22 gezielte Schüsse in einer Minute abgeben. Die Feuerschnelligkeit dieses
Geschützes erreicht also, diejenige der besten Repetirgewehre. Zu diesem Resultat
ist man besonders dadurch gelangt, daſs man Geschoſs und Ladung zu einer
einheitlichen Patrone, welche auch die Geschützzündung enthält, vereinigt, daſs man
den Rücklauf des Rohres bis auf wenige (20) Centimeter begrenzt, und daſs man die
Abfeuerungsvorrichtung in den Rohrverschluſs legt, wobei dieselbe beim Oeffnen des
letzteren gespannt und nach dem Laden und Richten wie ein Gewehr „abgezogen“
wird. Einstweilen blieben jedoch diese Schnellfeuer-Einrichtungen auf
Positionsgeschütze beschränkt. Der Anwendung auf Feldgeschütze scheinen noch
Bedenken entgegenzustehen. Dieselben gipfeln in der geringeren Kriegstüchtigkeit,
welche eben eine Folge der durch die gröſsere Feuerschnelligkeit bedingten
umständlicheren Einrichtung ist. Zweifellos werden aber diese Bedenken eine
Einführung schnellfeuernder Feldgeschütze auch in den europäischen Heeren nicht
hindern können, um so mehr, als die jetzigen Feldgeschütze eine nur sehr beschränkte
Schuſszahl (3) in einer Minute abgeben können.
Letztere würde ganz bedeutend erhöht werden können, wenn man die Feldgeschütze nach
einem Vorschlag der Nordenfelt Guns and Ammunition Company
Limited in Westminster (London, England) (* D. R. P. Kl. 72 Nr. 41696 vom 8. Mai
1887) construirte. Bei der Wichtigkeit, welche der Vorschlag hat und weil derselbe
wohl durchdacht ist, möge das Nordenfelt'sche
Feldgeschütz hiernach beschrieben werden. Das Geschütz (Fig. 5 Taf. 7) besteht aus
Laffete und Protze und soll sowohl auf- als auch abgeprotzt feuern können. Ersteres
bedingt eine eigenthümliche Verbindung beider Theile. Das Geschützrohr A mit Keilverschluſs a und
Handhabungshebel b ruht in einer Wiege B derart, daſs es in derselben hin und her gleiten
kann. Beim Rücklauf drücken zwei Ansätze, welche auf der unteren Seite des Rohres
angeordnet sind, zwei in der Wiege B liegende
Pufferfedern zusammen, während gleichzeitig zwei mit den Rohransätzen verbundene
Kolben in den zwei Glycerinbremscylindern C sich
rückwärts bewegen. Hierdurch wird der Rücklauf des Rohres in der Wiege bis auf etwa
20cm begrenzt. Ist derselbe aber beendet, so
schieben die Pufferfedern das Rohr und die Bremskolben wieder in ihre
Anfangsstellung zurück. Die Wiege B ist auf der unieren
Seite mit einem starken Pivotzapfen E versehen, welcher
in einer mittels Schildzapfen H in bekannter Weise in
den Laffetenwänden I gelagerten Gabel GF ruht. Die mit der Wiege B verbundene Richtvorrichtung besteht aus der Richtschiene c, welche im Kreis um den Pivotzapfen E gebogen und mit zwei Zahnbogen K verbunden ist, so daſs sie gegen eine
Seitenverschiebung geschützt ist. Hinten ist in der Richtschiene c eine Schneckenwelle M
gelagert, deren Gänge in an dem Geschützrohr angeordnete Gänge eingreifen. Hat man
also dem Geschütz durch Stellen der Protze oder des Laffetenschwanzes die ungefähre
Seitenrichtung gegeben, so kann man das Rohr A durch
Drehen der Schnecke M genau auf das Ziel einstellen.
Dabei drehen sich Rohr und Wiege um den Pivotzapfen der letzteren. Die Höhenrichtung
des Rohres A erfolgt mittels des Handrades L, welches durch Schnecken und Schneckenräder mit den
Zahn bogen K verbunden ist. Die Ausrüstung der Laffete
ist im Uebrigen die bekannte. Um nun beim Abfeuern des aufgeprotzten Geschützes den
Rückstoſs der Laffete auf die Protze zu vermindern und gleichzeitig den Rücklauf
beider zu hemmen, werden die Protzenräder beim Rückstoſs selbstthätig gebremst. Zu
diesem Zweck ist an der Protzenachse ein Rahmen O
angebracht, in welchem die Bremsarme d für die
Protzenräder gleiten können. Diese Arme sind mit zwei Cylindern mit je einer starken
Pufferfeder versehen, vor welchen ein ebenfalls in dem Rahmen O gleitender Balken N1 liegt, der den Protznagel N trägt. Wird nun bei aufgeprotztem Geschütz, wobei die Protzöse der
Laffete an dem Protznagel N hängt, ein Schuſs
abgefeuert, so wird der Balken N1 nach hinten geschoben; derselbe drückt hierbei
zuerst die Pufferfedern zusammen, so daſs der Stoſs der Laffete auf die Protze ein
elastischer ist, und diese Pufferfedern wirken auf eine Zurückdrängung der Bremsarme
d hin, so daſs die Bremsbacken Q fest gegen die Protzenräder gedrückt werden und eine
Drehung dieser erschweren, was gleichbedeutend mit der Hemmung des Rücklaufes ist.
Nach stattgehabtem Rücklauf wird die Laffete von den Pufferfedern wieder
vorgeschoben und die Bremsbacken Q von einer besonderen
Feder von den Bremsrädern abgedrückt.
Es ist einleuchtend, daſs ein derartig gebautes Geschütz nicht dieselbe Stabilität
hat wie eines unserer deutschen Feldgeschütze. Zweifellos kann es aber mehr als 3
mal mehr Schüsse abgeben als dieses, und gerade dieser Umstand dürfte in heutiger
Zeit, wo derjenige am meisten Aussicht auf den Sieg hat, welcher dem Feind das
meiste Eisen in gleicher Zeiteinheit entgegenschleudern kann, von entscheidender
Bedeutung sein. Aus diesem Grunde ist man in Deutschland auch zum Repetirgewehr
übergegangen, trotzdem es anerkannt nicht dieselbe Kriegstüchtigkeit und Stabilität
wie das deutsche Militärgewehr M/71 hat. Bemerkt sei noch, daſs Kartätschgeschütze,
welche einen Hagel von kleineren Geschossen (gleich oder etwas gröſser als das
Gewehrgeschoſs) feuern, bereits in vielen Armeen, besonders den kolonialen Heeren
der europäischen Staaten eingeführt sind. Auch groſskaliberige Hotchkiss-Revolver-Geschütze (57mm) haben bereits Verwendung gefunden.
Stn.